Spoiler für 01x10 (The Storm) und 01x11 (The Eye).

Meine unendliche Dankbarkeit gilt Jimaine, die wirklich Wochen dafür aufgewendet hat, diese Story zu zerlegen um meinen Rodney zum dem Rodney, den wir alle aus SGA kennen und lieben, zu machen. Ich hätte nicht gedacht, dass diese Rettung noch möglich ist. *g*
Der Titel ist, völlig überraschenderweise, wieder von Dead Can Dance abgeschaut.

East of Eden
© by Shendara

Die Tür schloss sich zwar fast lautlos hinter John, aber das leise Geräusch reichte, um Rodney zusammenzucken zu lassen. John ließ seinen Blick für einem Moment durch das überraschend ordentliche Quartier wandern - deutliches Anzeichen dafür, dass Rodney nicht wirklich viel Zeit hier verbrachte; sein Arbeitsplatz im Labor war wesentlich voll gestopfter mit Zeug aller Art - bevor er sich dazu zwang, Rodney in die Augen zu sehen.

"Wie geht es dir?" Innerlich zog sich angesichts der schrecklich banalen Worte alles zusammen, doch er wusste ehrlich nicht, wie er das Gespräch sonst beginnen sollte. Er zweifelte nicht daran, dass es noch grauenhafter werden würde, bevor es endlich vorbei war. Er gab sich selbst einen Ruck und bewegte sich von der Tür weg und kam etwas näher an Rodney heran, der ihm zwar einen leicht misstrauischen Blick zuwarf, aber wenigstens nicht zurückwich. Wenigstens etwas, dachte John grimmig.

"Wie soll es mir wohl gehen? Mit dem da", er hielt seinen rechten Arm anklagend in die Höhe, hielt dann aber mitten in der Bewegung inne und ließ ihn schleunigst zurück in den Schoß sinken, "und dem fast unbezwingbaren Drang, in die Luft zu springen, sobald auch nur ein Windhauch meinem Rücken zu nahe kommt?"

Das war leicht übertrieben, wie John nur allzu genau wusste, aber leider eben auch nur leicht. Ein "es tut mir leid" lag ihm auf den Lippen, doch er sprach es nicht aus, nachdem er genau wusste, dass es nichts ändern sondern Rodney nur noch wütender und noch weniger gesprächsbereit machen würde. Wenn das denn überhaupt noch möglich war. Und John war hier um ihm zu helfen, nachdem der Mann zu stur war, um in die Krankenstation zu gehen, obwohl sein Arm behandelt gehörte. Stattdessen zuckte er leicht mit den Schultern und fixierte seinen Blick irgendwo jenseits von Rodneys Schulter auf die Wand.

John hatte wirkliche Folter gesehen, war ihr selbst nur um Haaresbreite entkommen, und ihm war klar, dass das hier nichts war. Zumindest nach seinen Maßstäben. Gnadenlos unterdrückte er die Erinnerungen, die sich ihm aufdrängen wollten. Er hatte keine Zeit für seine eigenen Probleme; erst musste er dafür sorgen, dass Rodney wieder zu seiner alten, unausstehlichen Art zurückkehrte, dann musste er mit Bates Notfallpläne ausarbeiten, für den Fall, dass wieder einmal irgendjemand eine Invasion starten wollte und dann hatte er - vielleicht - Zeit für einen eigenen Nervenzusammenbruch. Für John Sheppard war ein Messer in den Arm gar nichts; er hatte ähnliches durchgemacht, während fünf Meter von ihm entfernt die wahre Folter stattgefunden hatte, doch für Rodney musste Kolyas Messer ein Alptraum sondergleichen gewesen sein. Kein Wunder, dass er geredet hatte… jeder Zivilist - und vermutlich auch ein Teil der Militärs - auf Atlantis hätte das Selbe getan und vielleicht sogar schon beim bloßen Anblick des Messers. Irgendwann hätte jeder, inklusive ihm selbst, nachgegeben - Kolya war nicht der Typ, der aufgab, und John zweifelte keinen Moment daran, dass er dazu bereit gewesen wäre, bis zum letzten zu gehen. Rodney hatte vielleicht, nein, sogar sicher, sich selbst enttäuscht, nicht aber John. Was die abfälligen Bemerkungen, die er im Gateraum und in der Messe überhört hatte, nur noch schlimmer machte.

"Das wird sich geben", sagte er schließlich in Ermangelung von etwas besserem.

"Wann?" Rodney klang ungewohnt resigniert, fast abwesend, und John war ehrlich überrascht. Diesen Ton hatte er bislang noch nicht gehört - und er hoffte, es auch nie wieder tun zu müssen. Rodney begegnete seinem Blick mit einer seltsamen Intensität, schien nicht einmal zu blinzeln, und John wich einen unsicheren Schritt zurück, bevor er sich selbst einen Idioten schimpfte und sich neben Rodney auf das Bett setzte. "Wann?"

Nie, war Johns erster Gedanke, und nur mit größter Anstrengung konnte er verhindern, dass er sich auf seinem Gesicht widerspiegelte. Seine Erinnerungen, von denen Sumner nur die letzte einer langen Kette war, suchten ihn auch nach Jahren noch immer in seinen Träumen heim und hatten nichts von ihrem ursprünglichen Grauen verloren. "Irgendwann. Nicht jetzt", antwortete er stattdessen. "Ein erster Schritt wäre es aber, wenn du das hier", er deutete auf Rodneys Arm, "ansehen lassen würdest."

"Es ist nichts." Sein Verhalten und seine Stimme straften seine Worte Lügen, doch John ging nicht darauf ein. Dies war nicht der übliche Verlauf eines ihrer Gespräche, aber dies war auch keine übliche Situation.

Er ist gequält worden und es ist völlig egal, dass es nach militärischen Standards harmlos war. Es ist für ihn nicht nichts und für mich auch nicht. John seufzte und legte seine Hand vorsichtig knapp über dem Verband auf Rodneys Arm. Nur Rodney konnte auf die wahnwitzige Idee kommen, sich einen Verband über der Uniformjacke anzulegen. "Ich oder Beckett, du hast die Wahl."

"Es ist in Ordnung. Nur ein Kratzer. Ich habe mich darum gekümmert."

"Das kann ich sehen, ja", bemerkte John trocken, mit nur einem Hauch von Sarkasmus. Genug, um Rodney aus seiner seltsamen Stimmung zu reißen, wie es schien.

Für einen Moment schien es, als ob Rodney noch einen bissigen Kommentar auf Lager hätte, doch stattdessen ließ er sich nur nach hinten fallen. "Lassen wir das Thema. Wie geht es dir?", fragte er stattdessen. Beschissen, dachte John, aber es brachte nichts, das zu sagen. "Du siehst aus, wie ich mich fühle", fuhr Rodney fort, als er keine Antwort erhielt und, wow, dann hielt er sich besser, als John bisher gedacht hatte.

"Wenn das stimmt, müsstest du mittlerweile bewusstlos hier liegen."

"Soll das etwa heißen, dass ich weniger vertrage als du?", kam die automatische Reaktion, doch Rodney brachte die letzten Worte, begleitet von einer vagen und absolut typischen Handbewegung, kaum mehr heraus. "Vergiss' es", fuhr er fast normal fort. "Immerhin hast du Recht."

John verfluchte sich selbst für seine Taktlosigkeit - er wusste genau, dass Rodney sich ab einem gewissen Punkt alles zu Herzen nahm und als gerechtfertigte Kritik erachtete. Dumm nur, dass John das die meiste Zeit über vergaß, weil diese Momente einfach so verdammt selten waren, dass die meisten Menschen wohl nicht einmal damit rechneten, dass es sie überhaupt gab. Erschöpft, verletzt und am Ende seiner Kraft war Rodney noch immer der irritierendste Mensch, der ihm jemals untergekommen war. Nicht zum ersten Mal fragte John sich, was er hier eigentlich tat. Nicht "hier" im Sinne von "jetzt in diesem Augenblick", nein, denn das wusste er, sondern warum er sich den ständigen Kampf, aus dem das Zusammensein mit Rodney bestand, überhaupt antat. Wie schon all die Male zuvor fand er keine Antwort auf die Frage und er verdrängte sie wieder bis zum nächsten Mal. Er hatte wichtigeres zu tun. "Rodney", versuchte er es noch einmal.

Er stand kurz davor, die Geduld zu verlieren, zwang sich jedoch dazu, ruhig zu bleiben. Er bemerkte, dass er den falschen Tonfall benutzt haben musste - seinen typischen Ja, Sir!-Ton, der in Wirklichkeit Fuck You, Idiot! hieß - als Rodney ihm einen seltsamen Blick zuwarf und ein gereiztes "Was?" zurückschnappte. Doch es war nur halbherzig gemeint und klang beruhigend nach dem üblichen Rodney, nicht dieser verunsicherten Version, die John Angst einjagte. John wusste, dass er so gut wie gewonnen hatte. Was dazu führte, dass er sich noch schlechter fühlte als zuvor. Der Tag hatte auch an ihm seine Spuren hinterlassen - hauptsächlich in der Form von Prellungen und blauen Flecken, die jede Bewegung zur Qual machten, zusätzlich zu einem Haufen neuer schlechter Erinnerungen, ohne die er wunderbar hätte leben können. Noch immer hörte er das grauenhafte Geräusch der auf den Schild prallenden Genii-Streitmacht und die Erinnerung drehte ihm den Magen um und drohte, ihn zurück in Abgründe zu stürzen, die er niemals wieder besuchen wollte. Und sobald er dieses Bild verdrängt hatte, hatte sein Gedächtnis das einer Elizabeth Weir in Kolyas Würgegriff parat. Genug, befahl er sich selbst. Das Letzte, das er jetzt brauchen konnte, war, dass seine Erinnerung ihn noch in die Bereiche entführte, in denen er sich Rodneys Schicksal ausgemalt hatte - in Farbe und Dolby Suround.

"Deinen Arm", sagte er, in der genau richtigen Mischung aus Bitte und Befehl, um die gewünschte Reaktion zu erzielen, und hielt seine Hand auffordernd hin. Mit einem Augenrollen gehorchte Rodney, setzte sich auf und streckte seinen Arm aus - aber nicht ohne durchscheinen zu lassen, wie schmerzhaft die Bewegung für ihn war - und legte seine Hand in Johns. Er hatte die Lippen fest zusammengepresst, entspannte sich aber etwas, als John ihm ein knappes Lächeln zeigte.

Noch immer bei weitem nicht "in Ordnung", doch besser als zuvor. "Hey. Es ist okay", murmelte John, während er vorsichtig die oberen Verbandsschichten löste. "Wir haben es gleich geschafft." Rodney zuckte zusammen, als John etwas mehr Kraft aufwenden musste, um die letzten Schichten des Stoffes zu lösen. Rodney schloss die Augen und John fluchte leise, als er die Stellen sah, an denen frisches Blut durch Jacke und Verband drang. "Nichts, hm?", fragte er leise, aber anstelle des üblichen Spotts hörte es sich eher vorwurfsvoll an. Langsam fragte er sich, ob er nicht doch lieber Beckett hinzuziehen sollte, doch ein Blick in Rodneys verschlossene Miene und auf seine noch immer geschlossenen Augen überzeugte ihn vom Gegenteil. Nein, sie würden das hier alleine durchziehen. Ohne ein weiteres Wort und mit schnellen, effizienten Bewegungen entfernte er den Rest von Rodneys seltsamer Vorstellung eines Verbands. Er hatte mittlerweile keinen Zweifel mehr daran, dass Schock und die Angst vor noch mehr Schmerzen Rodney zu einer derartig idiotischen Handlung getrieben hatten. "Jacke weg", kommandierte er schließlich und zwang sich dazu, den Blick auf das blutige und verdammt große Loch im Stoff gerichtet zu halten. Verflucht, das hier war schlimmer als erwartet. Suchend ließ er seinen Blick durch das Zimmer schweifen und fand den Erste-Hilfe-Kasten schließlich genau dort, wo er sich auch in seinem eigenen Quartier befand - direkt unter dem Bett. Ich färbe ab, dachte er geistesabwesend und konnte dabei ein leichtes Schaudern nicht unterdrücken. Er wollte nicht, dass Rodney so wurde wie er. Die Vorstellung allein war… ihm fiel kein passendes Wort ein, sie spottete einfach jeder Beschreibung.

Automatisch wollte er Rodney mit der Jacke helfen doch ein heftiges Kopfschütteln veranlasste ihn dazu, es dann zu lassen. "Ich kann mich noch alleine ausziehen, vielen Dank." Das unausgesprochene Major hallte deutlich in der Stille wieder und John wusste, dass das Beste, das er jetzt tun konnte, war, die Zähne zusammen zu beißen und sich zu zwingen, ruhig zu bleiben. Über das Doktor/Major-Stadium waren sie, wenn sie alleine waren, eigentlich seit Wochen hinaus. Genauso wie über das "Sie".

Rodneys Bewegungen waren unbeholfen und wurden noch dadurch verlangsamt, dass er sich zu weigern schien, seinen Arm auch nur anzusehen. Als er schließlich seinen rechten Arm aus dem Kleidungsstück befreit hatte, schüttelte er dieses mit einer schnellen Bewegung ab und beförderte es mit einem überraschend heftigen Stoß auf den Boden. Dann hielt er den Kopf stur nach links gerichtet, während er die rechte Hand wieder in Johns legte.

John wartete noch einige Sekunden auf… irgendetwas… ein Wort, irgendeine Reaktion. Doch als außer eines heftigen Ausatmens nichts weiter kam, seufzte er und richtete seinen Blick auf die Verletzung. Eigentlich war es nicht eine, sondern mehrere - drei tiefe und absolut parallele Schnitte lagen dicht nebeneinander. John schluckte und zwang sich zu vorsichtigen und präzisen Bewegungen, als er einzelne Stoffreste, die an der Wunde festklebten, entfernte.

"Ich bin nicht aus Glas, allen Beweisen des Gegenteils zum Trotz", sagte Rodney schließlich, ganz plötzlich, und John sah überrascht auf. "Ich kann ein wenig Schmerz aushalten." Er verzog kurz das Gesicht zu einer Grimasse, die puren Selbsthass ausdrückte, hielt aber seine Augen auch weiterhin geschlossen. "Dachte ich zumindest bisher", fügte er bitter hinzu. "Noch bin ich nicht soweit, dir alles zu erzählen."

Noch. Das Wort hallte nach und John konnte Rodney nicht länger ins Gesicht sehen, also richtete er seinen Blick wieder nach unten. "Nein", stimmte er schließlich zu. "Glas blutet nicht." Es zerbricht, fügte er in Gedanke hinzu und biss sich auf die Zunge, bevor er es aussprechen konnte. Er verfluchte sich selbst, als Rodney bei den Worten zurückzuckte, als ob John ihn geschlagen hätte. Statt einer Entschuldigung, die ohnehin nichts gebracht hätte, hob er die rechte Hand und legte sie an Rodneys Wange.

Auch diesmal reagierte dieser mit einem kurzen Zusammenzucken, doch er ließ den Kontakt zu, was zeigte, dass er John verziehen hatte. "Du hast getan, was du tun musstest, um zu überleben." Alle logischen Argumente in der Galaxie waren nicht genug, um Rodney von etwas zu überzeugen, wovon er das absolute Gegenteil glaubte, doch er musste es zumindest versuchen. "Und im Endeffekt warst du es, der uns alle gerettet hat", fügte er hinzu, als Rodney noch immer keine Reaktion zeigte.

"Nachdem ich uns alle verdammt hatte, ja."

Und verflucht, was sollte John darauf noch sagen? Argumente waren sinnlos, wenn der Gegenüber Recht hatte. Und wenn man es eng auslegte - etwas, das Rodneys zweite Natur war - hatte er sie verraten, zum Teufel mit der Tatsache, dass die Situation garantiert so oder so eskaliert wäre. "Rodney, sieh mich an", verlangte er und überraschenderweise gehorche der Angesprochene auch. "Es ist das Endergebnis, das zählt, und nur das." Ohne ihm Zeit zu lassen, darauf zu reagieren, lehnte John sich nach vorne und presste seine Lippen gegen Rodneys. "Ende der Diskussion", stellte er klar, obwohl diese noch nicht einmal begonnen hatte. Augenblicklich zog sich Rodney wieder von ihm zurück und sein wütenden Blick ersetzte ein Dutzend Sätze. Er hob mahnend den Finger, um den Worten zuvor zu kommen. Und Rodney blieb auch tatsächlich stumm - was ein deutliches Zeichen dafür war, dass er nicht einmal in Sichtweite von "normal" war. "Erst das hier, okay?", verlangte er ruhig und bewegte sich erst wieder, als Rodney leicht nickte. Eine Gnadenfrist. Im diesem Moment hätte John sie ohne das geringste Zögern und Bedauern gegen einen verärgerten, lautstark protestierenden Rodney eingetauscht.

Rodney sagte kein Wort, sah ihn nicht einmal mehr an.

John schluckte seinen eigenen Seufzer herunter. Er hatte jetzt nicht die Energie dafür, sich Rodneys Schuldgefühlen zu stellen und um ehrlich zu sein bezweifelte ernsthaft, dass er sie jemals haben würde. Stattdessen konzentrierte er sich darauf, die Verletzung gründlich zu reinigen und zu verbinden. Auf den zweiten Blick waren die Schnitte gnädigerweise nicht so tief, wie er anfangs befürchtet hatte, doch sie waren noch immer schlimm genug, dass John sich wohler gefühlt hätte, wenn Rodney sich auf der Krankenstation hätte versorgen lassen. Wunschdenken.

Kein Laut kam über Rodneys Lippen, weder, als John die Wunden desinfizierte, noch als er ihm den Verband anlegte. Sah man von seinen zum Zerreißen angespannten Muskeln und seiner unregelmäßigen Atmung ab, ließ er sich nichts anmerken.

Nicht aus Glas, dachte John, sieht so aus, als ob er es sich jetzt selbst beweisen will. Kaum, dass er fertig war, zog Rodney seinem Arm aus Johns Griff zurück und hielt ihn mit der anderen Hand an seine Brust. Die Geste tat John in der Seele weh und er hasste es, dass sie noch immer nicht so weit waren, dass Rodney sämtliche Barrieren fallen lassen konnte, zumindest wenn sie alleine waren.

Aber warum sollte er von Rodney etwas erwarten oder gar verlangen, zu dem er selbst nicht bereit war? Die Richtung, in die seine Gedanken sich bewegten, gefiel ihm weniger und weniger und er suchte verzweifelt nach etwas, das ihn ablenken konnte. Er fand nichts und begnügte sich damit, still auf Rodney zu starren, während er krampfhaft versuchte, an nichts - an absolut nichts - zu denken.

"Ich sollte zurück zum Gateraum gehen." Rodney klang ruhig, beherrscht und völlig normal - was verriet, dass er innerlich noch immer kämpfte. Und zwar heftiger als jemals zuvor. In dieser Hinsicht waren sie beide identisch, je schlimmer der Schmerz, je quälender die Gedanken, desto ruhiger wurden sie nach außen hin. Mit einer sanften Geste brachte John Rodney dazu, ihn anzusehen und die Augen verrieten ihn. Keine Spur von Ruhe und Gelassenheit, ganz im Gegenteil.

"Du solltest dich ausruhen." Kein Wort von Schlaf: das Konzept würde ihnen beiden für die nächste Zeit fremd sein.

"Ich sollte", stimmte Rodney zu. "Genauso wie du. Du siehst grauenhaft aus."

Danke für das Kompliment. John war überzeugt, dass sein Blick wirkungsvoller war als Worte es hätten sein können. Rodneys kurzes, fast sofort wieder unterdrücktes Lächeln gab ihm Recht.

"John." Rodney seufzte mehr, als dass er wirklich sprach. Langsam hob er die Hand - die rechte - und umfasste damit Johns Handgelenk. Es lag überraschend viel Druck in der Geste, und John sah überrascht auf. "Danke", brachte Rodney hervor, schluckte dann nervös und sah John einfach nur an.

"Kein Problem." Mehr banale Worte, aber sie fühlten sich nicht mehr ganz so schlimm an wie zuvor. Sie waren noch immer Lichtjahre von "okay" entfernt, aber die Distanz schien sich etwas verringert zu haben. Nur noch so weit wie von hier zur Erde, dachte John und konnte nur mit Mühe ein hysterisches Lachen unterdrücken. Er brauchte Zeit für sich, Zeit, um alles zu verarbeiten. Ein paar Momente, um diese neuesten Erinnerungen in sein Unterbewusstsein zu verbannen, wo sie ihn nur noch im Schlaf, nicht aber in wachem Zustand verfolgen konnten.

"Wenn du jemals… du weißt, dass…"

Rodney ließ den Satz unbeendet, doch John nickte trotzdem. Er hatte verstanden, konnte sich aber nicht vorstellen, dass er Rodneys Angebot annehmen würde. Zumindest jetzt noch nicht. Er konnte und wollte sich nicht ausmalen, was es ihm kosten würde. Doppelstandard? Sicher doch und John war sich dessen auch voll und ganz bewusst. "Ich weiß", antwortete er. Völlig unverbindlich und er hielt sich damit alle Optionen offen. "Danke." Dafür, dass du nicht drängst. Wieder ein Wesenszug, dem wohl die wenigsten  Rodney McKay zugetraut hätten.

Dann beugte er sich nach vorne und berührte mit den Fingern leicht Rodneys Lippen, um zu verhindern, dass noch mehr gesagt wurde. Ich weiß genau, was du tust, lasse es dir aber für den Moment durchgehen. Für einen Menschen, der sich derart auf Worte verließ, war es wirklich erstaunlich, wie gut Rodney sich nonverbal verständlich machen konnte. Langsam drehte dieser nun seinen Kopf zur Seite, bis John seine Hand sinken ließ. Noch immer schweigend lehnte Rodney sich langsam vorwärts, bis ihre Lippen sich berührten. Diese stillen Momente, ganz ohne Worte, völlig auf Berührungen und Gefühl konzentriert, erstaunten John immer wieder aufs Neue. Er hatte nicht mehr daran geglaubt, so etwas für sich zu finden - aber dieser Trip in die Pegasus-Galaxie hatte ihm mehr gegeben, als er sich jemals erhoffen oder erträumen gewagt hätte.

Dankbar, dem Thema entkommen zu sein, erwiderte er den Kuss, spürte, wie Rodney vorsichtig die Arme um ihn schlang - vorsichtig nicht nur wegen seiner eigenen Verletzung, sondern auch aus Rücksicht auf Johns angeschlagenen Körper. Und John erwiderte die Umarmung, ließ seine Hände langsam über Rodneys Rücken wandern. Er hörte erst auf, und verstärkte den Druck, als Rodney das Gesicht zur Seite wandte und die Stirn gegen Johns Schulter presste.

"Du musst mir beibringen, stärker zu sein", flüsterte er so leise, dass John ihn trotz der Nähe kaum hören konnte.

Sein erster Impuls war es, zu protestieren, doch zu seiner eigenen Überraschung sagte er stattdessen nur: "Okay." Noch während er sich einmal mehr über sich selbst wunderte, wurde ihm klar, dass er es tun musste - es war einmal passiert, es konnte wieder passieren. Gott-allein-wusste wie viele andere Völker in dieser wraithverseuchten Galaxie gab, die mit den Genii in einer Liga spielten. Oder es zumindest wollten... Rodney musste lernen, mit ihnen fertig zu werden.

Rodney schien im Gegensatz zu ihm selbst über seine Reaktion nicht überrascht zu sein, im Gegenteil. Er nickte bloß leicht, schien etwas sagen zu wollen, doch noch bevor er einen Ton heraus brachte, unterbrach ihn das Intercom:

"Grodin an McKay."

Rodney verzog kurz das Gesicht, rollte mit den Augen und seufzte lautlos. "McKay hier", antwortete er und hob seinen Kopf dazu etwas von Johns Schulter.

"Es tut mir leid, Sie zu stören…"

Ja, dessen bin ich mir sicher, las John von Rodney Lippen ab.

"… aber wir brauchen Sie im Gateraum. Ein Problem mit dem DHD…"

"Ich komme sofort", unterbrach Rodney ihn. "McKay Ende." Er warf John einen halb frustrierten, halb erleichterten Blick zu, während er sich aus ihrer Umarmung löste und sich auf die Beine quälte. Er schwankte für einen Moment, aber bevor John ihm helfen konnte, hatte er sich schon gefangen. Er bückte sich nach der auf dem Boden liegenden Jacke, zögerte jedoch im letzten Moment, als sein Blick auf das blutige Loch im Ärmel fiel.

"Rodney?" Alarmiert stand John auf, doch Rodney gab ihm mit einem knappen Kopfschütteln zu verstehen, dass er auf Distanz bleiben sollte. Mit einem letzten, angewiderten Blick auf die Jacke, wandte er sich in Richtung Tür. John sah, dass sein Hemd noch immer ein wenig nass war - genau wie seine eigene Kleidung - doch er nahm sich nicht die Zeit, es zu wechseln.

"Kommen Sie, Major?" Ein Hauch von Ungeduld in der Stimme und das förmliche Major… in den Moment, in dem er die Tür geöffnet hatte, war Rodney wieder in seine übliche Rolle zurückgefallen. Und John blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Mit einem großen Schritt stieg er über die Jacke am Boden hinweg und folgte Rodney auf den Gang hinaus. Ein vorbeigehender Marine warf ihnen einen fragenden Blick zu, erkannte dann aber, mit wem er es zu tun hatte und beschleunigte seine Schritte etwas.

"Bin auf dem Weg", brummte John. Er fand, dass er seinen üblichen, unbekümmerten Tonfall verdammt gut hinbekam. Selbst ihm war das kurze Zögern kaum aufgefallen.

Rodney wartete, bis er zu ihm aufgeschlossen hatte, bevor sie beide sich auf den Weg zum Transporter machten. Kaum, dass sich die Türen hinter ihnen geschlossen hatten, spürte er für eine Sekunde noch einmal Rodneys Hand in der seinen, bevor der andere Mann sich nach vorne beugte, um ihr Ziel einzugeben.

Wenige Minuten später, während er mit einem leichten Lächeln auf den Lippen beobachtete, wie Rodney abwechselnd fluchte und alles und jeden in seiner Nähe als inkompetenten Vollidioten beschimpfte, nahm er sich vor, die Jacke vom Boden zu entfernen und loszuwerden, bevor Rodney in sein Quartier zurückkam.

Im nächsten Moment hatte er keine Zeit mehr für Gedanken dieser Art, denn Bates hatte ihn gefunden und machte mit einem respektvollen aber dennoch bestimmten "Sir!" auf sich aufmerksam. Fünf Minuten später steckten er, Bates und Elizabeth bis zum Hals in Notfallplänen für den nächsten Überraschungsbesuch der Genii oder einer anderen feindlichen Macht.

Alles in Ordnung? Nein. Aber John hoffte, dass sie es irgendwann dorthin schaffen würden.

= Ende =
(12.08.05)

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