Spoiler von 01x01 (Rising) bis 01x15 (Before I Sleep).

Vielen, vielen Dank an Jimaine für eine schnelle und gründliche Beta und dafür, dass sie meinen Rodney nicht für OoC zu halten scheint. :) Der Titel stammt vom Dead Can Dance Album Within the Realm of a Dying Sun.

In the Wake of Adversity
© by Shendara

Tot. Tot. Tot. Er war tot.

Rein intellektuell gesehen war Dr. Weirs - er weigerte sich, sie als Elizabeth zu sehen - Geschichte der Traum eines jeden Wissenschaftlers, der sich auch nur annähernd mit alternativen Realitäten und/oder Zeitreisen beschäftigte. Rein intellektuell gesehen war Dr. Rodney McKay begeistert und neugierig und konnte es kaum erwarten mehr, beziehungsweise alles darüber zu erfahren.

Leider war sein Intellekt im Moment das Letzte, über das Rodney sich Gedanken machte; seine Gefühle beanspruchten jeden verfügbaren Platz in seinem Kopf. Und es war viel Platz, der sich ihnen da bot.

Tot. Ertrunken.

Bilder, eines schrecklicher als das andere, schossen ihm durch den Kopf und auch wenn er genau wusste, dass das Meiste - wenn nicht gar alles - davon pure Übertreibung war, gelang es ihm doch nicht ganz, sich so unter Kontrolle zu halten, wie er es gerne hätte. Aber wenigstens war er noch nicht völlig durchgedreht… Er konnte auf eine Wiederholung des Virus-Wahnsinns verzichten - schlimm genug, dass der Nanovirus ihn zu öffentlichen Panikattaken getrieben hatte, obwohl er zu dem Zeitpunkt bereits genau gewusst hatte, dass alles nur Einbildung war. Warum, zur Hölle, musste Weir auch mit einer derartigen erzählerischen Gabe gesegnet sein? Er konnte regelrecht sehen und spüren, wie das Stargate unter den Wassermassen begraben wurde, konnte sich nur zu gut vorstellen, wie er bis zum letzten Moment versucht hatte den Rest der Expeditionsmitglieder zu retten… natürlich erst, nachdem absolut und endgültig feststand, dass es für ihn selbst keine Chance mehr gab.

Stop. Er hatte keine Zeit für sinnlose Ängste bezüglich einer Vergangenheit, die es für ihn nie gegeben hatte. Egal, wie viele andere Rodney McKays in anderen Dimensionen ertrunken waren (oder von einem Wraith erwischt worden waren, oder bei denen die Gentherapie nicht angeschlagen hatte und sie an dem Virus gestorben waren oder für die der Schutzschild der Antiker nicht lange genug gehalten hatte und sie im schwarzen Nebel gestorben waren, et cetera, et cetera) er war es nicht, er war am Leben und das war das Einzige, das zählte.

Ich bin tot. Dead Man Walking. Es hatte keinen Sinn, Theorien und Fakten herunterzubeten; so genial sein Verstand auch sein mochte, vor seinen Gefühlen hatte er noch immer kapitulieren müssen. Einer, wenn nicht gar der Hauptgrund dafür, dass er ein derart arrogantes Benehmen an den Tag legte. Das und natürlich die Tatsache, dass er wirklich kilometerweit über allen anderen stand, was Astrophysik und die Technik der Antiker betraf.

"Rodney."

War das Sheppards Stimme, die da versuchte, ihn aus seiner Konzentration zu reißen? Rodney runzelte die Stirn und tippte noch etwas schneller, in der Hoffnung, dass der Major den nicht sonderlich subtilen Wink verstehen und ihn in Ruhe weiterarbeiten lassen würde. Der Bildschirm vor ihm zeigte die Ergebnisse der vergangenen dreizehn Stunden - er war so dicht davor, die erste von Weirs Stargate-Adressen zu aktualisieren und in das System einzugeben und er hatte nicht vor, sich jetzt von so etwas trivialem wie Unterhaltung aufhalten zu lassen. Er nahm sich einen Moment Zeit, um sich über die Antiker und deren genauso antike Gate-Adressen zu ärgern - und auch über die andere Dr. Weir, die in ihren Adressen die Planetenbewegungen der vergangenen zehntausend Jahre nicht miteinkalkuliert hatte. Ein Fehler, den weder er noch Samantha Carter begangen hätten.

Geistesabwesend - ein Drittel seiner Konzentration auf seine Arbeit, der Rest auf privates, sinnloses Theoretisieren über die verschiedenen Möglichkeiten seines Todes gerichtet - tastete er mit einer Hand zur Seite, auf der Suche nach dem letzten Schokoladenriegel, von dem er genau wusste, dass er hier zu liegen hatte. Mit Betonung auf letzter. Wie in: absolut letzter Schokoladenriegel in der Pegasus-Galaxie, es sei denn, Kakaobohnen hatten es auch bis hierher geschafft oder irgend jemand in Atlantis hatte noch einen Vorrat von der Erde mitgebracht, von dem er nichts wusste. Typisch, dachte er geistesabwesend, Mondschein hatten wir hier innerhalb eines Monats, aber Schokolade? Nix da.

Seine suchenden Finger fanden nichts und mit einem Mal war Rodneys Konzentration zerstört. Er sah auf, um Sheppard mit einem finsteren Blick zu fixieren. "Major? ", fragte er, klang jedoch zu seinem Ärger mehr resigniert denn sonst etwas. Er wusste, dass seine Menschenkenntnis so unterentwickelt war, wie seine Intelligenz überentwickelt, aber selbst er hatte schon vor längerer Zeit erkannt, dass alte und bewährte Verhaltensmuster bei Major John Sheppard einfach den Dienst versagten. Er seufzte und streckte ungeduldig die Hand aus, während sein Blick wieder zurück zum Display wanderte. Statt des - nicht wirklich erwarteten - Riegels landete jedoch etwas völlig anderes in seiner Handfläche. Das Stirnrunzeln kehrte zurück, als seine Finger sich automatisch um die in seiner Hand schlossen. Er blinzelte kurz, gab dann auf und lehnte sich in seinem Sessel zurück, um Sheppard besser ansehen zu können. Sheppard kam einen Schritt näher, um den Kontakt nicht zu unterbrechen und begegnete Rodneys Blick offen. Ungewöhnlich, die Wenigsten schafften das. Allerdings… die Wenigsten waren auch dazu bereit, ihn freiwillig zu berühren.

Sein Rücken und Nacken protestierten gegen die plötzliche Bewegung nach Stunden in der selben Haltung, doch dank jahrelanger Gewohnheit gelang es ihm, den Schmerz zu ignorieren. Er zwar zu müde, um eine Show daraus zu machen und außerdem hatte er den vagen Verdacht, dass er mit einer solchen nur in Sheppards Hände spielen würde. Hände. Das war das Stichwort. Etwas zu spät erinnerte er sich daran, dass es wohl besser war, wenn er Sheppards Hand wieder los ließ. Vielleicht - sogar wahrscheinlich - fiel sein Zurückzucken heftiger aus, als eigentlich beabsichtigt, doch auch diesmal folgte keine nennenswerte Reaktion.

"Wie lange arbeitest du schon?", fragte Sheppard schließlich und trieb mit der ungewohnt vertrauten Anrede Rodneys Augenbrauen in ungeahnte Höhen. Sheppard war nicht der einzige hier, der das Gesicht verziehen konnte.

"Seit einiger Zeit", antwortete er schließlich. Nur etwas über einen halben Tag, nicht eingerechnet der dreißig Minuten, in denen ich mir etwas aus der Messe besorgt habe, dachte er. "Auch wenn ich nicht nachvollziehen kann, inwiefern das von irgendwelchen Interesse für…", er stolperte kurz, "dich ist." Die persönliche Anrede hörte sich fremd an und hinterließ einen seltsamen Geschmack in seinem Mund. Nicht, dass er weiter darüber nachdenken würde. Er hatte Arbeit zu erledigen. Wichtige Arbeit. "Wenn ich jetzt also bitten dürfte..." Wieder streckte er seine Hand aus, Handfläche nach oben. "Ich möchte heute noch ins Bett."

"Dann geh'. Außerdem ist es schon Morgen."

Das Stirnrunzeln kam von selbst, genauso wie das kühle: "Tatsächlich?" Nur weil es schon zwei Stunden nach Mitternacht war… Er konnte sich nicht erinnern, wann das letzte Mal jemand so mit ihm gesprochen hatte - zumindest nicht mit etwas, das echte Besorgnis zu sein schien - und angesichts seines Talents sich derartige Dinge mit Datum und Uhrzeit zu merken, wollte das etwas heißen. "Ich kann mich nicht erinnern, Sie nach ihrer Meinung gefragt zu haben", sagte er und kehrte ohne Probleme wieder zum distanzierenden "Sie" zurück.

Sheppard seufzte, schien jedoch nicht bereit, aufzugeben. "Rodney", begann er und das eine Wort allein trieb ihn zurück auf die Palme, von der er eben erst den halben Weg wieder heruntergekommen war. Dieser Tonfall erinnerte ihn viel zu sehr an seine Eltern (bevor sie frustriert aufgegeben hatten, als er fünfzehn war) und andere Leute, die versucht hatten, ihn zu bevormunden.

Es war noch nie jemandem gelungen.

Allerdings hatte er es bisher auch noch nie mit einem derart formidablen Gegner wie John Sheppard zu tun gehabt. Ein Blick des Majors genügte und Rodney zögerte sogar einen Moment, bevor er seinen Blick - fast ein wenig widerwillig - wieder auf das Display richtete. Nur noch ein paar Minuten und er hätte es geschafft, das spürte er. Er hatte das Carter-Programm, das sie natürlich von der Erde mitgebracht hatten, erfolgreich mit den alten Sternkarten von Atlantis kombiniert und dann das ganze derart umgeschrieben, dass die Sternbewegungen und die Gate-Adressen simultan an die aktuellen Daten angepasst wurden. Eines nach dem anderen zu berechnen wäre einfacher gewesen, doch das hätte auch erheblich länger gedauert. Ganz abgesehen davon, dass das jeder Vollidiot hier geschafft hätte.

Dieses Programm hier dagegen… Rodney erlaubte sich ein kurzes, zufriedenes Lächeln. Ein Kunstwerk sondergleichen, es fehlte nur noch der dazu passende Name. Ein lautes Räuspern riss ihn aus seiner Euphorie und fast ein wenig überrascht warf er Sheppard einen Blick zu. "Was tun Sie noch hier?"

 "Mit dir reden. Dachte ich zumindest." Ein teils giftiger, teils resignierter Blick begleitete die Worte, bevor Sheppard mit einem Schulterzucken aufgab. "Deine Entscheidung. Du solltest nur wissen, dass wir heute um punkt acht Uhr eine Erkundungsmission eingeplant haben." Bewundernswert, wie Sheppard stur beim "du" blieb, trotz des starren, unfreundlichen Blicks, mit dem Rodney ihn fixierte. Fast schien es, als ob der Major ihn nicht einmal bemerkte… Nein, unmöglich, entschied er. Niemand bemerkte seine Blicke nicht, sie wurden höchstens ignoriert. Schlecht ignoriert, wohlgemerkt.

"Danke für die Information, Major", entgegnete Rodney. Er hob zwar nicht den Kopf, beobachtete Sheppard jedoch aus den Augenwinkeln. "Ich werde rechtzeitig da sein. Und jetzt habe ich Arbeit zu erledigen." Er wusste, dass er selbst für seine Verhältnisse schroff und abweisend war, doch er war noch immer zu aufgewühlt, um sich darüber wirklich Gedanken zu machen. Vielleicht würde später sein schlechtes Gewissen für einen Moment erwachen, doch dann würde - es wieder einmal - zu spät für Entschuldigungen sein. Die Geschichte meines Lebens.

Sheppard seufzte leise und schloss für einen Moment die Augen. "Ich habe es versucht", murmelte er schließlich, mehr zu sich selbst als Rodney. "Nur zu deiner Information: Ich lasse dich liegen, wo du umfällst." Mit diesen Worten drehte er sich um.

Rodney brauchte drei Sekunden - genug Zeit, um Sheppard fast bis zur Tür zu bringen - bevor seine Entscheidung gefallen war. Ein kurzer Gedanke und die Tür schloss sich vor Sheppard. Rodneys Respekt vor ihm stieg, als er nicht einmal zusammenzuckte, sondern bloß wie angewurzelt stehen blieb und die Aktion mit einem trockenen "Gutes Timing" kommentierte.

Rodney konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Pures Glück, dass es ihm diesmal gelungen war. Der ihm mittlerweile verhasste Jumper war nur die Spitze des Eisbergs, denn trotz Gentherapie hatte er noch immer seine Probleme mit der gedankengesteuerten Technologie von Atlantis. "Danke. Und jetzt bitte noch einmal von vorne." Er hielt kurz inne, um ein Gähnen zu unterdrücken und widerstand nur knapp der Versuchung, sich die Augen zu reiben. Verdammt, war er müde. Er braucht wirklich dringend Schlaf, wenn auch nur ein paar Stunden, so ungern er Sheppard in dieser - oder irgendeiner - Hinsicht Recht gab. Und das hier war der eine Mensch hier in Atlantis, mit dem er es sich wirklich nicht verscherzen wollte, auch wenn er sich im Moment nicht wirklich sicher war, warum nicht. "Warum bist du genau hier?" Die vertraute Anrede schien auf einmal passend, und das kurze Lächeln, das um Sheppards Mund spielte, gab ihm Recht.

"Ich wollte nach dir sehen."

"Einfach so?" Rodney konnte und wollte nicht glauben, dass nicht mehr dahinter steckte.

"Einfach so. Na ja, vielleicht nicht ganz."

Der leicht verlegende Gesichtsausdruck passte zu Sheppards jungenhaften Auftreten, entschied Rodney. Sheppard zuckte hilflos mit den Schultern, doch als er bemerkte, dass Rodney nicht dazu geneigt war, es ihm leichter zu machen, lachte er kurz auf und die Anspannung verschwand von einem Moment auf den nächsten. "Ich wollte sehen wie es dir geht, okay? Es war nicht leicht - für keinen von uns - zu hören, wie die Atlantis-Expedition ursprünglich zur Hölle ging. Und dein Gesicht, als sie von dem Wassereinbruch erzählte…" Er brach ab und schien nicht weiter zu wissen.

"Ich sehe es vor mir", sagte Rodney und überraschte sich damit selbst wohl am allermeisten. "Ich sehe das Wasser kommen, sehe die Anzeigen, sehe den Wasserspiegel steigen, das Stargate darunter verschwinden… ich höre das Schließen der Türen und ich weiß genau wie ich… wie er sich in dem Moment gefühlt hat, als er erkannte, dass es keine Chance mehr gibt. Für keinen von uns." Die Panik drohte wieder die Kontrolle zu übernehmen und diesmal war da kein Laptop und kein Programm, das seine Aufmerksamkeit ablenkte. Aber dafür war da ein Major und Rodney wollte verdammt sein, bevor er vor ihm die Nerven verlor. Vage war er sich seiner Sprünge zwischen "ihnen" und "wir" klar, doch es war ihm egal. Sheppard offenbar ebenfalls, wenn sein halb faszinierter, halb entsetzter Gesichtsausdruck irgendein Maßstab war. "Ich nehme an, dir geht es nicht so?"

Es dauerte einen Moment, bis Sheppard antwortete. "Nicht wirklich, nein", sagte er kopfschüttelnd. "Okay, klar, ich kann es mir irgendwie vorstellen - dazu hat Elizabeth einfach zu mitreißend erzählt - aber diese ganzen Details. Himmel, Rodney, das stellst du dir einfach so vor?"

"Nicht mit Absicht, dessen kannst du dir sicher sein", gab Rodney kühl zurück. Er versuchte mit einigen vorsichtigen Bewegungen seinen verspannten Muskeln zu lockern. "Was kann ich dafür, dass ich mit einer derart aktiven Phantasie gesegnet bin?" Die Lehrer, die mir immer Phantasielosigkeit unterstellt haben, sollten mich jetzt sehen. Vielleicht war es aber auch nur die ständige Bedrohung durch Wraith, Genii und akute Energieknappheit, zu der jetzt auch noch sein unrühmlicher Tod in einer anderen Zeitlinie gekommen war, die seine Phantasie auf Trab gebracht hatte. Bisher war diese nur mit mathematischen Problemen und Visionen von dem Tag, an dem sein Genie endlich weithin anerkannt wurde, beschäftigt gewesen.

Fast automatisch berührte er mit der linken Hand seinen rechten Unterarm, wo er unter dem Shirt die noch immer empfindliche Narbe von Kolyas Messer spürte.

"Verflucht, würde ich eher sagen", erwiderte Sheppard, doch es war so leise, dass Rodney vorgeben konnte; es nicht gehört zu haben. Sein Blick folgte Rodneys Hand und er verzog kurz das Gesicht. Die Erinnerungen an die Genii-Invasion waren noch immer zu frisch um auch nur darüber nachzudenken, geschweige denn, darüber zu sprechen. "Um zum vorherigen Thema zurück zu kehren: Ich wollte sehen, wie es dir geht und dich dabei gleich noch daran erinnern, dass auch ein Rodney McKay Schlaf braucht, wenn er zu etwas zu gebrauchen sein soll."

"Du hast also erwartet, mich hier zu finden?", fragte er, nicht sonderlich überrascht und ohne auf den Rest von Sheppards Worten einzugehen. Nein, trotz der Wut, die Sheppards Worte weckten, würde er jetzt keinen Streit vom Zaun brechen, dazu war er schlicht und einfach zu ko. Allein die arrogante Annahme, dass irgendjemand es für angebracht hielt, ihn daran erinnern zu wollen, was er brauchte und tun sollte… … zu gebrauchen sein soll. Was war er, bitteschön? Ein Gegenstand, der auf Wunsch zu funktionieren hatte? Er unterdrückte die vorwurfsvollen Fragen mit einiger Anstrengung und begnügte sich damit, Sheppard einen verachtenden Blick zuzuwerfen. Weder vergeben, noch vergessen, schwor er sich.

"Wann arbeitest du nicht?", kam die Gegenfrage, doch noch bevor Rodney antworten konnte, hob Sheppard abwehrend die Hand. "Keine Antwort darauf, bitte. Also, bist du bereit, mitzukommen, oder willst du warten, bis du im Sitzen einschläfst? Ich garantiere dir, dass das deinem Nacken nicht sonderlich gut bekommen wird."

Täuschte er sich oder lag wirklich so etwas wie ein Hauch von Besorgnis in Sheppards Blick? Eine optische Täuschung, mit Sicherheit, entschied er.

"Mitkommen? Wohin?" Er war bei weitem nicht so misstrauisch, wie er es eigentlich sein sollte, sondern neugierig. Bevor Sheppard antworten konnte, signalisierte ein kurzes Piepen, dass das Programm durchgelaufen und die erste Gate-Adresse berechnet hatte. "Heureka", murmelte Rodney, noch bevor er sich überhaupt richtig umgedreht hatte. Sheppard, Müdigkeit, seine Phantasie und alles andere war von einem Moment auf den anderen unwichtig und vergessen. Mit zwei schnellen Befehlen sicherte er die Daten, bevor er sich mit einem zufriedenen Lächeln zurücklehnte. "Das war die erste, bleiben noch vier." Vielleicht schaffte er es ja noch, den Ablauf etwas zu beschleunigen… Vor seinem geistigen Auge sah er schon die Algorithmen vor sich, wenn auch noch nicht so klar, dass er sie auch niederschreiben konnte. Noch nicht.

"Aber nicht jetzt", rief sich Sheppard wieder in seine Aufmerksamkeit zurück. Noch während er sprach, baute er sich vor Rodney auf und schloss den Laptop mit einer bestimmten Bewegung. Das leise Klicken, als das Display einrastete, klang wie ein Donnerschlag in der plötzlichen Stille. "Der erste Schritt ist getan, den Rest kannst du später erledigen - oder jemand anders. Grodin zum Beispiel. Das wäre eine Idee, oder?" Ein breites, völlig falsches Lächeln lag auf Sheppards Zügen, während er Rodney mit starrem Blick fixierte. Du gehst jetzt schlafen und wenn ich dich höchstpersönlich zu Bett bringen muss, versprach dieser Blick, und Rodney beschloss, dass es dieses Mal vielleicht besser war, wenn er gehorchte.

"Die Gate-Adressen…", begann er, weil es einfach nicht in seiner Natur lag, kampflos aufzugeben, wurde aber von Sheppard unterbrochen.

"… sind morgen auch noch da. Nachdem wir von der Mission zurückgekehrt sind. Nahrungsvorräte, neue Freunde - schon vergessen? Die brauchen wir dringend, erstere sogar noch dringender als ein ZPM."

Rodney enthielt sich jeden Kommentars in Richtung seiner heimlichen Vermutung, dass sie mit einem ZPM höchstwahrscheinlich überhaupt keine Versorgungsprobleme hätten. Seitdem er vor einigen Tagen ein paar höchst mysteriöse Pläne in den Datenbanken von Atlantis gefunden hatte, war er sich nämlich fast sicher, dass die Stadt, beziehungsweise ihre Bewohner sich selbst versorgen konnten. Eine komplette Energieversorgung vorausgesetzt natürlich.

Das war alles Zukunfts- und Wunschdenken und ob er die Gate-Adressen jetzt in den nächsten vierundzwanzig Stunden oder in den nächsten achtundvierzig entschlüsselte, war auch schon egal. Die Wraith standen ja - noch - nicht vor ihrer Haustür. Hoffte er zumindest. Gott, was würde er für einen Satelliten oder Scanner geben, mit denen er die nähere Umgebung rund um das Sonnensystem überwachen könnte! Noch mehr Wunschdenken, McKay, dachte er angewidert. Es war wirklich an der Zeit, dass er aufhörte und die Arbeit Arbeit sein ließ.

"Gut, gut, du hast gewonnen!" Wäre die Gefahr, dass er das Gleichgewicht verlor, nicht zu groß gewesen, hätte er theatralisch mit den Händen gestikuliert, aber angesichts der Tatsache, dass sich der Raum mittlerweile leicht um ihn herum drehte, verzichtete er lieber auf sämtliche extravaganten Gesten. Stattdessen stütze er sich mit beiden Händen auf der Tischplatte auf, als er sich in die Höhe quälte. Rücken- und Nackenmuskeln machten sich abermals bemerkbar und diesmal konnte er sich eine Grimasse nicht verkneifen.

"Rodney?"

"Ja, ja, ich komme schon", murmelte er, schon mehr schlafend als wach. Das Adrenalin-High angesichts des erfolgreichen beendeten Programms hatte ihn verlassen und den letzten Rest seiner Reserven mit sich genommen. Er zwang sich, den stützenden Tisch loszulassen. Nachdem er sicher war, dass er frei stehen konnte, nahm er den kilometerweiten Weg zu seinem Quartier, das sich gleich quer gegenüber am anderen Ende des Korridors befand, in Angriff. "Du brauchst noch was?", fragte er, während er versuchte, die Augen offen zu behalten. Er warf Sheppard, der wie ein Bodyguard neben ihm ging, einen fragenden Blick zu.

"Dich in deinem Bett. Ansonsten nichts", lautete die Antwort.

Ich habe einen Babysitter. Wesentlich ärgerlicher als diese Erkenntnis war die Tatsache, dass Rodney mittlerweile derart weggetreten war, dass er regelrecht dankbar dafür war, dass Sheppard sich die Zeit nahm, ihn zu seinem Quartier zu begleiten, obwohl der Major sicher mehr als genug zu tun hatte.

"Also dann…", sagte er, als sie vor der Tür standen. Der geschlossenen Tür, wohlgemerkt. "Verdammt", fluchte Rodney und versuchte noch einmal, den Mechanismus zu aktivieren. Vergeblich. "Morgen baue ich althergebrachtes Zahlenschloss hier ein." Seufzend schloss er die Augen und widerstand nur knapp der Versuchung, an der Wand entlang in die Knie zu gehen und an Ort und Stelle einzuschlafen. Er war schon auf halben Weg, es trotzdem zu tun, als die Tür sich plötzlich mit einem leisen Zischen öffnete. Sheppard warf ihm einen halb entschuldigenden, halb amüsierten Blick zu, packte Rodney an den Schultern und geleitete ihn bestimmt durch die Tür.

Es war purer Reflex, der Rodney dazu veranlasste, Sheppard mit sich hinunter zu ziehen, als der andere Mann versuchte, ihn auf dem Bett abzusetzen. "Schlaf' jetzt." Der Tonfall war bestimmt, aber trotzdem zögerte Sheppard einen Moment, bevor er wieder aufstand und mit einer Hand auf das Kopfkissen zeigte.

"Ja, Sir!" Es klang bei weitem nicht so schnippisch wie geplant, was höchstwahrscheinlich auch daran lag, dass Rodney dem Befehl Folge leistete, noch bevor er ihn überhaupt richtig verarbeitet hatte. Außerdem war er zu sehr damit beschäftigt, das verstörende Bild, das seine Phantasie plötzlich produzierte, wieder zu verbannen. "Gute Nacht, John", murmelte er mit geschlossenen Augen. Oh ja, liegen tat gut, entschied er. Er blinzelte noch einmal kurz, genug um zu sehen, wie Sheppard einen Moment erstarrt stehen blieb, bevor er den Kopf schüttelte und Rodney mit einem leichten Lächeln bedachte.

"Gute Nacht", erwiderte Sheppard. Das Licht verblasste dank ihm zu einem matten Glühen. Das finale "und schöne Träume" wurde vom Zischen der sich schließenden Tür fast verschluckt.

= Ende =
(26.04.05)

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