Forever Not Mine
by Shendara

Blair und Jim sind per du und ich benutze die englischen Spitznamen… sonst noch was? Ach ja, inspiriert wurde das ganze von Ah-a's "Forever Not Yours". TS war die erste (und einzige) Serie, bei der ich mich - schon bevor ich Internet, FanFiction und Slash entdeckte - gefragt habe, warum in den Folgen nicht angesprochen wird, was völlig offensichtlich ist: Dass die beiden zumindest völlig ineinander verschossen sind, wenn sie schon nichts miteinander haben.
Danke an Birgitt und Mishale für die Beta.

Note 11/03:
Es freut mich sehr, dass diese Story beim Paradiesapfel 02 den ersten Platz in der Kategorie Sentinel belegt hat. An alle, die für mich gestimmt haben - DANKE! :)

Der Lärm der vorbeifahrenden Autos war die einzige Geräuschkulisse - man brauchte keine verstärkten Sinne, um ihn wahrzunehmen. Für einen Moment fragte er sich, was Jim jetzt noch alles wahrnehmen könnte - die Gespräche der vor dem Gebäude vorbeigehenden Passanten, das Radio, das vielleicht im Nachbarhaus lief... Blair wusste es nicht genau.

Auch nach über drei Jahren direktem Kontakt mit einem Sentinel konnte er sich nicht vorstellen, wie es war, wenn alle Sinne überdurchschnittlich entwickelt waren. Nicht, dass er es nie versucht hätte - im Gegenteil. Am Anfang war das einer seiner häufigsten Gedanken gewesen.

Am Anfang - damals - bevor Jim von einem Studienobjekt zum Freund geworden war. Damals - bevor der Freund und Mitbewohner zum wichtigsten Menschen in seinem Leben geworden war. Damals - bevor er - _sei zumindest zu dir selbst ehrlich!_ - genau das getan hatte, was er sich geschworen hatte, niemals zu tun:

Sich in jemanden zu verlieben, der für immer unerreichbar bleiben würde.

Mit einem leisen Seufzen zog er seine Knie noch etwas fester an sich und legte den Kopf auf die gekreuzten Arme. Das Leben ist unfair. Wie oft hatte er das in den letzten Wochen gedacht? Zu oft. Und der gestrige Tag war auch nicht gerade ein Kandidat für den schönsten Tag der Woche, eher das Gegenteil.

Reiß' dich endlich zusammen, Mann!, schrie jemand in seinem Inneren - der Jemand, den er schon lange als sein Gewissen identifiziert hatte. Für einen Moment fragte er sich, ob das Gewissen anderer Menschen auch aus einer Art unsichtbarer Person, die einen regelmässig anschrie und einem die eigene Feigheit vorwarf, bestand, verwarf den Gedanken jedoch schleunigst wieder.

Er hatte Besseres zu tun.

Aber was?

Gab es überhaupt noch irgendwo auf der Welt eine armseligere Kreatur als ihn? Vermutlich nicht. Mitten in der Nacht auf dem eiskalten Fliesenboden eines Badezimmers zu sitzen, war nicht gerade intelligent. Er würde sich in der Früh nicht mehr rühren können - falls er bis dahin noch nicht erfroren war. Kaum, dass ihm der Gedanke gekommen war, registrierte Blair zum ersten Mal das ganze Ausmaß der Kälte, die mittlerweile in all seine Glieder gekrochen war. Fast etwas überrascht stellte er fest, dass er am ganzen Körper zitterte - er vermutete jedoch, dass die Kälte dabei höchstens eine untergeordnete Rolle spielte.

"Ich sollte zurück ins Bett gehen", murmelte er leise, erstaunt, wie müde seine eigene Stimme klang. Ja, er könnte die notwendige Energie, aufzustehen, aufbringen... aber warum sollte er? Es war soviel leichter, einfach hier zu sitzen, ins Nichts zu starren und über verpasste Gelegenheiten und zweite Chancen nachzudenken. Etwas, das sich in der letzten Zeit fast schon zu einem Art Hobby von ihm entwickelt hatte...

Es wurde schwerer und schwerer, sich zu konzentrieren - vermutlich zeigten die Grippemittel, die er vorhin genommen hatte, endlich ihre Wirkung. Unter Medikamenteneinfluss neigte er immer dazu, Dinge zu tun, die Jim in den Wahnsinn trieben. Jim. Alle Gedanken führen zurück zu ihm. Er verfolgte diese Linie noch etwas weiter, spekulierte über Möglichkeiten und was vielleicht hätte sein können, wenn dieses oder jenes nicht geschehen wäre. Maya. Alex. Nur zwei von einigen... aber die beiden beeinflussten sein Leben auch heute noch am stärksten. Mit dem Gedanken, was wohl passiert wäre, wenn er Jim nach Mayas Abreise nicht abgewiesen hätte - verdammtes Selbstmitleid! -, schlief er ein.

Eine Hand an seiner Schulter sowie eine sanfte Stimme weckten ihn einige Zeit später auf - wie viel später konnte er beim besten Willen nicht sagen. Er versuchte, seine Augen offen zu halten, gab den Versuch jedoch nach wenigen Sekunden auf und stöhnte leise auf.

"Chief, was ist los?"

Diese Stimme… hatte Jim eigentlich eine Ahnung, dass er gleichzeitig Blairs persönlicher Engel wie auch schlimmster Alptraum war?

"Nichts, gar nichts...", murmelte er leise.

"Es klingt aber nicht nach 'nichts'", kam die gnadenlose Antwort.

"Nur Kopfweh, okay?" Seine Stimme war mittlerweile etwas kräftiger - das Selbe galt allerdings auch für die Kopfschmerzen. "Aspirin ist auch nicht mehr das, was es einmal war."

"Blair?" Der seltene Gebrauch seines Vornamens ließ ihn realisieren, dass er laut gesprochen hatte. Verdammt. "Was ist?"

"Nur eine Grippe, Mann. Nichts weiter." Es wurde leichter, Wörter und Sätze zu bilden, als sein Gehirn sich entschloss, seinem Körper in die Welt des Wachseins zu folgen.

"Und warum sitzt du dann mitten in der Nacht im Bad, statt im Bett zu liegen und dich auszukurieren? Und wie lange bist du eigentlich schon hier?" Ein Fremder hätte höchstens Ärger in Jims Tonfall erkannt, wenn überhaupt. Doch Blair, der sich im Laufe der Jahre zu einem - dem Einzigen - Experten auf dem Gebiet der "Ellison-Deutung" entwickelt hatte, hörte selbst in seinem jetzigen Zustand deutlich die Besorgnis in der Stimme des anderen Mannes.

Statt laut zu antworten schüttelte er bloß leicht den Kopf, bereute die Bewegung aber sofort. "Später", brachte er mühsam heraus.

Jim sagte irgendetwas, etwas über Bett und Schlaf und "verdammt, Sandburg, warum kannst du nicht einmal bleiben, wo du sein sollst", aber die Wörter ergaben absolut keinen Sinn für ihn. Am Rande seiner Aufmerksamkeit bemerkte er, dass Jim versuchte, ihn auf die Beine zu bringen, doch er war viel zu müde und K.O., um ihm dabei zu helfen.

Erst als er spürte, wie ihn jemand zudeckte, kehrte Blairs Wahrnehmung teilweise zurück. Er kämpfte darum, seinen übermüdeten und von Medikamenten beeinflussten Verstand halbwegs klar zu bekommen - ein fast aussichtsloser Kampf.

"Ganz ruhig", hörte er Jims Stimme. "Schlaf einfach, ich kümmere mich um den Rest."

Wie immer, war Blair versucht zu sagen, beherrschte sich jedoch. Hauptsächlich, weil er nicht wusste, ob seine Stimme überhaupt noch funktionierte. Er gab den Kampf gegen Müdigkeit und Erschöpfung auf und erlaubte es seinen Augen schlussendlich, geschlossen zu bleiben. Trotzdem... irgendetwas stimmte nicht, soviel wusste er einfach. Er war zwar in einem Bett, aber nicht *seinem*. Es war weicher, größer... Bequemer. Genauso wie die übliche Geräuschkulisse fehlte - kein leises Rauschen der alten Wasserleitungen, keine vagen Geräusche des unten vorbeifahrenden Verkehrs, kein Summen des Boilers... fast schien es, als ob der Raum auf einmal viel besser isoliert war...

Oben. Ich bin in Jims Zimmer. In seinem Bett, um genau zu sein. Eigentlich sollte er jetzt panisch werden, oder? Oder eine Entschuldigung suchen, schleunigst wieder in seinen eigenen Raum zu kommen. Irgendetwas in die Richtung, dass es ihm schon viel besser ging... Ja, belüge einen Sentinel, sicher.

"Psss, Chief, alles in Ordnung."

Bildete er es sich ein, oder klang Jims Stimme auf einmal wirklich viel sanfter? "Warum?" Er wusste nicht, ob er das Wort nur gedacht oder wirklich laut ausgesprochen hatte.

"Keine Chance, dass ich dich in diesem Zustand alleine lasse, egal was du sagst." Wieder dieser sanfte, mehr als nur besorgte Tonfall. Was zum Teufel...? "Denk nicht weiter darüber nach, schlaf jetzt. Wir reden später darüber."

Mit einem letzten mentalen Schulterzucken gab Blair nach und kämpfte nicht länger gegen den Schlaf; vermutlich waren die Geschehnisse der letzten Minuten sowieso nur ein Traum, ausgelöst von zu vielen unterdrückten Wünschen vermischt mit seinem zur Zeit wirklich nicht guten Gesundheitszustand. Aber was für ein Traum... Ich wünschte bloß, ich müsste nicht wieder aufwachen...

Erst als er sich sicher war, dass Blair wirklich tief und fest schlief, gab Jim dem Bedürfnis nach, den jüngeren Mann zu berühren. Vorsichtig strich er einige Locken zurück, die ihm den Blick auf Blairs Gesicht verwehrten. Das dumpfe Licht war mehr als genug für ihn, um jedes Detail der schlafenden Gestalt aufzunehmen; genauso wie er Blair nicht berühren musste, um die Hitze seines Körper zu spüren. Grippe. Und zwar keine leichte. Und er wollte verdammt sein, wenn er Blair in dieser Verfassung alleine unten ließ.

Jim lächelte leicht, als Blair sich instinktiv an ihn drückte; vorsichtig schlang er seine Arme um Blair und suchte sich eine Position, die es ihm erlaubte, ihn festzuhalten und gleichzeitig zu beobachten. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, in dieser Nacht zu schlafen, das unvertraute Gefühl, sein Bett mit jemand anderem zu teilen, wäre normalerweise mehr als genug, um ihn wachzuhalten, doch aus irgendeinem Grund fühlte sich das hier *richtig* an. Er verbannte alle Gedanken in dieser Richtung aus seinem Gehirn; er würde mit den - möglichen - Konsequenzen seines Verhaltens morgen umgehen. Oder wann auch immer Sandburg das Thema auf den Tisch brachte...

Als am nächsten Morgen die ersten Sonnenstrahlen Jim Ellisons Schlafzimmer erhellten, trafen sie auf zwei schlafende, eng miteinander verschlungene Gestalten, die beide derart entspannt und zufrieden wirkten, dass kein Außenstehender auf die Idee käme, sie nicht für ein Liebespaar zu halten.

= Ende =


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