Thinking of a Friend


Thinking of a Friend
written by Tegan
© 2003
 
Am dunklen Himmel waren klar die Sterne zu erkennen, die die Nacht schmückten. Der Vollmond lag über Los Angeles. Wie jede Nacht hüllte der Glitzermantel, der die hellen Lichter verursachte, die Stadt ein. In der Finsternis schlichen unheimliche Gestalten durch die Wälder und Straßen. Mit jeder neu angebrochenen Dunkelheit begann der Kreislauf des Jagens und des gejagt Werdens von neuem. Wieder würden Menschen durch eine übernatürliche Macht sterben, durch die kalten Hände der Dämonen. Wieder würde diese Nacht ihre Opfer einfordern. Es war eine Nacht wie immer. Doch für einen war es keine gewöhnliche Nacht.

Lautlos ging Angel über den Friedhof, wandere an den unzähligen Gräbern vorbei. Jedes einzelne Grab, das er hinter sich ließ, erzählte ihm eine Geschichte über das Leben, das jene verloren hatten, die hier lagen. Angel war nicht an diesen Ort, weil er einen Dämon verfolgte, dessen Vernichtung er um jeden Preis herbei führen wollte. Dieses Mal war es nicht so. Dieses Mal war sein Grund ein anderer. Es zog ihn hierher, weil es das Datum dieses einen Tages so wollte, das er von düsteren Erinnerungen heimgesucht wurde. Es war der Tag, an dem Allen Francis Doyle ums Leben gekommen war. Es war sein Todestag, der dafür sorgte, das Angel sich einen Friedhof aussuchte, um sich mit seiner Trauer zu beschäftigen.

Doyle war seit zwei Jahren tot. Und auch, wenn seitdem vieles geschehen war, wenn sich vieles verändert hatte, war dieser eine Tag etwas, der Angel dazu veranlasste, stärker als üblich an seinen verstorbenen Freund zu denken. An diesen Tag suchte er bewusst die Einsamkeit, wollte er doch alleine sein, um sich den Schmerz hinzugeben, den Doyle bei ihm hinterlassen hatte, als er den Tod gefunden hatte. Angel hatte Freunde in seinem Leben ... ja, die mit ihm diesen Kampf gegen die dunklen Mächte führten, ihm beistanden, doch niemand sollte sehen, wie sehr Doyles tragischer, wenn auch selbstloser Tod ihn in den Tiefen seiner menschlichen Seele verletzte ... und das noch heute.

Angel blieb an einem Grab stehen, das seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Das Datum auf dem Grabstein erzählte ihm, das der Mann, der hier lag, in Doyles Alter gewesen war, als er sein Leben verloren hatte. Ein leiser Seufzer entrang sich der Kehle des Vampirs. Wieso war es für ihn nur so schwer, seinen Freund loszulassen und ihn in Frieden ruhen zu lassen? Nachdem, was Doyle getan hatte, um eine Gruppe Halbdämonen vor der selbstgefälligen und völlig falschen Gerechtigkeit reinrassiger Dämonen zu retten, hatte dieser es verdient, seinen Frieden zu bekommen.

Und trotzdem verging kein Tag, an dem Angel nicht an ihn dachte, an dem er nicht bereit war, Doyle gehen zu lassen, damit dieser aus seinem Leben verschwand. Angel wusste, das es manchmal leichter für ihn wäre, wenn er einfach vergessen könnte, das es Doyle gegeben hatte. Das Problem an der Sache war nur, das Doyle ihm wirklich wichtig gewesen war. Das seine Freundschaft es für ihn gewesen war. Im Laufe seines langen und untoten Lebens hatte er vielen Menschen beim Sterben zugesehen. Die Meisten von ihnen waren durch seine eigene Hand gestorben. Doch bei keinem war es ihm je so schwer gefallen, das Geschehene einfach zu vergessen. Der Grund dafür war einfach erklärt. Doyle war nicht sein Opfer, sondern sein Freund gewesen.

Doch vielleicht lag es auch ein wenig an den Umständen, durch die der Halbdämon den Tod gefunden hatte. Doyle hatte sein eigenes Leben geopfert, um andere zu retten. Er hatte seine, Angels, Aufgabe übernommen. „Ich hätte an deiner Stelle sein sollen“, murmelte Angel leise, ohne seinen Blick von dem fremden Grabstein zu nehmen. Sie hatten nicht einmal die Chance gehabt, ihren Freund ein würdevolles Grab zu schenken. Von der mächtigen Explosion, die Doyle getötet hatte, war nichts übrig geblieben. Vielleicht wären die Tatsachen einfacher für ihn zu akzeptieren, wenn es ein Grab geben würde, an dem Angel sich von Doyle verabschieden konnte.

Obwohl zwei Jahre vergangen waren, erinnerte sich Angel noch genau an diesen schicksalhaften Tag, ein Tag, der alles verändert hatte. Jedes noch so kleine Detail war ihm in seinem Gedächtnis haften geblieben ... die Entscheidung, die er hatte treffen wollen, um die Maschine abzustellen, die die Halbdämonen töten sollte ... Doyles Erkenntnis, wieso ausgerechnet er von den Orakeln auserwählt worden war, gemeinsam mit Angel in diesen Krieg gegen die Mächte der Finsternis zu ziehen ... Doyles fatale Entscheidung, die er in diesen Moment gefällt hatte ... der heftige Stoß, den Doyle ihm gegeben hatte, um Angel daran zu hindern, die Maschine abzuschalten ... Sein Opfer, das der Halbdämon gebracht hatte, um alle zu retten ... Nein, nichts davon hatte Angel vergessen und er würde es auch nie, egal, wie er lange er noch lebte. Die schmerzhafte Erinnerung daran war allgegenwärtig.

Nach Doyle waren andere Menschen gekommen, die in sein Leben getreten waren ... Gunn und Wesley, der Dämonenjäger und der ehemalige Wächter, Fred, die junge Frau, die sie aus Pylea mitgenommen hatten. Und natürlich Lorne nicht zu vergessen, den Besitzer der Bar Caritas. Doch sie alle waren nicht dabei gewesen, als Doyle diese Entscheidung getroffen hatte, die ihm letztendlich das Leben gekostet hatte. Nur Cordelia war Zeuge gewesen. Angel erinnerte sich an das Versprechen, das der Doyle damals gegeben hatte. Ja, er würde bis ans Ende seiner Tage auf Cordelia aufpassen, ihr Leben beschützen.

Doyle hatte Cordelia das Wichtigste vermacht, das er zu bieten hatte. Er hatte ihr seine Gabe, Visionen zu empfangen, geschenkt. Seine Visionen ... mit denen er Angel geholfen hatte, den Unschuldigen beizustehen. Mit seinem Tod hatte sich eine alte Tür geschlossen und eine neue hatte sich geöffnet. So hatten sich die Orakeln ausgedrückt, doch Angel wünschte sich, das diese alte Tür niemals zugefallen wäre, das dieses Vermächtnis nie nötig gewesen wäre. Er brauchte Doyle an seiner Seite. Auch wenn er es ihm nie gesagt hatte, hatte er dessen Freundschaft sehr geschätzt, auch wenn Doyle ein wenig verrückt gewesen war, mit einer Vorliebe für Glücksspiele und Alkohol, eine Kombination, die ihn des öfteren in Schwierigkeiten gebracht hatte.

Der Halbdämon war so anders gewesen, als die Menschen, mit denen Angel normalerweise Freundschaft schloss, wenn überhaupt, da er eigentlich ziemlich kontaktscheu war, wenn es die Menschen betraf. Und trotz allem war es die wertvollste aller Freundschaften gewesen, die er je eingegangen war. Doyle hatte ihm seine Freundschaft angeboten, ohne dafür etwas zu erwarten. Erneut entrang sich ein Seufzen Angels Kehle. Mit der Hand strich er noch einmal über den Grabstein und setzte sich dann wieder in Bewegung. Mit langsamen Schritten verließ er den Friedhof und bog zielsicher in einen Stadtpark ein, einen von vielen, da Los Angeles unzählige dieser Anlagen zu bieten hatte.

Als er Doyle das erste Mal begegnet war, hatte er ihn für absolut verrückt gehalten. Doch Doyle hatte ihm einen Weg ins Licht offenbart. Er hatte seinem Vorhaben, den Menschen helfen zu wollen, erst eine richtige Bedeutung gegeben, hatte Angel klar gemacht, das er nicht einfach nur Dämonen vernichten konnte, sondern das er sich auch um die Opfer kümmern musste. Doyle hatte ihm sein Schicksal gezeigt. Ohne ihn hätte er diesen Weg, den er eingeschlagen hatte, niemals gehen können, das wusste der Vampir. Erst durch Doyle hatte er angefangen, an sich zu glauben, daran zu glauben, das er in dieser dunklen Welt wirklich etwas bewirken konnte.

Und nun war er nicht mehr da, tot, bevor Doyle die Chance besessen hatte, richtig in Angels Kampf einzusteigen. Auch wenn Angel es nicht zugeben wollte, hatte er manchmal das Gefühl, als hätte Doyle ihn in Stich gelassen. Der Gedanke war schrecklich, und Angel hasste sich selbst dafür, das er so dachte, denn das hatte sein Freund nicht verdient. Aber Doyle war einfach gesprungen, ohne sich wirklich im klaren darüber zu sein, welche Konsequenzen sein Handeln mit sich zogen. Natürlich hatte er gewusst, das er dabei sterben würde. Was diese Tat jedoch für seine Freunde, besonders für Angel, bedeutete, wie viel Schmerz sie hinterließ, darüber hatte er wohl nicht nachgedacht.

Wäre Cordelia nicht gewesen, wäre an seiner Einsamkeit nach Doyles Tod verzweifelt. Ohne Doyle war es einfach nicht mehr dasselbe. Angel sah seine Freunde als seine Familie an und er würde alles tun, um ihr Leben zu beschützen. Doch Tatsache war, das es ihm nicht gelungen war, Doyle vor seiner eigenen Entscheidung zu retten. Er hatte ihn nicht beschützen können, sondern hatte hilflos dabei zusehen müssen, wie sein bester Freund den Tod in Kauf genommen hatte, um nur einmal, ein einziges Mal, in seinem Leben das Richtige zu tun.

Inzwischen hatte Angel einen Hügel erreicht und blickte auf die glitzernde Stadt hinab, die sich in tausend bunter Farben vor ihm erhob. Er hatte nicht alles über Doyle und dessen Vergangenheit gewusst. Vieles hatte der Halbdämon ihm nicht erzählt. Angel glaubte keine einzige Sekunde daran, das er dies aus Mangel an Vertrauen nicht getan hatte. Nein, Angel wusste, er hatte ihm dergleichen nie erzählt, weil es Doyle einfach viel zu schwer gefallen war, in seine eigene Vergangenheit einzutauchen, sie zu akzeptieren, die Dinge, die geschehen waren, die er mit aller Macht versucht hatte, zu verdrängen.

Kopfschüttelnd wandte sich Angel ab und setzte seinen Weg durch Los Angeles fort. Die Menschen, mit denen er sich heute umgab, bereicherten sein Leben, doch sie füllten nicht die Leere, die Doyle hinterlassen hatte. Dieses schwarze Loch war noch immer da und Angel schaffte es einfach nicht, es los zu werden. Er sah keinen Sinn im tragischen Tod seines Freundes, weigerte sich, diesen Sinn, wenn er da sein mochte, zu akzeptieren. „Ich hätte sterben sollen, nicht er“, sprach Angel mit leiser Stimme, wusste, das diese Worte für niemanden außer ihm selbst bestimmt waren. Nach wie hatte er dieses Gefühl, das er selbst an diesen Tag hätte sterben sollen. Das es seine Aufgabe gewesen wäre, sich zu opfern, nicht die von Doyle.

Doyle war tot, weil er nicht schnell genug reagiert hatte, um ihn von seinem Vorhaben abzuhalten. Er hatte Angel einfach überrumpelt. Noch nie in seinem Leben war sich der Vampir so nutzlos vorgekommen als nach Doyles Tod. Nicht einmal als er Sunnydale und somit auch Buffy verlassen hatte, hatte er sich so schlecht, so voller schlechtem Gewissen, gefühlt. Doyle war direkt vor seinen Augen gestorben, hatte eine Tat durchgeführt, die in Angels Pflicht gefallen wäre. Er hatte nichts tun können, um es zu verhindern. Und selbst heute, zwei Jahre nach diesen dramatischen Ereignissen, fragte Angel nach einem Grund für Doyles Handeln, einen Grund, der ihn auch zufrieden stellte, den er akzeptieren konnte, mit dem er, verdammt noch Mal, leben konnte.

Doch egal, welche Antworte es darauf auch gab, es reichte Angel nicht. Sein Freund war tot. Das war die schreckliche Wahrheit. Und nichts und niemand konnte ihn zurück bringen, konnte den Schmerz auslöschen, den Angel für den Rest seines untoten Daseins ertragen musste. Sein Leben würde weiter gehen. Aber um welchen Preis? Alles hatte sich verändert, seit Doyle nicht mehr da war. Außer ihm hatte es niemanden gegeben, der die Fähigkeit besessen hatte, Angel zu bremsen, wenn es nötig war. Er hatte ihm näher gestanden, als all die anderen. Niemand hatte ihn besser verstanden als Doyle mit seinen unkonventionellen Methoden, nicht einmal Buffy.

Wohin Angels Beine ihn trugen, bemerkte er erst, als er an seinem Ziel angekommen war. Er stand vor dem abgebrannten Gebäude, das einst sein Büro und seine Wohnung beherbergt hatte. Hier hatte Doyle auf ihn gewartet, um ihn in sein Schicksal einzuweihen. Ihre erste Begegnung hatte in Angels Wohnung stattgefunden, in der Doyle einfach aufgetaucht und ihn voll gequatscht hatte. Es war der eine Moment gewesen, der Angel in die Richtung geführt hatte, in die er sich heute bewegte. Diese eindrucksvolle Begegnung mit Doyle hatte sein Leben zu dem Weg gelenkt, den er heute beschritt. Hier hatte alles angefangen.

Schweigend blickte Angel auf die Trümmer. Die Stadt hatte das Gebäude bis heute nicht wieder aufgebaut, vielleicht einfach aus dem Grund, weil sie es als nicht so wichtig erachteten, ihr Geld darin zu investieren. Das zerstörte Gebäude war ein Zeichen für Angels Trauer, für das, was von Doyle zurück geblieben war. Ja, er war stolz auf seinen Freund ... wegen dem, was er getan hatte. Doch es hatte ein Leben eingefordert, das niemals hätte beendet werden dürfen. Es war egal, wie sehr sich Angel wünschte, Doyle hätte überlebt, es würde dennoch nie eintreffen. Er hatte die wichtige Stütze in seinem dunklen Leben verloren, gerade, als er begonnen hatte, zu begreifen, wie wertvoll und wichtig Doyle für ihn war.

Durch das, was geschehen war, war Angel die Möglichkeit versagt geblieben, Doyle dies jemals zu sagen. Instinktiv spürte der Vampir jedoch, das dies nicht nötig gewesen wäre. Doyle hatte es gewusst. Die Veränderung, die er durch Doyle erlebt hatte, hatte Angel immer gewollt, und Doyle war sich im klaren darüber gewesen, das seine Freundschaft sehr bedeutsam für den Vampir gewesen war. Doyle war das Beste gewesen, was Angel seit langem passiert war, was er in den Stunden, in denen er schon viel zulange alleine gewesen war, gebraucht hatte ... Freundschaft, Loyalität, die Gewissheit, das Doyle ihn akzeptiert hatte, wie er war.

„Ich danke dir, mein Freund, für alles“, sprach Angel leise und drehte sich um. Auch wenn Doyle körperlich nicht mehr da war, begleitete er ihn dennoch. Die Erinnerung an Doyle konnte ihm niemand nehmen. Und Angel würde ihn in guter Erinnerung behalten, den Halbdämonen, der ihm den richtigen Weg gezeigt hatte. Er würde immer eine Rolle in Angels Leben spielen, in dem, was er tat, um den Schwächeren zu helfen. Es war unmöglich, einen Menschen wie Allen Francis Doyle zu vergessen. Diese Freundschaft würde auf ewig bestehen und sie würde Angel dort Kraft und Mut spenden, wo er selbst keine mehr empfand. Denn Doyle hätte niemals gewollt, das der Vampir aufgab, weder sich selbst, noch andere. Alleine das reichte aus, um weiter zu machen, auch wenn Doyle nicht mehr an seiner Seite war. Und mit diesen Gedanken verschwand Angel in der Dunkelheit der Nacht ...

~ Ende ~