Spoiler für 02x20 (Allies)

Das hier ist der erste Teil eines Zweiteilers (welcher alle offenen Fragen beantworten wird, versprochen), der dann sinnigerweise den Prompt Winter erfüllen wird.
Ein großes Danke geht wieder an Birgitt für die Beta. :)
Für den ff25-2 Prompt Herbst.

Waiting For The Fall
© by Shendara

Der Herbst war immer Johns Lieblingsjahreszeit gewesen - rotgoldene Blätter, sonnendurchtränke Tage mit angenehm kühlen Brisen und seine Mutter, die wie ein aufgeregter Schmetterling durch die Gegend wirbelt, immer auf der Suche nach dem perfekten Motiv - doch jetzt empfand er ihn nur als Vorbote eines endlosen Winters.

Gelangweilt und wütend warf John noch einen Stein und beobachtete, wie er auf einem Blatt landete und beides im See versank.

Nicht mehr lange und die Sonne würde es ihnen gleichtun - die Tage waren merklich kürzer geworden. Während Atlantis selbst in Äquatornähe lag - anscheinend hatten nach ein paar Millennia in der Antarktis sogar die Antiker das Bedürfnis nach ein wenig Sonne gehabt - lag das Festland weiter nördlich und konnte daher auch mit Jahreszeiten dienen.

John zitterte kurz, als ein kühler Windstoß ihn im Rücken traf. Hier im Schatten war es fast schon kalt, obwohl der Herbst erst vor kurzem eingesetzt hatte. Er war noch immer erstaunt, wie sehr dieser Wald ihn an die Erde erinnerte - bloß die leicht bläuliche Färbung der toten Blätter verriet, dass er sich auf einem fremden Planeten befand.

Mit dem Wind wurde auch Johns Zittern stärker, doch er weigerte sich, sich jetzt schon auf den Rückweg zu machen. Dass er plötzlich so empfindlich auf ein wenig Kälte reagierte, zeigte ihm nur allzu deutlich, dass er noch lange nicht wirklich fit war. Noch weigerte er sich, anzuerkennen, dass er es nie wieder sein würde.

Entschlossen starrte er weiter auf den See und ignorierte die Kälte, so gut es nur ging. Sobald er zurückkehrte, musste er sich mit den Fragen auseinandersetzen: Den Fragen nach seinem Wohlbefinden, den Fragen nach seinem Verbleib… dabei wollte er doch einfach nur seinen Frieden haben.

Seltsam, dass die einzige Person, die das zu verstehen schien, Rodney war. Oder vielleicht auch nicht - John konnte sich nur allzu gut daran erinnern, wie menschenscheu Rodney nach dem Jumper-Crash in den Ozean geworden war. Angesichts der Visionen, die Rodney noch im Jumper auf dem Weg zurück an die Oberfläche gehabt hatte - wir haben sie da unten alleine zurückgelassen, Sheppard, wir müssen sie holen. John, bitte…- war das wohl kein Wunder. Er konnte an einer Hand abzählen, wie oft Rodney ihn bei seinem Vornamen genannt hatte. Zumindest bis…

John litt nicht unter Visionen; die Bilder, die er sah, sobald er die Augen schloss, waren nur allzu reale Erinnerungen. Rodney, bewusstlos und hilflos in einem Wraith-Kokon gefangen, von Ronon keine Spur…

Er versuchte, die Erinnerungen abzuschütteln, schaffte es aber doch nur, sie in die zweite Reihe seiner Gedanken zu verbannen. Dicht unter der Oberfläche lauerten sie auf einen Moment der Schwäche, eine kurze Pause in seiner Konzentration, um wieder nach vorn zu kommen.

Er hatte kaum wahrgenommen, dass sich hinter ihm jemand näherte, als auch schon eine vertraute Stimme die Stille durchbrach: "John?" Rodney klang fast zögernd und schien regelrecht über seinen Namen zu stolpern.

Noch Etwas, das sich seit ihrer Rückkehr nach Atlantis geändert hatte. Solange Johns Status als militärischer Leiter der Expedition noch immer in der Schwebe war, schien Rodney nicht mehr zu wissen, wie er ihn ansprechen sollte, und hatte sich schließlich für den Vornamen entschieden. John wusste nicht, ob er deswegen lachen oder weinen sollte - zu oft hatte er es sich gewünscht, aber nicht gerade unter solchen Umständen - und entschied sich im Endeffekt für ein leises, bedauerndes Seufzen. Seine Zeit allein war vorbei. Rodney würde ihn zurück ins Dorf zerren, wo zu viele und zu fremde Leute auf ihn einstürmen und ihn bedrängen würden. Dann der Flug zurück in die Stadt - natürlich mit einem anderen Piloten, da Johns Reaktionsfähigkeit dank der Medikamente noch immer zum Teufel war - dort dann die mitleidigen Blicke und das hilfsbereite Verhalten von Elizabeth und Carson…

"Wir müssen noch nicht zurück."

Die Worte und die Hand auf seiner Schulter verlangsamten Johns Atmung wieder auf ein normales Maß und die beginnende Panikattacke verschwand so schnell wieder, wie sie gekommen war. John gab keine Antwort, doch er rutschte etwas zur Seite, um Rodney Platz zu machen.

"Es ist kalt."

Er musste lächeln, als Rodney den Wind als Vorwand benutze, um näher an ihn heran zu rücken. Er genoss die plötzlich Wärme an seiner linken Seite und schloss die Augen.

Für einen Moment konnte er alle Probleme vergessen, doch dann ließ eine gedankenlose Bewegung den Schmerz in seiner Seite aufflammen - und damit war jede Illusion von Frieden auch zerstört. John war mittlerweile zu erschöpft, um sich noch zu beherrschen, also versuchte er nicht einmal, das leise Stöhnen zu unterdrücken.

Atypischerweise enthielt Rodney sich jeden Kommentars, doch seine plötzliche Anspannung verriet John, dass er das kleine Missgeschick durchaus bemerkt hat. John war ihm nur dankbar, dass er nicht sofort seine Hilfe anbot, oder zumindest wissen wollte, wie es ihm ging.

"Wir können hier sitzen, bis der Morgen kommt, doch ich denke nicht, dass dir das sonderlich gut täte." Rodney klang ehrlich bedauernd und das war der einzige Grund, warum John nicht allein aus Prinzip schon dagegen war.

"Du hast Recht", gab er schließlich zu, auch wenn sich sein Magen beim bloßen Gedanken an den Trip zurück umdrehte.

"Also dann…" Mit einer Leichtigkeit, für die John ihn am liebsten geschlagen hätte, kam Rodney auf die Beine und streckte einen Arm aus, um John aufzuhelfen. Nach einem Moment des stillen Widerstands kapitulierte John und ließ sich in die Höhe ziehen.

Er keuchte schmerzerfüllt, doch wenigstens lenkte der Schmerz ihn vom Schwindel ab. Er klammerte sich regelrecht an Rodneys Arm fest und hasste sich selbst für seine Schwäche, während er gleichzeitig für den Halt dankbar war.

"Ich habe Sanders mit den anderen zurückgeschickt", flüsterte Rodney in Johns Ohr, während dieser endlich nachgab und seine Stirn gegen Rodneys Schulter presste. "Du kannst uns also zurückfliegen, okay?"

"Ich…" kann nicht, lag ihm auf der Zunge, doch das waren Worte, die John noch nie wirklich über die Lippen gebracht hatte.

"Du kannst", zischte Rodney. "Und falls nicht… diese ganzen Flugstunden waren nicht völlig umsonst. Im Notfall bringe ich uns auch zurück. Aber ich glaube nicht, dass es notwendig sein wird. Carson ist nur übervorsichtig, wie immer."

Er war es nicht, wie sie beide nur zu genau wussten. Doch John wusste die Geste zu schätzen und alles in allem hatte Rodney sich mittlerweile zu einem passablen Piloten entwickelt. Wer einmal einen Wraith-Dart gesteuert hat, fliegt alles, dachte John und konnte nur mit Mühe ein hysterisches Kichern unterdrücken.

"Okay", murmelte er schließlich. "Von mir aus." Zu mehr Begeisterung war er nicht fähig, doch Rodney schien ihn auch so zu verstehen. Und wann zum Teufel war Rodney derart verständnisvoll geworden?

Etwa zu dem Zeitpunkt, an dem du von einem Wraith-Stunner durchbohrt wurdest und er dich in Sicherheit bringen durfte, während du damit beschäftigt warst, möglichst viel Blut zu verlieren, erinnerte ihn sein verräterisches Unterbewusstsein.

"Komm jetzt", murmelte Rodney überraschend sanft. "Es ist spät, es ist kalt und nachdenken kannst du daheim auch." Er schob John vorsichtig von sich weg und deutete etwas ungeduldig in Richtung Siedlung.

Daheim. John schloss für einen Moment die Augen, bevor er sich von Rodney löste und zwei langsame Schritte zurück trat. Für wie lange noch?

Mit einem resignierten Seufzen riss er sich schließlich zusammen und folgte Rodney, der ihm schon einige Schritte voraus war. Der Wind war mittlerweile stärker geworden und nach einem Moment des Zögerns entschied er schließlich, dass sein Image ohnehin schon beim Teufel war, und schlang die Arme um den Oberkörper. Die Geste half zwar nicht wirklich gegen die Kälte, doch es gab ihm ein Gefühl der Sicherheit, die Verletzung mit dem Unterarm abdecken zu können. Rodney warf ihm war einen etwas seltsamen Blick zu, sagte jedoch nichts - ebenfalls eine neue Angewohnheit.

John wusste nicht, ob ihm dieses neue Verhalten unheimlich sein sollte, aber er war realistisch genug, um sich einzugestehen, dass er mit Rodneys üblicher Art im Moment vermutlich nicht umgehen könnte.

Im Moment, betonte er noch einmal und schenkte Rodney ein kurzes, etwas gequältes Lächeln, bevor er sich zwang, etwas schneller zu gehen.

Im Jumper angekommen setzte John sich mit einem Seufzer der Erleichterung vorsichtig in den Pilotensessel und atmete erleichtert auf, als die Kontrollen des Fluggerätes sofort auf ihn reagierten. Er spürte die Verbindung zum Jumper mehr als Rodneys Hände, die kurz auf seinen Schultern zu liegen kamen, bevor er sich in den Nebensitz fallen ließ.

"Bring uns nach Hause, John", sagte er leise und schloss die Augen, als ob er sich nicht gerade einem Piloten vollgepumpt mit Schmerzmitteln und nur halber Zurechnungsfähigkeit anvertraut hätte.

Wenn Rodney mir vertraut… Ein Blick zeigte ihm, dass Rodneys Augen zwar wirklich vollständig geschlossen waren, doch ein weiterer Blick auf die Kontrolle zeigte John auch, dass der Jumper auf Rodney als Co-Piloten reagierte. Better safe than sorry. So schwer es ihm auch fiel, John musste zugeben, dass ihm der Gedanke, den Jumper ganz alleine zu fliegen, doch etwas unheimlich war.

"Hör auf, dir Gedanken zu machen und flieg endlich", murmelte Rodney und öffnete die Augen wieder. Er legte seine Hand auf Johns Unterarm und die leichte Berührung beruhigte John etwas. "Es wird morgen schon alles gut gehen - aber nur, wenn wir auch da sind." John schluckte; er hatte es in den letzten Stunden ziemlich erfolgreich geschafft, das morgige Meeting zu verdrängen. "Hey!" Rodneys ungeduldiges Fingerschnippen riss ihn aus seinen Gedanken - Rodney hatte ihm mehrmals versichert, dass sie es nicht wagen würden, ihn zurück zur Erde zu schicken, und John klammerte sich mit aller Kraft an diesen Hoffnungsschimmer.

"Ja, ja, wir sind schon unterwegs", antwortete er schließlich abwesend, während er den Jumper mit einem Gedanken in die Luft brachte.

Es wird schon alles gut gehen.

= Ende =
(26.11.06)

.:. SGA :: LJ-Comment .:.