Die Ruhe vor dem Sturm

Meine ewige Dankbarkeit gilt Tegan und Catz für's Probelesen noch in der Entstehungszeit (Hilfe, waren es wirklich über drei Monate?!) und natürlich an Kitty und Aisling für eine gründliche Beta am Endprodukt. Sowohl der Story wie auch mir geht es jetzt wesentlich besser. :)


Das sterbende Feuer warf vage, flackernde Schatten auf Wände und Boden. Nach langem, von Anfang an schon zu ihren Gunsten entschiedenen, Kampf nahm die ewige Kälte Britanniens den Raum wieder in Besitz und Arthur versuchte, noch einige Momente länger die Wärme in seinem Lager zu halten, bevor er das Feuer wieder zu neuem Leben erweckte. Es dauerte nicht lange, bis er mit einem leisen Seufzen kapitulierte und sich langsam und widerwillig erhob. Bei Gott, wie er diese Kälte hasste! Nicht, dass er sie nicht gewohnt war - von Kindesbeinen an kannte er, einige glorreiche Jahre in Rom einmal ausgenommen - nichts anderes, aber das bedeutete noch lange nicht, dass er sie auch mochte.

Während er neben der Feuerstelle kniete und er mit einigen trockenen Ästen versuchte, die Flammen wieder zu entfachen, wanderte sein Blick rastlos durch den Raum. Nur noch ein, zwei Stunden bis Sonnenaufgang, schätzte er. Gedanken an den nächsten Tag hielten ihn wach, genauso wie auch schon in den Nächten zuvor.

Die leisen Geräusche der Nacht drangen nach und nach zu ihm durch... das Schnauben der Pferde im nahe gelegenen Stall, das Klirren der Rüstungen der diensthabenden Wachen, der ferne Schrei einer Eule. Die vertrauten, leichten Schritte Lancelots, der wieder einmal schlaf- und rastlos durch die Nacht wanderte, auf der Suche nach Gott-allein-wusste was. Arthur wusste jedenfalls nicht, nach was er suchte und er hatte den starken Verdacht, dass Lancelot ebenfalls im Dunkeln tappte.

Von einem Augenblick zum nächsten hielt er es nicht mehr aus. Die Kälte, das Alleinsein und die Müdigkeit, die ihn in letzter Zeit nie mehr verließ, wo ihm die Gnade des Schlafs verwehrt blieb. Ein rascher Griff nach seinem Umhang und Arthur war auf der Suche nach Lancelot, etwas Gesellschaft und Unterhaltung suchend.

Er musste nicht lange suchen - kaum, dass er den weitläufigen Hof des Kastells betreten hatte, sah er Lancelots Silhouette. Der andere Mann stand absolut regungslos auf der Mauer, das Gesicht nördlich, in Richtung der Wildnis jenseits des Walls gewandt.

"Weißt du, was ich sehe?", fragte Lancelot leise, kaum, dass Arthur zu ihm gekommen war. Er zeigte keinerlei Überraschung, schien Arthurs Gesellschaft einfach als gegeben, wenn nicht gar selbstverständlich, anzusehen.

Arthur zuckte hilflos mit den Schultern und warf Lancelot einen abschätzenden Blick zu. Er konnte sich es des Eindrucks nicht erwehren, dass sich jetzt, inmitten einer Winternacht, ihrer beiden Rollen vertauscht hatten. Normalerweise war er es, der solche Fragen stellte und seinen in der Realität fest verankerten Freund damit verwirrte. "Den Wald?", fragte er schließlich hilflos. Oder die Zukunft? Ihn packte, genauso wie all seine Rittern, beim bloßen Gedanken an die Reise, die sie bei Morgengrauen antreten würden, das pure Grauen. Was sie aber nicht davon abhalten würde, Roms Befehle auszuführen.

Arthur schloss die Augen, atmete tief ein und versuchte, jeden Gedanken an den Antoniuswall für einige Momente aus seinen Geist zu verbannen. Vergeblich. Der Antoniuswall - vor Jahrhunderten erbaut und kurz darauf wieder aufgegeben, als Rom den Hadrianswall zur endgültigen Grenze der Provinz Britannia machte. Den anderen, nördlicheren Wall hatte seit Generationen kein Römer mehr gesehen. Nun, das würde sich ändern. Arthur öffnete seine Augen wieder und kämpfte nicht länger sinnlos gegen seine Gedankengänge an.

Er wandte sich gerade rechtzeitig um, um Lancelots bitteres Lächeln zu sehen. "Nicht ganz", sagte er. Für einige Momente schwieg er und Arthur überlegte gerade, wie er die Stille brechen konnte, als Lancelot von selbst weiter sprach: "Ich sehe Kampf und Tod." Arthur zuckte zusammen, zwang sich jedoch dazu, nichts darauf zu erwidern. "Ich sehe ein fremdes Land", fuhr Lancelot noch immer leise aber mit kaum unterdrückter Wut in der Stimme fort, "fern meiner Heimat, fern von allem, was mir etwas bedeutet. Ich sehe das Land, in dem ich sterben werde."

Wenn die ersten Worte den Dolch, der seit Jahren in Arthurs Herz saß, brutal noch tiefer stießen, waren es die letzten, die ihn töteten. "Lancelot...", begann er, doch er hatte keine Ahnung, was er weiter sagen sollte. Es gab nichts zu sagen, so einfach war es. Es stimmt nicht. Du wirst nicht sterben. Du wirst nach Sarmatien zurückkehren. Alles hohle Worte, wie Arthur nur allzu gut wusste. Ihm war, genauso wie auch Lancelot, klar, dass die Chance, dass sie beide das Ende ihrer Dienstzeit, die noch immer in unerreichbarer Ferne lag, erleben würden verschwindend gering war. Ein Jahr noch... und wie oft, in den vergangenen zwölf, waren sie beide nur durch einen glücklichen Zufall dem Tod entronnen? Und wie viele von seinen Männern hatte er verloren? Zu viele - und es würden noch mehr werden, die gegen ihren Willen den höchsten Preis für Rom zahlen würden. "Ist es das, was dich nachts wach hält?" Gott wusste, Gedanken wie diese waren mehr als genug, um einem Mann den Schlaf zu verleiden. Er selbst hatte schon mehr als einmal gegen das Alptraumbild eines toten Lancelot inmitten eines leichenübersäten Schlachtfeldes ankämpfen müssen.

Lancelot beugte sich nach vorne und stützte sich mit beiden Unterarmen auf der Mauer ab. Er warf Arthur einen kurzen Blick zu. "Unter anderem", sagte er schließlich und Arthur erkundigte sich nicht weiter. Stattdessen trat er etwas näher - nahe genug um Lancelots Wärme spüren zu können. Nahe genug, dass sich die kleinen Dampfwolken ihres Atems miteinander vermischten. Einige Minuten verharrten sie regungslos bevor Lancelot leise seufzte und den Kopf in den Nacken fallen ließ. "Ich hasse es. Du hast keine Ahnung, wie oft ich am liebsten mein Pferd satteln und in den Wald reiten würde, nur um es endlich hinter mich zu bringen."

Arthur erschauderte und hatte auch diesmal keine wirkliche Antwort parat. Dieser Lancelot, der sich ihm hier und jetzt präsentierte, war jemand, den er bisher nur sehr selten getroffen hatte - und der ihn doch jedes Mal hoffnungslos verwirrt und verängstigt hatte. "Wenn du das tust", sagte er schließlich, "kannst du dir sicher sein, dass ich gleich hinter dir bin."

"Das ist genau das, was ich befürchte." Für einen Moment trafen sich ihrer beiden Blicke, bevor Arthur wieder den Wald studierte und versuchte, das Selbe wie Lancelot zu sehen. Vergeblich. Er sah den Wald und dahinter nichts mehr; Erschöpfung sei Dank. Trotzdem konnte er sich das Bild, das sich Lancelot bot, nur allzu gut vorstellen - Arthur sah Tod und Verzweiflung, sobald er am Abend die Augen schloss und Ruhe zu finden versuchte... den Tod seiner Ritter, den seiner Freunde, den von Pikten, den von Römern. Den Lancelots. Seinen eigenen. Britannien und Rom - verfeindet wie sie auch sein mochten - würden beide nicht eher ruhen, bevor nicht auch noch der letzte sarmatische Ritter hier gestorben und begraben war.

Gedanken wie dieser, verbunden mit den unendlichen Pflichten eines Lagerkommandanten, waren mehr als genug, um ihn nicht mehr als ein paar kostbare Stunden pro Nacht schlafen zu lassen - und selbst die waren oft unterbrochen und brachten keinen Frieden. Wie blind war er eigentlich, dass ihm nicht aufgefallen war, dass er nicht der Einzige war, der den Preis für ihr Hiersein zahlte? Römische Ideale? Oh ja, Arthur glaubte daran, mit der gleichen felsenfesten Überzeugung wie auch an Gott, doch Britannien hier stellte seinen Glauben an beides auf eine äußerst harte Probe.

Als ob er seine Gedanken gelesen hätte, durchbrach Lancelots Stimme Arthurs Gedankengänge. "Du bist nicht der Einzige, der sich Gedanken macht. Bloß der, der sie am offensten zeigt." Die letzten Worte waren kaum mehr als ein Flüstern und Arthur sah gerade rechtzeitig zur Seite um zu sehen, wie Lancelot sich von der Mauer abstieß - nur um einen Moment später leicht zu taumeln. Ein schneller Griff und Arthur hatte Lancelot am Arm gepackt und hielt ihn somit auf den Beinen. "Verdammt", fluchte Lancelot leise. Es war klar, dass es pure Müdigkeit war, die ihm derartig zu schaffen machte.

"Wann hast du das letzte Mal geschlafen?" Sorge ließ die Frage weitaus harscher klingen, als sie eigentlich gedacht war, doch Lancelot schien es entweder nicht zu bemerken oder aber zu ignorieren.

Er zuckte leicht mit den Schultern. "Vor ein paar Tagen?" Es klang alles andere als sicher. Das - zusammen mit dem unbekümmerten, herausfordernden Ausdruck in seinen Augen - entschied die Sache für Arthur. Zur Hölle mit Schlaf, dazu war die restliche Nacht ohnehin zu kurz.

"Komm mit", befahl er, diesmal aber schon wesentlich sanfter. Noch bevor Lancelot wirklich darauf reagieren konnte, dirigierte Arthur ihn schon vom Wall zurück hinunter auf die Erde. Er sah davon ab, den anderen Mann verbal zurechtzuweisen - welches Recht hatte er darauf, nachdem er selbst auch nicht besser war? - sondern beschränkte sich darauf, Lancelot in Richtung der Gebäude zu drängen. Dieser ließ es mit einem leicht ironischen Lächeln geschehen. Arthur hegte keinen Zweifel daran, dass Lancelot ihm nicht folgen würde, wäre er nicht einverstanden... und wenn das ganze Lager dabei aufwachen sollte.

"Das ist nicht der Weg zu meinem Quartier."

Nein, war es nicht. Arthur lächelte ob es leicht unsicheren Tons, der sich in Lancelots Stimme geschlichen hatte. "Du wirst auch nicht dorthin gehen", sagte er schließlich. Etwas in seiner Stimme musste ihn verraten haben, denn Lancelots plötzliches harsches Ausatmen sprach Bände. Ansonsten war er still und jeder Rest von Zögern verschwand, als er etwas näher trat, bis ihrer beider Seiten sich berührten.

Lancelot kannte - genauso wie auch Arthur - jeden Schritt dieses ganz besonderen Tanzes auswendig. Noch während er sich sanft gegen Arthur drückte, vergewisserte er sich mit einem schnellen Blick in alle Richtungen, dass keine anderen nächtlichen Wanderer unterwegs waren und die Legionäre, die zum Wachdienst eingeteilt waren, nicht hier waren. Ob sie in einem anderen Abschnitt oder der Taverne waren, war Arthur im Moment mehr als egal, trotzdem merkte er es sich. Nach dem Morgengrauen würde er sich darum kümmern. Nach einer eigenen, ebenso schnellen Kontrolle ließ Arthur seine Hand wandern, bis sie in Lancelots Nacken lag. Sie hatten mittlerweile den Eingang zum Hauptgebäude, in dem auch sein Quartier lag, so gut wie erreicht. Leichter Druck hielt Lancelot zurück, bis die Tür hinter ihnen zugefallen war. Kaum, dass die Außenwelt ausgesperrt war, ließ Lancelot seinen Kopf zur Seite fallen und sah Arthur aus halbgeschlossenen Augen herausfordernd an. Jede Spur von Müdigkeit war aus ihm gewichen, gleich wie auch bei Arthur selbst. "Es ist lange her", sagte er schließlich. Noch bevor Arthur eine Antwort darauf geben konnte, lehnte er sich vor und presste ihre Lippen aufeinander. Der Kuss war sanft, fast scheu - kein Vergleich mit der wilden und fast schon brutalen Art, die Lancelot bisher in solchen Nächten gezeigt hatte.

Zu lange, dachte Arthur, brachte aber nicht die Energie auf, die Worte auch zu sprechen. Stattdessen stieß er Lancelot fast schon ein wenig zu heftig von sich weg. Überraschung und ein Hauch von Unsicherheit blitzte für einen Moment in dessen Augen auf, doch es dauerte nicht lange, bis er verstanden hatte.

Wenn sie jetzt weitermachten, schafften sie es nie mehr in Arthurs Schlafraum, wo ein zumindest halbwegs komfortables Bett und ein warmes Feuer auf sie warteten. Obwohl, und darüber dachte Arthur nach, während er sich von einem sichtbar ungeduldigen Lancelot führen ließ, schien das hier heute nicht zu einem ihrer üblichen Treffen zu werden - dafür war schon Lancelots ungewohnt zärtlicher Kuss ein Zeichen. Er hatte keine Ahnung, was genau es werden würde, doch er war mehr als willens, es herauszufinden.

Ein harter Fußtritt, diesmal von Arthur, ließ die letzte Tür zufallen. Das Krachen war noch nicht einmal richtig verhallt, als Lancelot schon den halben Raum durchquert habe. "Ich habe kein gutes Gefühl, was morgen betrifft", verkündete er plötzlich.

Ein bitteres Lachen entkam Arthur. "Du bist nicht der Einzige." Er wollte mehr sagen, konnte es jedoch nicht.

"Halt." Lancelots Hand legte sich auf Arthurs Mund und sein Blick machte deutlich, dass er nichts mehr hören wollte. Arthur nickte; er hatte verstanden. Ein leichtes Lächeln war Lancelots Reaktion darauf. Was gab es auch noch zu sagen, das nicht bereits hunderte von Malen erwähnt worden war? Mit einer schnellen Bewegung wandte er sich wieder von Arthur ab und nahm mit einem zufriedenen Lächeln das Feuer wahr. Ohne weitere Zeremonie löste er die Bänder seines Hemdes und ließ es zu Boden fallen.

Sanfter als sonst? Ja, vielleicht. Was aber nicht bedeutete, dass das hier einer Nacht mit einer Frau gleichkam. Arthur folgte Lancelots Beispiel und entledigte sich mit schnellen Bewegungen seines Umhangs, Stiefeln und Hosen. Währendessen beobachtete er, wie das Feuer Schatten auf Lancelots Haut warf. Sein Gesicht war fast nicht zu erkennen, umso deutlich konnte Arthur jedoch die Spuren, die ein sadistischer römischer Lagerkommandant auf seinem Rücken hinterlassen hatte, sehen. Noch bevor er sich dessen bewusst war, hatte er die Entfernung zwischen ihnen beiden überwunden und berührte sachte das Narbengewebe, das Lancelots Rücken zeichnete. Es war nur eine sanfte Berührung doch Lancelot reagierte darauf mit einem leichten Zusammenzucken, das allerdings weder mit Schmerz noch mit Angst zu tun hatte, ganz im Gegenteil. Arthur hatte schon früh erkannt, dass Lancelot extrem berührungsempfindlich war... Verletzungen machten ihm nicht viel aus, doch sobald man ihn sanft berührte, wie einen Geliebten, erinnerte er noch mehr an eine halb gezähmte Raubkatze, als er es ohnehin schon tat.

Mit einem leisen, undefinierbaren Geräusch lehnte Lancelot sich zurück und fast von selbst schlossen sich Arthurs Arme um seine Taille. Ein ersticktes, fast unwilliges Knurren zeigte ihm, dass Lancelot nicht wirklich damit einverstanden war, dass die sanfte Berührung geendet hatte, doch sonst tat er nichts und wartete ruhig auf was auch immer Arthur zu tun gedachte. So selten sie auch zueinander fanden war diese ruhige Unterwerfung Lancelots noch weitaus ungewöhnlicher. Während Lancelot mit geschlossenen Augen gegen Arthur gelehnt dastand, wanderten dessen Finger weiter über Lancelots Taille und Bauch, weiter hinauf bis zum Brustkorb und auf den Seiten wieder hinunter, bis sie schließlich auf Leder trafen. Dort verharrte Arthur einen Moment und genoss das Gefühl eines leicht zitternden Lancelots in seinen Armen, bevor sich die Finger seiner rechten Hand schließlich langsam unter das Material der Hose schoben - nur um dort abermals zur Ruhe zu kommen. Keine wirkliche Reaktion von Lancelot folgte, wenn man von seiner plötzlich heftigeren Atmung absah. Er stöhnte leicht, als er seinen Kopf sachte nach hinten fallen ließ und seine Wange gegen Arthurs drückte. Arthur lächelte leicht, während seine linke Hand damit beschäftigt war, Lancelots Hose endlich aus dem Weg zu bekommen. Er selbst war erregt, fast schon am Ende seiner Selbstbeherrschung aber er wusste auch, dass er noch etwas bessere Kontrolle über sich selbst hatte als Lancelot. Nach ewig scheinender Zeit war das störende Leder endlich aus dem Weg und Arthurs Finger schlossen sich um Lancelots Erektion und übten sanften Druck aus. Eine Mischung aus Knurren und Stöhnen - das sich unmittelbar auf Arthurs eigene Erregung auswirkte - quittierte die Geste. Von einem Moment auf den anderen verlor Lancelots Körper jeden Rest von Anspannung und für einen Augenblick war es nur Arthurs Kraft alleine, die sie beide aufrecht hielt.

"Verdammt, Arthur...", kein wirkliches Keuchen, doch eindeutig atemlos. Arthur lachte leise, während er mit seiner anderen Hand sanft über Lancelots Bauch fuhr. Ihm selbst ging es kaum besser, doch Jahre langes Training erlaubte es ihm, seinen Körper unter Kontrolle zu halten... oder zumindest mehr Kontrolle, als Lancelot sie aufbrachte, was nicht viel bedeutete.

"Geduld", flüsterte er die Worte, die er schon so oft gedacht, aber noch nie zugegeben hatte - nicht einmal vor sich selbst, geschweige denn Lancelot oder einem anderen Menschen. "Du gehörst jetzt mir." Für einen Moment erstarrte Lancelot in seinen Armen, doch dann entspannte er sich wieder.

"In deinen Träumen", antwortete er, obwohl sie beide wussten, dass Arthur die Wahrheit gesagt hatte. Zu stumme Unterwerfung - sowohl im Feld wie auch im Bett - mochte Lancelot bereit sein, doch es auch zugeben? Niemals. Genau das war es, was ihm die Narben eingebracht hatte, die Arthur jetzt mit Lippen und Zunge erforschte. Die Wunden waren lange verheilt, doch ihre Überreste waren mehr als genug, um Arthur seine Inkompetenz vor Augen zu führen. Er zwang sich dazu, alle Gedanken an die Vergangenheit zu verdrängen und sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Lancelot seufzte zufrieden und löste sich langsam aus Arthurs Umarmung. "Komm her", murmelte er, während er Arthur im Nacken packte und ihn damit ein wenig nach unten drückte, um ihn küssen zu können. Arthur war es gewohnt, den Kopf neigen zu müssen, doch er wusste auch, dass Lancelot dabei jedes Mal aufs Neue einen Kampf mit sich selbst ausfocht. Er war es weder gewohnt, noch war er bereit zu akzeptieren, nicht der Größere wie auch Stärkere zu sein.

Sein Leben lang hatte er gegen die rebelliert, die genau das waren, und Arthur sah es als eines der größten Geschenke an, dass Lancelot dazu bereit war, bei ihm nachzugeben und ihn hinter seine Schutzwälle zu lassen. Und Arthur war stärker, zumindest im körperlichen Sinne. Hätte er gewollt, hätte er keine Probleme damit, Lancelot unter seine Kontrolle zu bringen... wäre da nicht die geradezu unheimliche Schnelligkeit von Lancelots Reflexen und seine Tendenz, sich an keine - aber auch schon gar keine - Regeln zu halten.

Als wolle er Arthurs unausgesprochene Gedanken bestätigen, drängte sich Lancelot für einen Moment noch enger an ihn und stahl sich noch einen letzten kurzen Kuss bevor er mit einer blitzschnellen Bewegung erst zur Seite trat und Arthur dabei nach vorne riss. Überrascht verlor er das Gleichgewicht, während Lancelots Körper ihn daran hinderte, seinen Fall richtig abzufangen.

Zwar landete er auf dem Stroh und den Fellen seines Lagers, trotzdem war die Landung unsanft und ungeschickt genug, um ihm die Luft aus den Lungen zu pressen. Noch bevor er auch nur versuchen konnte, wieder Luft zu bekommen, drückte ihn Lancelots Gewicht noch tiefer hinunter. "Wer hat jetzt die Kontrolle, hm?" Ein Hauch von Humor klang in Lancelots Stimme mit, doch sie war derart leise und rau, dass Arthur ihn kaum mitbekam. Halbherzig versuchte er, Lancelot von seinem Rücken zu bekommen, um sich umzudrehen, doch ohne Erfolg. Mit einem mentalen Schulterzucken ergab er sich für den Moment. Nachdem die Anspannung aus seinem Körper gewichen war, verharrte Lancelot noch einige Momente an Ort und Stelle bevor er sich mit den Armen in die Höhe stemmte und neben Arthur hinkniete, der mittlerweile auf den Rücken gerollt war.

Als Lancelot sich nach einigen Momenten noch immer nicht rührte und - so schien es Arthur zumindest - nicht einmal mehr atmete, brach er das Schweigen: "Was ist?"

Er spürte, dass Lancelot etwas beschäftigte, hatte jedoch keine Ahnung, was es sein könnte. Er dachte schon, dass er keine Antwort erhalten würde, doch dann murmelte Lancelot: "Es ist falsch."

"Was?", wiederholte Arthur, hin und her gerissen zwischen Frustration, Ungeduld und einem Hauch von Angst.

"Das hier." In einer vagen Geste deutete Lancelot auf Arthur, doch dieser verstand nicht. Sein Blick musste seine Verwirrtheit gezeigt haben, denn Lancelot seufzte leise. "Du", murmelte er schließlich. "Deine Haltung... es ist nicht richtig. Verdammt, ich drücke mich nicht richtig aus!" Frustriert warf Lancelot den Kopf in den Nacken und schloss für einen Moment die Augen. "Vergiss', dass ich etwas gesagt habe, in Ordnung?"

Entgegen seiner Natur tat ihm Arthur diesmal gerne den Gefallen. Zu unsicher war er in Gegenwart dieses Mannes, der auf der einen Seite der Lancelot war, den er seit Jahren kannte und liebte - aber auf der anderen Seite wusste er mit jener seltsamen Stimmung, in der sich Lancelot nun gerade befand, absolut nichts anzufangen.

Es ist falsch, hallten Lancelots Worte in seinen Gedanken wieder. Leicht verärgert über sich selbst, weil er sie sich derart zu Herzen nahm, schüttelte Arthur den Kopf. Schluss damit. Jetzt war nicht der Zeitpunkt, sich den Kopf zu zerbrechen - dafür hatte er am Morgen und in den folgenden Tagen noch mehr als genug Zeit.

Er blieb zwar ruhig liegen, hob jedoch einen Arm und berührte leicht Lancelots Wange. "Wenn es falsch ist, dann bring es in Ordnung", forderte er leise und mit einem leichten Lächeln. Lancelot schien für einen Moment verwirrt - er war es nicht gewohnt, dass Arthur ein Thema einfach kommentarlos fallen ließ - doch er fing sich schnell wieder und erwiderte Arthurs Lächeln mit einem schnellen Grinsen.

"Dein Wunsch ist mir Befehl", murmelte er und drückte seine Wange etwas fester gegen Arthurs Handfläche. Seit wann?, fragte Arthur sich, hütete sich allerdings, die Frage laut zu stellen. Die Stimmung heute war viel zu entspannt und verspielt, um sie durch dumme Fragen aufs Spiel zu setzen. Arthur strich leicht über Lancelots Wange, weiter über seine Lippen und den Hals, bis er mit seinen Fingern jeden Herzschlag Lancelots spüren konnte. Er wusste, wie diese Nacht enden würde. Die Frage war nur, wie lange Lancelot brauchte, um es auch zuzulassen. Jede gemeinsame Nacht war eine Herausforderung. Jedes Mal gab erneut den stillen Kampf des Willens, an dessen Ende letztendlich doch immer Lancelots absolute Kapitulation stand.

Von wenigen Minuten bis hin zu scheinbaren Stunden hatten sie schon alles gehabt.

Offenbar würde es heute nicht lange dauern. Kaum, dass Arthurs Finger ihre sanfte Erkundung begonnen hatten, hatte Lancelot die Augen geschlossen. Wäre er eine Katze, dessen war Arthur sich absolut sicher, hätte er geschnurrt. So aber beschränkten sich seine Reaktionen darauf, dass er mit einer einzigen fließenden Bewegung seine sitzende Haltung zugunsten einer liegenden aufgab, sowie einem leisen, zufriedenen Seufzen.

Arthur beherrschte sich diesmal und verzichtete darauf, die Narben auf Lancelots Rücken der Reihe nach zu berühren... jede einzelne davon waren eine Erinnerung daran, dass er nicht da gewesen war, als er am meisten gebraucht wurde. Die Schuld, die diese Erinnerungen eigentlich bringen sollten, war längst einer tiefen Traurigkeit und Bedauern gewichen - Lancelot hatte dafür gesorgt, was ein langer und nervenzerfetzender Prozess für sie beide gewesen war - doch sie waren noch immer so frisch wie an dem Tag, an dem er von einem einfachen Botenritt in einen Alptraum zurück gekehrt war. Mein, schoss ihm wieder durch den Kopf und der Gedanke gefiel ihm besser, als er es sich selbst eingestehen wollte.

Widerwillig wandte er sich leicht von Lancelot ab und tastete mehr oder weniger blind nach der Lampe neben seinem Lager. Er brauchte die Lichtquelle in den wenigen Stunden, die er in diesem Raum verbrachte, so gut wie nie, da das Licht, das die Feuerstelle spendete, mehr als ausreichend war. Trotzdem wurde sie hin und wieder gebraucht - so wie jetzt. Lancelot, der mit einem leichten Knurren seinen Unmut über Arthurs plötzliche Vernachlässigung kundgetan hatte, verstummte sofort, als er den Grund dafür sah. Er erwiderte Arthurs fragenden Blick mit einem herausfordernden, bevor er sich wortlos auf den Bauch drehte. Den Blickkontakt mit Arthur unterbrach er dabei zu keiner Sekunde. Der stille Kampf zwischen ihnen beiden dauerte noch immer an, obwohl der Sieger längst schon feststand und Lancelot seine Niederlage - wie immer - protestlos hinnahm.

Noch einmal fuhr Arthur Lancelots Wirbelsäule entlang und diesmal hinterließ er auch eine breite Spur dickflüssigen Lampenöls, das im schwachen Feuerschein glänzte und Lancelots Haut einen seltsamen Schimmer verlieh. Wie üblich zuckte Lancelot leicht zusammen, als Arthurs Finger weiter nach unten wanderten. Trotz aller Vorsicht konnte Lancelot einen leisen Laut des Unwohlseins nicht unterdrücken, als Arthurs Finger schließlich vorsichtig in ihn eindrang. Kein Wunder - so selten, wie Sex zwischen ihnen beiden war, war Lancelot jedes mal aufs neue verkrampft und nur durch viel Geduld konnte sein Körper dazu gebracht werden, Arthur in sich zu akzeptieren.

"Gleich", murmelte Arthur mehr zu sich selbst als Lancelot und brach damit das lange Schweigen.

"Sofort", korrigierte Lancelot, hier unüberhörbar genauso ungeduldig wie auch in allen anderen Belangen.

Trotzdem nahm Arthur sich noch ein paar Momente Zeit - weniger, als ihm eigentlich lieb waren, doch weder Lancelot noch er selbst wollten auch nur einen Herzschlag länger warten - bevor er Lancelot mit einer schnellen, fast schon brutalen Geste bedeutete, auf die Knie zu gehen. Es war ein deutliches Zeichen dafür, wie weit Lancelot schon abgedriftet war, dass er die rüde Geste nicht nur kommentarlos hinnahm sondern ihr auch sofort folgte.

Ein kurzes Anspannen von Lancelots Körper, ein leises, fast sofort unterdrücktes Aufstöhnen, während Arthur in ihn eindrang - und im nächsten Moment spürte Arthur auch schon, wie Lancelot heftig ausatmete. Es war nur einer kurzer Moment, den Lancelot seinem Körper gönnte, um sich anzupassen; denn kaum, dass Arthur wieder halbwegs zu Sinnen gekommen war, warf Lancelot ihm auch schon einen schnellen befehlenden Blick unter halbgeschlossenen Augenliedern zu. "Beweg' dich", formte er lautlos mit den Lippen und Arthur gehorchte fast sofort.

Es dauerte nicht lange, bevor Arthur die letzten Reste seiner Selbstkontrolle verlor und Lancelot folgte ihm fast augenblicklich. Umso länger jedoch brauchte Arthur danach, um wieder halbwegs zu Sinnen zu kommen. Er hatte keine Ahnung, wie lange er genau in dieser Haltung verbrachte - dicht an einen an Ort und Stelle regelrecht zusammengebrochenen Lancelot gepresst, noch immer in ihm. Ein kalter Luftzug war es schließlich, der ihn dazu trieb, sich in die Höhe zu quälen und nach einer Decke zu tasten. Lancelot quittierte den Verlust des Körperkontakts mit einem unwilligen Knurren, bevor er sich langsam auf den Rücken drehte. Die Augen hatte er geschlossen doch Arthur wusste, dass er nicht schlief. "Es ist kalt", bemerkte er schließlich.

Arthur verstand den Wink und warf einen hilfesuchenden Blick nach oben, bevor er die Decke über Lancelot warf. Die offenbar nicht genug war. "Arthur." Ein einziges Wort, gesprochen in einer Mischung aus Bitte und Befehl. Gleichzeitig spürte Arthur Lancelots Finger, die sich um sein Handgelenk schlangen und ihn sanft aber bestimmt hinunter zogen. "Wir haben noch ein paar Stunden bis Sonnenaufgang", sagte Lancelot. "Lass' sie uns einmal gemeinsam verbringen." Wir wissen beide nicht, was die nächsten Tage bringen, hörte Arthur die unausgesprochenen Worte. Ein bissiger Kommentar - Du willst bloß nicht aus dem warmen Bett in die kalte Nacht hinaus - kam ihm in den Sinn, doch Arthur beherrschte sich. Er wusste zu gut, warum Lancelot wirklich bleiben wollte.

Doch trotzdem… das Risiko der Entdeckung einzugehen, nur um noch einige Stunden mit Lancelot verbringen zu können? Arthur hegte keinen Zweifel daran, dass die anderen Ritter über sie beide Bescheid wussten, doch der Rest der Garnison wusste es nicht; ansonsten hätten die Kommandeure der anderen Stützpunkte am Wall ihn unter dem Deckmantel der Religion schon längst an Rom verraten und damit sowohl ihn selbst wie auch seine Männer hilflos einem wenig gnädigen Schicksal ausgeliefert.

"Du denkst schon wieder, anstatt zu handeln", riss ihn Lancelots tadelnde Stimme aus seinen Gedanken. "Denk' an nichts, tu' es einfach, wie du es auch in der Schlacht tust."

Ich kann nicht. Die Worte lagen Arthur auf der Zunge, doch der fast schon resignierte Ausdruck in Lancelots Augen verhinderte, dass über sie über seine Lippen kamen. Stattdessen zwang er sich dazu, an absolut nichts zu denken und schloss für einen Moment die Augen. Ein kurzes Nicken, zu mehr war er nicht fähig. Doch es reichte, um Lancelot ein strahlendes Lächeln, glücklicher als er es seit langer Zeit gesehen hatte, zu entlocken. Ich kann über meinen eigenen Schatten springen, dachte er sich, Ich hoffe bloß, dass ich es morgen nicht bereuen werde.

Wie von Lancelot verlangt, ließ er sich rein von seinem Instinkt leiten, als er sich nach unten beugte, um Lancelot noch einen Kuss zu geben. Die heutige Nacht war anders als alle zuvor verlaufen - und das nicht nur, weil Lancelot zum ersten Mal nicht sofort nach dem Sex wie ein Dieb in die Nacht verschwunden war - und Arthur kam um das Gefühl nicht umhin, dass sich ab jetzt alles ändern würde. Er wusste nicht, woran genau es lag, aber er spürte, dass alte Grenzen verschoben worden waren und der Blick, der Lancelot ihm jetzt zuwarf - halb zufrieden, halb zweifelnd mit einem Hauch von Angst vermischt - zeigte deutlich, dass der andere Mann sich dessen auch bewusst war.

"Mein", murmelte Lancelot - so leise, dass Arthur ihn kaum hörte - einen Augenblick, bevor ihre Lippen aufeinander trafen.

Er ließ das Wort, ein Echo seiner eigenen Stimme von vorhin, in seinem Geist widerhallen und nickte schließlich leicht. "Dein", bestätigte er schließlich.

Ein schneller Blick durch das Fenster verriet ihm, dass draußen noch immer die Nacht regierte und ein kühler Luftzug erinnerte ihn daran, dass das Feuer wieder am erlöschen war. Diesmal war es ihm egal. Mit einem nicht sonderlich sanften Stoß brachte er Lancelot dazu, sich etwas mehr zur Seite zu bewegen. Der darauf folgende Protest war kurz und nicht sonderlich ernst gemeint - kaum, dass Arthur sich neben Lancelot niederließ, drückte dieser sich auch schon an ihn, schlang einen Arm um Arthurs Taille und legte seinen Kopf auf dessen Brust.

"Und ich halte den morgigen Ausritt noch immer für puren Wahnsinn", sagte er, schon halb schlafend.

Arthur seufzte und ließ seine Hand auf Lancelots Rücken zur Ruhe kommen. "Ich weiß", erwiderte er und in dem einen Wort versteckten sich Zustimmung und Rechtfertigung gleichermaßen. "Wir werden es überleben", sagte er schließlich. So Gott will, fügte er in Gedanken hinzu. Ein leises Schnauben, auf das Arthur nicht mehr reagierte, war Lancelots Antwort darauf. Er drückte sich noch etwas fester gegen Arthur, der daraufhin seinen Halt noch etwas verstärkte, bis er spürte, dass Lancelot eingeschlafen war. Erst dann ließ er zu, dass auch er noch ein paar Stunden Schlaf fand.


16.02.2005
KA-Fiction