Title: Die Jägerin und ihr Vampir, Teil 4 – Angels Rückkehr
Author:
Tegan

Fandom: Buffy – The Vampire Slayer
Rating:
R
Category:
Schmerz, Tränen, Drama
Characters, Pairing:
Der Buffy-Cast, Angel / Sarah

Summary: Nachdem Sarah verschwunden ist, kehrt sie in die Stadt zurück, in der sie alles verloren hat. Ihre Freunde erkennen die starke Jägerin kaum wieder. Sie verkraftet den Verlust Angels nicht und leidet schwer darunter. Doch als sie beginnt, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen, geschieht etwas unglaubliches ...

Disclaimer: Die Charaktere von Buffy gehören nicht mir, sondern Joss Whedon und anderen. Diese Story ist FanFiction mit der weder Geld verdient, noch Rechte verletzt werden sollen. Ich schreibe sie nur zu meinen Vergnügen.

Note: In diesem Teil habe ich  mal so richtig den Herzschmerz raus gelassen. Es gab einige Dinge, die mir bei Angels Rückkehr nicht gefallen haben. Das die Jägerin nie erfahren hat, daß Xander ihr Willows Plan verschwiegen hat, war etwas was ich nicht verstehen konnte. Deshalb ist das eines der Themen in diesen Teil. Viel Spaß beim Lesen!


Die Jägerin und ihr Vampir, Teil 4 - Angels Rückkehr
written by Tegan
© 2001

In jeder Generation gibt es nur eine Jägerin. Sie muß sich gegen Vampire und die Dämonen der Finsternis stellen. Sie allein ist auserwählt. Sie muß bereit sein, ihr Leben für die Menschheit zu opfern. Stirbt sie, tritt die nächste Jägerin an ihre Stelle ...

~ 1. ~

[2 Monate später]

Rauch stieg aus der Kanalisation auf. Einige der Straßenlaternen waren kaputt und so wurde den Straßen nur gedämpftes Licht gespendet. Sarah kam von ihrer Arbeit. Sie lebte in einer Großstadt und arbeitete als Kellnerin um sich über Wasser zu halten. Sie lebte in einen kleinen Apartment und verkroch sich vor dem Rest der Welt. Der Schmerz war einfach zu groß. Es hatte sich alles verändert. Mit Angels Tod hatte sich ihr ganzes Leben verändert. Sie hatte sich verändert. Nichts war mehr so wie früher. Und es würde nie mehr so sein wie früher.

Doch das Leben ging auch für sie weiter - irgendwie. Aber mit Angels Tod war etwas in ihr gestorben. Der Verrat an ihrer Liebe war nicht zu ertragen für die Jägerin. Das Angel durch ihre Hand getötet worden war ... es verfolgte sie Tag und Nacht; jede Stunde und Minute. Es tat einfach zu sehr weh. Sarah hatte zwar die Welt gerettet - doch um welchen Preis? Die Welt war vom Untergang gerettet worden, aber ihre Welt war dabei unter gegangen. Sarah war innerlich völlig zerstört.

Ihre Pflicht als auserwählte Jägerin hatte ihr alles genommen. Ihre Familie, ihre Freunde und ihre Zukunft. Und es hatte ihr Angel genommen. Sie war allein. Sie hielt sich von den Menschen so gut es ging fern und pflegte keine Kontakte. Und das war ihr nur recht. Sie wollte es nicht anders. Dies war ihr jetziges Leben. Und so sollte es sein.

Etwas anderes hatte sie nicht verdient. In ihren Augen hatte sie es nicht verdient noch einmal wahres Glück zu verspüren. Sie hatte nicht verdient glücklich zu sein - ihr früheres Leben normal weiter zu leben. Nein, daß hatte sie nicht verdient. Nicht nach dem Verbrechen, das sie an Angel begangen hatte. Und für dieses Verbrechen bestrafte sie sich selbst.

Sie litt. Sarah litt wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Sie vermißte ihre Mom und ihre Freunde. Und sie vermißte ihren Wächter. Doch sie wußte - selbst wenn sie nach Sunnydale zurückkehren würde - würde auch für ihre Leute nichts mehr so sein wie früher. Ihre Mutter mußte mit der Tatsache leben das ihre Tochter eine Vampirjägerin war und ihre Lebensqualität nicht sehr hoch war. Sarah wußte, daß ihre Mom damit nicht klar kam. Genau das war der Grund gewesen warum sie Sarah aus dem Haus geworfen hatte.

Dann war da Giles. Ihr Wächter, der immer zu ihr gehalten hatte. Er war es gewesen, der ihr gesagt hatte, man könnte Angel vertrauen. Damals hatte Giles noch nicht gewußt welchen Stein er damit ins Rolle brachte; und welche Liebe sich aus diesem Vertrauen entwickeln würde. Und dann war Jenny gekommen und Giles hatte verstanden warum Sarah so sehr an Angel hing. Das wußte die Jägerin. Er hatte es in dem Moment verstanden als Jenny aufgetaucht war und er sich selbst verliebt hatte.

Doch auch seine Liebe war das dauerhafte Glück nicht bestimmt gewesen. Sie hatten die Wahrheit über Jenny erfahren und Sarah hatte Jenny aus ihrem Kampf ausgeschlossen. Giles hatte sich auf die Seite der Jägerin gestellt - weil es seine Pflicht als ihr Wächter gewesen war. Doch seine Liebe zu Jenny blieb bestehen. Er hatte darunter gelitten und das war auch der Grund gewesen warum Sarah mit Jenny gesprochen hatte - damals. Bevor sich Jenny und Giles ihren Gefühlen endlich hingeben konnte war Jenny brutal aus dem Leben gerissen worden. Giles hatte nie ein Wort darüber verloren und Sarah ahnte, daß er ihr für einen kurzen Moment die Schuld an Jennys Tod gegeben hatte.

Und zu guter Letzt war er von Angels bösen Ichs entführt und gefoltert worden. Sarah wußte nicht was er während der Folter hatte ertragen müssen. Doch die Schmerzen waren sicher unerträglich für ihn gewesen. Konnte er ihr das alles wirklich verzeihen? Giles war in erster Linie ihr Wächter. Doch er war ein Mensch. Konnte er all das wirklich verzeihen? Genauso wie ihren Weggang? Sie war gegangen ohne ein Wort. Wieviel konnte Giles ertragen? Konnte er ihr verzeihen? Oder war einfach schon zuviel passiert?

Dann war da noch ihre Gang. Was war mit ihnen? Konnten sie Sarah verzeihen das sie einfach gegangen war? Sie hatte ihre Freunde durch ihre Berufung immer und immer wieder in Gefahr gebracht. Und vor zwei Monate war es beinahe schief gegangen - diese ständige Hilfe der Gang. Willow hätte sterben können. Angel hatte probiert sie zu töten. Und was war mit Xander? Er hatte sie immer gewarnt vor Angel. Er hatte Angel noch nie gemocht. Doch das war nicht das Thema. Konnten ihre Freunde verzeihen das sie so lange gezögert hatte Angel zu töten? Konnte Giles es verzeihen das sie diesen Kampf so lange hinaus gezögert hatte? Schließlich lebten ihre Freunde in dem Glauben das sie Angelus getötet hatte. Sie wußten nichts davon das es Angel gewesen war, den sie zur Hölle geschickt hatte.

Worüber sie sich aber am meisten Sorgen machte war Angel. Konnte er ihr verzeihen? Dort wo er jetzt war? Sie hatte ihn zur Hölle geschickt und wegen ihr erlitt er jetzt tausend Qualen in der Dämonendimension. Sie wußte es. Und es tat ihr weh. Angel litt wegen ihr. Konnte er ihr wirklich verzeihen das er durch ihre Hand in diese Hölle geschickt worden war? Das er in dieser Welt - Sarahs Welt - als tot galt? Sie konnte den Gedanken nicht ertragen das er sie dafür haßte; das aus seiner Liebe Hass geworden war.

Ja, sie litt noch immer. Und es gab so viele Gründe nicht nach Sunnydale zurück zu kehren. Dieser Ort war für sie verflucht. Sie war dort mit Angel glücklich gewesen. Und sie hatte dort wegen ihm gelitten. Und es war der Ort, wo sie ihn getötet hatte. Angel war tot. Er war fort - für immer. Sarah wußte, er würde nie mehr zurückkommen. Angel hatte sie für immer verlassen. Sie hatte ihn verloren.

Sarah betrat ihr Apartment und schloß die Tür hinter sich ab. Sie legte ihre Arbeitskleidung ab und ging ins Badezimmer. Sarah stellte die Dusche an. Das hatte sie nach diesem harten Arbeitstag dringend nötig. Nur für kurze Zeit gelang es ihr nicht an das zu denken was sie Angel angetan hatte; zu welchem Leben sie ihn in der Hölle verdammt hatte. Nach der Dusche zündete Sarah eine Kerze an und legte sich ins Bett.

Sie starrte die Flamme an. Das tat sie oft wenn sie nach Hause kam; wenn der Schmerz so groß wurde das sie glaubte, er überschwemmte sie. Dann zündete sie eine Kerze an, kuschelte sich ins Bett und beobachtete wie die Flamme langsam ausbrannte. Seit Angels Tod hatte sie die beiden Stücke, die er ihr einst geschenkt hatte, nicht abgelegt. Das Armband mit den Worten „Für immer“ baumelte an ihrer rechten Hand. An ihrer rechten Hand blitzte auch der Claddagh-Ring im Licht auf, den Angel ihr geschenkt hatte. Es war das Zeichen ihrer Liebe. Es war das Wichtigste was sie von Angel noch besaß.

Die Einsamkeit übermannte sie. Der Schmerz wurde von Tag zu Tag unerträglicher und schien sich auszubreiten. Was hab ich nur getan? fragte sich Sarah traurig. Wie hatte sie das nur tun können? „Angel, ich hoffe, du kannst mir verzeihen“, sprach sie leise. Sarah zog die Decke über ihren Körper und schloß die Augen während die Kerze langsam ausbrannte. Sie schlief ein. Und - wie alle Nächte zuvor seit Angels Tod - würde es eine unruhige und von Träumen gequälte Nacht für Sarah werden.

... Die Sonne war untergegangen. Der Horizont war ein Farbenspiel aus tiefsten schwarz und dem schimmernden Blau der Wellen. Der Sternenhimmel war klar und die Sterne schienen in dieser Nacht besonders hell zu strahlen. Langsam ging Sarah am Ufer entlang. Das Wasser umspielte ihre nackten Füße. Sarah trug ein rot gemustertes Sommerkleid und trug ihre Sandalen in der Hand.

Die süße Brise des Meeres wurde vom Wind zu ihr herüber getragen. Sarah blieb stehen weil sie Schritte hörte. Sie setzte sich in den Sand und wartete bis ihr Verfolger sich ihr näherte. Jemand setzte sich neben sie. Zwei starke Männerarme legten sich um ihre Taille. Sie spürte Angels warmen Atem in ihren Nacken. Ihr Haar streifte sein Gesicht als er ihren Duft einatmete.

Mit einen glücklichen Lächeln auf den Lippen lehnte sie sich gegen Angels Brust. „Du hast mich gefunden“, flüsterte sie. „Ich würde dich überall finden - egal wo du bist. Ich finde dich, Sarah“, antwortete Angel zärtlich. Sarah drehte ihr Gesicht zu ihm und er küßte sie auf die Lippen. „Ich liebe dich“, sprach er. „Ich liebe dich auch.“ Sarah richtete ihre Augen auf den Nachthimmel, wo die Sterne tanzten um die Liebenden zu erfreuen.

„Der Himmel ist heute Nacht wunderschön. So als wäre diese Nacht nur für uns bestimmt“, sprach Sarah glücklich. Sie schmiegte sich in Angels Armen und strich mit einer Hand zärtlich über seinen Arm, der sich um ihre Taille gelegt hatte. „Ja, es ist hier schön. Doch du gehörst hier nicht her, Sarah.“ „Wie meinst du das?“ „Du wirst gebraucht, Liebling. Egal was passiert ist ... du mußt zurückgehen.“ „Ich will nicht. Ich will hierbleiben. Hier, bei dir.“ Angel schenkte ihr ein warmes Lächeln.

„Ich bin immer bei dir. Ich werde dich nie verlassen. Doch du weißt, daß du hier nicht her gehörst. Du weißt, wohin du wirklich gehörst.“ „Ich will dich nicht noch einmal verlieren. Wenn ich dich verlasse verliere ich dich erneut“, sprach sie. Angel schüttelte verneinend den Kopf. „Du wirst mich nicht verlieren. Ich werde dir folgen. Egal wo du bist, ich finde dich. Und jetzt geh zurück.“ Und ein letztes Mal küßte Angel sie zärtlich ...

Sarah schreckte aus dem Schlaf. Sie blickte sich im Dunkeln um und tastete nach ihrer Nachttischlampe. Das künstliche Licht hüllte den Raum ein. Sie wußte es instinktiv: Dieser Traum war ein Omen gewesen. Solche Träume waren nichts ungewöhnliches in letzter Zeit. Sie träumte jede Nacht von Angel; denn nur in ihren Träumen konnte sie noch mit ihm zusammen sein.

Aber dieser Traum war anders gewesen als die letzten Träume von Angel. Er hatte ihr geraten zurückzugehen. Und sie wußte, was er damit meinte. Er hatte ihr geraten nach Sunnydale zurückzugehen. Sarah schlug die Decke zurück und stand auf. Sie ging zum Fenster und setzte sich auf die breite Fensterbank. Die künstlichen Lichter der Stadt erhellten die dunklen Straßen. Die Straßen waren jedoch leer. Um diese Zeit trieb sich kaum jemand in dieser Gegend herum.

Er hatte gesagt, sie solle zurückgehen. Er hatte gesagt, daß sie gebraucht wurde. Sollte - konnte - sie es wirklich wagen? Sollte sie diesen Schritt wirklich gehen? Sarah wußte selbst das sie sich irgendwann stellen mußte; das sie irgendwann nach Sunnydale zurückgehen mußte. Doch war es dafür wirklich schon an der Zeit? War sie dazu schon bereit?

„Oh Angel“, flüsterte Sarah. Sie zog ihre Beine an und legte ihren Kopf auf ihre Knie. Und dann rieselten erneut Tränen über ihre Wangen. Sie gab sich ihren Tränen hin; gab sich ihrem Schmerz hin. Und wie schon so oft in solch einsamen Momenten hatte sie das Gefühl, daß er bei ihr war; das er sie beschützte und sie tröstete. Sarah hob den Kopf und ihr wurde klar das sie ihre Rückkehr nach Sunnydale nicht länger hinausschieben konnte.

Seit zwei Monate hatten sie nichts mehr von sich hören lassen. Seit zwei Monaten war sie spurlos verschwunden. Sarah wußte, es war langsam Zeit umzukehren; sich endlich dem zu stellen was geschehen war. Doch hatte sie wirklich schon die Kraft dazu? Unbewußt schüttelte Sarah verneinend den Kopf. Sie hatte diese Kraft noch nicht. Sie hatte Angst. Angst davor wie ihre Mom, Giles und ihre Freunde reagieren würden. Würden sie wirklich Verständnis dafür haben das sie einfach so verschwunden war?

Die Jägerin wußte es gab nur einen Weg das herauszufinden. Sie hatte viel zu klären - mit ihrer Mom und Giles. Doch sie war einfach noch nicht soweit ihren Leuten zu sagen was geschehen war; was wirklich in der Gruft zwischen Angel und ihr geschehen war. Doch sie mußte zurück. Sie mußte diesen Schritt wagen. Egal wieviel Angst sie auch hatte. Ja, Sarah würde dem Rat von Angel folgen und zurück nach Sunnydale gehen. Es war einfach an der Zeit. Aber ihr Leben dort würde nicht mehr so sein wie früher - nicht ohne Angel. Sunnydale würde nicht mehr das sein was es einmal für Sarah gewesen war.

Seit Sarahs Verschwinden war in Sunnydale Ruhe eingekehrt. Für Sarahs Freunde eine unheimliche Ruhe. Giles hatte mit Sarahs Mom gesprochen und ihr erklärt was genau eine Jägerin war; und auch das er ihr Wächter war und die ganze Zeit Bescheid gewußt hatte. Er hatte ihr erklärt das er gemeinsam mit Sarah das Böse bekämpfte. Joyce war geschockt gewesen und hatte Giles deutliche Vorwürfe gemacht. Sie hoffte jeden einzelnen Tag - der anbrach - das ihre Tochter nach Hause kommen würde. Joyce war verzweifelt. Nichts von Sarah zu hören war das Schlimmste was sie sich jemals hatte vorstellen können. Sie hoffte wirklich bald ein Lebenszeichen von Sarah zu hören.

Giles selbst ging es nicht besser als Sarahs Mom. Sie war schließlich mehr für ihn als nur sein Schützling; seine Jägerin. Sie war wie eine Tochter für ihn. In all den Jahren hatte er angefangen sie wie eine Tochter zu lieben. Er wußte, daß auch er mehr für sie war als ihr Wächter. Er war ein Freund und das hatte sie ihm schon oft genug bewiesen. Doch wo war sie nur? Was war jenen Tag in der Gruft zwischen Angel und ihr nur passiert?

Fest stand das sie ihre Pflicht getan hatte. Sie hatte ihn getötet. Natürlich wußte Sarahs Wächter nicht das sie Angel getötet hatte und nicht Angelus. Giles ging jeden Hinweis nach, doch alles entpuppte sich als Falschmeldung. Die Hinweise waren nicht auf Sarah bezogen. Er machte sich wirklich Sorgen und wünschte sich das Sarah sich endlich bei jemanden aus ihrer Gang oder bei ihrer Mom melden würde.

Ihre Freunde lebten ihr Leben weiter. Sie hatten sich für diverse Universitäten beworben. Willow und Oz hatten sich entschieden in Sunnydale zu bleiben und auf dem hiesigen College zu studieren. Willow hatte sich bewußt dafür entschieden weil sie in Sunnydale bleiben wollte. Vielleicht kam Sarah eines Tages ja zurück. In der Zwischenzeit war viel passiert. Sie hatten ihren Abschluß gemacht und würden nun einen neuen Abschnitt in ihrem Leben beginnen.

Direktor Synder hätte Sarah gerne durchfallen lassen, doch es war ihm nicht gelungen. Willow hatte Sarahs Abschlußzeugnis ihrer Mom gebracht. Es lag im Haus der Summers und wartete darauf das Sarah es sich endlich anschaute. Innerhalb der Gang hatte sich eine Menge getan. Während Oz und Willow noch ein Paar und noch immer glücklich miteinander waren, hatten sich Cordelia und Xander im Streit getrennt.

Cordelia träumte von einer Karriere als großer Star und hatte deshalb beschlossen nach Los Angeles zu gehen. Xander hatte das nicht gefallen und er hatte ihr das auch deutlich zu verstehen gegeben. Doch Cordelia hatte sich nicht abhalten lassen. Sie hatte ihre Konsequenzen daraus gezogen und hatte sich von Xander getrennt.

Somit hatte sie auch ihren guten Ruf auf der Sunnydale High wieder hergestellt. Sie war wieder die Queen als sie Sunnydale verlassen hatte. Nun arbeitete sie in Los Angeles an ihrer Karriere als Schauspielerin. Und sie war definitiv der Meinung, daß das Leben in L.A. ungefährlicher war als das Leben mit diesen Vampirjägern in Sunnydale. Sie hatte mit diesem Kapitel ihres Lebens abgeschlossen.

Das schlechte Gewissen von Xander hatte sich zwar etwas beruhigt, doch es plagte ihn noch oft. Er fragte sich, was passiert wäre wenn er Sarah die Wahrheit gesagt hätte. Wäre alles gut ausgegangen und wäre sie in Sunnydale geblieben? Er wußte es nicht. Es quälte ihn. Xander wußte das Sarah ihn wahrscheinlich krankenhausreif schlagen würde wenn sie die Wahrheit erfuhr.

Er wußte, sie würde ihm Vorwürfe machen. Und er fragte sich, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war ihr zu verschweigen was Willow vorgehabt hatte. Aber jetzt ... jetzt war es auch zu spät. Sie alle hofften das Sarah zurückkommen würde. Sie alle machten sich Sorgen. Jeder lebte mit dieser Sorge und jeder ging anders damit um. Aber diese Sorge verband die Gang und schweißte sie zusammen. Sie alle hatten nur den Wunsch das Sarah nach Sunnydale zurückkehrte.

Der Bus hielt in Sunnydale. Genau an der Bushaltestelle, wo Sarah damals eingestiegen war um von diesem Ort wegzukommen. Sie blickte sich um. Die Sonne schien und die Vögel zwitscherten ein kleines Lied. Der Wind wehte durch die Äste der Bäume. Alles war ruhig. Alles schien vollkommen normal zu sein. Sunnydale machte den Eindruck als wäre alles so wie Sarah es verlassen hatte. Doch dem war nicht so. Sie schluchzte leise auf und verbot sich zu weinen. Etwas entschiedenes hatte sich für Sarah in dieser Stadt verändert. Angel lebte hier nicht mehr. Er war nicht mehr da.

Sie wußte nicht was ihre Freunde um diese Zeit jetzt machten, aber Sarah wußte das ihre Mom zu Hause war. Um diese Zeit war sie immer zu Hause gewesen. Mit schweren Beinen ging sie zum Haus ihrer Mutter. Alles in ihr wehrte sich diesen Schritt zu gehen. Ihre innere Stimme wollte weglaufen. Sarah wollte sich dem nicht stellen was damals passiert war. Doch sie mußte. Sie mußte es einfach tun. Angel hatte gesagt, sie gehörte hierher. Und er hatte recht. Sarah gehörte nach Sunnydale - auch wenn die Erinnerungen an Angel hier noch schmerzvoller waren als woanders.

Sie erreichte das Summers-Haus. Der Wagen ihrer Mutter stand in der Auffahrt. Sarah atmete tief durch und blieb stehen. Wie würde ihre Mutter reagieren? Würde sie es verstehen? Oder würde Sarah erneut Vorwürfe zu hören bekommen? Ihre Hände zitterten. Sie hatte Angst. Sarah wußte nicht wie ihre Mutter reagieren würde. Joyce hatte zwei Monate Zeit gehabt über die Bestimmung ihrer Tochter nachzudenken. Wie sah sie das alles jetzt? Verstand sie jetzt das diese Berufung das Leben von Sarah war?

Ich werde es nur erfahren wenn ich mich ihr stelle, dachte Sarah. Sie holte noch einmal tief Luft; tankte sich selbst mit Mut auf und ging auf die Veranda zu. Sarah stieg die paar Stufen hoch und betätigte die Türklingel. Jetzt gab es kein zurück mehr. Jetzt war sie wirklich wieder in Sunnydale. Bitte, Mom, bitte versteh mich, flehte Sarah im Stillen. Im Haus war zuerst nichts zu hören. Doch dann nahm Sarah ein Geräusch wahr. Sie wußte, es war nun soweit. Nun würde sie ihrer Mutter gegenübertreten.

Joyce saß auf dem Sofa und schaute fern als die Türklingel losging. Seit dem Verschwinden ihrer Tochter hatte sich auch im Leben von Joyce etwas verändert. Sie war fast nur noch zu Hause weil sie Angst hatte, Sarah könnte sich melden, wenn sie nicht da war. Sie blickte auf die Uhr. Es war später Nachmittag. Wer konnte das um diese Uhrzeit sein?

Ihr Herz sagte ihr das es Sarah sein könnte. Doch sie glaubte nicht mehr daran. Ihre Tochter war seit zwei Monaten spurlos verschwunden; es hatte kein einziges Lebenszeichen von ihr gegeben. Dieser Zufall konnte einfach nicht sein. Natürlich wünschte sich Joyce mehr als alles andere das Sarah wieder nach Hause kam, aber ... langsam schwand ihre Hoffnung. Es war einfach zuviel passiert.

Sie hatte Dinge gesagt, die ihre Tochter schwer getroffen hatten. Die Türklingel schellte noch einmal los und riß Joyce aus ihren trüben Gedanken. Sie stand auf und eilte zur Tür. Vielleicht war es ja Willow. Sarahs beste Freundin hatte in den letzten zwei Monaten oft vorbeigeschaut und sich ein wenig um Sarahs Mom gekümmert. Joyce öffnete die Tür und riß erschrocken die Augen auf. Sie war wie erstarrt. Es war nicht Willow. Joyce’ Gebete waren endlich erhört worden. Leibhaftig stand sie da - unsicher und nervös. Joyce blickte in das Gesicht ihrer Tochter. Sarah war nach Hause zurück gekommen.

~ 2. ~

Joyce starrte ihre Tochter an. Sie konnte nicht glauben das Sarah tatsächlich wieder da war. Sarah blickte ihre Mutter unsicher an. Wie würde sie reagieren? „Hi“, brachte Sarah leise über die Lippen. „Sarah“, stammelte Joyce. Und dann tat Joyce das was jede Mutter tun würde deren Tochter einfach ohne ein Wort gegangen war. Sie nahm Sarah in ihre Arme und drückte sie fest. „Sarah, Gott sei Dank, du bist wieder da“, stöhnte Joyce erleichtert auf. Die Sorge über ihre Tochter fiel plötzlich von ihr. Ihr Kind war wieder zu Hause.

Sarah selbst war erleichtert das ihre Mutter so positiv reagierte. Sie hätte wirklich nicht gewußt was sie sonst getan hätte, wenn die Entscheidung ihrer Mutter anders ausgefallen wäre. Sie war so froh das ihre Mutter sie wieder zu Hause aufnahm. „Komm rein“, sagte Joyce und sie hielt ihrer Tochter die Tür auf. Sarah betrat das Haus. Doch auch hier schien alles fremd zu sein. Sie atmete tief durch. Sie war wieder zu Hause.

Joyce saß auf dem Bett von Sarah und sah ihrer Tochter dabei zu wie sie ihre Tasche auspackte. „Bist du ... gut zurecht gekommen?“ fragte Joyce in die Stille hinein. Sarah strich sich eine Haarsträhne zurück. Joyce hatte ab der ersten Minute eine Veränderung bei ihrer Tochter bemerkt. Sie war stiller als früher und in ihren Augen lag eine Traurigkeit wie Joyce sie noch nie bei Sarah gesehen hatte. Ihre Miene war ernst und niedergeschlagen. Sarah hatte sich verändert. Sie war ernster; reifer als früher. Und sie trauerte. Sie trug ihren Schmerz in ihren Augen. Joyce sah das. Und ihre Tochter tat ihr so furchtbar leid.

Sarah blickte ihre Mutter an. „Ja, ich bin gut zurecht gekommen. Ich hatte einen Job. Ich hab als Kellnerin gearbeitet und hab in einen kleinen Apartment gelebt. Ich bin gut zurecht gekommen.“ „Das, was du da sagst, klingt sehr traurig“, bemerkte Joyce. Sarah zuckte mit den Schultern. „Ich wollte alleine sein“, murmelte Sarah nur. Joyce blickte auf die Hand ihrer Tochter. Sie entdeckte Angels Ring und ihr fiel wieder ein was Giles ihr über die Beziehung zwischen Angel und Sarah erzählt hatte.

„Schatz, Mr. Giles hat mit mir gesprochen“, begann sie vorsichtig. Man sah Sarah an das Angel noch immer ein sehr empfindliches und schmerzliches Thema für sie war. „Giles hat mit dir gesprochen?“ fragte Sarah überrascht. „Ja, er hat mir erzählt das er dein ... Wächter ist. Und er hat mich über deine Bestimmung aufgeklärt. Über eure Pflicht das zu tun ... was ihr eben tut.“ „Und? Verstehst du es nun, Mom?“ Joyce seufzte. „Ich kann mir das noch immer sehr schwer vorstellen. Aber ich werde lernen es zu akzeptieren. Vom Verstand her weiß ich das du etwas sehr wertvolles tust. Ich werde mit der Zeit lernen es zu akzeptieren. Ich werde dir beistehen wo ich kann“, versprach Joyce ihrer Tochter.

„Was ist ... mit Angel passiert?“ fragte Joyce vorsichtig nach. Sarah zuckte zusammen als sie Angels Namen vernahm. „Mr. Giles meinte, du hättest ihn getötet.“ Sarah nickte. „Ja, ich hab ihn getötet“, sprach sie ruhig. Doch innerlich war sie nicht so ruhig. Innerlich könnte sie schreien vor Wut, Verzweiflung und Schuld. „Angel war ein Vampir?“ Wieder konnte Sarah nur nicken. „Er hatte ... eine Seele. Bis ich ... mit ihm schlief. In jener Nacht verlor er seine Menschlichkeit und wurde wieder zu dem Monster, daß er einmal gewesen war.“ Joyce sah wie die Augen ihrer Tochter sich mit Tränen füllten.

„Liebling, du mußt mir das nicht erzählen“, sprach Joyce. Sie wollte nicht das ihre Tochter sich unnötig quälte. Doch Sarah wollte das ihre Mutter wußte was in ihr vorging; wie schrecklich sie sich fühlte. „Ich wollte es nicht tun“, sprach sie leise. „Ich wollte Angel nicht töten. Ich wollte ihn nicht zur Hölle schicken. Aber ich hatte keine Wahl. Ich mußte ihn opfern ansonsten wäre diese Welt verschlungen worden.“ Tränen lösten sich von Sarahs Augen und rieselten ihre Wangen hinab.

„Ich hatte keine Wahl. Obwohl ich ihn liebte mußte ich ihm das antun. Ich habe unsere Liebe verraten. Ich hab ein nicht wieder gutzumachendes Verbrechen begangen. Ich mußte den einzigen Mann, den ich jemals geliebt habe, töten. Und es hat mir das Herz gebrochen. Ich sah seinen geschockten Ausdruck in den Augen als ich ihm das Schwert ins Herz rammte.“ Sarah schlug die Hände vors Gesicht und fing hemmungslos zu weinen an. Der Schmerz übermannte sie; fesselte sie und ließ sie nicht mehr los.

Joyce stand auf und nahm ihre Tochter fest in die Arme. Sie strich ihr beruhigend über den Rücken und ließ sie einfach weinen. Ihr war nun klar wie sehr Sarah den Vampir geliebt hatte und das es ihr das Herz gebrochen hatte Angel zu töten. Deshalb war sie gegangen. Deshalb war sie ohne ein Wort gegangen. Sie hatte den Schmerz nicht ertragen können hier ohne Angel weiter zu leben; mit der Gewißheit zu leben das er von ihr getötet worden war.

Hier in Sunnydale war die Erinnerung an alles schlimmer als woanders. Denn hier war sie mit ihm glücklich gewesen. Und an diesem Ort hatte sie Angel - ihre große Liebe - geopfert um ihre Pflicht zu tun. Sarah war ein gebrochener Mensch. Joyce wußte, sie liebte Angel noch. Sarahs Herz war gebrochen. Ihre Tochter war am Ende. Und wie jede Mutter machte sie sich Sorgen um ihr einziges Kind.

Leise spielte die Musik im Hintergrund. Sarah saß in ihrem Zimmer und lauschte der Musik. Ihre Mutter ließ ihr Zeit sich einzugewöhnen und sie drängte ihre Tochter auch nicht sich bei ihren Freunden zu melden. Sie ließ Sarah Zeit; Zeit um sich einzugewöhnen und sich zu beruhigen. Es war für Sarah nicht leicht wieder in Sunnydale zu sein. Ihre Erinnerungen an Angel überschwemmten sie an diesen Ort und am liebsten würde sie ihre Sachen packen und ein zweites Mal verschwinden. Doch sie wußte, daß war nicht das was Angel von ihr wollte; was er von ihr erwartete wenn er noch hier in Sunnydale sein würde.

Am Horizont dämmerte es. In Sarahs Zimmer war es still. Die CD war zu Ende und Sarah hatte sie nicht von neu abgespielt. Sie stand an ihrem Fenster und sah dabei zu wie die Sonne langsam unterging. Ihr Herz sehnte sich so sehr nach Angel. Ihr Herz blutete, sie spürte es. Aber es gab noch etwas was sie zu erledigen hatte. Sie mußte zu Giles. Ihr Wächter mußte erfahren das sie wieder da war. Er machte sich bestimmt große Sorgen um sie. Sarah stellte die Stereoanlage aus und verließ ihr Zimmer.

Sie zog ihr Stiefel an - die bei der Garderobe standen - und griff nach ihrer Jacke. „Mom?“ Joyce erschien aus der Küche. „Du gehst weg?“ „Ich muß ... ich muß zu Giles. Er muß wissen das ich wieder da bin.“ Joyce nickte. „Warte noch einen Moment, Sarah.“ Joyce ging zum Kamin und holte ihr Zeugnis, daß sie eingerahmt hatte. „Hier.“ „Was ist das?“ fragte Sarah und nahm den Rahmen entgegen. Sie blickte auf ihr Abschlußzeugnis. Sie hatte es tatsächlich geschafft. Sie hatte die Highschool beendet.

„Mein Abschlußzeugnis“, flüsterte Sarah. „Die Abschlußfeier war schön. Obwohl wir alle sehr traurig waren weil du nicht da warst. Dieser Synder hat probiert dein Zeugnis zu ändern. Aber das ist ihm nicht gelungen. Du hast die Highschool abgeschlossen. Du kannst jetzt aufs College gehen.“ „Ich war zwei Monate weg. Ich hab mich für kein College beworben und ...“ „Ich hab mich erkundigt“, unterbrach Joyce ihre Tochter sanft. „Ich mußte irgend etwas tun als du weg warst. Außerdem wollte ich dir eine Chance freihalten falls du zurück kommst. Die Universität hier in Sunnydale hält dir einen Platz frei. Das gilt bis zwei Wochen vor dem Beginn des Studiums. Du kannst dich also noch einschreiben.“ „Das ist toll, Mom“, meinte Sarah.

„Freust du dich nicht?“ „Doch, sicher. Es ist schön zu wissen das mein halbwegs normales Leben noch eine Zukunft hat. Aber ... können wir darüber reden wenn ich wieder da bin? Ich möchte wirklich gerne zu Giles.“ Joyce verstand. „Du hast recht. Wir sollten nicht heute darüber sprechen. Sonst kommt einfach zuviel für dich zusammen. Wir reden morgen darüber.“ „Danke, Mom“, sagte Sarah aufrichtig. Sie öffnete die Haustür und trat in die kühle Nacht hinaus. Es war Zeit sich Giles zu stellen.

Sarah ging durch Sunnydale und alles kam ihr fremd vor. Sie fühlte sich wie eine Fremde; hatte nicht das Gefühl zu Hause zu sein. Sie hatten die Highschool hinter sich gelassen und Sarah wußte, sie hatten auch ihr Hauptquartier - die Schulbibliothek - räumen müssen. Nun stieg Sarah die Stufen zu Giles’ Haus hinab. Sie betrat lautlos den Hof und blickte zuerst durch eines der Fenster. Er war da. Er saß auf dem Sofa und las ein Buch. Neben ihm stand eine Tasse Tee. Giles sah müde aus - müde und besorgt.

Und die Jägerin wußte, er sorgte sich um sie. Er hatte nach ihr gesucht; war jeden noch so kleinen Hinweis nachgegangen, doch er war immer ohne Ergebnis nach Sunnydale zurück gekehrt. Und das hatte an seinen Nerven gezerrt. Die letzten zwei Monate waren sicher sehr hart für ihren Wächter gewesen. Nicht nur das er Jennys Tod zu verarbeiten hatte, nein. Er mußte sich auch noch jede Minute fragen was aus seiner Jägerin geworden war. Giles fragte sich sicher ob er als Wächter versagt hatte. Und jede Minute mußte er sich fragen was in der Gruft zwischen Angel und Sarah passiert war.

Die letzte Zeit war wahrlich nicht einfach für Giles gewesen. Als Wächter hatte er schon viele Dinge gesehen und erlebt. Aber das seine Jägerin - ein Mädchen, daß wie eine Tochter für ihn war - einfach verschwand ... das zerrte wirklich an seinen Nerven. Sarah sah es ihm an. Er schien in den letzten zwei Monaten um Jahre gealtert zu sein. Giles sah wirklich nicht gut aus; was eindeutig daran lag das er sich solche Sorgen um sie machte.

Sarah atmete tief durch und trat vor die Tür. Es war soweit. Nun würde sie ihren Wächter gegenübertreten. Wie würde er reagieren? Konnte er ihr verzeihen was geschehen war? Konnte er verstehen das sie einfach hatte gehen müssen? Sie hatte immer auf ihren Wächter zählen können. Würde es auch jetzt so sein? Würde er ihr jetzt auch so beistehen wie früher? Warum mußte es so schwer sein? Tausend, verwirrende Gedanken gingen Sarah durch den Kopf. Gedanken, die Sarah zu keinen vernünftigen Ergebnis brachten.

Bitte, geben Sie mir noch eine Chance, Giles, betete Sarah still in sich. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und klopfte einmal kräftig an die Tür. Dann trat sie einen Schritt zurück. Sie konnte nur hoffen das Giles ihr wirklich alles verzeihen konnte. Jennys Tod, die Folter, ihr Weglaufen ... einfach alles. Sie brauchte ihn. Ohne ihn schaffte sie ihre Berufung nicht. Er war unglaublich wichtig für sie. Sie holte noch einmal tief Luft und wartete.

Giles hatte das Klopfen an seiner Tür gehört. Er blickte auf. Seine Augen wanderten zu seiner Uhr. Es war spät; die Sonne war schon untergegangen. Wer konnte das jetzt noch sein? Vielleicht waren es Sarahs Freunde. Vielleicht war etwas schlimmes passiert. Giles erhob sich und ging zur Tür. Er war noch immer in sein Buch vertieft und während er noch das Kapitel zu Ende las öffnete er die Tür.

„Hallo Giles!“ Giles blickte von seinen Buch auf. Im nächsten Moment glitt es aus seiner Hand und fiel zu Boden. Doch er beachtete es nicht. Er konnte nicht glauben was er sah; wen er vor sich sah. Er begegnete einen unsicheren Blick aus ihm bekannten Augen. Es war Sarah, die da vor seiner Tür stand. Es war seine Jägerin. Sie war wieder da. Sie war nach Sunnydale zurück gekehrt.

~ 3. ~

„Sarah?“ fragte er überrascht. Er konnte nicht glauben das sie wirklich vor ihm stand; das sie real war. „Ja, ich bin es“, sprach sie leise. „Sarah, mein Gott! Du bist wieder da“, sprach Giles erleichtert aus. Sarah stand ihm unsicher gegenüber. Sie wußte nicht wie sie reagieren sollte. Zuviel war geschehen. Konnte er ihr all das wirklich verzeihen?

Giles vergaß alles um sich herum und handelte instinktiv. Er nahm seine Jägerin in die Arme und drückte sie fest an sich. „Ich bin so froh das du wieder da bist“, murmelte Giles erleichtert. Sarah seufzte leicht auf. Er schien nicht böse zu sein. Er schien nur froh zu sein das sie wieder da war. So emotional handelte Giles selten. Das wußte sie. Und das er sie in die Arme nahm zeigte ihr, wie sehr er sie vermißt hatte. Giles schob sie ein Stück von sich und blickte Sarah ernst in die Augen.

„Du bist wieder da“, sagte er immer und immer wieder. Er freute sich wirklich über ihre Rückkehr. „Sarah, weiß deine Mutter das du wieder da bist?“ Die Jägerin nickte. „Ja, ich komme gerade von ihr.“ „Du bist wieder da. Das ist ... eindeutig ... wunderbar.“ Er strahlte über das ganze Gesicht. Sarah lächelte leicht. „Kann ... ich reinkommen, Giles?“ fragte sie vorsichtig. „Oh ... sicher, natürlich. Komm rein.“ Giles trat zur Seite. Sarah ging am ihm vorbei und blickte sich im Wohnzimmer um. Hier hatte sich nichts verändert. Seine Wohnung war noch immer dieselbe. Giles schloß die Tür hinter sich.

„Setz dich“, forderte er seine Jägerin auf. Sarah nahm auf einem der Polstersessel Platz während sich ihr Wächter auf das Sofa setzte. Sie fühlte sich nicht sehr wohl. Sie fühlte sich irgendwie unbehaglich. In Giles’ Wohnung hatte sich nichts verändert. Und doch fühlte sie sich völlig fremd; völlig fehl am Platz. Aber das lag sicher daran das sie so lange weg gewesen war. Irgendwann würde sie sich hier in Sunnydale schon wieder heimisch fühlen. Es mußte einfach so sein.

„Wie geht es dir?“ fragte Giles. Sarah zuckte mit den Schultern. „Ich bin okay.“ „Sarah, wo bist du gewesen? Wo warst du?“ „Weit weg von hier in einer Stadt. Ich bin aber gut zurecht gekommen. Ich hab gearbeitet und ... es war okay“, berichtete Sarah trocken. „Ich weiß, daß dir das nicht leicht fällt, aber was ist in der Gruft passiert? Sarah, was ist geschehen?“ fragte Giles vorsichtig nach. Er sah ihr an das sie unheimlich litt; das sie nicht verkraften konnte was geschehen war. Sie hatte sich verändert. Sie war ruhig und still geworden. Und seine Jägerin sah gar nicht glücklich aus.

„Acathla ist verschwunden“, murmelte Sarah. „Das Tor zur Hölle ist geschlossen.“ „Und Angel?“ Sarah schluckte schwer. Ihre Hände fingen zu zittern an. Giles sah das. Was ist nur geschehen? fragte er sich. Sie war traurig, daß sah er. Und sie litt. Ihre Seele schien tausend Qualen zu erleiden. Sarah schien nicht mehr zur Ruhe zu kommen. Sie war in ihrem Herzensschmerz gefangen.

Sie richtete tapfer ihre Augen auf Giles. „Giles, ich kann ... nicht. Ich kann nicht darüber sprechen. Es tut zu sehr weh. Bitte, geben Sie mir Zeit. Ich brauch einfach Zeit um das alles zu verarbeiten. Doch momentan ... es geht einfach nicht. Die Erinnerung ist einfach noch zu stark. Es tut einfach schrecklich weh.“ Giles nickte verständnisvoll. „Ich verstehe. Laß dir Zeit, Sarah. Ich werde da sein wenn du mir erzählen willst was geschehen ist. Wenn du dazu bereit bist bin ich da um dir zuzuhören.“ „Danke. Wie geht es den anderen?“ fragte Sarah um von Angel abzulenken; von dem Thema das so furchtbar weh tat.

Giles nahm seine Brille ab und seufzte schwer. Er rieb sich die müden Augen. Die Anspannung der letzten zwei Monate fiel langsam von ihm ab. „Nicht sehr gut. Sie vermissen dich. Vor allem Willow verarbeitet schwer das du einfach gegangen bist. Du bist ihre beste - und wohl einzig wahre - Freundin. Du fehlst deinen Freunden sehr. Willow hat sich sehr um deine Mutter gekümmert während deiner Abwesenheit. Doch auch so ist sie nicht damit klar gekommen das du einfach verschwunden bist. Du solltest deine Freunde aufsuchen“, schlug Giles vor. Sarah nickte.

„Das wollte ich auch tun. Wissen Sie, wo sie sind?“ „Wahrscheinlich im Bronze.“ Sarah erhob sich. „Dann geh ich mal und bringe auch das hinter mich.“ Giles stand ebenfalls auf und begleitete Sarah zur Tür. „Meine Mutter will morgen ein Essen geben. Sie sind herzlich eingeladen, Giles.“ Giles blickte Sarah ernst an. „Das halte ich für keine gute Idee“, begann er. „Wieso nicht?“ „Nun, deine Mutter ist nicht sehr begeistert gewesen das ich all die Jahre von deiner Bestimmung gewußt habe.“ Sarah nickte und sie verstand. „Sie sind mein Wächter, Giles, und mein Freund. Mom akzeptiert das. Ich will das Sie kommen. Sie gehören zu meiner Familie, Giles. Ich brauche sie.“ Giles lächelte leicht. „Ich werde kommen“, versprach er ihr.

Sarah erwiderte sein Lächeln und verließ die Wohnung. Doch da drehte sie sich noch einmal zu Giles um. „Es tut mir leid“, sprach sie. „Was tut dir leid?“ fragte Giles verwirrt. „Das mit Jenny. Ich wollte nicht das Sie die Frau verlieren, die Sie lieben. Es tut mir so leid.“ Giles’ Augen wurden ernst. „Es ist okay. Jenny kannte die Gefahren. Und sie ist diese Gefahr bewußt eingegangen um Angels Seele zu retten. Es ist okay. Mir tut nur leid das ich keine Möglichkeit mehr hatte ihr zu sagen was ich fühle.“ „Sie hat es gewußt“, sagte Sarah aufrichtig. „Sie hat gewußt, das Sie in sie verliebt waren. Jenny hat es gewußt.“ Sarah schwieg für einen Moment.

„Haben Sie mir jemals die Schuld an ihren Tod gegeben?“ fragte sie dann zögernd. Sie wollte ihm diese Frage nicht stellen weil sie Angst vor der Antwort hatte. Doch sie mußte es einfach wissen. Sarah mußte einfach wissen woran sie bei Giles war. „Haben Sie mich jemals dafür gehaßt weil ich so lange gezögert habe mich Angel zu stellen?“ Giles starrte sie fassungslos an. Er konnte nicht glauben was sie da sprach. „Sarah, nein“, entgegnete er entschlossen.

„Ich habe dich niemals gehaßt. Ich wußte doch das der Kampf gegen Angel deine größte und schwerste Herausforderung sein würde. Ich hab dir niemals die Schuld an Jennys Tod gegeben. Das mußt du mir glauben. Sowas darfst du nicht einmal denken. Jenny kannte die Gefahren unserer Welt. Du hast nicht Schuld an ihrem Tod.“ Sarah nickte. Sie war erleichtert das zu hören und sie zweifelte auch nicht an der Ehrlichkeit ihres Wächters. „Bis morgen, Giles.“ „Ja, bis morgen.“ Giles sah seiner Jägerin nach wie sie ging. Er war so froh und erleichtert das sie zurück gekommen war.

Auf dem Weg zum Bronze kam sie an Angels alter Kellerwohnung vorbei. Sarah blieb am Anfang der Gasse stehen. Sie zögerte. Sie blickte Richtung Bronze. Eigentlich sollte sie einfach weitergehen, doch etwas hinderte sie daran. Ihre Augen blickten die Gasse hinunter und erhaschten den Blick zur Tür des Häuserblocks. Sarah drehte sich um und betrat die Gasse. Mit zitternden Knien ging sie auf die Tür zu. Sie blieb vor dem Gebäude stehen. Sarah atmete einmal tief durch und öffnete die Tür. Wie in Trance stieg sie die Treppen hinunter zu Angels Kellerwohnung.

Im Treppenhaus war es dunkel. Aber Sarah kannte den Weg zu Angels Wohnung blind. Einen Moment blieb sie vor der Tür stehen. Sie wußte, dahinter befand sich Angels Hab und Gut; sein Leben. Ihre Hand zitterte als sie sie auf den Türgriff legte. Sollte sie es wirklich wagen? Sollte sie Angels Reich wirklich betreten und sich unnötig ihrem Schmerz aussetzen? Wie in Trance öffnete Sarah die Tür und betrat Angels Wohnung, die total im Dunkeln lag.

Sarah schaltete das künstliche Licht ein und sah sich um. Seine Bücher und Antiquitäten standen an ihren gewohnten Stellen. Sarah legte ihre Handtasche auf dem Glastisch im Wohnzimmer. Automatisch ging sie ins Schlafzimmer. Das Bett war noch mit dem dunkelroten Laken überzogen zwischen denen sie sich geliebt hatten. In seinen Kleiderschrank hingen noch seine Kleider. Alles in der Wohnung war noch genauso wie das letzte Mal als er hier gewesen war. Damals - nach ihrer Nacht - als er ihr das Herz gebrochen hatte; als er so gemein zu ihr gewesen war. Damals hatte er seine Wohnung für immer verlassen.

Sarah setzte sich auf das Bett und glaubte noch immer seinen Duft zwischen den Laken riechen zu können. Zärtlich strich sie über die Laken und erinnerte sich wie sie sich geliebt hatten; wie sie für einen kurzen Moment vergessen hatten wer sie waren und sich einfach ihrer Liebe hingegeben hatten. Sie wurde von ihrem Schmerz übermannt. Sarah warf sich auf das Bett und weinte. Sie weinte um Angel; um ihre verlorene Liebe. Sie weinte um den Verrat den sie begangen hatte; das Verbrechen als sie Angel getötet hatte. Sie weinte um ihren Angel; um den Mann, der sie geliebt hatte und den sie über alles geliebt hatte und es noch tat.

Das laute Schluchzen erfüllte Angels Wohnung. „Warum hast du mich verlassen? Warum, Angel?“ Sarahs Fingernägel gruben sich in das Laken. Sie konnte einfach nicht mehr aufhören zu weinen. „Wieso hast du mich allein gelassen, Angel? Du hast versprochen es niemals zu tun“, flüsterte Sarah schmerzvoll. Sie wünschte sich so sehr das er jetzt bei ihr war und sie in die Arme nahm. Seine starken Arme - ein Ort wo sie sich immer sicher und geboren gefühlt hatte. Doch vor allem war es ein Ort, wo sie sich geliebt und verstanden gefühlt hatte.

... Eine Hand strich über ihr Haar. Neben Sarah ließ sich jemand nieder. Leise Worte drangen zu ihr durch. „Ich habe dich nicht allein gelassen“, sprach Angel beruhigend auf sie ein. Sarah hob den Kopf. Ihre Augen waren vom vielen weinen gerötet. „Ich habe dich nie allein gelassen, Liebling.“ „Doch, das hast du“, erwiderte Sarah leise. Angel schüttelte verneinend den Kopf und schenkte ihr ein warmes, zärtliches Lächeln. „Sarah“, begann Angel. „Ich habe dich niemals allein gelassen. Ich bin bei dir.“ „Nur in meinen Träumen“, wisperte die Jägerin traurig und sie wandte den Kopf zur Seite.

Angel zog ihr Gesicht wieder zu sich und hob ihr Kinn an. „Nur weil ich körperlich nicht mehr in deiner Welt bin, bedeutet das nicht, das du allein bist. Ich bin bei dir. Jede Stunde, jede Minute. Meine Gedanken sind nur bei dir.“ „Das genügt mir nicht. Ich will das du zurückkommst; das du bei mir bist. Dich nur in meinen Träumen zu haben ... ist nicht genug.“ „Du weißt das mehr nicht möglich ist.“ Sarah schlang ihre Arme um seinen Nacken. „Warum hast du mich verlassen, Angel? Du hast versprochen es niemals zu tun. Warum hast du mich allein gelassen?“ Ihre Tränen tropften auf seine Jacke.

Angels Arme legten sich um Sarah und drückten sie fest an sich. Sie wollte ihn nicht mehr loslassen; wollte ihn nie mehr gehen lassen. „Ich mag körperlich nicht mehr bei dir sein. Doch ganz werde ich dich nie verlassen. Sarah, ich bin immer bei dir. Mit meiner ganzen Liebe, meinen Gedanken und meiner Seele. Ich weiß, es ist schwer für dich, aber du wirst weiterleben. Auch ohne mich.“ Sarah schüttelte den Kopf. „Nein, ich kann nicht. Ich schaffe es nicht. Ich schaffe es einfach nicht.“ Angel schob sie ein Stück von sich und sah ihr ernst in die Augen.

„Doch du schaffst das. Du bist stark. Du wirst ohne mich weiterleben. Ich weiß, daß du es schaffst. Dein Leben wird ohne mich weitergehen. Das Einzige, daß ich von dir will, ist, daß du mich niemals vergißt; das du niemals Abschied von mir und unserer Liebe nimmst. Kehr unserer Liebe nicht den Rücken.“ „Das werde ich nicht. Du fehlst mir so.“ „Du mir auch“, flüsterte Angel. Er nahm Sarahs Gesicht in seine Hände und küßte sie zärtlich ...

Sarah fuhr hoch. Sie blickte sich um; mußte sich erst einmal orientieren wo sie war. Sie war in Angels Kellerwohnung und war wohl eingeschlafen. Sarah strich sich ihr Haar zurück und ihre Augen wanderten durch Angels Schlafzimmer. Ihr Traum - er war anders gewesen. Angel war gekommen um sie zu trösten. „Ich werde unserer Liebe niemals den Rücken kehren, Angel“, sprach Sarah leise. „Ich verspreche es dir.“ Sarah stand auf und verließ das Schlafzimmer.

Sie griff nach ihrer Handtasche und holte ihren kleinen, runden Spiegel heraus. Ihre Augen sahen gerötet aus. Sarah ging in Angels Badezimmer und wusch sich das Gesicht. Dann legte sie ihr Make-up neu auf und kaschierte die Spuren ihrer Tränen. Sarah ging zurück ins Wohnzimmer und nahm ihre Handtasche an sich. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. „Bitte verzeih mir was ich getan habe, Angel“, sprach sie, dann war sie schon gegangen und die Tür fiel hinter ihr ins Schloß.

Ihr Weg führte sie zum Bronze, wo sie ihren Freunden gegenübertreten mußte. Sarah stand vor dem Bronze und reihte sich in die Warteschlange ein. Ihre Gedanken überschlugen sich. Nicht nur was die Reaktion ihrer Freunde anging sondern auch was ihren Traum betraf. Angel war gekommen um sie zu trösten. Woher hatte er gewußt, daß sie so traurig war? Das sie sich so sehr seinen Trost gewünscht hatte? Es gab dafür keine Erklärung, aber nach dem Traum hatte sie sich besser gefühlt. Sie hatte das warme Gefühl gehabt, daß er sie wirklich getröstet hatte. Doch das war verrückt. Endlich betrat Sarah das Bronze.

Im Inneren des Clubs tummelten sich die Jugendlichen von Sunnydale um Spaß zu haben. Sie tanzten und genossen die Musik. Das Bronze war bombenvoll. Sarah bannte sich einen Weg durch die Menge und suchte ihre Freunde. Sie fand sie auch ziemlich schnell. Xander, Willow und Oz saßen in der Sofaecke, wo die Gang früher immer zusammen gesessen hatte. Sarah wunderte sich wo Cordelia war. War sie etwa nicht mehr mit Xander zusammen? Sie blieb stehen und beobachtete ihre Freunde ein wenig.

Oz hatte den Arm um Willow gelegt. „Ich wünschte Sarah würde endlich was von sich hören lassen“, sprach Willow besorgt. „Ich mache mir wirklich Sorgen um sie.“ „Das tun wir alle. Ich bin mir sicher, wir werden bald was von ihr hören“, sprach Oz um seine Freundin zu trösten. Das ihre beste Freundin einfach so verschwunden war konnte Willow einfach nicht verstehen. Sie sorgte sich um Sarah.

Sarah nahm ihren ganzen Mut zusammen und trat auf ihre Freunde zu. „Ich meine, sie muß doch was von sich hören lassen, damit  wir wissen das es ihr gut geht“, sagte Willow gerade. Ein Schatten fiel über die Getränke der Freunde und die Drei sahen auf. „Hallo Leute“, sprach Sarah mit ruhiger Stimme. Die Drei sprangen wie von der Tarantel gestochen auf.

„S ... Sarah“, stammelte Xander entsetzt. Blanke Angst packte ihn. Er fragte sich ob sie wußte was er getan hatte. Doch sie warf ihren Freunden - jeden einzelnen - einen schüchternen, aber warmen Blick zu. Unbemerkt atmete Xander auf. Sie wußte es nicht. Und er war froh darüber. Sie würde es ihm niemals verzeihen das er sie belogen hatte. Das wußte Xander.

Spontan trat Willow nach vorne und umarmte Sarah fest. „Ich bin so froh. Du bist wieder da“, rief sie erleichtert. Und Sarah war auch froh. Ihre Freunde waren ihr nicht böse. Das war gut. Sarah hatte Angst gehabt; genau wie bei ihrer Mom und Giles. Doch sie waren nicht böse. Sie waren nur erleichtert das Sarah wieder in Sunnydale war. Sarah umarmte Oz und Xander.

Unschlüssig stand Sarah vor ihren Freunden. „Woher kommst du? Wo warst du?“ fragte Xander. „Das spielt keine Rolle. Ich habe mich entschlossen zurück zu kommen.“ „Und das ist toll. Wir haben dich schrecklich vermißt“, sprach Willow, die über das ganze Gesicht strahlte weil ihre beste Freundin wieder da war. „Es tut mir leid das ich euch einfach so in Stich gelassen habe“, meinte Sarah. „Das ist doch egal. Ich meine, du bist wieder da und nur das ist wichtig.“ Sarah lächelte und entspannte sich ein wenig.

„Willst du dich nicht setzen?“ Sarah schüttelte den Kopf. „Nein. Ich muß zurück zu Mom. Wir haben noch einiges zu klären. Zum Beispiel die Tatsache, das ich die Jägerin bin und ich jetzt, wo ich meinen Abschluß habe, aufs College gehen soll.“ „Du gehst hier aufs College?“ fragte Willow hoffnungsvoll. Sarah nickte. „Sehr wahrscheinlich. Meine Mom hat es geschafft das mir ein Platz frei gehalten wurde. Ich denke schon das ich dort Kurse belegen werde.“ „Dann können wir gemeinsam Kurse besuchen. Ich geh nämlich auch hier aufs College.“ „Aber wieso? Du bist doch gut genug um in Yale zu studieren.“ „Weil ich hier nicht weg will“, erklärte Willow ihr nur.

„Meine Mom gibt morgen ein Willkommensessen. Ihr seit alle herzlich eingeladen.“ „Wir kommen gerne“, erklärte Oz. „Was ist mit Cordelia?“ fragte Sarah verwundert. Xander seufzte verächtlich und erklärte: „Madame ist nach L.A. gegangen um Schauspielerin zu werden. Sie will nichts mehr mit uns zu tun haben. Und sie sagte, sie werde auch nie wiederkommen.“ „Tut mir leid, Xander.“ „Es ist okay“, sprach er. Willow beugte sich vor und flüsterte: „Die Trennung zwischen den Beiden war sehr heftig.“ Sarah nickte. Von schlimmen Trennungen hatte sie eine Ahnung.

„Ich geh dann mal. Wir sehen uns ja morgen.“ „Ja, ich freue mich so das du wieder da bist“, meinte Willow. Sarah umarmte ihre Freundin noch einmal. „Sarah?“ Die Jägerin drehte sich zu ihren Freunden um. „Ja?“ „Was ist ... was ist mit Angel?“ fragte Willow zögernd. Sarah schluckte schwer. Die Freunde hatten den traurigen Zug um Sarahs Augen natürlich bemerkt. Und sie hatten auch bemerkt das Sarah sehr ruhig war.

„Angel wird nie mehr zurückkommen“, sprach die Jägerin, dann bannte sie sich einen Weg durch die Menge nach draußen. Xander bekam ein schlechtes Gewissen weil er ihr nicht die Wahrheit gesagt hatte. Doch jetzt konnte er es nicht mehr ändern. Man sah ihr an das sie litt. Willow wechselte einen besorgten Blick mit Oz. Oz verstand ihren Blick und zuckte ratlos mit den Schultern. Die Sache mit Angel war sehr schlimm für Sarah und es war offensichtlich das sie es nicht verkraftet hatte. Und da drängte sich die Frage auf: Was war in der Gruft zwischen Angel und ihr geschehen?

~ 4. ~

Joyce hatte alles für das Willkommensessen vorbereitet. Sie hatte Fisch gekocht mit Bratkartoffeln und Gemüse als Beilage. Der Tisch im Eßzimmer war fein gedeckt. Sarah stand vor ihrem Kleiderschrank und ohne groß nachzudenken griff sie nach einen rot gemusterten Kleid. Erst als sie es angezogen hatte und sich im Spiegel betrachtete wurde ihr klar das es das Kleid aus ihrem Traum war. Jenen Traum, indem Angel ihr geraten hatte nach Sunnydale zurückzukehren. Doch Sarah zog es nicht aus. Dieses Kleid hatte nie eine Bedeutung für sie gehabt. Jetzt hatte es eine.

Es klingelte an der Tür und Sarah eilte die Stufen hinunter. „Ich geh schon, Mom“, rief sie. Sarah öffnete die Tür und ihre Freunde standen davor. Willow hatte eine Schüssel bei sich. „Das ist Salat“, erklärte sie. „Meine Mom meinte, es wäre unhöflich nichts mitzubringen.“ „Kommt rein“, forderte Sarah ihre Gang auf. Ihre Freunde legten ihre Jacken an der Garderobe ab und Sarah nahm Willow den Salat ab. Sie trug ihn ins Eßzimmer und stellte ihn auf den Tisch.

Da klingelte es noch einmal. Sarah wußte, das war Giles. Es konnte nur Giles sein. Sarah öffnete die Tür und sah sich ihrem Wächter gegenüber. „Giles, schön das Sie gekommen sind. Kommen Sie rein.“ Giles betrat das Summers-Haus. „Jetzt sind ja alle da“, sprach Joyce, die gerade aus der Küche kam. Sie blickte Giles an. „Guten Abend, Mr. Giles“, grüßte sie höflich, aber distanziert. „Guten Abend“, erwiderte Giles. „Das Essen ist fertig“, erklärte Joyce und sie führte die Gruppe ins Eßzimmer. Jeder nahm Platz und sie begannen mit dem Essen.

Die Anwesenden unterhielten sich fröhlich. Nur Sarah war merkwürdig still. Ihre Mutter, ihr Wächter und ihre Freunde an einen Tisch vereint ... das war etwas was sie sich lange gewünscht hatte. Doch etwas fehlte. Nein, jemand fehlte, dachte sie traurig. Und dieser jemand war Angel. Er fehlte und Sarah spürte es. Ohne ihn war nichts mehr so wie vor ihrem Kampf mit ihm. Ohne ihn war es einfach nicht das Gleiche. „Entschuldigt mich“, sprach Sarah und sie stand auf. Ihre Mutter und ihre Freunde sahen ihr besorgt nach als sie das Eßzimmer verließ.

Sarah stieg die Stufen hinauf. Überall wo sie hinsah sah sie Angel. Es war grausam. Alles war anders. Sarah ging in ihr Zimmer; um wie schon so oft in den letzten zwei Monaten still zu trauen und um Angel zu weinen. Sie legte sich auf das Bett und rollte sich zusammen. Nichts war mehr wie früher. Ohne Angel war einfach alles ohne Bedeutung. Alles hatte seine Bedeutung verloren. Nichts war mehr so wie es einmal gewesen war. Es war einfach nicht das Gleiche wenn Angel nicht dabei war.

„Ich werde schauen wo sie ist“, meinte Joyce. „Nein, warten Sie“, sprach Willow und sie stand vom Tisch auf. „Ich werde gehen. Ich denke, ich kann Sarah jetzt mehr helfen als Sie.“ „Ich bin Ihre Mutter“, widersprach Joyce. „Das stimmt. Aber Sarah braucht jetzt eine Freundin. Einen Menschen, der die Sache mit Angel von Anfang an erlebt hat. Lassen Sie mich gehen.“ Joyce nickte. Willow hatte recht. Sarah brauchte jetzt jemanden der sie verstand; der die Sache mit Angel erlebt hatte. Willow verließ das Eßzimmer und ging die Treppe hinauf zu Sarahs Zimmer.

Willow hörte das leise Schluchzen von Sarah. Sie tat ihr so leid. Sie hatte Angel geliebt und sein Verlust schien für Sarah das Ende zu bedeuten - das Ende von Sarahs Welt. Willow klopfte an die angelehnte Tür und betrat Sarahs Zimmer. Ihre beste Freundin lag auf dem Bett und weinte leise vor sich hin. Willow setzte sich zu ihr und legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter. Sie wußte warum Sarah weinte; wußte es ohne Sarah danach zu fragen.

„Ich weiß, er fehlt dir“, murmelte Willow. „Er ist fort, Will. Und er wird nicht mehr zurückkommen. Angel ist tot“, schluchzte Sarah. „Laß es raus. Laß deinen Tränen freien Lauf. Manchmal hilft das.“ Und Sarah weinte. Willow blickte auf ihre beste Freundin und konnte einfach nicht glauben das es so gekommen war. Sarah war die Jägerin und Willow hatte sie immer stark gesehen, doch jetzt ... Ihr wurde klar: Sarah war zerbrochen. Sie war vollkommen zerstört. Ihre Seele litt unter Angels Tod. „Soll ich dich allein lassen damit du dich wieder fassen kannst?“ fragte Willow. Sarah nickte bejahend. Willow stand auf und ließ die Jägerin allein.

Nachdenklich kam Willow die Treppen hinunter. Sarahs Mom und ihre Freunde hatten sich vor der Treppe versammelt. Für sie alle war es nicht leicht zu sehen wie Sarah litt. Willow blickte Giles an; dann wanderte ihr Blick zu Joyce. „Ich hab sie noch nie so erlebt“, flüsterte sie. „Was hast du für einen Eindruck?“ fragte Giles. „Sie ist zerstört. Sarah ist am Ende. So habe ich sie noch nie gesehen. So kenne ich sie nicht.“ „Sie ist ein Mensch“, mischte sich Joyce ein.

„Und sie leidet. Ich hätte niemals gedacht das meine Tochter einen Mann jemals so lieben würde.“ „Sie hat es aber getan“, meinte Willow. „Angel und sie ... sie waren unzertrennlich. Sie liebten sich abgöttisch. Ich dachte, nichts würde die Beiden trennen können. Ich hab sie immer stark erlebt doch das ... die Sache mit Angel war einfach zuviel für sie. Sie droht unter der Sache mit Angel zusammen zu brechen.“ Willow schwieg für einen Moment und ihre Worte klangen langsam aus.

„Angel war ihr Leben. Er war der Einzige, der sie wirklich verstanden hat. Der verstand warum sie diese Bestimmung hatte und warum sie einfach kämpfen mußte. Niemand war Sarah jemals so nahe wie Angel. Warum mußte es nur so kommen?“ fragte Willow nieder geschlagen. „Ich verstehe einfach nicht warum der Fluch nicht funktioniert hat. Ich meine, ich hab doch diese Macht gespürt. Warum hat der Fluch nicht funktioniert? Warum hat sie es nicht geschafft Angel so lange hinzuhalten?“ jammerte Willow. Xander schluckte schwer, doch er sagte nichts. Er wußte, daß er zum Teil für Sarahs jetziges Leid verantwortlich war. Er wußte, seine Entscheidung von damals würde niemand verstehen. Er hatte Sarah zu ewigen Leid verdammt, so sah es aus.

Die Gruppe sah auf als Sarah auf der Treppe erschien und langsam herunter kam. Joyce kam ihrer Tochter entgegen und sah sie besorgt an. „Geht es dir besser?“ Sarah nickte nur schwach. „Ja, ein wenig. Tut mir leid wenn ich euch den Abend verdorben habe“, sprach sie zu ihren Freunden. „Du hast uns den Abend nicht verdorben“, meinte Giles einfühlsam. „Es tut mir leid, Sarah. Ich wußte wirklich nicht wie sehr du darunter leidest. Willst du wirklich nicht darüber sprechen?“ Sarah verneinte kopfschüttelnd.

„Ich kann ... einfach nicht. Nicht jetzt; nicht im Moment. Und vielleicht auch nicht in ein paar Wochen. Ich hab Angel verloren. Was gibt es da noch großartiges zu sagen?“ „Sarah ...“, begann Giles vorsichtig. „Eines Tages werde ich Ihre Fragen beantworten, Giles. Aber jetzt noch nicht. Die Wunden sind einfach zu frisch. Der Schmerz wird nie ganz vergehen, verstehen Sie? Ich brauche einfach Zeit. Aber ich weiß nicht wie lange es dauert bis ich darüber reden kann.“ Giles nickte und verstand.

Sarah blickte ihre Mutter an. „Ich würde gern aufs College gehen, Mom“, sprach sie. Joyce lächelte zufrieden. Sie hatte gehofft das ihre Tochter das sagen würde; das Sarah sich dazu entschied aufs College zu gehen. Das College würde ihre Tochter von dem unsagbaren Leid - sie gefangen hielt - ablenken. „Ich werde gleich morgen mit dem Direktor sprechen. Ich weiß, daß es nicht einfach für dich ist, aber du mußt einfach versuchen dein Leben wieder in den Griff zu bekommen, Schatz.“ „Ich werde es versuchen.“ Sarah wandte sich ihrem Wächter zu.

„Ich werde ab morgen wieder Patrouille gehen.“ „Du kannst dir Zeit lassen, Sarah“, schlug Giles vor. Sarah schüttelte verneinend den Kopf. „Je länger ich es hinausschiebe desto schwerer wird es mir fallen meine Pflicht zu tun. Außerdem brauche ich etwas das mich ablenkt. Ab morgen werde ich wieder Patrouille gehen. Angel hätte gewollt das ich es tue.“ Sarah begegnete den sorgenvollen Blick ihrer Mutter.

„Mom, ich muß das tun. Du weißt, daß ich es tun muß. Ich bin die Jägerin. Ich muß einfach meiner Bestimmung folgen. Ich muß meinen Job erledigen.“ „Ich weiß“, seufzte Joyce. „Aber ich bin deine Mutter. Und ich werde mir immer Sorgen um dich machen.“ Sarah wußte, daß es ihrer Mutter nicht leicht fiel ihre Bestimmung zu akzeptieren. Sarah fiel es auch nicht leicht. Doch sie wußte, daß es Angels Wille war weiterzumachen. Und das würde sie tun. Wenn sie nicht für sich selbst weitermachen konnte, dann würde sie für Angel weitermachen.

Sarah wandte sich an ihre Freunde. „Tut mir leid wenn ich euch den Abend verdorben habe aber ... ich möchte jetzt gern allein sein.“ Willow verstand sofort. „Du hast uns den Abend nicht verdorben“, versicherte sie Sarah. „Wir wollten sowieso gerade gehen. Sehen wir uns morgen?“ „Ja, wir könnten einen Cappucino trinken gehen oder so.“ „Wäre toll! Rufst du mich an?“ „Ja, ich werde dich anrufen, Willow.“ „Gut.“ Willow griff nach ihrer Jacke und zog sie an. Die Freunde verabschiedeten sich. Giles fuhr sie nach Hause.

„Kann ich irgend etwas für dich tun?“ fragte Joyce ihre Tochter. Sarah verneinte kopfschüttelnd. „Nein. Ich möchte jetzt nur gern allein sein. Ich möchte einfach nur allein sein.“ Sarah stieg die Stufen hinauf und schloß sich in ihrem Zimmer ein. Als Joyce wenig später schlafen ging sah sie noch einmal bei ihrer Tochter ins Zimmer. Sarah lag im Bett und schlief unruhig. Joyce sah die stummen Tränen, die Sarah im Schlaf weinte. Leise schloß sie die Tür. Joyce Sorge um ihre Tochter wurde noch größer. Wie lange mochte es wohl dauern bis Sarah sich wieder einigermaßen gefangen hatte?

... Angel und Sarah waren im Bronze. Sie tanzten miteinander zu einem langsamen Song. Sarahs Kopf lag an Angels Schulter und sie fühlte sich so wohl in seinen Armen. Sie vergaßen Raum und Zeit. Nur noch sie beide zählten. Angels Lippen streiften ihr Haar und er hauchte ihr einen Kuss auf den Haaransatz. Sarah lächelte selig und war so froh ihn bei sich zu haben.

Sarah hatte das Gefühl zu schweben. In seinen Armen fühlte sie sich so sicher und geborgen. „Ich liebe dich“, flüsterte Sarah. Angel antwortete ihr mit einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. „Bitte, verlaß mich nicht.“ „Ich werde dich nie verlassen“, erwiderte Angel und er küßte sie ein zweites Mal.

Doch dann löste er sich von ihr und sackte in sich zusammen. Quälend schrie er auf; Schmerzen packten Angel und ließen ihn schreien. „Angel, was ist los?“ fragte Sarah voller Angst um ihren Freund. Sie kniete sich zu ihm und legte ihre Hände auf seine Schultern. „Angel, sag doch was. Was ist los? Was hast du?“ Angel hob den Blick und sah ihr in die Augen. „Das müßtest du doch am Besten wissen“, sprach er voller Hass.

„Was?“ Sarah sah ihn unverständlich an. Angel richtete sich auf. Entsetzt blickte sie auf das Schwert, das in seiner Brust steckte. „Du hast mich getötet. Und da fragst du noch was mit mir los ist? Wie konntest du das tun?“ Seine Augen klagten sie wegen Verrates an. „Nein, Angel“, flehte Sarah machtlos. Doch seine Augen funkelten voller Hass auf sie. „Auch deine Tränen können nicht vergeben was du mir angetan hast“, sprach er und dann zerfiel er zu Staub. Sarah blickte auf das Häufchen Staub und Tränen rollten über ihre Wangen ...

„Nein!“ Sarah fuhr schreiend aus ihrem Schlaf hoch. Sie zitterte am ganzen Körper und konnte sich nicht mehr beruhigen. Sarah tastete nach ihrer Nachttischlampe und schaltete das Licht ein. Sie fuhr sich durchs Haar und konnte nicht glauben was sie geträumt hatte. Angel hatte sie voller Hass angesehen.

Er hatte sie gehaßt und verabscheut für das was sie ihm angetan hatte. Dieser eine Blick Angels hatte ihr eine große Angst eingejagt. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen das er sie wirklich haßte für ihre Tat. Sarah stand auf und trat zum Fenster. Sie zog die Vorhänge zurück und blickte den Sternenhimmel an.

„Kannst du mir verzeihen, Angel?“ sprach sie leise. Sarah starrte die Sterne an und hoffte, daß Angel ihr ihre Tat verzeihen konnte. Doch warum sollte er ihr verzeihen? Sie hatte ihre Liebe auseinander gerissen und ihn zu ewigen Leid verdammt. Weshalb hätte Angel einen Grund ihr zu verzeihen? Wieso sollte Angel ihr verzeihen was sie ihm und auch ihr angetan hatte? Warum sollte er verzeihen ... wenn Sarah sich das nicht einmal selbst verzeihen konnte?

~ 5. ~

Am Vormittag des nächsten Tages betrat Sarah mit ihrer Mutter das Büro des Direktors des Colleges. Paul Heney war ein rundlicher Mann um die vierzig. Er begrüßte Joyce herzlich und reichte Sarah die Hand. „Bitte, setzen Sie sich“, forderte er seine Besucher auf. Sarah und ihre Mom nahmen in den großen Polstersessel vor dem schweren Schreibtisch Platz. Unsicher blickte sich Sarah um. Das Büro war groß und die Regale waren mit Büchern vollgestopft. Die Fenster waren groß und das Sonnenlicht flutete in den Raum.

Ihr Blick glitt zurück zu Direktor Heney, der sie freundlich anblickte. Er war anders als Synder, daß erkannte Sarah sofort. Er war bereit ihr eine Chance zu geben. „Es schaut alles nur so gigantisch aus“, meinte er. Sarah fühlte sich unwohl. Wenn sie gegen Vampire kämpfte fühlte sie sich nicht so unwohl wie in diesem Büro. Vielleicht lag es auch daran das sie sich wegen ihres Weglaufens womöglich noch verteidigen mußte. Paul Heney blickte Joyce an.

„Ihre Tochter möchte also gerne studieren?“ sprach er. Joyce nickte. „Sie ist erst ... vor kurzem zurück gekommen. Aber das habe ich Ihnen ja heute Morgen schon am Telefon erzählt.“ Direktor Heney nickte. „Wir haben, wie versprochen, Ihrer Tochter einen Platz freigehalten. Allerdings ist im Studentenheim momentan kein Bett frei.“ „Das ist kein Problem. Sie kann ja zu Hause schlafen“, erwiderte Joyce. Direktor Heney sah Sarah an.

„Willst du wirklich studieren?“ „Ja. Ich muß ... mein Leben wieder ordnen.“ „Das freut mich zu hören. Trotzdem möchte ich das du unseren Psychologen aufsuchst und mit ihm sprichst. Du mußt verstehen das ich dir diese Auflage erteilen muß. Du bist von zu Hause weggelaufen und es tut manchmal gut mit einen Profi zu sprechen.“ „Muß das wirklich sein?“ „Wenn du studieren willst wirst du daran nicht herumkommen.“ Sarah seufzte. „Na gut. Ich werde zu dem Kerl gehen, einmal.“ „Das reicht. Damit hast du die Auflagen erfüllt und ich kann dich bedenkungslos studieren lassen. Willkommen auf dem College“, sprach Direktor Heney und er reichte Sarah die Hand. „Ich danke Ihnen“, sprach Joyce. Mit ihrer Tochter verließ sie das Büro des Direktors.

Joyce ließ den Wagen an und fuhr Sarah in die Stadt. Sie würde sich mit Willow in einem Café treffen. „Der Direktor war doch ganz nett, findest du nicht?“ meinte Joyce. Sarah nickte. „Er war okay.“ „Jetzt bist du auf dem College. Und diesen einen Besuch beim Psychologen wirst du auch schaffen.“ „Sicher.“ „Und was wirst du ihm erzählen?“ fragte Joyce als sie an den Straßenrand fuhr und den Wagen hielt. „Na, was wohl?“ Sarah grinste schief. „Gar nichts.“ Sie küßte ihre Mutter auf die Wange und stieg aus. „Viel Spaß“, rief Joyce ihrer Tochter nach als sie die Beifahrertür zuwarf.

Sarah wartete bis ihre Mutter weggefahren war, dann ging sie zu Willow, die vor dem Café stand und schon auf sie wartete. Willow und Sarah umarmten sich. „Gehen wir einen Cappucino trinken?“ fragte Willow. „Darauf habe ich jetzt Lust“, erwiderte Sarah und sie betraten das Café. Im Hinteren des Cafés war noch ein Tisch frei. Sarah bestellte zwei Cappucinos an der Bar und folgte Willow zu dem abgelegenen Tisch.

„Es war ... wirklich schrecklich ohne dich“, meinte Willow. „Ich meine, du warst nicht da. Ich konnte dich nicht anrufen wenn ich quatschen wollte. Und Cordelia ist auch weggegangen. Nicht, daß ich mit ihr über meine Probleme gesprochen hätte, aber ...“ Sarah lächelte zögernd. „Ich verstehe. Und was ist mit den Vampiren?“ fragte sie. Willow lächelte leicht.

„Überhaupt nicht viel los. Ich glaube, die vermissen dich auch. Die vermissen es sich mit dir zu prügeln. Und den letzten kleinen Rest haben wir erledigt - gemeinsam. Giles hat es uns erlaubt. Mit diesen paar Vampiren sind wir prima klargekommen. Du hättest uns sehen müssen. Du wärst stolz auf uns gewesen“, plapperte Willow darauf los. Sarah hörte ihr amüsiert zu und mußte sogar ein klein bißchen lachen.

„Was ist?“ fragte Willow verwundert als sie den Blick ihrer besten Freundin sah. Sarah schüttelte mit einen freundlichen Lächeln den Kopf. „Nichts. Ich mag es nur dir zuzuhören. Es ist schön zu hören was ihr ohne mich getan habt. Hab ich irgend etwas weltbewegendes verpaßt?“ „Nein. Cordelia ist nach Los Angeles gegangen um Karriere zu machen. Xander ist deshalb sauer und flippt aus wenn wir über Cordelia sprechen. Also lassen wir es. Sie hat beschlossen nach Los Angeles zu gehen ohne mit Xander zu diskutieren. Das hat ihn ganz schön getroffen; hat er doch gedacht das seine Beziehung zu Cordy etwas besonders ist.“ „Das tut mir leid für ihn“, meinte Sarah aufrichtig.

Willow musterte Sarah eingehend. „Was ist?“ „Du hast dich verändert“, stellte Willow fest. „Ich ... es ist einfach zuviel passiert.“ „Willst du darüber reden? Über die Sache mit Angel? Das war sehr schwer für dich, ich seh es dir an. Und ich würde dir gerne helfen.“ Sarah nahm einen Schluck ihres Cappucinos. „Niemand kann mir helfen diesen Schmerz zu überwinden. Da muß ich allein durch.“ „Ich weiß, aber ich bin deine beste Freundin“, sprach Willow. Sarah strich sich eine Haarsträhne zurück. Sie blickte Willow in die Augen. Dann wanderte ihr Blick zu der großen Scheibe. Sie beobachtete das Treiben auf den Straßen von Sunnydale.

„Angel fehlt mir so“, meinte sie. „Ich vermisse ihn so sehr. Weißt du, jeden Morgen wenn ich aufwache wird mir klar das er nicht mehr da ist. Da überfällt mich dieser quälende Gedanke das Angel für immer fort ist; das es meine Schuld war.“ „Das war es nicht“, widersprach Willow energisch. „Doch. Er starb durch meine Hand. Ich hab ihn zu ewigen Leid verdammt. In dieser Welt - in unserer Welt - ist Angel tot. Ich hab ihn zur Hölle geschickt und ich weiß, er leidet dort.“ „Du machst dich mit diesen Gedanken nur selbst verrückt“, meinte Willow.

„Glaubst du das weiß ich nicht? Ich weiß es. Aber ich kann nicht anders. Ich weiß, daß er gefoltert wird. Ich habe ihn zu ewigen Leid verdammt. Und ich weiß nicht wie ich damit leben soll. Seit jener Nacht in der Hauptmann Gruft habe ich nicht mehr richtig geschlafen. Ich werfe mich hin und her und habe Träume. Ich schlafe schlecht. Und jedesmal wenn ich die Augen schließe sehe ich vor mir wie er mich angesehen hat - als ich ihm das Schwert in die Brust rammte. Ich kann es einfach nicht vergessen, verstehst du?“ Sarah blickte ihre Freundin an. Willow nickte langsam und ließ Sarah sprechen.

„Ich kann nicht vergessen das er mich so schockiert angesehen hat. Er konnte nicht glauben was ich tat. Es war schrecklich. Ich weine mich in den Schlaf. Jede Sekunde, die ich Zeit habe, denke ich an Angel. Ich kann nicht anders. Er beherrscht meine Gedanken; meine Träume. Ich hab unsere Liebe verraten. Ich hab das schrecklichste aller Verbrechen begangen. Ich hab Angel getötet. Ich habe meine Liebe geopfert um die Welt zu retten. Und das ist nicht fair.“ Sarah stützte sich auf einen Ellbogen ab und sah Willow von der Seite aus an.

„Ich liebe ihn so sehr. Ich kann einfach nicht verkraften was ich getan habe.“ „Du hattest doch gar keine andere Wahl. Er war böse. Du hattest keine Wahl, Sarah.“ Sarah schluckte. Wenn du wüßtest, Willow, dachte Sarah. Es war nicht Angelus, den ich getötet habe. Es war mein Angel. Doch Sarah war noch nicht bereit es jemanden zu erzählen - nicht einmal ihrer besten Freundin. Sie war dazu einfach noch nicht bereit.

„Trotzdem habe ich ihn geliebt. Angel war alles was ich hatte. Er war alles was mir wirklich wichtig war. Angel war immer für mich da wenn ich jemanden gebraucht habe. Ich meine, er verstand mich besser als alle anderen. Und er war mir näher als irgendein anderer Mensch auf der Welt.“ Mit traurigen Augen blickte Sarah auf den Ring, den er ihr einst geschenkt hatte.

„Dieser Ring und das Armband, daß er mir zum Geburtstag geschenkt hat, ... sie sind alles war mir von ihm geblieben ist. Dieser Ring war das Symbol unserer Liebe. Was anderes ist mir von Angel nicht geblieben. Nichts außer diesen Dingen habe ich noch von ihm.“ „Du hast mehr“, widersprach Willow. „Und was?“ fragte Sarah traurig.

„Du hast deine Erinnerungen. Die Erinnerungen an die schönen Stunden mit Angel. Ich weiß, daß sie auch schmerzhaft für dich sind weil er fort ist. Aber halt diese Erinnerungen fest. Laß nicht zu das dir jemand diese Erinnerungen nimmt. Angel ist erst dann wirklich fort wenn du deine Erinnerungen an ihn vergißt. Vergiß niemals wie glücklich du mit ihm warst. Vergiß nicht was du mit ihm erlebt hast. Erinnere dich an die schöne Zeit mit ihm“, sprach Willow auf ihre Freundin ein. Sarah nickte. Sie wußte, Willow hatte recht. Ihre Erinnerungen an Angel konnte ihr niemand nehmen - niemals.

Die Nacht brach über Sunnydale herein und Sarah ging wieder auf Patrouille. Das erste Mal seit ihrem Kampf gegen Angel. Irgendwie war es unheimlich für sie. Und Willow schien recht gehabt zu haben. Es war als hätten die Vampire nur darauf gewartet das die Jägerin wieder in der Stadt war. Sie kamen aus ihren Verstecken gekrochen und waren sofort bereit sich mit ihr zu schlagen. Sarah hatte schon zwei Vampire erledigt und war mit ihrer Leistung zufrieden. In ihrem zwei kampflosen Monaten war sie nicht eingerostet.

Doch sie wurde immer wieder an Angel erinnert. Sarah begegnete Liebespärchen und das tat weh. Sie selbst schwor sich die Liebe nie mehr zu erleben. Es tat einfach zu sehr weh. Die Liebe tat weh, daß hatte Sarah mit dem schrecklichen Ende ihrer Beziehung erfahren müssen. Okay, sie war ein Extremfall, aber trotzdem ... Sie bezweifelte das sie jemals wieder so stark lieben konnte wie bei Angel. Nie mehr würde sie jemanden so stark und tief lieben wie sie Angel geliebt hatte.

Sarah ging ihre alte, übliche Patrouille ab. Schlagartig wurde ihr klar das sie diesen Weg immer mit Angel gegangen war. Sie erinnerte sich. Hier und da waren sie stehen geblieben, hatten sich zärtlich angesehen, sich angelächelt und geküßt. Und Hand in Hand waren sie weiter gegangen. Sofort verdrängte Sarah die, für sie schmerzhaften, Bilder. Es war eine glückliche Zeit gewesen. Eine Zeit, die vergangen war. Angel war fort und er würde niemals zurückkommen. Nichts konnte Angel zurückholen. Und sie würde das irgendwann akzeptieren müssen.

Ein Geräusch hinter Sarah holte sie aus ihren Gedanken und sorgte bei der Jägerin für Konzentration. Sarah öffnete unbemerkt ihren Jagdbeutel und holte ihren Holzpflock heraus. Die Jägerin trat einen Schritt zurück und tauchte in die Dunkelheit ein. Sie hockte sich nieder und wartete im Schutze eines Gebüsches. Als die Schritte näher kamen wirbelte sie hoch und ging in Kampfstellung.

Im matten Licht des Mondes erkannte Sarah ihre Mutter und konnte ihre Hand gerade noch abbremsen. Joyce hielt sich eine Hand an die Brust und stieß heftig die Luft aus. Erschreckt blickte sie ihre Tochter an. „Sarah“, brachte sie stöhnend heraus. „Mom! Was machst du hier?“ fragte Sarah sichtlich überrascht, aber auch mißtrauisch. Sarah wollte nicht das ihre Mutter nachts alleine durch die Parks von Sunnydale ging. Es war einfach viel zu gefährlich. Ihre Mutter war noch ziemlich erschrocken. Immerhin hätte ihre eigene Tochter sie fast gepfählt.

„Du ... du hast wirklich gute Reflexe, Sarah. Mr. Giles hat dich gut ausgebildet“, meinte Joyce. „Nun, daß ist nicht nur allein Giles’ Verdienst“, gab Sarah zu. „Das meiste Lob gehört Angel. Nachdem er sich uns angeschlossen hatte, hat er mein Training übernommen. Den absoluten Feinschliff hat er mir gegeben.“ Sarah schluckte schwer. Joyce bemerkte es und lenkte ihre Tochter sofort von dem schmerzhaften Erinnerungen an Angel ab.

„Ich dachte, du hast vielleicht Hunger oder Durst. Deshalb hab ich dir ein paar Sandwiches gemacht und hab dir Tee mitgebracht. Das wärmt dich auf.“ Joyce holte den Tee heraus den sie mit gebracht hatte. Sarah war ärgerlich, daß sah man ihr an. Es beunruhigte sie, daß ihre Mutter nachts in den Parks und Friedhöfen herumlief um ihr beizustehen. Aber sie konnte ihrer Mutter einfach nicht böse sein. Immerhin meinte es diese doch nur gut. Joyce hielt ihrer Tochter den heißen Tee hin. Dankend nahm sie den Becher entgegen und trank einen Schluck Tee.

In diesem Moment sprang ein Vampir aus dem Gebüsch und knurrte wütend. Sarah warf den Becher zu Boden und spannte ihre Muskeln an. Sie hielt ihren Holzpflock kampfbereit. Joyce schrie auf und wich geschockt zurück. Obwohl sie es nicht gerne sah wenn ihre Tochter kämpfte, war es jetzt besser Sarah ihre Arbeit machen zu lassen. Immerhin wußte Sarah was sie tat.

Der Vampir griff Sarah an. Diese ließ sich zu Boden fallen und stemmte ihre Beine gegen die Brust des Vampirs. Sie nutzte seinen Schwung aus und schleuderte ihn über sich hinweg. Mit einen dumpfen Geräusch fiel der Vampir zu Boden. Er rappelte sich hoch und attackierte Sarah erneut. „Sarah!“ rief Joyce entsetzt. „Alles unter Kontrolle, Mom“, erwiderte die Jägerin und sprang auf. Sie ließ dem Vampir ganz nah an sich herankommen. Dann sprang sie hoch und verpaßte ihm einen harten Tritt ins Gesicht. Der Vampir taumelte zurück. Sarah stieß ihm den Holzpflock in das Herz. Er stöhnte auf und wurde zu einem Ascheregen.

Sarah stand breitbeinig da und der Ascheregen ergoß sich halb über sie. Sie klopfte sich den Staub von der Hose und ging zu ihrer Mutter. „Du machst deine Sache wirklich gut, Schatz“, lobte Joyce. Sie war sogar etwas stolz wie Sarah in den Augen ihrer Mutter erkennen konnte. „Danke, Mom.“ Sarah hakte sich bei ihrer Mutter ein und führte sie aus dem Park.

„Hör mal, Mom, ich finde es echt nett von dir das du mich unterstützen willst. Aber das ist keine gute Idee. Du bist in Gefahr wenn du dich nachts draußen herumtreibst. Vor allem aber bist du in Gefahr wenn du mich auf Patrouille begleitest. Ich weiß nie was mich angreift und wie viele es sind. Ich kann dich nicht beschützen. Ich kann nicht ständig auf dich aufpassen, verstehst du? Und ich will nicht das dir was geschieht. Deshalb bleibe bitte zu Hause, ja?“ Sarah begegnete dem unsicheren Blick ihrer Mutter.

„Aber dir könnte was passieren“, warf sie zögernd ein. „Dir aber viel mehr! Ich bin die Jägerin, Mom. Ich kann kämpfen. Und so leicht bin ich nicht zu erledigen. Ich bin die Auserwählte. Aber du ... es ist nicht gut wenn du hier draußen bist. Versteh das doch! Du bist in Gefahr. Und so kann ich nicht kämpfen. Im Kampf muß ich mich auf mich konzentrieren und meinen Gegner. Da ist es mir nicht möglich dich zu beschützen.“ Joyce sah ein das ihre Tochter recht hatte. „Du hast recht“, meinte sie mit einen Nicken. „Das ist dein Job. Aber ich werde mir trotzdem Sorgen um dich machen. Ich in deine Mutter.“ „Und ich bin froh das du meine Mom bist. Gehen wir heim. Heute kann ich meine Arbeit beenden. Sehr viel ist jetzt nicht mehr los.“ Gemeinsam gingen Mutter und Tochter nach Hause.

Sarah stieg die Stufen zum College hoch und betrat die Schule. Der Hausmeister kümmerte sich um den guten Zustand der Schule. Die Lehrer richteten sich ein und kümmerten sich um ihre Unterlagen und Bücher für den Unterricht, der bald anfangen würde. Sarah ging den Korridor entlang und blieb vor dem Büro des Schulpsychologen stehen. Auf der Tür prangte ein goldenes Schild. Darauf stand mit schwarzen Buchstaben: Mr. Platt, Schulpsychologe.

Die Jägerin atmete noch einmal tief durch. Sie mußte das tun. Ansonsten konnte sie ihre Ausbildung am College vergessen. Das wußte sie. Sarah wollte diese Chance nicht wegwerfen - nicht für sie und auch nicht für ihre Mutter. Sie mußte da rein. Es war nur ein Gespräch und sie mußte diesem Mr. Platt ja nichts erzählen. Sarah atmete noch einmal tief durch und klopfte dann an die Tür. „Herein“, rief eine Stimme. Sarah straffte die Schultern und öffnete die Tür. Sie betrat das Büro und die Tür fiel hinter ihr zu.

Sarah sah sich nervös um. Hinter dem Schreibtisch sah ein dunkelhäutiger Mann von seinem Buch auf. Er lächelte sie freundlich an. „Sarah Summers?“ fragte er. Sarah nickte unsicher. „Setz dich“, forderte er sie auf. Sarah ging zum Stuhl vor dem Schreibtisch und nahm Platz. Unsicher sah sie sich um. Sie fühlte sich nicht sehr wohl in ihrer Haut. „Niemand ist gerne hier. Nicht einmal ich selbst“, meinte Mr. Platt und er lachte über seinen eigenen Witz.

„Hören Sie“, begann Sarah. „Ich werde Ihnen nichts aus meinem Leben erzählen.“ „Wieso nicht?“ „Weil ... es Sie nichts angeht.“ „Laß mich raten: Du bist wegen eines Jungen weggelaufen“, meinte Mr. Platt und er lehnte sich in seinen Sessel zurück. Sarah riß überrascht die Augen auf. „Woher ... wissen Sie das?“ „Deine Körperhaltung hat mir das gesagt. Weißt du, viele Mädchen werden in der Liebe enttäuscht. Aber deswegen packen sie nicht die Koffer und verschwinden einfach.“ Sarah schüttelte verneinend den Kopf.

„Das ... es war etwas anderes. Und diese Geschichte geht Sie wirklich nichts an.“ „Wieso nicht? Hast du Angst dich den Konsequenzen deiner Handlung zu stellen? Du hast einen mutigen Schritt getan, Sarah. Du bist zurück gekommen. Dafür braucht man Mut. Also, was ist passiert? Das dieser Junge dir weh getan hat, sehe ich. Ich möchte jetzt gerne erfahren was geschehen ist.“ Sarah schüttelte abermals den Kopf.

„Ich ... kann darüber nicht sprechen. Es tut zu sehr weh. Und es geht Sie wirklich nichts an. Das ist meine Sache; mein Leben. Und von meinen Leben werde ich Ihnen nichts erzählen, Mr. Platt. Es ist ... langweilig“, wich Sarah in der Hoffnung aus das er sie in Ruhe lassen würde. Doch da täuschte sie sich. Mr. Platt lehnte sich gelassen in seinen Polstersessel zurück und meinte: „Langweile mich.“

~ 6. ~

Langsam, aber sicher, fühlte sich Sarah in Sunnydale wieder heimisch. Seit einen Monat ging sie mit Willow und Oz aufs College. Nach dem Gespräch mit Mr. Platt hatte sie die Erlaubnis von der Uni bekommen. Sie durfte studieren. Sie hatte Mr. Platt fast nichts erzählt. Er hatte ihr trotzdem geholfen studieren zu können indem seine Beurteilung über sie gut ausgefallen war. Und er hatte ihr gesagt, wenn sie bereit war über diese Geschichte zu sprechen, sollte sie kommen. Er würde da sein. Und bis zu diesem Zeitpunkt würde er warten.

Gemeinsam mit Willow hatte Sarah sogar einige Kurse belegt. Willow half ihr auf dem College wo sie konnte. Die beiden Freundinnen näherten sich wieder an und schenkten sich gegenseitig wieder blindes Vertrauen. Seit einen Monat war sie wieder zu Hause. Das Leben ging weiter - auch ohne Angel. Sarah wußte das. Aber dieses Gefühl war schrecklich. Langsam bekam sie ihr Leben wieder in den Griff. Immer öfter war sie fröhlich aber der traurige Ausdruck in ihren Augen blieb.

Sie weinte nun nicht mehr so viel. Doch ihre Tränen kamen immer wieder zurück. Wenn die Erinnerung an Angel zu stark war ... kamen sie zurück. Sie weinte nur noch stumm ihre Tränen; zeigte sie ihren Freunden und ihrer Familie nicht mehr. Doch ihre Gang wußte das Sarah noch litt; das sie noch immer um Angel trauerte. Das Leben ging auch für Sarah weiter. Langsam versiegten ihre Tränen. Doch dann, wenn sie sich in einer Nacht besonders an Angel erinnerte und sie sich schrecklich einsam fühlte, dann weinte sie wieder.

Ihr Schlaf war nach wie vor unruhig und sie wurde von Träumen heimgesucht. In ihren Träumen war sie wieder mit Angel zusammen. In ihrem Träumen war er bei ihr. Da war er ihr ganz nahe. So nahe wie er ihr in der realen Welt nie mehr sein würde. Nur in ihren Träumen konnte sie noch mit ihm zusammen sein. Und sie war mit ihm zusammen. Es waren schöne Träume. Aber da gab es noch die Träume, die sie quälten. Dann sah sie Angel wie er sie voller Hass anklagte. Das waren Träume wo sie schreiend aus dem Schlaf schreckte. Und diese Träume suchten sie in regelmäßigen Abständen heim.

Sarah wußte, ihr Herz würde immer Angel gehören. Sie würde nie mehr so lieben wie bei Angel. Das war vorbei. Keiner würde ihr Herz jemals wieder so in Flammen setzen wie Angel. Keiner würde sie jemals wieder so in seinen Bann ziehen wie Angel es getan hatte. Sarah war nicht an einer neuen Liebe interessiert. Sie ging Jungs aus dem Weg. Den niemand von ihnen konnte Angel das Wasser reichen. Und sie war noch nicht bereit sich neu zu verlieben. Noch mußte sie die Sache mit Angel verkraften. Sie war noch nicht soweit ihr Herz neu zu verschenken.

Auch in der Schule lief es gut für Sarah. Das College gefiel ihr sogar. Und Willow war eine große Hilfe. Sie half Sarah wo sie konnte. Nicht nur im Unterricht sondern auch dabei Angels Tod zu verkraften. Aber da gab es noch etwas was noch nicht geschehen war. Sarah hatte ihr Schweigen über Angels Tod noch nicht gebrochen. Und bis sie es tat wartete ihr Wächter geduldig darauf das sie eines Tages sprechen würde. Sarah war ihm sehr dankbar für sein Verständnis.

Giles drängte seine Jägerin nicht endlich über den Kampf gegen Angel zu sprechen. Er wußte, es würde nichts helfen. Dadurch würde er nur erreichen das sie sich noch mehr zurückzog. Wenn Sarah über dieses Ereignis sprach mußte es von ihr aus gehen. Sie mußte es wollen. Sie mußte es freiwillig tun - ohne unter Druck zu stehen. Giles wußte, es würde ihr so oder so schwerfallen darüber zu sprechen.

Sie hatte sich etwas gefaßt, daß sah man ihr an. Doch Joyce hatte Giles erzählt das sie noch immer sehr litt. Sie weinte nun nicht mehr soviel. Ihre Tränen erfolgten nur noch stumm. Wenn sich Sarah unbeobachtet fühlte, dann ertappte Joyce ihre Tochter dabei wie sie still ihre Tränen weinte. Sarah hatte akzeptiert was sie getan hatte. Sie hatte ihren Verrat hingenommen, so schien es. Es war schwer für sie zu akzeptieren was sie Angel angetan hatte ... doch es mußte irgendwann sein.

Sarah war die Vampirjägerin. Sie mußte sich zusammenreißen, daß war ihr klar. Sie konnte nicht ewig trauen, denn es würde ihre Konzentration behindern. Im Kampf mußte sie sich konzentrieren. Es war nicht leicht ihr Verbrechen an Angel zu akzeptieren, doch sie tat es. Sie hatte ihre Pflicht wieder angenommen; hatte eingesehen das nur sie gegen die Dämonen kämpfen konnte; das es einfach ihre Pflicht war. Und auch das war ihr nicht leicht gefallen. Denn es war diese Pflicht gewesen, die sie dazu gedrängt hatte Angel zu vernichten. Sie war die Jägerin. Das war nicht zu ändern. Doch tief in ihrem Herzen würde sie immer um Angel trauern. Der Schmerz hatte zwar etwas nachgelassen, doch vergehen würde er nie. Er würde immer allgegenwärtig sein. So wie Angel, der ihr Leben - der sie - immer begleiten würde.

Sarah rutschte vom Hocker in der Küche und nahm sich noch ein Glas Orangensaft. Sie gähnte herzhaft. „Du siehst müde aus“, stellte Joyce fest. Sarah blickte ihre Mutter an. „War eine lange Nacht; hatte ne Menge zu tun“, erklärte Sarah. „Dann solltest du dich hinlegen.“ „Kann nicht. Ich treffe mich heute mit Giles. In zwei Stunden“, sagte Sarah mit einen Blick auf die Uhr in der Küche. „Er hilft mir beim Lernen - Englische Literatur.“ „Ich find es toll das dir Mr. Giles beim Lernen hilft. Aber du kannst dich doch für eine Stunde hinlegen. Ich weck dich auf.“ „Danke, Mom.“ Sarah nahm das Glas und verzog sich in ihr Zimmer. Eine Stunde Schlaf würde ihr sicher gut tun.

... Sarah betrat den Friedhof und ging über den Rasen. Sie ging an verschiedenen Gräbern vorbei. Fahles Licht fiel auf einen Platz und dort stand er: Ihr Angel. Er lehnte an einen Grabstein der Familie Morgan und wartete. Ihr Herz schlug bei seinem Anblick sofort schneller. Ihr Puls raste. Und ihr Körper füllte sich mit Wärme. Ihr Körper reagierte immer so wenn sie Angel sah. Sarah ging noch schneller; wollte so schnell wie möglich bei ihm sein.

Endlich war sie bei ihm. Sie sah in seine Augen. Irgend etwas war anders. Seine Augen ... sie erschienen ihr so gleichgültig. Was war los mit ihm? Sarah schüttelte den Kopf. Es war sicher nichts von Bedeutung. „Angel, endlich“, sprach Sarah glücklich und sie schlang ihre Arme um seinen Nacken. Normalerweise erwiderte er ihre Umarmung immer, doch diesmal tat er es nicht. Im Gegenteil: Sarah spürte wie Angel sich versteifte und sie entschlossen von sich wegschob.

„Angel, was ist los?“ fragte Sarah. Skeptisch blickte sie ihn an. Sie konnte nicht sagen was in ihm vorging. Er war so fremd, ja, richtig kalt zu ihr. „Angel, sag doch was! Was hast du? Stimmt etwas nicht?“ Er antwortete nicht. Seine Augen richteten sich auf sie und er sah sie voller Hass und Verachtung an. Doch da war noch etwas anderes in seinen Augen: Enttäuschung. Er schien bitter enttäuscht von ihr zu sein. „Angel, was ist los mit dir?“ fragte Sarah mit zitternder Stimme. Sie bekam Angst. So hatte er sie noch nie angesehen. Was war los mit ihm?

„Glaubst du wirklich ich mag deine Berührungen noch?“ meinte Angel mit kalter Stimme. „Was ... wie meinst du das?“ „Ich kann deine Berührungen nicht mehr ertragen. Ich kann die Berührungen einer Verräterin, wie du es bist, nicht mehr ertragen. Und ich will das du mich nicht mehr berührst. Rühr mich bloß nie mehr an!“ fuhr Angel sie wütend an. „Was? Aber ...“ „Du hast mich in die Hölle geschickt. Du hast mich zu ewigen Leid verdammt. Was glaubst du wie ich da reagieren soll? Soll ich dir dafür noch dankbar sein?“ Angels Augen funkelten sie zornig an.

„Angel“, flehte Sarah hilflos. „Ich habe dich geliebt“, fuhr er ungerührt fort. „Ich habe dich mehr geliebt als alles andere auf dieser Welt. Ich hätte mein Leben für dich geopfert. Ich wäre für dich gestorben, Sarah, so tief und innig liebte ich dich. Doch du hast mich in die Hölle geschickt. Warum hast du das getan? Warum hast du mir - uns - das angetan, Sarah?“ Sarah wand sich; wollte sich aus seinen scharfen Blick befreien. Doch es gelang ihr nicht. Sie hob den Kopf und hielt seinen scharfen Blick stand, der sich wütend in sie bohrte.

„Ich liebte dich, Sarah. Und ich dachte, du liebst mich auch.“ „Das tue ich, Angel“, sprach Sarah mit Tränen in den Augen. Angel stöhnte verächtlich. „Hättest du mich wirklich geliebt hättest du mich nicht zu ewigen Leid verdammt“, widersprach Angel zornig. „Nein, daß ist nicht wahr, Angel.“ Sarah schüttelte verneinend den Kopf; wollte nicht wahrhaben was er da sagte. „Du weißt, daß es nicht wahr ist.“ „Tatsächlich? Ich dachte wirklich, unsere Liebe ist etwas besonderes. Etwas sehr starkes, daß nichts auf der Welt auseinanderreißen kann. Ich hab mich getäuscht. In dir, in uns, in unserer Liebe.“ „Angel, sag das nicht“, flehte Sarah.

„Es ist wahr. Du hast alles vernichtet was uns einmal miteinander verbunden hat.“ Angel blickte Sarah traurig an. Dann drehte er sich um und ging langsam davon. „Angel!“ Sarah wollte nicht das er ging. Sie lief hinter ihm her und hielt ihn am Arm fest. „Du darfst nicht gehen“, flehte sie ihn an. Angel stieß Sarah grob von sich.

„Ich gehe - für immer. Ich kann dir nicht verzeihen was du mir angetan hast. Ich kann nicht verzeihen das du uns verraten hast. Ich kann dir nicht verzeihen, Sarah. Ich werde gehen und ich werde nie mehr zurückkommen.“ „Nein, du darfst mich nicht verlassen.“ Angel starrte sie voller Hass an. Er ging an ihr vorbei. „Du hast unsere Liebe zerstört, Sarah. Du hast alles zerstört was uns einmal miteinander verbunden hat“, meinte Angel und dann ging er davon.

Sarah streckte ihr Hand nach ihm aus. Sie wollte ihn aufhalten; wollte nicht das er ging. Sie wollte das er seine Worte zurücknahm; das er ihr zuhörte. „Angel!“ Verzweifelt schrie sie seinen Namen. Doch er verschwand in der Dunkelheit und ließ Sarah allein am Friedhof zurück. „Angel!“ Immer und immer wieder rief sie seinen Namen, der in der Dunkelheit verhallte. Sarah sackte in sich zusammen und weinte. Er war für immer gegangen ...

Ein Klopfen riß Sarah aus ihrem quälenden Traum. Die Tür ging auf. „Sarah, Mr. Giles kommt in einer halben Stunde“, sprach Joyce als sie den Kopf ins Zimmer steckte. Sarah lächelte. „Danke, Mom.“ Die Tür ging hinter ihrer Mutter zu. Sarah fuhr sich durchs Haar. Dieser Traum hatte sie wirklich mitgenommen. Angel hatte sie verurteilt und er war gegangen; hatte sie einfach hinter sich gelassen. „Oh Gott“, sprach Sarah leise. „Wann hören diese schrecklichen, quälenden Träume endlich auf?“ Sarah schwang sich aus dem Bett. Sie mußte mit Giles darüber sprechen. Er war ihr immer eine Hilfe gewesen ihre Träume zu verstehen.

Der sternenklare Himmel erfüllte die Nacht. Sarah hatte geduscht und sich umgezogen. Sie trug eine schwarze Hose und einen dunkelroten Pullover. Ihre Schulsachen packte sie in einen Rucksack zusammen. Dann warf sie einen letzten Blick in den Spiegel. Man konnte ihr an der Nasenspitze ansehen das etwas nicht in Ordnung war. Sie würde heute mit Giles über ihren Traum sprechen. Vielleicht konnte er den Traum richtig deuten. Sarah zog ihre Stiefel an und lief die Treppe hinunter.

„Mom?“ „Ja, Liebes?“ ertönte die Stimme ihrer Mutter aus der Küche. „Ich geh dann mal.“ Joyce kam aus der Küche. „Ziehst du keine Jacke an?“ „Nicht nötig. Es ist doch eh so eine lauwarme Nacht.“ „Lernst du bei Giles?“ „Nein, wir suchen uns einen Platz auf meiner Patrouillentour. So kann er auch gleich meine Fähigkeiten als Jägerin überprüfen. Für den Rat, daß muß sein, hat er gesagt. Und nebenbei lernen wir für den morgigen Test.“ „Na, hoffentlich kannst du dich konzentrieren.“ „Sicher. Ich bin doch ein Allroundtalent“, lachte Sarah. Sie öffnete die Tür und ging die Auffahrt hinunter. Giles’ Wagen war soeben angekommen. Sarah stieg ein und die alte Karosse setzte sich in Bewegung. Seufzend schloß Joyce die Tür nachdem der Wagen weggefahren war.

Giles hatte eine Wolldecke mitgenommen. Sie waren zum Friedhof gefahren. Mit Entsetzen hatte Sarah festgestellt das es der Friedhof aus ihrem Traum war. Und Giles hatte die Decke ausgerechnet vor dem Grabstein der Familie Morgan ausgebreitet. Sie war genau an dem Ort, wo Angel ihr in ihrem Traum klare Vorwürfe gemacht hatte. Giles hatte den Unmut seiner Jägerin bemerkt. Doch er sagte nichts. Sarah würde schon noch mit der Wahrheit herausrücken. Er spürte, daß sie ihm heute noch was erzählen wollte und es auch tun würde. Also wartete er geduldig und half ihr beim Lernen - so wie er es versprochen hatte.

„Also, Sarah! Kannst du mir sagen von wem das Zitat ‘Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage’ stammt?“ „Das ist doch leicht“, erwiderte Sarah. „Das stammt von ...“ Sarah entdeckte eine schattenhafte Bewegung hinter Giles. Sarah registrierte einen Vampir. Und da tauchte dieser auch schon im fahlen Licht des Friedhofes auf. „Vorsicht“, schrie sie warnend und sprang von der Decke auf. Giles blickte über seine Schulter hinweg und erblickte ein gelbes Augenpaar. Er sprang zur Seite um der Jägerin den Vortritt zu lassen.

Sarah setzte über eine Grabstein hinweg und ihr Körper spannte sich an. Sie trat den Vampir mit voller Wucht ins Gesicht. Er taumelte ein paar Schritte zurück. Doch dann hatte er sich wieder gefangen und knurrte wütend. Der Vampir stürzte sich auf die Jägerin. Sarah blockte seine Schläge ab und ließ einen Hagel harter Faustschläge auf den Vampir niederprasseln. „Weißt du, du solltest dir mal andere Klamotten zulegen“, meinte die Jägerin spöttisch. „Du hast einen Geschmack wie eine Vogelscheuche.“ Dann packte sie den Vampir am Kopf und hämmerte ihn gegen einen Grabstein.

Der Vampir trug eine schwarze Hose, die viel zu kurz war. Dazu ein pinkgrünes Hawaiihemd. Er sah schrecklich aus. Immer und immer wieder hämmerte Sarah den Kopf des Vampirs gegen den Grabstein. In der Hitze des Gefechts blickte sie sich nach einen passenden Gegenstand um mit dem sie den Vampir vernichten konnte.

Ihre Augen blieben bei ihrem Bleistift hängen, der auf der Decke lag. Sie verpaßte dem Vampir noch einen harten Schlag und rollte sich dann ab. Der Vampir hatte sich noch nicht einmal richtig gefaßt, da war Sarah schon wieder auf den Beinen. Der Vampir raste auf Sarah zu und wollte sie zu Boden reißen. Sarah streckte die Hand aus und der spitze Bleistift bohrte sich in das untote Herz des Vampirs. Er stöhnte auf und zerfiel zu Staub.

Sarah zuckte mit den Schultern und ging zu ihrem Platz zurück. „Es war Shakespeare“, erklärte sie Giles locker. „Was?“ Irritiert blickte Giles seine Jägerin an. „Ihre Frage, Giles“, erinnerte Sarah ihren Wächter. „Shakespeare hat das geschrieben.“ „Stimmt.“ „Das war ja auch eine leichte Frage. Wer kennt dieses Zitat nicht?“ meinte sie und setzte sich auf die Decke. Sie blickte zum Grabstein der Morgans und dachte an ihren Traum zurück. Sie mußte mit Giles darüber sprechen.

„Giles, können wir eine kurze Pause machen? Ich muß Ihnen was erzählen.“ „Über Angel?“ fragte der Wächter vorsichtig nach. Sarah nickte. Giles setzte sich auf einen Grabstein und legte seine Unterlagen zur Seite. Sarah erhob sich und setzte sich neben ihn. „Es geht um Angel, ja.“ „Was ist los?“ fragte Giles. Sarah seufzte. Sie hatte sich dazu entschieden mit ihm über ihre Träume - diese schrecklichen Träume, die in regelmäßigen Abständen zu ihr kamen - zu reden. Und sie würde das jetzt durchziehen.

„Seit Angels Tod ... habe ich immer Träume. Ich träume von ihm. Aber das haben Sie sich sicher schon gedacht.“ Sie blickte ihren Wächter fragend an. Giles nickte. „Ehrlich gesagt, ja. Sarah es ist normal das du von Angel träumst. Du flüchtest dich in deine Träume weil es der einzige Ort ist, wo du mit Angel zusammen sein kannst.“ „Das ist mir klar, Giles. Doch neben diesen schönen Träumen gibt es auch noch andere. Es sind Träume, die in regelmäßigen Abständen kommen. Träume, in denen Angel mich haßt; mich regelrecht verabscheut für das was ich getan habe. Er bricht mir mit Absicht das Herz - in diesen Träumen.“ Sarah holte tief Luft und straffte die Schultern.

„Wissen Sie, seit Angels Tod habe ich immer geträumt das Angel und ich ... wieder zusammen sind. Aber heute habe ich etwas geträumt was mir eine regelrechte Angst gemacht hat. So waren meine Träume noch nie gewesen. So grausam war er nur zu mir gewesen als er ... sich verwandelt hatte.“ „Was hast du geträumt?“ fragte Giles. „Wir waren hier. Angel und ich ... wir waren genau hier; hier am Grabstein der Morgans. Wir waren genau hier.“ „Deshalb auch deine seltsame Reaktion“, stellte Giles fest. Sarah nickte bejahend.

„Er hat auf mich gewartet. Irgend etwas war jedoch anders. Aber ich ignorierte es und hab ihn umarmt. Angel hat sich dabei total versteift und mich von sich weggeschoben. Ich hab ihn gefragt was los ist. Er blickte mich an. Seine Augen waren voller Hass und Enttäuschung. Er sagte zu mir, daß ich mich nicht wundern brauche das er meine Berührungen nicht mehr mag. Er hat gesagt, ich soll ihn bloß nicht mehr anrühren. Er sagte, er hat mich geliebt und ich habe ihn zur Hölle geschickt. Ich hab ihn zu ewigen Leid verdammt. Er sagte, er dachte, ich liebe ihn auch. Dann hat er sich umgedreht“, erzählte Sarah bedrückt und sie machte eine kurze Pause.

„Ich lief Angel nach; wollte das er bei mir blieb. Doch er hat mich brutal von sich gestoßen und mir erklärt, daß ich alles verraten habe was uns einmal verbunden hat. Angel sah mich mit traurigen Blick an und ist gegangen. Dabei erklärte er mir das er mir nie verzeihen würde was ich getan habe. Er sagte, er würde nie wieder kommen und ich hätte unsere Liebe zerstört. Ich streckte meine Hand nach ihm aus und rief verzweifelt seinen Namen. Doch er ist einfach gegangen und es hatte den Eindruck das er nie mehr zurückkommen würde“, erzählte Sarah mit gefaßter, ruhiger Stimme.

Doch Giles sah seiner Jägerin an, daß sie nicht so ruhig war wie sie sich im Moment gab. Innerlich zitterte sie. „Es sah so aus als wäre es ein Abschied für immer. Danach bin ich aufgewacht. Giles, was hat dieser Traum zu bedeuten? Sie waren mir in der Vergangenheit schon eine Hilfe wenn es um die richtige Bedeutung eines Traumes ging. Was sagen Sie dazu?“ Fragend blickte Sarah ihren Wächter an. Er war inzwischen mehr als das für sie. Er war ihre Vertrauensperson und ein sehr guter Freund. Sie wußte, sie konnte mit jedem Problem zu Giles gehen. Er würde ihr helfen. Und seit der Sache mit Angel waren sie noch enger zusammen gewachsen.

Giles nahm seine Brille ab und schwenkte sie leicht in der Hand hin und her. Er wählte seine Worte mit Bedacht. Er wollte Sarah nicht weh tun. Sie schätzte seine Ehrlichkeit, daß wußte er. Und genau darauf hoffte sie jetzt. Und er würde ehrlich zu ihr sein - so wie immer. Doch diesmal mußte er seine Worte gewissenhaft auswählen. Das Thema Angel war für sie noch immer ein sehr empfindliches Thema.

„Du gibst dir die Schuld an seinen Tod“, begann Giles. „Es war schließlich meine Hand, die ihn getötet hat“, warf Sarah ein. „Das weiß ich, Sarah. Aber ... niemand kann dir diese Schuld nehmen. Da mußt du ganz allein durch. Du mußt das allein schaffen.“ „Es ist so schwer“, murmelte Sarah. „Ich weiß. Aber dir kann niemand die Schuld nehmen. Du mußt dir die Schuld selbst nehmen. Du mußt aufhören dich schuldig zu fühlen, Sarah.“ Sarah seufzte schwer. Im Grunde hatte Giles ja recht. Aber es war so schwer.

„Inzwischen hast du akzeptiert was geschehen ist. Du weißt, daß du die Vergangenheit nicht ewig festhalten kannst. Du weißt, daß du die Vergangenheit nicht zurückholen kannst. Du blickst in die Zukunft mit dem Verstand. Aber mit deinem Herzen blickst du auf die gemeinsame Vergangenheit mit Angel zurück. Dein Verstand weiß das er nicht zurückkommt. Doch dein Herz weigert sich ihn loszulassen. Er ist noch immer da. Angel ist noch immer bei dir. Und auch der Schmerz ist da, Sarah. Er ist noch immer in dir.“ „Das weiß ich“, flüsterte Sarah.

„Zu der Verarbeitung deiner Vergangenheit gehört viel mehr. Dieser eine Traum, von dem du gerade erzählt hast, beschreibt auch etwas anderes als deine Schuld Angel getötet zu haben.“ „Und was?“ fragte Sarah mit zitternder Stimme. „Du hast Angst. Du hast Angst davor das Angel dir nicht vergeben kann; das er dir deine Tat nicht verzeiht. Dieser eine Traum beschreibt deine blanke Angst davor das er dir einfach nicht verzeihen kann; das er aufhört dich zu lieben und seine Liebe in Hass umschlägt. Du hast einfach Angst das Angel dir nicht vergeben kann.“ Sarah schwieg für einen Moment und ließ sich Giles’ Worte durch den Kopf gehen.

„Glauben Sie, Giles, Angel würde mir verzeihen wenn er ...“ Giles lächelte und nickte sofort bejahend. Er wußte auch so was Sarah meinte ohne das sie den Satz zu Ende sprach. Es fiel ihr schwer, daß sah man ihr an. „Ja, daß glaube ich. Angel hat dir sicher verziehen. Weil er wissen wird das es dir das Herz gebrochen hat diese Tat durchzuführen. Er wird wissen das es sein mußte um die Welt zu retten.“ Sarah seufzte schwer.

Aufmunternd lächelte Giles seine Jägerin an. „Komm, laß uns noch ein Weilchen lernen damit du für morgen vorbereitet bist.“ Sarah nickte. Sie setzte sich ohne Widerworte wieder auf die Decke und beugte sich über das Buch. Giles seufzte und schob seine Brille zurück auf die Nase. Er wünschte sich so sehr das Sarah ihr Schweigen endlich brechen würde; das er endlich erfuhr was damals geschehen war zwischen Angel und ihr.

Wenn er es wüßte könnte er Sarah auch besser helfen. Er sah doch wie sie litt; wie schwer es für sie war ohne Angel weiter zu leben. Giles selbst war zwar nicht gut auf Angel zu sprechen nachdem was der Vampir ihm alles angetan hatte, aber ... Sarah hielt sich an jeden Stück Vergangenheit mit Angel fest. Und ihr Wächter wußte, wie wichtig Angel für sie gewesen war. Doch all diese Grübeleien halfen nichts - weder ihm noch Sarah. Angel war fort. Das war eine Tatsache.

~ 7. ~

... „Sarah!“ Verzweifelt klammerte sich Angel an den Namen seiner Liebsten. Er war angekettet und nur mit den Fußspitzen berührte er leicht den Boden. Sein Oberkörper war nackt und Spuren der Folter zeichneten sich auf seiner Brust und seinen Rücken ab. Angel schrie seine ganze Pein hinaus. Die Schmerzen ließen ihn nicht los. Sie waren so unerträglich. Nur der Gedanke an Sarah ließ ihn hoffen; ließ ihn am Leben so gut es ging.

Seine Augen füllten sich mit Angst. Ja, Angel hatte Angst. Er hatte Angst um seine Seele. Verzweifelt klammerte sich Angel an die Erinnerungen mit Sarah. Im nächsten Moment füllte ein brennender Schmerz seinen Körper aus. Der brennende Pfeil bohrte sich in Angels Brust. Er schrie voller Schmerz auf. Im selben Moment schoß noch ein brennender Pfeil durch seine Brust. Niemals hätte er geglaubt das solch unerträglichen Schmerzen wirklich existierten.

Er stöhnte laut auf. Im nächsten Moment raste eine lederne Peitsche auf seinen Rücken herab und traf ihn hart. „Sarah!“ schrie Angel verzweifelt. Er ließ den Kopf sinken. Es tat so weh. Er konnte es nicht mehr ertragen. Angel wünschte sich Erlösung - egal auf welche Weise. Wieder und wieder sauste die Peitsche auf ihn herab. Bei jeder seiner Bewegungen bohrten sich die Pfeile noch tiefer in sein Fleisch. „Sarah!“ Angel hielt sich an seinen Gedanken zu Sarah fest. Der Gedanke an Sarah - seine  Liebe zu ihr - war das Einzige, daß ihm noch geblieben war ...

Der Wecker schrillte los und riß Sarah aus ihrem Schlaf. Sie zitterte am ganzen Körper. Der Traum war einfach grausam gewesen. Sie hatte gesehen wie Angel gefoltert geworden war und wie er nach ihr gerufen hatte. Sarah hatte seine Verzweiflung und seine Angst gespürt. Angel hatte selten vor etwas Angst gehabt. Okay, er hatte Angst gehabt als er vom Richter erzählt hatte. Aber diese Angst hatte ihr gegolten. Doch das ... das war anders gewesen. Angel hatte die Schmerzen nicht mehr ertragen können und er hatte Angst um seine Seele gehabt.

Sarah strich sich das zerzauste Haar aus dem Gesicht und stand auf. Ihr Traum ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Sie dachte noch darüber nach während sie sich für die Schule fertig machte. Vorher wollte sie noch zu Giles. Dort würde sie sich mit ihren Freunden treffen. Sie würden gemeinsam bei Giles frühstücken und Sarah, Willow und Oz würden dann zum College gehen um ihren Unterricht nachzukommen während Xander nach einen Job suchen würde. Sarah umklammerte fest den Wasserhahn im Badezimmer. Verstört blickte sie ihr Spiegelbild an.

„Was habe ich dir nur angetan, Angel?“ murmelte sie. Dieser Traum hatte ihr gezeigt was Angel in der Hölle durchmachen mußte. Und es tat ihr weh. Es schmerzte sie so sehr. Aber dieser Traum hatte ihr noch etwas anderes offenbart. Es war Zeit. Es war Zeit das sie mit Giles redete; das sie ihm erklärte was geschehen war. Sarah faßte den Entschluß in diesem Moment. Sie würde Giles die Wahrheit sagen. Sie würde ihm erzählen was zwischen Angel und ihr geschehen war.

Giles war allein als Sarah bei ihm eintraf. Sie setzte sich auf das Sofa und schwieg. Sarah schenkte dem köstlichen Frühstück auf dem Wohnzimmertisch keine Beachtung. Sie hatte keinen Appetit mehr. Sarah suchte nach ihrem Mut es Giles wirklich zu erzählen. Der Wächter spürte sofort das etwas nicht stimmte. Er sah das Sarah mit sich rang. Sie versuchte ihm etwas zu sagen, aber es fiel ihr schwer. Giles wollte gerade etwas sagen als Sarah ihm mit leiser Stimme ins Wort fiel. „Ich hab Angel getötet, nicht Angelus.“ „Was?“ Giles riß überrascht die Augen auf und glaubte sich verhört zu haben. Zuerst realisierte er gar nicht richtig wovon seine Jägerin da sprach.

Sarah schluckte schwer. Dieser Schritt war für sie nicht einfach zu gehen. Doch sie hatte es begonnen und durfte jetzt nicht aufhören. Ihr Blick fiel auf ihren Ring. Sie versuchte sich zu sammeln und blickte zu Giles auf. „Er war nicht mehr Angelus als ich ihm das Schwert ins Herz trieb. Giles, ich hab Angel getötet und nicht den bösen Dämon.“ Bittend sah sie Giles an. Stumm bat sie ihn für sie da zu sein. Giles setzte sich neben sie und legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. Giles verstand. Sie war endlich bereit über die Ereignisse von damals zu sprechen. Sie wollte ihm alles erzählen.

Sarah lehnte sich zurück und schloß für einen Moment die Augen. Vor ihrem geistigen Auge tauchte das Bild von einen geschockten Angel auf als sie ihm das Schwert durch das Herz getrieben hatte. Sie schüttelte leicht den Kopf und öffnete die Augen wieder. „Er hatte es geschafft. Er hatte Acathla erweckt. Es ist ihm wirklich gelungen. Ich stellte mich ihm als Xander Sie aus der Gefahrenzone brachte. Ich kämpfte gegen ihn. Es war ein relativ gleichberechtigter Kampf. Es gelang ihn aber mich zu entwaffnen. Ich besann mich auf meine Kräfte und schlug zurück. Ich konnte Angelus entwaffnen und auf die Knie zwingen.“ „Was ist dann passiert?“ fragte Giles vorsichtig nach.

Die Jägerin seufzte schwer. „Ich wollte gerade zum letzten Schlag mit dem Schwert ausholen als es geschah. Er schrie auf einmal auf. Sein Schrei ... er war voller Schmerz und Qual. Er sackte in sich zusammen. Ich wußte im ersten Moment nicht was das nun war oder was ich tun sollte. Ich hätte ihn sofort töten sollen als sich mir diese Gelegenheit bot. Doch ich konnte es nicht, Giles. Meine innere Stimme hinderte mich. Sie warnte mich ihn zu töten.“ Sarahs Stimme klang fest und entschlossen. Doch Giles wußte, innerlich sah es anders in ihr aus. Es fiel ihr sehr schwer ihm davon zu erzählen. Und er bewunderte den Mut, den sie in diesem Moment aufbrachte.

„Angel hob den Blick“, erzählte Sarah weiter. „Jegliche Kälte war aus seinen Augen gewichen. Er sah mich mit all seiner Liebe - die er für mich empfand - an. In diesem Augenblick wußte ich, daß es Willow gelungen war. Er hatte seine Seele zurück. Er war wieder mein Angel. Der Angel, der mich so sehr liebte.“ „Oh Gott“, flüsterte Giles erschrocken als ihm klar wurde worauf Sarahs Erzählung hinauslaufen würde. Giles konnte es nicht fassen. Das war also der Grund warum Sarah so sehr unter Angels Tod litt. Jetzt kannte er den Grund.

Sarah atmete einmal tief durch und ihr Blick fiel wieder auf ihren Ring; auf Angels Ring. Ein trauriger Seufzer entrang sich ihrer Kehle. „Angel konnte sich an nichts mehr erinnern. Er hatte ein totales Blackout. Ich umarmte ihn; konnte einfach nicht glauben das er wieder da war. Alles, was er mir angetan hatte, war in diesem Moment vergessen. Ich umarmte ihn; wollte ihn nie mehr loslassen. Doch da sah ich das sich der Strudel geöffnet hatte. Acathla war dabei die Welt zu verschlingen. Da wurde mir klar das Angels Verwandlung zu spät gekommen war. Acathla war erweckt und ich mußte meine Pflicht tun. Um die Welt zu retten hatte ich keine andere Wahl als meine große Liebe zu opfern. Ich bat Angel die Augen zu schließen. Angel vertraute mir blind und tat es. Dann küßte ich ihn ein letztes Mal. Ich sagte ihn das ich ihn liebe und dann habe ich ihn getötet“, erzählte Sarah leise. Die Jägerin schluchzte auf bei diesen qualvollen Erinnerungen.

„Ich hab ihm das Schwert direkt ins Herz getrieben. Angel riß überrascht die Augen auf und sah mich fassungslos an. Er konnte nicht glauben was ich getan hatte. Ich sagte ihm noch, daß er mir verzeihen möge. Angel sagte ein letztes Mal, das er mich liebte und dann wurde er in die Hölle gerissen. Das Tor schloß sich und Angel und Acathla waren verschwunden. Ich stand wie versteinert da und konnte nicht glauben was ich getan hatte. Dann brach ich zusammen und weinte. Irgendwann wurde ich von meiner Verzweiflung angetrieben und bin aus der Gruft gelaufen. Und was danach geschehen ist ... wissen Sie ja“, erzählte Sarah mit stockender Stimme.

Sarah richtete ihren Blick auf ihren Wächter. „Ich hab Angel getötet. Er war nicht mehr Angelus als ich ihn getötet habe, verstehen Sie?“ Giles nickte. Er verstand sehr gut. Deshalb war sie auch weggelaufen. Es war einfach zuviel für sie gewesen. Diese Tatsache hatte sie nicht verkraften können. Deshalb tat sich Sarah so schwer mit ihrer Tat klarzukommen; damit zu leben und es zu akzeptieren. Jetzt ergab ihr Verhalten auch einen Sinn.

Tränen glitzerten in ihren Augen und lösten sich. Langsam rieselten sie Sarahs Wangen hinab. „Ich hab meine Liebe verraten, Giles. Ich hab ein ungeheuerliches Verbrechen begangen. An mir, an Angel - an unserer Liebe. Ich hab meine Pflicht erfüllt, doch dafür habe ich einen hohen Preis bezahlt. Für die Rettung der Menschheit mußte ich das Wichtigste in meinen Leben opfern; meinen Angel - meine große und einzige Liebe. Ich mußte ihn opfern um die Welt zu retten. Immer hab ich etwas geopfert um meine Pflicht als Jägerin zu tun, aber Angel ...“ Sarah ließ ihren Tränen freien Lauf. Sie konnte ihre Trauer nicht länger unterdrücken.

Giles legte einen Arm um die Schulter seines Schützlings und stand ihr einfach bei. Er sagte kein Wort; er tat nichts. Er ließ sie nur weinen. Mehr als für sie dazusein konnte er im Moment nicht für sie tun. Jetzt ergab alles einen Sinn; jetzt wurde er aus ihrem Verhalten schlau. Und sie tat ihm so leid. Niemals hatte er ihr gewünscht das zu tun; das sie für ihre Pflicht den Mann opfern mußte, den sie liebte, ... das hatte er niemals gewollt. Für Sarah selbst gab es kein Verzeihen. Sie konnte sich nicht verzeihen was sie getan hatte; welches Verbrechen sie begangen hatte. Diese Tat war nicht wieder gut zu machen. Und der Schmerz war die Strafe; für Sarah eine gerechte Strafe, wie sie fand. Giles erkannte, daß seine Jägerin daran zerbrach.

Es war einfach alles zuviel für sie geworden. Ihre Bestimmung hatte ihr etwas genommen was ihr niemand zurückgeben konnte. Sie hatte zuviel aufgegeben; zuviel verloren. Sarah brach unter der Last, die sie auf ihren Schultern trug, zusammen. Giles fühlte großes Mitleid mit ihr. Sie hatte zuviel für ihre Pflicht aufgegeben. Ein Klopfen ließ den Wächter aufsehen. Das mußten Sarahs Freunde sein. Sie hatten sich zum Frühstück bei Giles verabredet. Doch Giles war der Appetit vergangen. Er würde keinen Bissen hinunter bekommen.

Giles stand auf und öffnete die Tür. Er sah sehr nieder geschlagen aus. Willow merkte sofort das etwas nicht stimmte. Die Freunde traten ein und sahen Sarah, wie sie auf dem Sofa ihres Wächters saß und weinte. „Was ist passiert?“ fragte Willow. „Sie hat mir alles über ihren Kampf gegen Angel erzählt“, erwiderte Giles mitgenommen. Er schloß die Tür und lehnte sich dagegen. Das, was seine Jägerin ihm gerade erzählt hatte, mußte er erst einmal verdauen. Er hatte geahnt, daß es schlimm gewesen sein mußte. Doch das es so schrecklich für Sarah gewesen war ... davon hatte er keine Ahnung gehabt.

Willow legte ihre Tasche ab und setzte sich neben Sarah. Sie nahm ihre beste Freundin tröstend in die Arme. Oz setzte sich auf einen Stuhl und schwieg wie üblich. Xander blieb stehen und wandte sich ab. Das hatte er nicht gewollt. Leidvoll blickte er zu Boden. Sein schlechtes Gewissen meldete sich diesmal wieder deutlicher als in den letzten Tagen. Sarah so zu sehen ... das tat ihm furchtbar weh. Schon alleine weil er wußte, daß er einen Teil Verantwortung dafür trug. Er hatte sie belogen; hatte ihr nicht die Wahrheit gesagt und nun litt sie unter Angels Tod.

Minutenlang war nur Sarahs Schluchzen zu hören. Langsam beruhigte sie sich. Sie hob den Kopf und sah Willow an. Es war an der Zeit das ihre Freundin erfuhr, daß sie es geschafft hatte. Sie hatte es wirklich geschafft den Fluch zu erneuern. Willow hatte ein Recht darauf es zu erfahren. „Will, es hat geklappt“, flüsterte Sarah. „Was hat geklappt?“ fragte Willow verwundert. Sarah lächelte kurz und meinte: „Der Fluch. Du hast es geschafft. Der Fluch hatte sich erneuert. Du hast es hin gekriegt.“ „Wirklich?“ Willow riß überrascht die Augen auf. Sie lächelte. Es freute sie das sie diesen starken Zauber tatsächlich hin bekommen hatte.

Doch ein Gedanke schlich sich sofort bei Willow ein. Wenn der Fluch geklappt hatte warum ... „Aber wieso hast du dann ...“, fragte Willow irritiert. Sarah blickte sie traurig an. „Es war zu spät. Acathla war schon erweckt. Ich hatte keine andere Wahl. Ich mußte Angel töten um die Welt zu retten. Ich hab ihn gebeten die Augen zu schließen. Dann habe ich ihn geküßt, ich sagte ihm das ich ihn liebe und dann habe ich ihn getötet. Der Fluch kam um ein paar Minuten zu spät. Du hast Angel zu spät geheilt.“ Willow schüttelte den Kopf. Das alles ergab doch gar keinen Sinn. Sarah redete als hätte sie keine Ahnung davon gehabt das Willow den Fluch erneuern wollte.

Xander hatte Sarah doch ausrichten sollen ... Willows Blick fiel auf Xander, der bedrückt zu Boden starrte. Als spürte er das er angesehen wurde hob er den Blick. Und er erkannte in Willows Augen was sie dachte. Er schüttelte den Kopf als wollte er sie daran hindern es auszusprechen. Doch Willow ließ sich davon nicht beeinflussen. Xander riß die Augen auf und schluckte schwer. Er wußte, was er sich in wenigen Sekunden anhören mußte und versuchte sich innerlich darauf vorzubereiten. Doch ihm war klar: Für Sarahs Vorwürfe gab es keine Vorbereitung.

„Hat Xander dir den nicht ausgerichtet das du Angel hinhalten sollst?“ fragte Willow gerade. Sarah blinzelte und sah ihre Freundin verwirrt an. „Was?“ Sie wischte sich die letzten Tränen aus dem Gesicht. „Er hat mir von dir ausgerichtet das ich Angel zur Hölle schicken soll.“ „Das habe ich nie gesagt“, teilte Willow der Jägerin mit. „Ich hab ihm gesagt, daß er dir ausrichten soll ... das ich das Ritual noch einmal durchführe und du Angel so lange wie möglich hinhalten sollst. Das waren meine Worte.“ Sarah blickte auf und sah Xander an. Auf einmal ruhten die Augen aller im Raum auf Xander.

„Stimmt das, Xander?“ fragte Sarah. Sie spürte, wie Wut in ihr hochkam; wie der Zorn kochte und regelrecht zu Hass wurde. „Ich ... nun ... ich ...“, stammelte Xander. Er wand sich unter den scharfen Blicken. Xander wußte, es war an der Zeit sich der Wahrheit zu stellen. Bis jetzt hatte er immer die Hoffnung gehabt das seine Lüge unentdeckt bleiben würde. Doch da hatte er sich getäuscht. Sie wußten es nun und verlangten Antworten von ihm. Xander hob den Blick und sah in die wütend funkelnden Augen einer sehr zornigen Jägerin.

„Antworte mir“, befahl sie laut. Xander seufzte und ergab sich. Er machte keine Anstalten mehr sich raus zu reden. Es hatte ja doch keinen Sinn es zu leugnen. Sie wußten es nun. „Ja, es stimmt. Ich habe dich belogen, Sarah. Ich ... wußte, was Willow vorhatte. Und ich habe dich bewußt belogen.“ Sarah stand auf und kam auf ihn zu. Sie starrte ihn wütend an. Sarah konnte nicht glauben was er da sagte. Er war ihr Freund und hatte sie so dermaßen belogen. Wie hatte er das nur tun können? Sie kannte seinen Grund. Er hatte Angel noch nie gemocht. Und das war die perfekt Möglichkeit gewesen den Vampir loszuwerden. Was er ihr damit angetan hatte ... das war ihm egal gewesen.

Die Wut in Sarah kochte über. Sie konnte sich nicht länger beherrschen. Es ging einfach nicht. Sie hatte ihren Zorn nicht mehr unter Kontrolle. Und sie wollten ihn auch gar nicht kontrollieren. Sarah holte aus und schlug Xander hart ins Gesicht. Xander stolperte und fiel fast über einen Hocker, der an Giles’ Tresen stand. Giles war sofort da und hielt seine Jägerin zurück. Er hielt sie fest und verhinderte dadurch das sie sich voller Wut auf Xander stürzte und ihn krankenhausreif prügelte.

„Warum? Sag mir warum! Warum hast du mich belogen?“ Giles konnte seine Jägerin nur mit Müh und Not zurückhalten. Ihre Augen sprühten haßerfüllte Funken. Xander rappelte sich hoch und sah sie an. Er sah den Hass in ihren Augen. Ihr Hass traf ihn wie ein Schlag. Denn er wußte, er hatte es verdient. Er hatte von Sarah kein Verständnis zu erwarten. Niemals hätte er es für möglich gehalten das es jemals so weit zwischen ihnen kam. Aber Sarah haßte ihn.

„Nun, ich ... ich dachte, es wäre das Beste für dich.“ „Du meinst wohl eher für dich“, fauchte Sarah wütend. „Du hast Angel schon immer gehaßt. Du wolltest, daß ich ihn töte damit du ihn los bist. Du wolltest es für dich. Und nur für dich! Weißt du eigentlich was du mir damit angetan hast? Was du mit dieser feigen Lüge angerichtet hast? Weißt du wie weh du mir getan hast? Weißt du das eigentlich?“ schrie Sarah. Von Minute zu Minute wurde sie wütender. Giles spürte es. Ihr Zorn und ihr Hass war förmlich in der Luft zu greifen.

Hilfesuchend blickte Xander seine Freunde an. Willow strafte ihn mit einen bösen Blick und schüttelte den Kopf. Sie war enttäuscht von ihm. Ein solch niederträchtiges und verlogenes Verhalten hätte sie Xander niemals zugetraut. Wie Sarah konnte sie nicht glauben was er getan hatte. Oz schaute wie immer - gleichgültig. Doch wer Oz kannte wußte, daß er es nicht war. Er ließ sich die Enttäuschung nur nicht ansehen. Und Giles? Giles war ebenso maßlos enttäuscht von dem Jungen. Und als Sarahs Wächter konnte er sie sehr gut verstehen.

„Ich ... ich kann das erklären ...“, begann Xander halbherzig. „Erklären?“ rief Sarah und sie wand sich aus Giles’ Griff. „Sarah, du kannst ihn nicht verprügeln“, sprach Giles. „Oh ... das hab ich auch gar nicht vor. Er ist es nicht wert das ich Hand an ihn lege. Ich mache mir doch meine Hände nicht schmutzig wegen diesen ... verlogenen Hund“, sprach sie kalt an ihren Wächter gewandt. Xander zuckte zusammen. Diese Aussage tat weh. Wenn sie ihn nicht einmal verprügeln wollte weil er unter ihrer Würde war ... dann verabscheute sie ihn wirklich zutiefst.

„Was gibt es da noch großartig zu erklären, Harris“, zischte Sarah gefährlich. Es war das erste Mal, seit Xander sie kannte, daß sie ihn beim Nachnamen nannte. Und wenn Sarah das tat standen die Dinge wirklich schlimm für ihn. „Du wolltest nicht das Angel wieder zu dem wird was er war. Denn das hätte bedeutet, daß ich wieder mit ihm zusammen sein würde. Und das wolltest du nicht ... wegen deinen Hass auf ihn und deiner Eifersucht. Du wolltest nicht das Angel und ich wieder glücklich miteinander werden.“ „Das ... stimmt so ...“ Doch Sarah unterbrach Xander zornig.

„Für deinen Hass auf Angel hast du mit meinen Seelenfrieden; meinen Glück gespielt. Du hast mich geopfert um Angel loszuwerden. Du kennst mich. Du wußtest genau wieviel mir Angel bedeutet; wie sehr ich ihn liebe. Du wußtest, das ich seinen Tod niemals verkraften würde. Dir war genau bewußt das ich an Angels Tod zerbrechen würde. Du wußtest es. Und doch ... hast du mir Willows Plan verschwiegen. Du hast mein Unglück bewußt in Kauf genommen nur um Angel loszuwerden. Und das werde ich dir nie verzeihen.“ Bedrückt sah Xander zu Boden. Er ließ sie reden. Xander wußte, eine andere Behandlung hatte er von Sarah nicht zu erwarten. Er bekam jetzt die Strafe, die er für seine Lüge verdient hatte.

Sarah starrte ihn haßerfüllt an; zwang Xander ihr in die Augen zu sehen und ihren Hass darin zu lesen. „Wie konntest du das nur tun? Ich dachte, du wärst mein Freund. Ich hab dir vertraut. Und du hast mich hintergangen. Du hast mich belogen. Ich dachte wirklich, du wärst mein Freund. Aber ich habe mich wohl in dir getäuscht. Ein wahrer Freund hätte mir von Willows Plan erzählt. Da du es nicht getan hast wird mir klar, daß du kein wahrer Freund von mir bist.“ Das saß. Diese Worte trafen Xander mitten im Herz. Doch Sarah war das egal. Sie wollte ihm bewußt weh tun - so wie er ihr weh getan hatte.

„Weißt du eigentlich wie viele tränenreiche und schlaflose Nächte ich hinter mir habe? Ist dir klar wie sehr ich um Angel trauere? Wie weh meine eigene Tat mir tut? Ist dir klar was es für mich bedeutet ohne Angel weiterleben zu müssen? Du hast keine Ahnung, wie es für mich war den Mann zu töten, den ich über alles liebte. Weißt du, wie ich gelitten habe? Ist dir klar, wie weh dieses Leben ohne Angel tut? Wie weh es tut mit diesem Wissen an mein Verbrechen leben zu müssen? Mit dem Wissen dieser schrecklichen Tat? Mit der Gewißheit leben zu müssen das er meinetwegen sterben mußte? Weißt du das, Harris?“ warf Sarah ihm zornig vor.

Xander schüttelte verneinend den Kopf und schwieg. Was hätte er auch sagen sollen? Nichts, was er jetzt sagte würde Sarah besänftigen. Im Gegenteil - sie würde nur noch wütender werden und ihn noch mehr verabscheuen - wenn das überhaupt noch möglich war. Und er wollte sie im Moment wirklich nicht noch wütender erleben. Im Wohnzimmer war nur Sarahs wütende Stimme zu hören. Die Anderen schwiegen und konnten nicht fassen was Xander getan hatte.

Giles ließ den Wutausbruch seiner Jägerin geschehen. Er wußte, daß es raus mußte aus ihr. Außerdem hätte er sie nicht hindern können. Wenn Sarah wütend war und dann noch ihre Stärke als Jägerin einsetzte ... dann konnte sie niemand aufhalten oder beruhigen. Das wußte er. Giles war von Xander bitter enttäuscht. Das hätte er ihm nicht zugetraut. Genauso wenig wie Willow, die gedacht hatte Xander zu kennen weil sie mit ihm aufgewachsen war. Nun sah sie ein das sie ihn nicht kannte. Er hatte sie wirklich enttäuscht.

„Du hast gesehen wie ich gelitten habe“, sprach Sarah. „Du hast es gesehen. Du hast meinen Schmerz gesehen. Und hast mich weiter belogen. Die ganze Zeit habe ich gelitten wie ein Hund. Und nichts konnte mir über diesen Schmerz hinweghelfen. Ich liebte Angel und ... ich tue es noch immer. Ihn zu töten war das Schlimmste was ich jemals in meinen Leben tun mußte.“ Sarah schwieg einen Moment um Luft zu holen. Dann fuhr sie aber sofort fort.

„Und jetzt erfahre ich das es nicht hätte sein müssen. Das es nicht nötig gewesen wäre Angel zu töten wenn ich nur gewußt hätte, was Willow geplant hatte. Angel könnte jetzt hier bei mir sein. Doch du hast mir die Wahrheit verschwiegen. Du hast mich - wie ich Angel - zu ewigen Leid verdammt. Gott, Xander, was hast du dir nur dabei gedacht? Meine Qual, mein Schmerz, meine Tränen - alles wäre mir erspart geblieben wenn ich nur die Wahrheit gewußt hätte; wenn du mir nur gesagt hättest worum Willow dich gebeten hat. Ich könnte jetzt mit Angel glücklich sein; könnte ihn umarmen, aber ... das wird mir ewig verwehrt bleiben - weil du mich belogen und hintergangen hast“, warf sie ihm eiskalt vor.

„Sarah, ich ...“, begann Xander zaghaft. „Halt den Mund“, befahl Sarah. „Sag jetzt bloß nichts, ich warne dich. Ich hoffe, du hast deinen Spaß gehabt, Alexander Harris. Ich hätte Angel hinhalten können wenn ich von Willows Plan gewußt hätte. Ich hätte ihn aufhalten können Acathla zu erwecken.“ Sarah starrte Xander finster an. „Für mich waren die letzten Monate die reinste Hölle. Mit Angel ist auch ein Teil von mir gestorben. Als er in die Hölle gerissen wurde, wurde ein Teil von mir mitgerissen. Wie konntest du das nur tun? Ich hab dir vertraut, doch du hast mich hintergangen. Ist dir klar das mir die letzten Monate voller Leid erspart geblieben wären? Aber das ist dir ja egal. Dir war dein Hass wichtiger. Dir war wichtiger das Angel für immer geht. Deine Rache an Angel war dir wichtiger als mein Wohl; mein Glück“, sprach Sarah mit funkelnden Augen. Ihre Stimme bebte.

Lange konnte sie sich wirklich nicht mehr beherrschen. Das Beben ihrer Stimme zeigte den Anwesenden wie aufgewühlt sie war. „Ich will dich nie wiedersehen, Harris. Wir beide sind geschiedene Leute. Ich will, daß du aus meinen Leben verschwindest.“ Xander blickte sie an. Das konnte nicht ihr Ernst sein! Sie brach mit ihm? Natürlich hatte er eine Strafe verdient, aber ... „Sarah, ich ...“ „Ich will nichts mehr hören“, herrschte sie ihn an. „Ich will deine Ausreden nicht mehr hören. Du hast mein Vertrauen mißbraucht. Ich hab Angel verloren. Und du trägst auch eine gewisse Schuld daran. Verschwinde aus meinen  Leben.“ Sarah starrte ihn wütend an.

Sie meinte es wirklich so wie sie es sagte. Das konnte man in ihren Augen - ihrem Gesicht - lesen. Xander blickte seine Freunde an. „Willow ...“, sprach er halbherzig. Das rothaarige Mädchen trat zu Sarah und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Ich verstehe dich nicht. Wie konntest du das nur tun? Das hätte ich niemals von dir gedacht“, sprach sie enttäuscht. Willow zeigte ihm deutlich auf welcher Seite sie stand. Sie stand auf Sarahs Seite. Xander blickte Giles an. „Giles, ich ...“ „Verschwinde aus meinem Haus, Junge“, sprach Giles nur trocken und wies ihm die Tür. Xander ließ traurig die Schultern hängen und ging zur Tür.

„Xander!“ Sarahs Ruf ließ ihn herumfahren. „Ja?“ „Halt dich von mir fern. Denn das nächste Mal könnte es gut sein das ich mich doch noch vergesse und dich ins Krankenhaus prügle. Und an einen solch miesen Hund wie dir will ich mir nicht meine Kräfte verhauen. Dafür sind mir meine Kräfte viel zu schade“, sprach Sarah finster. Xander sagte darauf nichts sondern ging. Die Tür fiel hinter ihm zu. Die Freundschaft zu Sarah hatte er sich selbst verdorben. Sie würde ihm nie verzeihen, daß wußte er. Im Wohnzimmer von Giles breitete sich eine zerreißende Stille aus.

Die Sonne ging unter. Mit dem ersten Windstoß der Nacht betrat Sarah die Hauptmann Gruft. Ihre Schritte hallten auf dem Boden wider. Langsam ging sie zu der Stelle, wo sie Angel zur Hölle geschickt hatte. Sie schluckte schwer und blieb davor stehen. Sarah atmete einmal tief durch und kniete sich nieder. Zärtlich berührte sie die besagte Stelle mit ihrer Hand. Sie strich zart darüber, so als könnte Angel diese Berührung spüren; als würde diese Berührung eine Verbindung zu ihm herstellen.

„Angel“, sprach Sarah zärtlich. „Ich vermisse dich. Du fehlst mir so, Angel. Ich weiß nicht ... vielleicht hörst du mich jetzt ja. Wenn du mich hörst, bitte glaube mir, das alles habe ich nicht gewollt. Ich hab dich immer geliebt - selbst als du mich verfolgt hast. Ich hab immer nur dich geliebt. Und jetzt ... jetzt bist du fort. Du hast mich für immer verlassen“, sprach Sarah mit tränenerstickter Stimme. Das hier zu tun fiel ihr sehr schwer. Aber sie mußte es tun. Sie mußte es endlich hinter sich bringen.

„Ich will das du weißt, daß du immer bei mir sein wirst. Im meinen Herzen wirst du immer sein, Angel. Ich werde dich nicht vergessen. Ich werde dich und unsere Liebe niemals vergessen, daß verspreche ich dir. Tief in mir werde ich immer nur dich lieben. Bitte, Angel, vergib mir! Verzeih mir, daß ich dir das angetan habe. Verzeih, daß ich dich habe töten müssen. Aber ich hatte keine Wahl. Die Welt ... meine Pflicht ...“ Langsam rieselten Tränen über Sarahs Wangen.

„Es tut mir so leid. Ich hatte keine Wahl. Ich mußte dich töten um die Welt zu retten. Du weißt nicht wie schwer mir das gefallen ist. Ich mußte dich - meine einzige Liebe - opfern um die Welt zu retten. Das war nicht fair.“ Sarah schwieg und weinte leise ihre Tränen um ihre verlorene Liebe. Sie wußte, was Angel in der Dämonendimension ertragen mußte. Und diese Gedanken konnte sie kaum ertragen. Sarah schluckte schwer und stieß einmal kräftig die Luft aus ihren Lungen.

„Ich muß diesen Schritt jetzt gehen, Angel.“ Sarah brach ab und schwieg für einen Moment. Das war nicht leicht für sie und es kostete sie eine Menge seelischer Kraft. „Ich bin hier weil ... weil ich ... ich wollte mich von dir verabschieden. Ich hab bis jetzt gehofft das du zurückkommen würdest. Das dieses Wunder geschieht und du eines nachts wieder vor mir stehst. Jetzt, wo ich Giles alles erzählt habe, muß ich begreifen das du für immer fort bist. Du wirst nicht mehr zurückkommen. Du bist weg. Und du kommst nicht zurück. Das muß ich endlich einsehen.“ Sarah blickte auf ihren Ring und seufzte schwer.

„Ich werde unsere Erinnerungen für immer behalten, Angel. Doch mehr kann ich nicht mehr tun. Ich muß endlich begreifen das du weg bist. Ich muß mein Leben wieder in den Griff bekommen. Ich muß lernen ohne dich zu leben. Das wird bestimmt nicht einfach, aber ... ich muß dich loslassen. Ich muß dich gehen lassen, Angel. Ich muß lernen die Vergangenheit vergangen sein zu lassen. Du bist weg. Und nichts und niemand bringt dich mir jemals wieder zurück. Ich muß endlich loslassen. Und ich werde dich gehen lassen, Angel. Ich muß es endlich tun. Du kommst nicht mehr zurück und mein Leben muß weitergehen - irgendwie. Auch ohne dich. Doch das muß ich erst lernen“, sprach Sarah traurig.

„Ich schwöre, ich werde dich nie vergessen. Du bist und wirst immer der wichtigste Mensch in meinem Leben sein. Das wird sich nie ändern. Aber ich muß jetzt loslassen. Ich muß dich loslassen. Du kommst nicht mehr zurück. Das weiß ich jetzt. Ich werde dich immer lieben. Doch jetzt ... muß ich ohne dich leben. Ich liebe dich, Angel. Leb wohl.“ Tränen rannen über Sarahs Wangen als sie Angels Ring von ihren Finger zog und ihn dorthin legte wo Angel vor Monaten verschwunden war. Sie stand auf und verließ traurig die Gruft. Und sie drehte sich nicht um.

Die Erde bebte. Die Wände wackelten und die Gruft wurde in ihren Grundmauern heftig erschüttert. Ein grelles Licht erschien und erfüllte die Gruft als Sarah den Friedhof verließ. Immer stärker bebte der Boden im Herrenhaus. Ein schwarzes Loch öffnete sich und ebnete den Weg für eine verlorene Seele; den Weg zurück auf die Erde. Ein Körper fiel aus dem schwarzen Loch. Das Loch schloß sich wieder und verschwand - genauso wie das Beben und das Licht.

Ein qualvolles Stöhnen hallte durch die Hauptmann Gruft. Auf dem Boden lag ein menschliches Wesen. Auf dem Rücken zeichneten sich noch deutlich die Spuren der Folter ab, die das Wesen ertragen hatte müssen. Die Wunden heilten nur sehr langsam. Jemand war aus der Dämonendimension zurück gekommen. Es war ein verloren geglaubter Freund der Jägerin. Sarah wußte noch nicht, daß sich ihr Wunschdenken erfüllt hatte. Das ihr Hoffen und Beten endlich Gehör gefunden hatte. Es war Angel. Er war zurück ...

~ 8. ~

Sarahs wütender Ausbruch hing wie eine dunkle Wolke über den Freunden. Zwischen Sarah und Xander hatte sich alles verändert. Die Jägerin mied den schwarzhaarigen Jungen. Sie sprach kein Wort mehr mit ihm. Sarah hatte mit ihm gebrochen und hielt das auch bei. Sie wollte mit Xander nichts mehr zu tun haben. Er hatte sie zutiefst verletzt. Und das konnte Sarah einfach nicht verzeihen. Seine Lüge war zu grausam für sie. Seine Lüge hatte zuviel zerstört.

Durch Xanders Lüge hatte sich auch sein Verhältnis zu den anderen geändert. Willow, die mit ihm aufgewachsen war, hielt zu ihrer besten Freundin. Sie konnte verstehen warum Sarah so wütend geworden war. Xander hatte auch Willow zutiefst enttäuscht. Niemals hätte sie es für möglich gehalten das er so lügen würde; das er überhaupt so mies handeln und eine Freundin bewußt hintergehen würde. Giles war Sarahs Wächter und er kannte seine Jägerin. Er konnte ihr ansehen wie tief Xanders Verrat ihr weh getan hatte. Und als ihr Wächter hielt er natürlich zu ihr. Er konnte sie verstehen.

Oz hielt sich aus allem raus. Er enthielt sich einer Meinung. Einerseits konnte er Sarahs Beweggründe verstehen, warum sie sich von Xander abgewandt hatte. Aber andererseits wollte er wissen was Xander zu seiner Lüge getrieben hatte. In Sarahs Augen war es Verrat. Und Oz wollte herausfinden warum Xander die Jägerin so hintergangen und verraten hatte. Oz wollte Xanders wahre Gründe erfahren. Aber Xander schwieg. Für ihn ergab auch ein Gespräch keinen Sinn und er wandte sich jedesmal ab.

Aber Oz hatte im Moment auch andere Probleme. Seine drei problematischen Nächte standen bevor. Das hieß, die Vollmondnächte kamen. Und er mußte sich einsperren. Denn ansonsten würde er Sunnydale als Werwolf heimsuchen und die Menschen angreifen. Aber das wollte er auf gar keinen Fall. Deshalb sperrte sich Oz in diesen drei Nächten in einen Käfig ein. Früher war es der Käfig in der Bibliothek gewesen, doch die Highschool hatten sie hinter sich gelassen.

Giles hatte einen neuen Ort dafür gefunden. Es gab am Friedhof ein verlassenes Mausoleum mit einer breiten Fläche. Giles und Sarah hatten daran herum gearbeitet und stabile Gitterstäbe - mit einen modernen Alarmsystem ausgestattet - eingelassen. So hatte Oz wieder einen Ort, wo er sicher aufbewahrt war. Und die Menschen in Sunnydale waren sicher vor dem Tier in Oz. Doch alleine ließ man ihn dort nicht. Vor dem Mausoleum hielt immer jemand Wache - mit dem Betäubungsgewehr. Schließlich wollte man kein unnötiges Risiko eingehen. Aufgrund des Alarmsystems konnte Oz eigentlich gar nicht ausbrechen, aber schließlich lebte man auf dem Höllenschlund und man konnte nie wissen.

Sarah hatte sich für die Patrouille zurecht gemacht. Sie war bei Giles weil er sie angerufen hatte. „Was ist los, Giles? Ich wollte gerade losgehen“, sprach Sarah als sie im Wohnzimmer ihres Wächters stand. Willow hatte mit dem Betäubungsgewehr ihren Posten bezogen. Giles wirkte sehr nachdenklich. Sarah spürte, etwas war nicht in Ordnung. Etwas stimmte ganz und gar nicht. Ihr Wächter hatte schon wieder seinen typischen Etwas-böses-ist-da-draußen-Blick aufgesetzt.

„Ich hab heute erfahren das ein Jeff Kenzie heute Morgen aufgefunden wurde. Tot.“ „Und? Giles, Leichen sind in Sunnydale nichts ungewöhnliches.“ „Ich weiß. Aber er wurde zerfleischt.“ „Oh Gott!“ Sarah riß erschrocken die Augen auf. „Gestern war die Nacht vor Vollmond. Und niemand von uns hat auf Oz aufgepaßt weil keiner Zeit hatte. Giles, glauben Sie, Oz ist entkommen?“ Der Wächter zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht. Wir haben eigentlich ein sicheres Alarmsystem angebracht, aber ... es kann gut sein. Jedenfalls werde ich Willow ablösen. Es ist besser so - bis wir mehr wissen.“ „Sie haben recht. Willow wird es niemals schaffen auf Oz zu schießen um ihn zu betäuben, wenn er ausbricht.“ „Du sagst es.“ Giles griff nach seiner Jacke und seinen Autoschlüsseln. „Ich begleite sie“, beschloß Sarah. Giles nickte. Das hatte er erwartet.

Erst nach dem dritten Versuch sprang der Motor von Giles’ alten Wagen endlich an. „Sie sollten sich endlich ein neues Auto kaufen“, sprach Sarah. „Wieso? Dieser hier macht es doch noch.“ Sie lachte bitter. „Reden wir über diesen Todesfall“, meinte sie um von Giles’ Schrottauto abzulenken. „Wurde der Junge wirklich zerfleischt?“ „Ja. Wie bei ... als wenn es ein Werwolf gewesen wäre.“ „Oh Gott! Das wird ein Schock für Willow und auch für Oz sein“, bemerkte Sarah.

„Ich weiß. Fest steht das es ein sehr brutales Geschöpf war.“ „Ich hätte gestern doch Patrouille gehen sollen“, stöhnte Sarah. Sie gab sich jetzt die Schuld an den Tod des Jungen. Sie war - mit Giles’ Einverständnis - zu Hause geblieben weil sie für einen Test hatte lernen müssen. Seit Sarah wieder da war gab Giles ihr in dieser Hinsicht mehr Freiheiten als früher. Er hatte eingesehen das es einfach sein mußte. Und er wollte ihrem Studium auch nicht im Weg stehen.

„Nein, es ist nicht deine Schuld. Wer hätte das auch wissen sollen? In letzter Zeit war es doch so ruhig in Sunnydale“, sprach Giles und fuhr den Wagen an den Straßenrand. Er parkte. Sarah und Giles stiegen aus. Sarah begleitete ihren Wächter zu dem Mausoleum. Davor saß Willow mit einem Buch; neben sich das Betäubungsgewehr. Als Willow Schritte hörte ruckte ihr Kopf hoch. In der selben Sekunde stellte sie erleichtert fest das es nur Giles und Sarah waren.

„Ich bin hier um dich abzulösen, Willow“, sprach Giles sofort. „Wieso?“ Sarah und Giles sahen sich betroffen an. Willow sah, daß die Beiden etwas beschäftigte. „Was ist los?“ fragte sie mit zitternder Stimme. „Du weißt, daß Oz gestern allein war“, begann Sarah. Willow nickte. „Es wurde eine zerfleischte Leiche gefunden.“ „Oh Gott ... Denkst du ...“ „Willow, wir wissen es nicht. Aber wir werden es rauskriegen, hörst du?“ beruhigte Sarah ihre geschockte Freundin.

„Ich bin mir sicher das Oz es nicht war. Aber wir müssen auf Nummer sicher gehen. Das verstehst du doch, oder?“ Willow nickte. „Deshalb sind Sie hier, Giles. Sie sind hier um mich abzulösen“, stellte Willow fest. Giles nickte. „Ich bin Wächter. Ich bin etwas besser ausgebildet als du. Geh nach Hause. Du mußt sicher auch noch lernen.“ „Na ... na gut“, seufzte Willow. Sie packte ihre Sachen zusammen und straffte die Schultern.

„Oz war das nicht“, sprach sie. „Das glaube ich auch“, meinte Sarah. „Soll ich dich nach Hause bringen?“ Willow schüttelte den Kopf. „Nein, nicht nötig; bin ja in zehn Minuten zu Hause. Ich werde ein wenig rum forschen - im Internet. Vielleicht findet ich etwas mehr Informationen über diesen Mord. Wie heißt das Opfer den?“ „Jeff Kenzie“, sprach Giles. „Okay. Wir sehen uns morgen.“ Sie verabschiedete sich und ging nach Hause.

Sarah blieb stehen und schwieg einen Moment. „Wolltest du nicht deine Route abgehen?“ sprach Giles. Sarah nickte. Sie sah ihrem Wächter in die Augen. „Giles, ich ... es gibt da noch etwas worüber ich mit Ihnen sprechen will.“ „Und was?“ erkundigte sich Giles. „Es geht um ... Kendra. Ich hatte bis jetzt keine Zeit darüber nachzudenken. Aber jetzt ... Ist Kendra hier in Sunnydale begraben?“ Giles seufzte. Er musterte seinen Schützling. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen bis Sarah Fragen über Kendra stellte. Und jetzt war es soweit.

„Tut mir leid, Sarah. Kendras Leichnam wurde in ihre Heimat überstellt. Man hat sie dort begraben wo sie gelebt hat.“ Sarah nickte langsam. Das war ja irgendwie selbstverständlich gewesen. „Verstehe. Giles, gibt es nicht einmal eine Möglichkeit mich von ihr zu verabschieden. Bei Angel habe ich es getan.“ „Bei Angel?“ fragte Giles verwirrt. Er blickte Sarah fragend an. Sie hob nur schwach die Schultern. „Wie ... soll ich das verstehen?“ „Ich ... war vor gut zwei Wochen in der Hauptmann Gruft. Ich hab mich von Angel verabschiedet und den Ring, den er mir geschenkt hat, an den Platz abgelegt wo ich Angel verloren habe.“ „Sagst du mir warum du das getan hast?“ Sarah lächelte traurig und sah ihren Wächter an.

„Ich ... Wissen Sie, es hat keinen Sinn  wenn ich mich ewig an der Vergangenheit festhalte. Ich muß Angel ... endlich loslassen. Ich muß ihn gehen lassen. Angel ist fort und er wird nie mehr zurück kommen. Ich muß einfach lernen loszulassen. Deshalb habe ich mich von ihm verabschiedet. Mein Leben muß ohne ihn weitergehen. Vielleicht fällt es mir so leichter das einzusehen und ohne ihn zu leben.“ Giles nickte nur. Er verstand worauf sie hinaus wollte. Ihr Entschluß, sich von Angel zu verabschieden, war ihr sehr schwer gefallen und sie hatte sicher viel Mut dafür aufbringen müssen. Doch sie hatte es getan. Und Giles bewunderte das.

„Kennen Sie Kendras Heimatstadt?“ fragte Sarah um von dem Thema Angel abzulenken. „Sicher.“ „Glauben Sie, es würde ... ihrer Familie helfen wenn ich ein Beileidsschreiben schicke?“ „Ich denke schon. Wenn du willst kann ich auch veranlassen das auf Kendras Grab ein Blumenstrauß von dir nieder gelegt wird.“ „Das wäre schön. Ich will, daß Kendra weiß das ich auch um sie getrauert habe. Ich würde mich gern selbst von ihr verabschieden, aber ... ich krieg mein Leben erst in den Griff und ich muß hierbleiben. Hier werde ich gebraucht. Ich kann nicht weg - nicht jetzt.“ „Ich verstehe. Ich werde alles veranlassen“, versprach Giles seiner Jägerin. „Danke, Giles. Ich geh jetzt meine Route ab. Passen Sie auf sich auf“, sprach Sarah und sie ging. Giles sah ihr nach und hielt Wache bei Oz.

Die Nacht war ruhig geblieben. Keine Leichen, keine Blutspuren. Das erleichterte Sarah und auch ihre Clique ein wenig. Die ganze Nacht hatte Willow vor ihrem Computer verbracht um Oz’ Unschuld zu beweisen. Doch die Spuren waren nicht sehr eindeutig. Man konnte nicht mit Sicherheit sagen ob Oz für den Tod des Jungen verantwortlich war oder nicht. Und das bedrückte den Musiker.

Mittagspause an der Sunnydale University - Sarah und Willow wollten sich am Brunnen treffen, der am Gelände stand. Sie ging mit schnellen Schritten über den Korridor weil sie Willow nicht warten lassen wollte. Aus dem Büro von Mr. Platt kam gerade ein Mädchen mit hellbraunen Haar. „Hallo Debbie“, grüßte Sarah. Sie kannte das Mädchen flüchtig. Debbie Foley besuchte mit Willow und Sarah ein paar Kurse. „Hi Sarah“, grüßte sie kurz angebunden und ging hastig davon.

Nachdenklich blickte Sarah ihr nach. Irgend etwas schien das Mädchen zu bedrücken. Aber solange es nichts übernatürliches war ging es sie nichts an. „Sarah“, sprach in diesem Moment eine Stimme neben ihr. Sarah drehte sich um. Da stand Mr. Platt. „Nun, bist du schon bereit zu reden?“ Sarah verzog die Lippen zu einen schiefen Grinsen. „Nein. Ich hab Ihnen nichts zu sagen“, betonte Sarah noch einmal. „Sicher. Du weißt, ich warte noch.“ Dann schloß Mr. Platt die Tür hinter sich. Sarah starrte auf die verschlossene Tür. Sie schüttelte den Kopf, seufzte und setzte ihren Weg fort.

Wenig später saßen die beiden Mädchen nebeneinander am Brunnen. Sarah hatte Willow erzählt das sie von Angel Abschied genommen hatte. „War es hart?“ fragte Willow zögernd. Sarah nickte langsam. „Ja. Ich weiß, egal was auch geschehen mag, Angel ist immer bei mir. In meinen Gedanken, meinen Herzen und meinen Erinnerungen. Aber ich muß lernen ohne ihn zu leben. Das Leben geht weiter. Auch ohne Angel. Das muß ich endlich akzeptieren. Ich weiß, daß Angel das gewollt hätte.“ Kurzes Schweigen entstand.

„Angel wird für mich immer da sein; er wird immer allgegenwärtig sein. Er ist da; egal wo ich bin. Aber weißt du, mein Leben ... es muß ohne ihn weitergehen. Und irgendwann müssen die Tränen aufhören; irgendwann muß ich meinen Weg aus der Trauer gehen. Es wird Zeit. Mein Leben geht weiter. Auch wenn Angel nicht mehr da ist.“ „Angel wird immer ein Teil deines Lebens sein“, sprach Willow tröstend und sie lächelte ihre beste Freundin aufmunternd an.

„Ich weiß“, seufzte Sarah. „Aber es ist nun einmal so ... das er nicht mehr da ist. Und es wird immer so sein, daß mir im Leben etwas fehlen wird. Weißt du, Willow, damals ... als ich ihn töten mußte ... verlor alles seine Bedeutung. Ich verlor mein Leben; meinen Willen weiter zu machen. Alles, woran ich einmal geglaubt habe, verlor seinen Bedeutung. Nichts hatte mehr einen Sinn. Ich wollte nur noch eines; sehnte mich so sehr danach.“ „Und was?“ Sarah blickte ihre Freundin ernst an.

„Ich wollte sterben“, gestand sie. „Ich wollte zu Angel. Ich wollte sterben; hatte diesen Drang mit allem endgültig Schluß zu machen. Ich verspürte eine Todessehnsucht wie noch nie zuvor. Und diese Sehnsucht ließ mich nicht los. Doch irgendwann ... wurde es ein bißchen bessern. Langsam habe ich realisiert was passiert ist. Und langsam konnte ich es akzeptieren. Du kannst dir nicht vorstellen wie schwer mir das gefallen ist.“ Willow griff nach Sarahs Hand und drückte diese fest. Und so saßen die beiden Mädchen da und sprachen kein Wort.

Nach der Mittagspause saßen Sarah und Willow im Kurs für Psychologie. Die  Lehrerin, Mrs. Noel, war aufgeschlossen und freundlich. Sie nahm sich viel Zeit für ihre Schüler. Die Probleme von Sarah Summers waren ihr bekannt. Es war bekannt, daß das Mädchen erst vor kurzem zurück gekommen war weil sie weg gelaufen war. Deshalb machte die Lehrerin Sarah keine Vorwürfe so wie einige ihrer Kollegen.

Auch wegen der Vergangenheit des Mädchens verurteilte Mrs. Noel sie nicht. Es war bekannt, daß Sarah die Turnhalle ihrer alten Schule abgefackelt hatte. Das war auch der Grund gewesen warum sie von der Schule geflogen war. Danach war sie mit ihrer Mutter nach Sunnydale gezogen. An der Sunnydale High hatte es auch einige Probleme gegeben, aber Mrs. Noel hörte auf dieses Gequatsche nicht - egal ob es nur Gerüchte waren oder ob es der Wahrheit entsprach.

Natürlich wußte niemand von den Lehrern das die Turnhalle voller Vampire gewesen war. Deshalb hatte Sarah die Turnhalle ja erst angezündet. Aber das war eine alte Geschichte über die schon lange nicht mehr gesprochen wurde; worüber sie auch froh war. Denn, wenn sie über die Geschichte in der Turnhalle sprechen mußte, kamen die Erinnerungen an ihren ersten Wächter wieder hoch. Merrik - der damals im Kampf getötet worden war. Auch das war vergangen.

Konzentriert lauschte Sarah dem Unterricht von Mrs. Noel. Sie mochte diesen Kurs. Neben ihr saß Willow. Sie blickte etwas besorgt drein. Aber Sarah wußte, woran das lag. Es lag an dieser Ungewißheit. Nicht zu wissen ob Oz für den toten Jungen verantwortlich war ... das machte Willow Sorgen. Sarah schenkte ihrer Freundin ein aufmunterndes Lächeln. Was sie ihr damit signalisieren wollte verstand Willow nur zu gut. Doch dann überkam auf einmal eine Vision die Jägerin, die sie zutiefst erschreckte.

... Sarah saß im Hörsaal. Mit langsamen Schritten kam Angel herein. Er blieb am Pult der Lehrerin stehen und sah sie unverwandt an. „Was ist los, Angel?“ sprach Sarah und sie stand auf. Sie ging zu ihm; wollte ihn an der Wange berühren ... doch Angel drehte sein Gesicht zur Seite. „Angel?“ Sarahs Stimme zitterte.

Als Angel ihr in die Augen blickte las sie bittere Enttäuschung darin. „Was ist los?“ „Weißt du das nicht? Weißt du nicht was du getan hast?“ „Angel ...“ „Es geht nicht um deine Tat. Sondern um das was du danach getan hast.“ „Ich verstehe nicht“, sprach Sarah verwirrt. Angel streckte die Hand aus und strich hauchzart über Sarahs Wange. Die Berührung geschah so schnell das sich Sarah fragen mußte, ob sie wirklich geschehen war.

„Ich hab dich geliebt“, sprach er traurig. „Ich tue es noch immer.“ „Ich liebe dich auch“, flüsterte Sarah. „Wirklich? Warum hast du das dann getan?“ „Wovon sprichst du, Angel?“ Angel nahm Sarahs Gesicht in seine Hände und küßte sie zärtlich auf die Lippen. Tränen rannen über Sarahs Wangen. Angel küßte die bittersüßen Tränen weg.

„Du weißt, ich würde dich finden. Egal wo du bist ... ich finde dich überall. Das weißt du doch, oder?“ Sarah nickte. „Aber was ... warum ...“ Angel schüttelte enttäuscht den Kopf. „Du hast mich einfach vergessen; hast mich einfach aus deinem Leben ausgeschlossen.“ „Das stimmt nicht“, wisperte Sarah. Sie zitterte heftig.

„Doch. Du hast dich von mir verabschiedet. Warum hast du das getan? Warum hast du unsere Liebe verraten, Sarah?“ „Das habe ich nicht getan“, widersprach sie leise. Wieder rieselten Tränen über ihre Wangen. Angel beugte sich vor und berührte ihre Wangen zart mit seinen Lippen. Er fing die Tränen auf. Angels Augen begegneten denen der Jägerin.

Sarah schüttelte den Kopf. Sie wollte nicht das er das sagte; das er das glaubte. „Warum, Sarah? Warum hast du das getan? Sag mir warum! Warum hast du dich nur von mir verabschiedet?“ Angel beugte sich über Sarah. Sie schloß die Augen. Hauchzart berührten seine Lippen ihre. Sarah spürte, wie er sie losließ und sich umdrehte. Sie hörte seine Schritte. Und als Sarah die Augen öffnete war er nicht mehr da. Er war gegangen ...

„Nein!“ Mrs. Noel unterbrach ihren Vortrag. Die ganze Klasse drehte sich zu Sarah um. Willow beugte sich zu ihrer Freundin. „Ist alles okay?“ fragte sie besorgt. Sarah sah auf. Alle starrten sie unverständlich an. Sie schüttelte den Kopf. „Sarah, stimmt etwas nicht?“ fragte Mrs. Noel und sie kam zu den Sitzplätzen der Schüler. Sarah fing zu zittern an und ihre Atmung ging schneller. Sie glaubte, keine Luft mehr zu kriegen.

„Sarah, ist alles in Ordnung?“ fragte Mrs. Noel und griff nach der Schulter der Schülerin. Sarah blickte in die Augen der Lehrerin. Sie blinzelte. „Ich ... ich ... kann nicht“, stammelte die Jägerin verwirrt. Sie packte ihre Sachen zusammen, stand auf und verließ mit hastigen Schritten den Hörsaal. Ihre Mitschüler sahen ihr nach - genauso wie ihre Lehrerin. Willow blickte Sarah besorgt nach. Etwas mußte geschehen sein. Eine Vision vielleicht, überlegte Willow. Auf jeden Fall beunruhigte es Sarah total.

~ 9. ~

Giles öffnete die Tür. Vor ihm stand sein Schützling. Und Sarah war total durch den Wind, daß sah er ihr an. Sarah betrat das Wohnzimmer und lief unruhig auf und ab. „Sarah, müßtest du nicht im Unterricht sein?“ fragte Giles verwundert. „Ich ... ja, eigentlich schon“, stammelte Sarah leise. „Und warum bist du nicht dort?“ Ihr nervöses hin- und herlaufen machte Giles ganz kribbelig. Giles umfaßte Sarah an der Schulter.

„Komm, setz dich“, sprach er und deutete auf das Sofa. Sarah nickte. Schwach ließ sie sich auf dem Sofa fallen und schloß die Augen. „Ich schätze, irgend etwas ist passiert“, sprach Giles als er neben ihr Platz nahm. In den Jahren ihrer gemeinsamen Jagd hatte er seine Jägerin immer besser kennen gelernt und konnte aufgrund ihres Verhalten sagen, ob etwas los war oder nicht. Sarah nickte. „Erzähl mir was passiert ist.“ „Ich hab mitten im Unterricht eine Vision bekommen.“ „Eine Vision?“ fragte Giles. „Ja, eine Vision. Es war kein Tagtraum. Ich hab nicht geschlafen. Die Bilder sind plötzlich vor mir aufgetaucht.“ „Und was hast du gesehen?“ Sarah blickte ihren Wächter lange an.

Dann gestand sie: „Angel.“ „Angel?“ fragte Giles verblüfft. Sarah nickte bejahend. „Und was hat er getan? Er muß irgend etwas getan haben. Ansonsten wärst du nicht so durcheinander.“ „Er hat mich nach dem Warum gefragt. Er hat mich gefragt warum ich unser Liebe verraten habe und ...“ „Und was?“ hakte Giles nach. „Angel fragte mich warum ich mich von ihm verabschiedet habe.“ Giles schwieg. Er verstand die Bedeutung von Sarahs Worten.

„Giles, diese Vision ... sie war so echt; so nah an der Wahrheit dran. Ich meine, Angel konnte doch nicht wissen was passiert ist. Er konnte doch unmöglich wissen das ich in der Gruft war um mich von ihm zu verabschieden.“ „Vielleicht entstand die Vision aus deiner Schuld“, meinte Giles. Sarah verneinte kopfschüttelnd. „Ich hatte dieses Gefühl das er da war, verstehen Sie? Ich hab mich sicher und geborgen gefühlt. Es war fast wie früher. Früher, als er immer in meiner Nähe gewesen war. Ich hab seine Anwesenheit gespürt.“ Sarah blickte ihren Wächter an.

Über ihre Worte dachte Giles nach. Er hatte noch nie davon gehört. Es gab keinen einzigen bestätigten Fall. Bevor er etwas sagen konnte, fuhr Sarah jedoch fort: „Giles, ist es möglich ... das Angel mir diese Vision geschickt hat? Das es ihm gelungen ist - egal wie - mit mir Kontakt aufzunehmen?“ Giles rieb sich nachdenklich über das Kinn. Er fragte sich ob er Sarah wirklich davon erzählen sollte. Immerhin bestand die Gefahr das sie sich unnötig Hoffnungen machte.

Giles blickte Sarah an. Es wäre leichter für sie wenn sie von dieser Theorie unter den Dämonen nie etwas erfuhr. Aber ... er konnte sie nicht im Unklaren lassen. Wenn er sie belog ... ihre Reaktion konnte er sich denken. Und Giles wollte sie nicht belügen. Sie war seine Jägerin und sie vertraute ihm. Giles schätzte dieses Vertrauen. Vertrauen war die Basis zwischen Jägerin und Wächter. Das wußte er. Also beschloß er sie aufzuklären.

„Es gibt da eine Theorie“, begann er zögernd. „Und die wäre?“ „Ich habe zwar noch nie davon gehört das es wirklich einmal vorgekommen ist, aber ...“ „Giles“, unterbrach Sarah ihren Wächter ungeduldig, bevor dieser in seinen Erklärungen so weit ausschweifte das sie ihm nicht mehr folgen konnte. Giles zuckte zusammen und begegnete den wissenden Blick seiner Jägerin.

„Oh ja ... natürlich. Entschuldige, Sarah“, sprach Giles. Er nahm seine Brille ab und putzte diese nachdenklich. Ein deutliches Zeichen, daß seine Erklärungen sehr wichtig waren. Sarah hatte diese Zeichen schon vor langer Zeit erkannt und richtig gedeutet. „Weißt du, es bestehen auch keine brauchbaren Aufzeichnungen über dieses Thema. Deshalb ist es auch nur Theorie.“ „Giles, Sie kennen mich. Sie wissen, ich habe nicht viel Geduld. Sagen Sie mir, kann es sein das Angel zu mir Kontakt aufgenommen hat?“ unterbrach Sarah ihren Wächter.

„Es gibt da eine Legende“, sprach Giles. „Welche Legende?“ „Es heißt, wenn die Liebe eines Dämons stark und tief genug ist, daß es ihm gelingt Kontakt mit seiner Liebsten aufzunehmen - vorausgesetzt der Dämon befindet sich in der Hölle.“ „Also der Dämonendimension“, stellte Sarah fest. Giles nickte. Giles beobachtete die Reaktion von Sarah. Sie wußte nicht so recht was sie glauben sollte.

„Es ist nur eine Legende, Sarah“, sprach Giles eindringlich auf sie ein. „Es ist eine Theorie, die noch nie bewiesen worden ist. Ich bitte dich, verlauf dich da nicht in eine fixe Idee. Du hast gerade angefangen dein Leben zu ordnen. Ich weiß, daß du noch immer an Angel hängst, aber ...“ „Ich weiß“, sprach Sarah. „Wahrscheinlich ist es nur Wunschdenken.“ Sie lächelte. Doch so gefaßt wirkte sie nicht wie sie sich gab. Giles kannte sie besser.

Tief in sich wünschte sie das es wahr wäre. Giles sah es ihr an. Er schüttelte langsam den Kopf. „Sarah, es ist nur eine Theorie. Es ist zwecklos sich zu wünschen diese Legende existiert wirklich. Du weißt doch wie das mit Theorien so ist - vor allem in unserer Welt. Du weißt, wir leben in einer Welt, in der alles möglich ist. Und wenn es um die Mächte der Finsternis geht, dann ... stellt sich vieles als anders heraus als wir es kennen.“ Giles setzte seine Brille wieder auf und schob sie sich auf die Nase zurück.

„Es gibt nun einmal Dinge, die einfach nicht sein können, verstehst du? Ich glaube, daß dieser gedankliche Kontakt eine Theorie ist und es auch bleibt. Es ist nur eine Legende; eine Theorie ... mehr nicht.“ Sarah nickte. „Ich verstehe Sie ja, aber ... Ich hab ihn meinen Namen rufen hören“, sprach sie plötzlich. Giles’ Kopf schoß hoch und er blickte seine Jägerin an. „Wann?“ fragte er verwundert.

„Im Traum“, sprach Sarah. „Angel hat meinen Namen geschrien.“ „Was hat er getan?“ Sarah schluckte schwer. Sie strich sich ihr Haar zurück und stand auf. Unruhig wanderte Sarah vor dem Sofa hin und her. Dieser Traum machte ihr wirklich zu schaffen. Sie hatte gesehen wie Angel gefoltert worden war; was man ihm angetan hatte. Und es hatte ihr furchtbar weh getan.

Abrupt blieb Sarah stehen und drehte sich zu ihrem Wächter um. „Angel wurde gefoltert“, sprach Sarah leise. Der Schock stand ihr wieder im Gesicht. Sie war ganz blaß. „Er wurde gefoltert?“ wiederholte Giles leise. Ein eiskalter Schauer lief ihn über den Rücken. Sofort erinnerte er sich daran wie Angel ihn gefoltert hatte. War es bei Angel genauso schlimm? Giles verwarf diese Gedanken sofort wieder. Sie waren Sarah gegenüber nicht fair.

„Angel hatte grausame Schmerzen. Und er rief meinen Namen. So, als wäre es das Einzige was er noch besaß; als wäre mein Name das Einzige, woran er sich noch klammern konnte um nicht zu vergessen - um nicht aufzugeben. Es war schrecklich. Ich hab seine Schmerzen gespürt. Dieser Traum ... war so grausam. Ich spürte Angels Verzweiflung, verstehen Sie?“ Giles nickte benommen.

„Wann ... wann hattest du diesen Traum?“ fragte der Wächter stammelnd. Sarah zuckte hilflos mit den Schultern. „Es war an dem Tag gewesen als ich ihnen die Wahrheit über meinen Kampf gegen Angel erzählt habe. Jener Morgen, erinnern Sie sich?“ Giles nickte. „In dieser Nacht hatte ich diesen Traum. Und dann habe ich beschlossen Ihnen die Wahrheit zu sagen“, erzählte Sarah offen.

„Dieser Traum ... er war so real gewesen. Ich hab Angels Gefühle verspürt.“ „Dieser Traum entstand sicher aus deiner Schuld. Aus deinen Schuldgefühlen haben sich viele Träume entwickelt.“ „Aber dieser eine Traum war anders“, widersprach Sarah und setzte sich in einen Polstersessel. „Sarah, es ist nur eine leere Theorie. Es ist eine Legende, nicht mehr. Es kann einfach nicht sein. Aus der Schuld sind schon die wildesten Träume und auch Visionen entstanden“, meinte Giles.

Er mußte seine Jägerin von dieser Idee abbringen. Diese Theorie würde ihr nur das Leben schwer machen. „Sarah“, begann er energisch. „Versprichst du mir, daß du dich da nicht in eine fixe Idee verläufst?“ Sarah nickte und lächelte. „Ja, ich verspreche es. Ich weiß selbst das es keinen Sinn hat.“ Sarah stand auf, griff nach ihrer Tasche und meinte: „Danke, Giles. Danke, daß Sie mir zugehört haben.“ „Ich bin dein Wächter. Dafür bin ich da“, sprach Giles mit einen kurzen Lächeln auf den Lippen.

Sarah ging zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal zu ihrem Wächter um. „Giles, ich bin sehr froh das Sie mein Wächter sind, wissen Sie das? Sie sind nicht nur mein Wächter. Sondern auch mein Freund und ein Vaterersatz. Ich danke Ihnen für alles was Sie für mich getan haben. Ich will, daß Sie wissen ... Sie sind nicht selbstverständlich für mich. Ihre Dienste als Wächter sind nicht selbstverständlich für mich. Ich weiß das, was Sie für mich tun, wirklich zu schätzen“, sprach Sarah offen.

„Ohne Sie hätte ich all das niemals geschafft. Alleine hätte ich den ewigen Kampf gegen das Böse nicht gepackt. Ich danke Ihnen, Giles - für alles. Ich bin sehr dankbar das Sie mein Wächter sind.“ Sarah lächelte noch einmal und ging. Giles sah ihr verwundert nach. Selten sprach sie so sensibel über ihr Verhältnis. Es machte ihn irgendwie stolz das er wie ein Vater für sie war. Denn Sarah war schon lange wie eine Tochter für ihn.

Sarah griff gerade nach einen spitzen Holzpflock als es an der Tür klopfte. „Ja?“ Die Tür wurde aufgestoßen und Willow kam herein. „Deine Mom hat mich rein gelassen“, sprach sie. „Sarah, was war heute den los?“ Sarah richtete sich auf und blickte ihre Freundin lächelnd an. „Ich hatte einen Tagtraum, kann man sagen.“ „Von Angel?“ Sarah nickte und schulterte ihren Jagdbeutel.

„Und?“ „Es ist alles wieder okay. Es geht mir gut. Ich hab mit Giles gesprochen. Er war in diesem Moment der Einzige, der mir hatte helfen können. Und das hat er getan. Es ist alles in Ordnung“, sprach Sarah. Willow seufzte erleichtert. „Wirklich?“ „Ja.“ Sarah nickte dazu noch bestätigend. „Dann ist es ja gut. Ich hab mir nämlich Sorgen gemacht.“ „Lieb von dir. Aber das ist wirklich nicht nötig. Willow, ich muß jetzt los“, sprach Sarah.

„Ich verstehe. Du mußt auf Patrouille. Denkst du, du findest das Wesen, daß diesen Jungen ermordet hat?“ „Sicher“, sprach Sarah als sie sich ihre Kette mit dem silbernen Kreuz um den Hals hängte. „Es war nicht Oz. Ich weiß es. Und wir kriegen das raus, versprochen.“ Sarah wandte sich ihrer besten Freundin zu und legte ihr beruhigend einen Arm auf die Schulter. „Hoffentlich“, murmelte Willow. „Hey, positiv denken, okay?“ Willow blickte ihrer besten Freundin in die Augen und nickte. „Ja, du hast recht. Oz war es nicht. Er darf es nicht gewesen sein.“ Sarah schaltete das Licht in ihrem Zimmer ab und ging mit Willow die Treppen hinunter.

An der Garderobe griff sie nach ihrer Jacke und zog sie an. Willow wartete bis Sarah ihre Stiefel angezogen hatte. „Mom, ich geh jetzt“, rief Sarah. Joyce kam aus der Küche. „Okay. Sei vorsichtig, Schatz.“ „Bin ich doch immer. Warte nicht auf mich. Es kann spät werden“, sprach Sarah und öffnete die Tür. Sunnydale war schon von der Dunkelheit übernommen worden. Für die Dämonen war es Zeit aus ihren Verstecken zu kriechen.

Sarah machte einen Umweg und begleitete Willow nach Hause. Nachdem sie ihre Freundin sicher zu Hause abgeliefert hatte, konnte sie sich auf ihre Patrouille konzentrieren. Sarah wollte dieses Wesen, daß Menschen zerfleischte, unbedingt in die Finger bekommen. Sie konnte diese Kreatur nicht mordend durch Sunnydale laufen lassen. Die Kreatur mußte gefunden werden. Und zwar schnell, bevor noch mehr Morde geschahen.

Die Jägerin betrat den Park, wo das Verbrechen statt gefunden hatte. In diesem Park hatte man die Leiche von Jeff gefunden. Und es war sehr wahrscheinlich das die Kreatur zum Tatort zurückkehren würde. Sarah ahnte, daß diese Kreatur den Park als sein Revier ansah; sein Jagdrevier wohlgemerkt. Und Wild fand es hier genug. Jugendliche suchten nachts diesen Park gerne an. Hier waren die Liebespärchen ungestört.

Dieser Park war wesentlich ruhiger als der Hammersmith Park. Es trieben sich hier nicht so viele Dämonen herum. Es war ruhig. Außer den üblichen Geräuschen der Natur war - meistens, jedenfalls - nichts zu hören. Es waren nur die Geräusche des Waldes, die durch den Park zogen. Der Wind, der durch die Bäume und das Gebüsch wehte. Die Vögel, die leise vor sich hin zwitscherten und die Eulen, die ihren Ruf ausstießen.

Sarah ließ ihre Augen über die Gegend schweifen. Aufmerksam setzte sie einen Schritt vor den anderen. Ihr Körper war angespannt; bereit sofort zu kämpfen wenn sie angegriffen wurde. Ihre ganze Konzentration war auf ihr Ziel gerichtet. Auf die Kreatur, die hier unterwegs war. Bis jetzt hatte sie dieses Wesen zwar noch nicht gefunden, aber sie würde der Kreatur den Hintern versohlen wenn diese ihr begegnete.

Sarah achtete auf jedes Geräusch um sich herum. Doch nichts ungewöhnliches tat sich. Es waren nur die normalen Geräusche des Parks und diese lenkten sie nicht ab. Sie war hoch konzentriert. Hinter sich vernahm Sarah leise Schritte. Sie blieb stehen und horchte angestrengt. In der selben Sekunde stellten sich ihre Nackenhaare auf und ihre Instinkte signalisierten ihr ein übernatürliches Wesen. Hinter ihr raschelte das Gebüsch. Dann war alles still; zu still für Sarahs Geschmack.

Über den Park schlich eine Totenstille und Sarah war klar, da stimmte etwas ganz und gar nicht. So eine Stille entstand nur wenn Gefahr drohte. Dann zogen sich die Tiere zurück weil sie das seltsame Geschöpf in ihrem Wald fürchteten. Sarah blieb stehen; rührte sich keinen Millimeter. Sie wartete. Das Wesen setzte sich in Bewegung und huschte hinter den Gebüschen vorbei. Sarah verfiel in den Laufschritt und nahm die Verfolgung auf.

Der Wald flog an Sarah nur so vorbei. Ungefähr drei Meter vor ihr entfernt sah sie das Wesen. Bäume und Gebüschen wurden nicht mehr wahr genommen. Sarah nahm nichts mehr um sich herum wahr. Ihre Augen fixierten das Geschöpf vor sich. In der Dunkelheit konnte sie das Wesen nicht genau identifizieren. Die schlechten Lichtverhältnisse ließen das einfach nicht zu. Aber ihre Instinkte und Fähigkeiten als Jägerin hatte sie nicht umsonst. Sarah spürte, sie hatte es mit einem Vampir zu tun.

Sarah brach durch das Gebüsch und fand sich auf einer kleinen Lichtung wider. Abrupt wurde ihr Schwung abgebremst und Sarah landete auf dem Boden. Sie schluckte ihren Schrei hinunter und griff am Boden in ihren Beutel. Sie umfaßte ihren Holzpflock und zog ihn heraus. Im nächsten Moment war ihr Angreifer schon bei ihr. Er packte sie und schleuderte sie durch die Luft. Sarah prallte gegen einen Baumstamm und rutschte zu Boden.

Sie konnte den Vampir nicht erkennen, da er mit seinen Gesicht im Schatten stand, aber ... Er gehörte eindeutig zu den grausamsten Vertretern seiner Art. Sarah rappelte sich hoch und wurde erneut zu Boden gerissen. Sarah konnte sich kaum wehren. Der Vampir stürzte sich wie ein wildes Tier auf sie. Sie hatte wirklich Mühe ihn in Schach zu halten und abzuwehren. Der Vampir riß an ihrer Jacke und drückte sie zu Boden. Dabei schleuderte er sie hin und her.

Endlich schaffte es Sarah ein wenig Distanz zwischen der Kreatur und sich zu bringen. Sie stemmte ihren Fuß gegen seine Brust und setzte ihre ganze Kraft ein. Sie stieß den Vampir von sich. Er wurde zurück geschleudert und landete im Gras. Sarah stand auf. In diesem Moment stürzte sich der Vampir wieder auf sie, packte die Jägerin brutal an den Haaren und warf sie über seine Schulter. Schmerzhaft prallte Sarah am harten Boden auf und konnte sich nur mit Müh und Not einen lauten Schrei verkneifen.

Sie war die Jägerin, ja. Aber sie empfand Schmerzen wie jeder andere - so auch jetzt. Ein leichter Stich durchfuhr ihren Rücken. Doch sie zwang sich selbst diesen Schmerz zu ignorieren. Verzweifelt robbte sich Sarah zu ihrer Tasche, die sie während ihrem Kampf verloren hatte. Der Vampir ließ einfach nicht von ihr ab und bohrte seine Finger so brutal in ihre Haut, daß sie den Holzpflock fallen ließ.

Langsam schaffte sie es zu ihrer Tasche zu robben. Sie schaffte es nach der Tasche zu greifen und zog sie zu sich. Sarah wühlte darin herum und tastete nach dem Holzkreuz, daß sie mitgenommen hatte. Der Vampir riß sie brutal herum und zerriß ihre Jacke. Auf ihrer rechten Schulter leuchtete ein langer, blutender Kratzer auf. Sarah holte ihr Kreuz aus der Tasche und drückte es dem Vampir ins Gesicht. Er knurrte zornig und wich zurück.

Sarah bekam ein paar Sekunden um Luft zu holen. Sie rollte sich herum und blickte auf. Der Vampir stand ungefähr einen halben Meter von ihr entfernt. Licht wanderte über den Kampfplatz und schwebte für einen Moment darüber als wollte es nicht mehr verschwinden. Der Vampir drehte Sarah das Gesicht zu und blickte ihr direkt in die Augen. Sarah riß die Augen auf und wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Sie war geschockt und für einen langen Augenblick wie erstarrt; konnte nicht fassen wen sie da vor sich hatte. Doch er war Realität. Er war offensichtlich zurück. Es war Angel.

~ 10. ~

Sarah atmete heftig. Sie starrte Angel an. Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf als sie langsam aufstand. Sarah war fassungslos. Wieso ... Warum war Angel hier? Das konnte doch nicht sein. Er konnte nicht zurück gekommen sein. Doch er stand da und knurrte wütend. Wie war das möglich? Wie hatte Angel zurückkehren können?

Und sie bemerkte das er nicht mehr Derselbe war. Er hatte sich verändert. Er war ... wie ein wildes Tier, dachte Sarah. Angel stürzte sich auf sie. Sie packte ihn an der Schulter und warf ihn zu Boden. Niemals würde sie ihn noch einmal töten. Aber sie mußte sich wehren. Angel schien sie nicht zu erkennen. Wenn ich mich nicht wehre tötet er mich, dachte Sarah. Und dieser Gedanke erschreckte sie zutiefst.

Ihr Blick glitt zu Angels Rücken. Sie blickte auf den Vampir herab und erstarrte förmlich. Auf seinen Rücken sah man noch schwache Spuren - Spuren einer Folter. Sarah schluckte schwer. Er mußte schreckliches durchgemacht haben. Sie wußte, daß es in der Dämonendimension brutal zuging, aber richtig vorstellen hatte sie sich das nicht können. Und jetzt sah sie die Spuren auf Angels Rücken. Man hatte ihn grausam gefoltert.

Angel rappelte sich hoch und griff Sarah erneut an. Sie wich aus und verpaßte Angel einen harten Faustschlag ins Gesicht. Bewußtlos glitt der Vampir zu Boden. Sarah starrte auf ihn; konnte nicht glauben das er wirklich vor ihr lag. Sie bückte sich und berührte ihn zart an der Schulter. Es war, als wollte sie sich vergewissern das er Realität war und nicht ihrer Phantasie entsprang. Er war es. Daran bestand kein Zweifel. Angel war zurück. Er hatte den Weg zu ihr zurück gefunden. Doch er kannte Sarah nicht mehr.

Sarah war klar, daß sie Angel irgendwo unterbringen mußte. Sie mußte ihn an einen Ort bringen, wo er sicher war und wo keine Menschen herumliefen. Deshalb brachte sie Angel in die Hauptmann Gruft. Sie riß eine alte Kiste auf und suchte nach Ketten. Sie entnahm der Kiste die Ketten und sah sich in der Gruft um. An der Mauer - etwas höher gelegen - war ein stabiler Kerzenständer angebracht. Sarah warf die Ketten darüber und legte die Enden der Ketten um Angels Handgelenke.

Sarah starrte ihn an; konnte einfach nicht glauben, daß er wieder da war. Er war nach Sunnydale zurück gekommen. Sarah strich sich ihr Haar zur Seite und wanderte unruhig auf und ab. Sie konnte es nicht fassen. Sie hatte in dieser Nacht mit allem gerechnet ... nur nicht mit ihm. Er war fort gewesen. Er war in der Hölle gefangen gewesen. Wie war ihm die Flucht gelungen? Wie war es möglich, daß er zu ihr zurück gefunden hatte? Sarah blieb stehen und ihre Augen blickten auf Angel. Sie war geschockt. Angels Rückkehr, daß war etwas was sie sich immer gewünscht, aber niemals für möglich gehalten hatte.

Angel stöhnte leise. Er wachte auf. Sarah schluckte schwer als er um sich schlug. Trotz Ketten hatte er eine gewisse Bewegungsfreiheit. „Angel?“ flüsterte sie leise seinen Namen. Doch er reagierte nicht. Aus Angels Kehle entrangen sich quälende Laute. „Angel?“ Langsam kam Sarah auf ihn zu. Sie mußte einfach wissen ob er sie noch kannte; ob er wußte wer sie war. Vorsichtig berührte Sarah den Vampir an der Schulter. Angel knurrte wütend und schlug hart nach Sarah.

Sie sprang zur Seite und unterdrückte einen leisen Schrei. Sarah glitt an der gegenüberliegenden Wand zu Boden. Sie konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten. Sarah weinte. Angels Verhalten tat ihr so weh. Ihn so zu sehen versetzte ihr einen Stich im Herzen. „Angel“, sprach sie leise seinen Namen und sie schluchzte auf. Angel war wieder da. Er war zurück. Doch er benahm sich nicht nach ihrem Angel. Er benahm sich wie ein wildes Tier und er kannte sie nicht mehr.

Sarah ließ Angel allein. Sie mußte herausfinden wie seine Rückkehr möglich war. Sie mußte einfach wissen wie er aus der Dämonendimension nach Sunnydale zurückkommen konnte. Vorher würde sie keine Ruhe finden. Das wußte sie. Sie mußte sich schlau machen. Sarah blickte auf ihre Uhr. Es war kurz nach Mitternacht.

Im Hof zu Giles’ Haus sah sie, daß kein Licht bei ihrem Wächter war. Sein Wagen war auch nicht da. Giles war also nicht zu Hause. Das kam Sarah nur recht. Sie kramte in ihrer Tasche nach dem Zweitschlüssel zum Haus. Giles hatte ihr den Schlüssel gegeben. Für Notfälle, hatte er gesagt. „Das ist ein Notfall“, murmelte Sarah und steckte den Schlüssel ins Schloß. Sie öffnete die Tür und trat ein.

„Giles?“ rief sie laut um sich zu vergewissern ob er da war. Es kam keine Antwort. Es war total ruhig. Sarah machte Licht und legte ihre Tasche ab. Sarah blickte auf die Bücherregale, die sich bei Giles sammelten. „Wahrscheinlich arbeitet er zu Hause auch mit Karteikarten“, murmelte Sarah. Und sie sollte recht behalten als sie die Karteikarten fand. Sarah schüttelte den Kopf. „Sie verbringen viel zu viel Zeit mit Ihren Büchern, Giles.“ Dann fiel ihr Blick auf die Zeitung.

Und mit Erschrecken las sie, daß schon wieder eine zerfleischte Leiche gefunden worden war. Diesmal war von dem Jugendlichen noch weniger übrig als vom Letzten. Und ein schrecklicher Verdacht kam Sarah in den Sinn. War Angel diese Bestie? Hatte er das getan? Sarah schüttelte den Kopf. Daran durfte sie nicht glauben. Aber ... es lag im Bereich des Möglichen. Sie wußte nicht wie lange Angel schon in Sunnydale war. Und sie hatte ihn erlebt. Er war wie ein wildes Tier; nicht mehr er selbst. Ich muß es herausfinden, dachte sie entschlossen und ging die Karteikarten durch. Eine lange Nacht lag vor ihr.

Giles rieb sich über die müden Augen als er seine Hausschlüssel hervorholte. Nach der Nachricht, daß es schon wieder eine Leiche gab, hatte er die Gerichtsmedizin aufgesucht. Der Mediziner dort war ein alter Freund von ihm und war froh, daß Giles gekommen war. Giles war die ganze Nacht in der Gerichtsmedizin gewesen und hatte die Leichen untersucht. Sie waren schrecklich zugerichtet worden. Doch man konnte nicht mit absoluter Sicherheit sagen, ob es ein Werwolf war oder nicht. Es war also keine so erfolgreiche Nacht für ihn gewesen.

Das Erste, daß Giles auffiel als er seine Wohnung betrat, war Sarahs Jacke und ihre Tasche. Giles runzelte die Stirn. Sofort wußte er, daß da etwas nicht stimmte. Er hatte Sarah den Schlüssel zu seinen Haus für Notfälle gegeben. Aber ... Sein Gefühl sagte ihm, daß etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Er sah das die Karteikarten auf dem Tisch lagen. Sie hatte die Karten benutzt? Für seine Bücher? Jetzt schrillten die Alarmglocken bei Giles los. Da stimmte überhaupt nichts. Giles kannte seine Jägerin schon lang genug um das zu erkennen.

Giles legte sein Jackett ab. Da entdeckte er Sarah. Sie saß auf den Stufen zu seinen Schlafzimmer. Rund um sie herum lagen Bücher. Giles ging hin und bückte sich. Er hob eines der Bücher auf und las den Titel. Jetzt wurde die ganze Sache noch seltsamer. In diesem Moment rührte sich Sarah. „Hi“, grüßte sie verschlafen. „Guten Morgen, Sarah.“ Schlagartig wurde Sarah klar das Giles nach Hause gekommen war und das er sie erwischt hatte.

Oh nein, dachte sie erschrocken. Jetzt brauchte sie eine wirklich gute Erklärung. Er wird Fragen stellen, schoß es Sarah durch den Kopf. Sie versuchte ruhig zu bleiben. Vielleicht blieb ihr das ja erspart. Giles sah sehr müde aus. Was immer er in dieser Nacht getan hatte ... es war sehr anstrengend gewesen. Sie strich sich ihr zerzaustes Haar zurück und legte das Buch, das aufgeschlagen auf ihrem Schoß lag, zur Seite.

Sarah erhob sich langsam und blickte Giles unsicher an. „Und ich dachte immer, du wüßtest nicht, wozu Karteikarten gut sind“, meinte Giles. „Nun ja ... ich wußte nicht, daß Sie dieses System auch zu Hause haben.“ „Die Bücher sind zuviel. Irgendwie brauche ich eine Ordnung in unseren Werken.“ Sein Blick fiel wieder auf dem Umschlag des Buches, daß er in den Händen hielt. „Die Dämonendimension und Geheimnisse von Acathla“, las er laut vor. „Ja, ist ... ganz interessant ...“, stammelte Sarah halbherzig und eilte die Treppe hinunter. „Sarah!“ Giles’ Ruf hielt sie zurück. Die Jägerin seufzte und setzte sich auf eine Stufe. Giles nahm zwei Stufen unter ihr Platz.

„Ich hab von Angel geträumt“, meinte Sarah. „Nun ... du hast sehr viel von ihm geträumt in den letzten Wochen.“ „Nein, es war anders“, sprach sie und schüttelte den Kopf. „Wie anders?“ „Es war eine ganz andere Art von Traum. Ich hab geträumt ... das Angel wieder da ist“, meinte Sarah. Nur so konnte sie Giles diese Geschichte glaubwürdig verkaufen, daß wußte sie. Vielleicht konnte ihr Wächter ihr weiterhelfen. Sie mußte wissen was mit Angel passiert war; wie er zurückkommen konnte. Doch Giles durfte nicht erfahren das er wirklich wieder da war. Er würde es nicht verstehen. Sarah verstand es ja selbst nicht.

„Das war zu erwarten“, sprach Giles mit ernsten Blick. „Es war nur eine Frage der Zeit bis du von seiner Rückkehr träumen würdest. Weißt du, Sarah, als Jenny starb da träumte ich auch, daß sie noch am  Leben wäre und ... ich sie retten würde.“ Es fiel Giles sehr schwer, daß sah Sarah. Er hatte Jennys Tod noch immer nicht verkraftet. Und es fiel ihm nicht leicht darüber zu sprechen. Doch das er es tat, zeigte Sarah, daß er Vertrauen zu ihr hatte.

„Mein Traum ... war ganz anders, Giles. Er war so real. So, als wäre es wirklich geschehen, verstehen Sie?“ Giles betrachtete seine Jägerin eingehend. Worauf wollte sie hinaus? Sarah schluckte schwer und nahm ihren ganzen Mut zusammen. „Giles, besteht die Möglichkeit ... das Angel jemals zurückkehrt?“ Giles lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und nahm seine Brille ab. Er putzte sie und schob sie dann auf seine Nase zurück. Giles atmete einmal tief durch und sah Sarah an.

„Nun, es gibt keine Aufzeichnungen von jemanden, der es geschafft hat aus der Dämonendimension zu fliehen. Es ist nichts darüber bekannt, daß man der Dämonendimension überhaupt entfliehen kann. Eigentlich ist es ziemlich unwahrscheinlich.“ Ist es nicht, dachte Sarah. „Nehmen wir an ... Angel hat den Weg nach Sunnydale zurück gefunden. Wie wäre er dann?“ Giles erwiderte Sarahs Blick und nickte leicht. Er dachte darüber nach. Sarah sah sogar so etwas wie Ratlosigkeit in seinen Gesicht.

„Diese Frage kann ich dir nicht beantworten“, sprach Giles offen. „Du weißt, daß die Zeit in der Dämonendimension anders verläuft als auf der Erde; als hier bei uns.“ Sarah seufzte schwermütig. „Das bedeutet also, daß Angel dort hunderte von Jahren gefangen gehalten und gefoltert worden wäre.“ Giles nickte. „Das ist anzunehmen. Nur eine Persönlichkeit mit außergewöhnlicher Willens- und Charakterstärke kann diese Qual überstehen und dabei sich selbst treu bleiben. Es ist aber in Angels Fall wohl eher anzunehmen das er wie ein wildes Tier sein würde“, erklärte Giles. Sarah schüttelte fast unmerklich den Kopf.

Das durfte doch alles nicht wahr sein. Aber sie mußte Giles glauben. Er war hier der Experte. In den Büchern über Acathla und der Dämonendimension stand auch nicht viel mehr als das was Giles ihr gerade sagte. Es war wirklich zum Haare ausreißen. Langsam verzweifelte Sarah. Sie wollte - nein, sie mußte - wissen wie Angel zurückkehren konnte. Es ließ ihr einfach keine Ruhe. Wie war Angels Rückkehr nur möglich?

„Meiner Auffassung nach ... gibt es zwei Arten von Monster“, sprach Giles mit ernster Miene. „Und die wären?“ Sarahs Stimme zitterte. Doch Giles schien es nicht bemerkt zu haben. Was auch gut war, ansonsten würde er ihre Anspannung deutlich bemerken. „Die eine Art ist der Typ, den man erlösen kann und der auch erlöst werden will.“ „Und der andere Typ?“ Giles seufzte. „Der Andere ist abgrundtief böse und grausam. Diesen Typ kann man nicht erlösen weil er es nicht will. Er reagiert weder auf Vernunft noch auf Liebe.“ Sarahs Blick war ganz starr. Sie schluckte schwer. Das, was Giles da sagte, ergab einen Sinn und es beunruhigte sich tief in ihrer Seele. Sie mußte unbedingt herausfinden welcher Typ Angel war. Aber ihre Frage, wie Angel zurückkehren konnte, blieb unbeantwortet.

Kurz schaute Sarah zu Hause vorbei, duschte und zog sich frische Klamotten an. Joyce war nicht zu Hause. Sie war schon längst bei der Arbeit. Sarah ging nach ihrer Dusche in die Küche und strich sich ein Butterbrot. Sie mußte etwas essen. Ihr Magen knurrte schon. Während Sarah das Brot aß, bemerkte sie den Zettel am Küchentisch. Sie las sich die paar Zeilen, die ihre Mutter geschrieben hatte, hastig durch.

Guten Morgen, Sarah
Ich hoffe, Du hattest keine anstrengende Nacht und Deine Jagd auf Dämonen verlief erfolgreich.
Ich komme heute etwas später weil wir zuviel Arbeit in der Galerie haben. Wir haben noch eine Schüssel Salat im Kühlschrank wenn du nach dem Unterricht Hunger hast.
Kuss, Deine Mom

Tja, das College muß warten, dachte Sarah und zog ihre Jacke an. Sie hatte jetzt wichtigere Dinge zu erledigen. Sie mußte sich um Angel kümmern. Und sie mußte herausfinden wie er nach Sunnydale zurückkommen konnte. Auf etwas anderes konnte sich Sarah sowieso nicht mehr konzentrieren; jedenfalls nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Sarah verließ das Haus. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloß.

Sie ging auf geraden Weg zur Hauptmann Gruft. Angel kauerte am Boden und schlief unruhig. Sarah legte ihre Tasche ab und beobachtete ihn. Giles hat mit seiner Diagnose recht, dachte sie besorgt. Angel benahm sich wie ein wildes Tier. Ob er seine Wildheit bekämpfen kann? fragte sich Sarah. Sie sah ihn an und sie litt mit ihm. Angel tat ihr so leid. Die Erinnerungen an die Folter schienen einfach zu deutlich zu sein.

Die Erinnerungen hielten Angel gefangen und ließen ihn selbst im Schlaf nicht zur Ruhe kommen. Langsam ging sie auf ihn zu. „Angel?“ Sarahs Stimme zitterte. Sein Anblick ließ ihr Herz bluten. Angel sah so hilflos aus. So, als brauchte er dringend Schutz. Sie fühlte mit ihm. Sein Anblick schmerzte sie. Ob er sich berühren lassen würde? Sarah konnte das nur erfahren, wenn sie es herausfand.

Sarah kniete sich hin und berührte Angel vorsichtig an der Schulter. Der Vampir fuhr aus dem Schlaf hoch. Er knurrte Sarah wütend an und sprang zur Seite. Sarah schluckte schwer und wich ein paar Schritte zurück. Angel konnte Berührungen nicht mehr ertragen. Er konnte es nicht mehr ausstehen. „Oh Angel! Wie ist es möglich das du zurück gekommen bist?“ fragte Sarah traurig und strich sich das Haar zur Seite.

Ihr Blick glitt zu Angel. Zitternd kauerte er in einer Ecke und beobachtete sie mißtrauisch. Doch da war noch etwas anderes in seinen Blick: Angst. Er schien Angst zu haben. Er hatte eindeutig Angst vor ihr. Sarah seufzte schwer. Irgendwie konnte sie es sogar verstehen. Nach seinen Aufenthalt in der Dämonendimension schien er Berührungen nicht mehr ertragen zu können. Seit dem schien er Berührungen mit Schmerzen und Qualen zu verbinden; den so hatte er es erlebt.

Sarah schenkte Angel ein warmes Lächeln, damit er wieder anfing ihr zu vertrauen. Sie wußte, sie brauchte Geduld. Wenn sie Angel dabei helfen wollte, das Tier in sich zu bekämpfen, mußte sie ihn dazu bringen das er ihr wieder sein Vertrauen schenkte. Da entdeckte Sarah die Abzeichnung am Boden. Verwundert stand sie auf und sah sich die Abzeichnung genauer an. Es war die Abzeichnung von Angels Körper. Und es war genau die Stelle, wo sie vor einigen Monaten Angel zur Hölle geschickt hatte.

Hier mußte er am Boden aufgeprallt sein. Aber woher war er gekommen? Sarah blickte an die Decke. Dann glitt ihr Blick wieder zurück zum Boden. Sie kniete sich hin und strich hauchzart über die Abzeichnung. Angel war hart aufgeprallt, daß konnte man erkennen. Wieder blickte Sarah nach oben. Vielleicht ... „Natürlich“, flüsterte sie leise. Ein Tor mußte sich geöffnet haben und es hatte Angel freigegeben. Aber wie war ihm die Flucht gelungen? Wie war es ihm gelungen dieses Tor zu öffnen?

„Der Ring ...“ Sarahs Augen glitten über den Boden. Wo war der Ring? Erst jetzt war ihr aufgefallen das der Ring weg war. Er war verschwunden. Wo war der Ring, den Angel ihr einst geschenkt hatte? Irgendwie paßte das alles nicht zusammen. Die Abzeichnung am Boden, das Verschwinden des Rings und Angels Rückkehr ... Da mußte es doch einen Zusammenhang geben. Aber was verband das alles miteinander? Sarah sah ein, daß es immer mehr Ungereimtheiten gab was Angels Rückkehr betraf.

~ 11. ~

Angel zuckte im Schlaf und gab quälende Laute von sich. Er lag am Boden und wand sich hin und her. Immer wieder zuckte er heftig im Schlaf zusammen und stöhnte dann schmerzvoll auf. Sarah saß am Boden und versuchte sich auf ihre Hausaufgaben zu konzentrieren. In der Hauptmann Gruft stand ein niederer Holztisch, wo sie ihre Bücher ausgebreitet hatte. Aber ihre Konzentration ließ immer wieder nach. Ihre Gedanken und ihr Blick kehrten immer wieder zu dem völlig verstörten Angel zurück.

Sie versuchte, ihren Aufsatz für englische Literatur fertig zu kriegen während sie auf Angel achtgab. Zuerst hatte sie es nicht für möglich gehalten, aber ... englische Literatur machte ihr tatsächlich Spaß. Sarah hatte ihr Leben wieder geordnet und in den Griff bekommen. Sie hatte sogar angefangen das Leben ohne Angel zu genießen. Und jetzt war es wieder völlig durcheinander. Das Chaos in ihrem Leben war mit Angel zurück gekommen.

Während der Nacht - wo Sarah die Gruft kurz verließ und ihre Route abging - wachte Angel auf. Kurz vor Sonnenaufgang packte Sarah ihre Sachen zusammen. Sie bemerkte, daß Angel sehr blaß aussah. „Ich muß heute nach der Schule beim Metzger vorbeischauen“, murmelte Sarah. Sie mußte Blut besorgen um Angels Hunger zu stillen. „Bis später, Angel. Ich bin bald wieder da“, versprach sie ihm und lächelte sanft. Diesmal vermied Sarah es ihn zu berühren. Er mochte es nicht und das würde sie akzeptieren. Sie würde Angel dabei helfen das wilde Tier in sich zu bekämpfen und wieder zu sich selbst zu finden.

„Hast du schon gehört?“ fragte Willow mit einer Sorgenfalte in der Stirn. „Was gehört?“ „Heute wurde schon wieder eine Leiche gefunden. Das ist toll, oder?“ „Was?“ fragte Sarah verwirrt. „Oh ... ich meine, für Oz und für mich. Das bedeutet, das Oz es nicht war. Denn gestern war keine seiner drei kritischen Nächte.“ „Das freut mich für dich“, sprach Sarah aufrichtig. Und es freut mich, dachte Sarah. Irgendwie war sie erleichtert. Das Opfer wurde zu einem Zeitpunkt getötet als sie bei Angel gewesen war. Das bedeutete, er war nicht der Täter.

Innerlich erleichtert weil Angel es nicht gewesen sein konnte, fühlte Sarah doch eine Schuld, die sie nicht abschütteln konnte. Sie war fast die gesamte Nacht bei Angel geblieben und hatte dadurch ihre Pflicht als Jägerin vernachlässigt. Vielleicht hätte sie den Tod dieses Jugendlichen verhindern können wenn sie länger draußen gewesen wäre. Eines stand für Sarah auf jeden Fall fest: Sie mußte dieses grausame Geschöpf finden, das all diese Jugendlichen tötete und ihre Leichen so übel zurichtete.

Und sie mußte sich auch noch um Angel kümmern. Das alles bedeutete, daß die Jägerin wieder einen stressigen Tagesplan hatte. Sarah wünschte sich so sehr, daß er wieder zu sich selbst fand. Und das dies bald geschah. Aber was würde dann passieren? Würde Angel ihr verzeihen können das sie ihn in die Hölle geschickt hatte? Konnte er wirklich verzeihen, daß es ihre Tat gewesen war, die ihn zu vielen hundert Jahren der Folter verurteilt hatte? Sarah wußte darauf keine Antwort. Sie würde es nur erfahren, wenn Angel das wilde Tier in sich besiegen konnte und wieder zu sich selbst fand.

Debbie stand an der Tür zum Heizungskeller der Universität. Sie blickte sich um. Niemand schenkte ihr Beachtung. Im nächsten Moment hatte sie auch schon die Tür geöffnet und schlüpfte in den Raum. Die Tür fiel ins Schloß. Debbie blickte sich um. Fahles Licht schien von einer Glühbirne an der Decke. Auf einen der Regale stand ein Krug mit grüner Flüssigkeit. Debbie blickte sich um. „Pete?“

Hinter den Regalen erschien ein junger Mann. „Pete, du wolltest mich sprechen?“ fragte Debbie mit zitternder Stimme und sie ging auf ihren Freund zu. Pete sah sie mit finsterer Miene an. Etwas stimmte mit ihm nicht. „Du hast die Flüssigkeit weg geschüttet, richtig?“ fragte Pete. Er hat es bemerkt, dachte Debbie beschämend. Er hatte bemerkt, daß der zweite Krug fehlte.

„Was hast du dir dabei gedacht?“ fragte Pete wütend. „Pete, du brauchst das Zeug doch nicht mehr“, sprach Debbie heftig. Pete starrte sie an. Dann holte er mit der Hand aus und schlug zu. Der Schlag beförderte Debbie auf den Boden. Sie schluchzte auf. Wenn er dieses Zeug nahm war er unausstehlich. Tränen bannten sich einen Weg über ihre Wangen.

Im selben Moment bekam Pete ein schlechtes Gewissen. Er kniete sich neben seine Freundin und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Debbie zuckte zurück. „Debbie, es tut mir so leid. Ich wollte das nicht, aber du weißt ...“ Sie nickte. „Ja. Du brauchst das Zeug.“ „Richtig! Ich tue das ja nur für dich. Ich will doch nur das du bei mir bleibst.“ „Oh Pete! Ich würde dich nie verlassen“, sprach Debbie und sie schlang ihre Arme um seinen Nacken. Und wie immer nach seinen brutalen Ausbrüchen würde sie ihm auch diesmal wieder verzeihen.

Sarah begann sich ernsthafte Sorgen um Angel zu machen. Seit Tagen versteckte sie Angel nun in der Hauptmann Gruft und nichts hatte sich verändert. Sie kümmerte sich weiterhin um Angel und gleichzeitig mußte sie sich noch um die Schule und um das Wesen, das in Sunnydale sein Unwesen trieb, kümmern. Ihr Leben verlief wirklich wieder äußerst stressig. Doch Sarah konnte niemanden sagen das Angel wieder da war. Er war ihr Problem. Und das mußte sie allein lösen. Sie mußte allein dahinterkommen wie man ihn heilen konnte und wie er zurückkommen konnte.

Doch das alles war nicht so einfach, denn Angel benahm sich noch immer wie ein wildes Tier. Er konnte nicht über das – was in der Dämonendimension mit ihm geschehen war – hinweg kommen. Angel schien das Tier in sich einfach nicht besiegen zu können; schien es nicht besiegen zu wollen. Sarah machte sich wirklich ernsthafte Sorgen um ihn. Gehörte Angel etwa zu der Art von Monstertyp, der nicht erlöst werden wollte?

Sarah wollte nicht daran glauben das es so war. Sie wollte, das er wieder zu sich selbst fand. Ihr Tagesablauf hatte sich durch Angels unerwartete Rückkehr verändert. Jeden Tag nach der Schule ging Sarah zum Metzger und holte für Angel Tierblut. Sie gab den Metzger dafür Geld. Der Metzger fragte in einer Stadt wie Sunnydale nicht nach wofür ein junges Mädchen Tierblut brauchte. Er war froh, daß es ihm jemand abkaufte. Jedesmal wenn Sarah Angel das Blut gab riß er es ihr förmlich aus der Hand. Sarah mußte aufpassen das Angel sie nicht verletzte. Langsam aber sicher war Angels Verhalten zum verzweifeln. Sie verzweifelte wirklich; aber sie gab nicht auf an den guten Willen in Angel zu glauben.

Nachts ging Sarah auf Patrouille und wenn der Morgen graute sah sie bei Angel vorbei um sich zu vergewissern, daß es ihm gut ging. Und wenn Sarah nicht auf Patrouille ging war Sarah bei Angel. Sie hoffte, ihre ständige Nähe würde Angel helfen sich an ihre gemeinsame Zeit zu erinnern. Sie machte ihre Hausaufgaben bei Angel oder las ihm etwas vor um seine Seele zu besänftigen.

Natürlich hatten Sarahs Freunde bemerkt das die Jägerin sich von ihnen zurück gezogen hatte. Sarah verbrachte so gut wie gar keine Zeit mehr mit ihnen. Sie zog sich einfach zurück. Willow machte sich Sorgen um ihre beste Freundin. Willow machte sich ernsthafte Gedanken über Sarah. Sie tauchte zwar im Unterricht auf, aber ansonsten hatte sie für nichts mehr Zeit. Nachts war sie unterwegs und am Tag bekam man sie nur im Unterricht zu Gesicht. Etwas stimmte da nicht und Willow wollte wissen was Sarah so beschäftigte, daß sie keine Zeit mehr hatte ihre Freundschaften zu pflegen.

Willow war deshalb zum Summers-Haus gefahren um Sarah zu besuchen. Doch Joyce hatte der Freundin ihrer Tochter erklärt, das Sarah kaum noch zu Hause war. Morgens kam sie von der Patrouille und schlief zwei, drei Stunden. Dann sprang sie schnell unter die Dusche, aß eine Kleinigkeit zum Frühstück und fuhr dann zum College. Nach dem Unterricht aß Sarah etwas und fuhr wieder weg. Und dann wiederholte sich der Kreislauf.

Joyce wußte auch nichts davon das Angel wieder da war. Sarah fuhr nach der Schule zum Metzger und dann zu Angel. Bei Anbruch der Dunkelheit ging sie Patrouille und kehrte danach zu Angel zurück. Bei ihrer Wache über Angel lernte sie oder schlief ein wenig. Sie erzählte niemanden was sie nach der Schule tat. Sie konnte es nicht erklären - weder sich selbst noch anderen.

Sarahs Mutter fragte nicht nach was ihre Tochter so den ganzen Tag trieb. Sie vertraute ihr; auch wenn es schwer war. Joyce fragte nicht mehr nach, wenn es um Sarahs Job ging. Sie wußte, wenn Sarah etwas wichtiges zu erzählen hatte würde sie schon von sich aus damit zu ihrer Mutter gehen. Doch Joyce ahnte, das die Veränderung in Sarahs Leben mit deren Pflichten als Jägerin zusammenhing. Auch wenn Joyce gerne wissen würde was Sarah so sehr beschäftigte, fragte sie nicht nach. Sarah war alt genug um allein klarzukommen. Denn wenn Sarah ernsthafte Probleme hatte würde sie schon mit ihrer Mutter darüber sprechen.

Willow fühlte sich unwohl bei ihrem Vorhaben Sarah zu folgen; allein um herauszufinden was Sarah den ganzen Tag machte. Es war nicht ihre Art, aber Willow wollte endlich wissen was so wichtig war das Sarah ihre Freundschaften vernachlässigte. Willow wollte wissen warum Sarah sich so in sich zurück gezogen hatte. Also folgte Willow ihrer besten Freundin als diese nach dem Unterricht ihr Elternhaus verließ.

Aus sicherer Entfernung beobachtete Willow wie Sarah vorm Metzger hielt und hineinging. Willow runzelte irritiert die Stirn. Was wollte Sarah beim Metzger? Sie beobachtete wie Sarah mit einer braunen Tüte wieder herauskam und sich vom Metzger verabschiedete. Willow konnte aus der Entfernung nicht ausmachen was in der Tüte war. Also folgte sie Sarah weiterhin.

Sie konnte sich einfach nicht erklären was Sarah so sehr beschäftigte. Das rothaarige Mädchen war mehr als überrascht als Sarah durch das Tor der alten Hauptmann Gruft ging und im Inneren verschwand. Willow stutzte. Was hatte das alles zu bedeuten? Warum verschwand Sarah in jener Gruft, wo sie ihren Kampf gegen Angel gehabt hatte? Willow hatte für diese Fragen keine Erklärung. Sie war jetzt wirklich verwirrt. Was tat Sarah hier?

Willow wußte, es gab nur einen Weg das herauszufinden. Sie mußte einfach nachsehen warum Sarah sich in letzter Zeit so seltsam verhielt. Und Willow wußte, die Antwort darauf würde sie da drinnen finden. Sie legte ihr Fahrrad zur Seite und ging den kleinen Weg zur Gruft entlang. Willow stieg die Stufen hinab und betrat den Hof, der vor der Gruft war. Er war nicht sehr aufgeräumt, aber darauf achtete Willow nicht.

Irritiert blickte sich Willow um. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt worden. Es war alles verschlossen. Kein Sonnenstrahl konnte in das Innere der Gruft eindringen. Vor dem Eingang hing ein langer, dicker und schwarzer Vorhang. Jetzt war Willow noch mehr verwirrt. Was hatte das alles nur zu bedeuten? Willow stieg auf eine Bank im Hof und konnte durch einen kleinen Schlitz von einem der verschlossenen Fenster sehen.

Willow konnte sehen das im Kamin Feuer gemacht worden war. Sarahs Tasche lag auf einen kleinen Holztisch. Sie konnte nur die Silhouette von Sarah erkennen. Willow strengte sich an um etwas zu erkennen, aber das war nicht möglich. Willow konnte nur sehen das Sarah etwas in der Hand hielt. Es war Willow sofort klar, daß es sich hierbei bei den Inhalt aus der braunen Tüte handelte.

Sie wollte wissen was da drinnen vor sich ging und deshalb stieg Willow von der Bank. Leise ging sie zum dichten Vorhang und schob ihn zur Seite. Lautlos betrat Willow den Raum. Es sah noch genauso kahl aus wie beim letzten Mal als sie hier gewesen war. Damals – nach dem Kampf von Sarah und Angel ... als Xander und sie nachgesehen hatten was mit Sarah passiert war. Ein kalter Schauer lief Willow sofort über den Rücken als sie daran dachte wie grausam Angel gewesen war.

Willow schüttelte die schlechten Gedanken ab und erblickte Sarah. Jetzt sah sie auch was Sarah da in ihren Händen hielt. Es war ein Becher; ein Becher voller Blut, wie Willow nach genauerem hinsehen überrascht feststellte. Aber für was brauchte Sarah Blut? Wieso holte Sarah vom Metzger Blut ab und fuhr damit durch die halbe Stadt? Das ergab doch gar keinen Sinn. Willow schüttelte verwirrt den Kopf. Sarahs Verhalten wurde immer seltsamer; es war wirklich zu einem Rätsel geworden.

Sarah selbst hatte noch nicht bemerkt das Willow ihr gefolgt war und nun im Raum stand. Sie widmete ihre ganze Aufmerksamkeit Angel, der am Boden kauerte und sie mißtrauisch ansah. Sarah konnte Willow gar nicht sehen, da sie dem Eingang den Rücken zugewandt hatte und vor Angel kniete. So nahm sie Willow auch die Sicht auf das was sie gerade tat. „Weißt du, der Metzger ist ganz froh das ich ihm das Tierblut abkaufe. Er fragt auch nicht für was ich es brauche. Er ist froh, daß er nebenbei noch was dazu verdient.“ Sarah blickte Angel besorgt an.

„Ich sorge mich um dich, Angel“, sprach sie besorgt. Willow zuckte zusammen. Angel? Das konnte doch einfach nicht sein. Sie hatte Angel in die Hölle geschickt. Giles hatte doch gesagt das niemand aus der Dämonendimension zurückkehren kann. Doch wie war das jetzt möglich? Das konnte nicht Angel sein. Willow konnte es einfach nicht glauben. War Angel wirklich zurück gekommen?

„Bitte, Angel, finde wieder zu dir selbst. Hast du die schöne Zeit vergessen, die wir miteinander verbracht haben? Hast du unsere Liebe vergessen? Angel, ich hab Angst um dich. Ich kann dich nicht ewig hier festhalten. Ich will dir nicht wieder weh tun. Das könnte ich nicht verkraften. Bitte, Angel, komm wieder zu dir. Bleib bei mir, Angel. Bitte, verlaß mich nicht noch einmal“, sprach Sarah eindringlich auf dem Vampir ein. Er starrte sie nur wortlos an und riß ihr den Becher Blut aus der Hand.

Sarah strich sich eine Haarsträhne zurück und erhob sich. Sie drehte sich um und schrak heftig zurück. Sarah starrte Willow an. Willows Blick glitt neben Sarah. Das rothaarige Mädchen blickte auf den Mann, der gierig das Tierblut trank. Willow machte den Mund auf um etwas zu sagen, aber kein Ton kam heraus. Sie konnte es nicht glauben. Er war es wirklich. Es war wirklich Angel.

Geschockt starrte Sarah ihre beste Freundin an. Sie konnte nicht fassen das Willow da war. Ihr Blick glitt zu Angel. Oh mein Gott, dachte Sarah erschrocken. Willow hatte ihn gesehen. Und sie würde Antworten verlangen. Doch wie soll ich ihr das erklären? Ich verstehe es ja selbst nicht, dachte Sarah. Sie hoffte, das Willow ihr kleines Geheimnis nicht Giles verraten würde. Sarah mußte Willow einfach dazu bringen darüber zu schweigen.

„Sarah, ... ist das ... Angel? Wie ist das möglich? Sarah, was ist hier los?“ fragte Willow stockend. Langsam kam sie näher. Sarah nickte. „Ja, das ist Angel. Er ist wieder da“, gestand sie seufzend. „Wie lange schon?“ erkundigte sich Willow. Sarah zuckte mit den Schultern. „Einige Tage. Ich hab ihn auf Patrouille getroffen.“ Willow starrte Sarah an. „Du hast uns alle belogen“, stellte sie enttäuscht fest. Sarah legte eine Hand auf Willows Schulter.

„Ich konnte es euch nicht sagen. Wie denn auch? Ich verstehe es ja selbst nicht. Ich hab keine Ahnung wie seine Rückkehr möglich ist. Er stand nachts plötzlich vor mir. Giles meinte, es wäre unmöglich der Dämonendimension zu entkommen. Aber das stimmt nicht. Angel ist doch der lebendige Beweis, daß es doch möglich ist. Er konnte fliehen.“ „Du hast mit Giles darüber gesprochen? Weiß er es?“ fragte Willow verwirrt. Sarah schüttelte verneinend den Kopf.

„Nein, er weiß es nicht. Ich hab es so ausgelegt als hätte ich von Angels Rückkehr geträumt. Ich kann es ihm nicht sagen. Er wurde von Angel gefoltert. Er würde es niemals verstehen.“ Willow nickte wissend. „Angel ist also der Grund warum du dich in letzter Zeit so von uns zurück gezogen hast, richtig? Er war der Grund warum du so beschäftigt bist?“ sprach Willow. „Ja, er ist der Grund. Willow, du mußt mir versprechen darüber zu schweigen. Du darfst niemanden sagen das Angel wieder da ist. Ich will nicht das irgend jemand etwas davon erfährt“, redete Sarah energisch auf ihre Freundin ein.

„Aber du kannst Giles nicht ewig belügen“, rief Willow entrüstet. „Das werde ich auch nicht“, seufzte Sarah. „Aber sieh dir Angel doch an! Er wurde in der Hölle hunderte von Jahren grausam gequält und gefoltert. Er schafft es nicht darüber hinwegzukommen. Angel benimmt sich wie ein wildes Tier. Er ist einfach nicht er selbst. Er hat noch nicht zu sich selbst gefunden. Und solange das nicht der Fall ist kann ich Giles nicht die Wahrheit sagen. Er würde ... es einfach nicht verstehen. Giles hat durch Angels böses Ich soviel verloren“, sprach Sarah ruhig.

Willow wußte das auch. Sie sah die stumme und flehende Bitte in Sarahs Augen. Es war Sarah so wichtig. Und irgendwie hatte sie auch recht. Es war noch zu früh um Giles die Wahrheit zu sagen. Es war besser Angels Rückkehr noch für sich zu behalten. Wenn Angel zu sich selbst gefunden hatte war es genau die richtige Zeit um Giles die Wahrheit zu offenbaren. Willow sah Sarah an. Es war ihr so wichtig. Sarah hatte Angel wieder. Er war wieder da. Und Willow freute sich darüber, obwohl es gemischte Gefühle waren. Aber die negativen Gefühle verdrängte sie sofort wieder.

„Ich verspreche dir, daß ich schweigen werde. Ich werde Giles oder einen anderen nichts von Angels Rückkehr erzählen; solange bis du bereit bist mit Giles darüber zu sprechen.“ „Danke, Willow“, sprach Sarah erleichtert und sie umarmte ihre beste Freundin. Willow sah zu Angel. „Wie geht es ihm?“ fragte sie. Sarah seufzte schwach. Willow zuckte zusammen als Angel an den Ketten riß, die sich jedoch nicht lösten. Angel sprang auf und riß wild an den Ketten. Er knurrte.

Sarah blickte Willow beruhigend an und trat zu Angel. „Angel, beruhige dich“, sprach sie sanft. „Es ist alles gut. Du bist in Sicherheit. Niemand wird dir mehr Schmerzen antun. Ganz ruhig. Ich werde niemals zulassen das dir noch einmal weh getan wird“, versprach Sarah. Mit wütend funkelten Augen blickte Angel Sarah an. „Ganz ruhig. Es ist alles in Ordnung, Angel.“ Der leise, sanfte Unterton in Sarahs Stimmte beruhigte Angel. Die angespannten Ketten lockerten sich und Angel wandte sich von ihr ab.

„Es ist sehr schwer, nicht wahr?“ fragte Willow besorgt. „Ja“, meinte Sarah kopfschüttelnd. „Ich hab ihn noch nie so wild erlebt. Er ist vollkommen durcheinander. Aber aufgrund der Schmerzen, die er erlebt hat, ist das kein Wunder. Angel hat so viele Qualen hinter sich. Er wurde aufs grausamste gefoltert. Darüber hinwegzukommen ist sehr schwer. Ich hoffe – ich wünsche es mir so sehr – das er wieder zu sich selbst findet. Er muß es einfach schaffen.“ „Und was dann?“ fragte Willow vorsichtig nach.

„Ich weiß es nicht. Ich denke, er wird hierbleiben. Die Kellerwohnung ... die will er sicher nicht mehr. Er wird sich hier häuslich niederlassen, so wie ich Angel kenne. Ich kümmere mich um ihn so gut es geht. Ich kaufe vom Metzger Tierblut damit er seinen Hunger stillen kann. Ich bin in seiner Nähe; rede mit ihm. Aber es bringt nichts. Angel erträgt keine Berührungen mehr. Er reagiert regelrecht panisch auf Berührungen und menschliche Wärme. Es ist grausam. Es tut mir so weh ihn so zu sehen“, erzählte Sarah.

„Niemals hätte ich es für möglich gehalten das er den Weg nach Sunnydale zurückfindet. Doch es ist geschehen.“ „Du hast gesagt, das du ihn auf Patrouille gesehen hast“, meinte Willow. Sarah nickte. „Stimmt. Ich ging meine Route ab als mich jemand angriff. Dieser jemand war Angel. Er war so verändert. Und als er mir kurz in die Augen sah, da wußte ich, er kannte mich nicht mehr. Ich schlug ihn also nieder und brachte ihn hierher. Hier ist er vor jeder Gefahr sicher. Willow, ich wünsche mir so sehr das er wieder zu sich selbst zurückfindet“, sprach Sarah und sie blickte auf Angel, der unruhig schlief.

„Es ist ... einfach unglaublich. Angel ist wirklich wieder da. Ich kann es noch immer nicht glauben. Es ist unfaßbar. Ich hab keine Erklärung dafür. Es ist ... seine Rückkehr hat mein ganzes Leben wieder durcheinander gebracht. Ich ... bin froh das er wieder da ist. Mein Gott, ich wünschte es mir mehr als alles andere. So oft hab ich davon geträumt. Und nun ist es wirklich geschehen. Willow, was soll ich nur tun?“ fragte Sarah verzweifelt. „Sei einfach für Angel da“, schlug Willow ihrer Freundin vor.

„Angel wird dich brauchen wenn er wieder zu sich selbst gefunden hat. Nein, das war falsch ausgedrückt“, korrigierte Willow sich selbst. „Er braucht dich schon jetzt. Aber ... ach, die Wahrheit ist einfach ... Angel wird dich immer brauchen“, redete Willow schnell weiter. „Er braucht dich mehr als alles andere auf der Welt.“ Sarah lächelte matt. „Ich hab irgendwie Angst vor dem Tag, an dem er seine Wildheit bekämpft hat.“ „Wieso?“ Willow blickte kurz zu Angel, der im Schlaf knurrte und qualvoll aufstöhnte.

„Ich hab Angst vor dem Gespräch mit ihm. Und dieses Gespräch werden Angel und ich führen müssen. Es ... ich hab ihn zur Hölle geschickt, Willow. Was ist, wenn er mir nicht verzeihen kann? Wenn er mir nicht verzeihen kann das ich ihn zu ewigen Leid verdammt habe?“ „Sarah, er wird dir verzeihen. Angel liebt dich“, sprach Willow eindringlich auf ihre beste Freundin ein.

„Doch was ist wenn es jetzt nicht mehr so ist? Was, wenn Angel mir nicht verzeihen kann was ich getan habe? Wenn er mich dafür haßt und verabscheut? Was ist, wenn Angel mich dafür verurteilt und beschließt aus meinen Leben zu verschwinden? Was, wenn er nichts mehr mit mir zu tun haben will weil ich ihn zur Hölle geschickt habe; wenn er mich einfach nicht mehr sehen will?“ sprach Sarah ihre geheimen Ängste aus.

„Es war doch meine Tat, die ihn zur Hölle geschickt und ihn so lange gefoltert hatte.“ Willow nahm ihre Freundin in den Arm um ihre Ängste zu vertreiben. „Behältst du seine Rückkehr wirklich für dich?“ fragte Sarah zweifelnd. Willow lächelte aufmunternd. „Natürlich schweige ich darüber. Wenn du willst kann ich dich hier ja mal ablösen; wenn du auf Patrouille bist oder so.“ Sarah schüttelte energisch den Kopf und verneinte den Vorschlag von Willow sofort.

„Das ist viel zu riskant, Willow. Hör mal,  die Sache ist einfach die ... ich weiß nicht ob die Ketten wirklich standhalten, wenn er mit voller Kraft daran reißt. Er benimmt sich wie ein wildes Tier. Wenn ich auf Patrouille bin und du paßt auf Angel auf ... er könnte sich losreißen und dich angreifen. Du hättest keine Chance. Nicht in dem Zustand, in dem er sich momentan befindet. Es ist einfach zu gefährlich für dich. Ich werde mit Angel fertig, aber du ...“ Sarah schwieg einen Moment. „Sei nicht böse, Willow. Das ist keine Herabwürdigung deiner Person, aber ...“ „Schon verstanden“, meinte Willow lächelnd.

Ein Verdacht kam Willow. Die zerfleischten Jugendlichen – konnte Angel es gewesen sein? Oz war aus dem Schneider, was Willow sehr erleichterte. „Sarah, der Verdacht liegt nahe, aber könnte Angel für diese Morde ...“ Sofort schüttelte die Jägerin verneinend den Kopf. „Nein, das ist ausgeschlossen. Als das letzte Opfer getötet wurde war ich bei ihm. Angel war es nicht. Ich mache mir aber solche Vorwürfe. Angels Rückkehr hat mich so aus der Bahn geworfen das ich meine Pflicht vernachlässigt habe.“ „Das stimmt nicht“, widersprach Willow sofort.

„Du bist eine sehr gute Jägerin. Mach dir keine Vorwürfe, Sarah. Du kannst nicht überall sein. Schließlich kannst du dich nicht teilen. Wir werden diese Kreatur schon ausfindig machen und dann knöpfst du sie dir vor. Und glaube mir, Angel wird sich erholen. Bald ist er wieder der Alte.“ „Und dann?“ fragte Sarah ernst.

„Es wird alles wieder gut werden. Angel wird wieder gesund und er wird dir auch nicht böse sein, glaube mir. Er wird dir verzeihen. Da bin ich mir sicher. Immerhin liebt er dich. Und ich verspreche dir noch einmal das dein Geheimnis bei mir sicher aufbewahrt ist.“ „Danke, Willow. Das bedeutet mir viel.“ Die beiden Mädchen blickte zu Angel. Und beide hofften, das er sich schon bald erholt hatte und wieder der Angel war, der Sarah liebte so wie sie ihn.

~ 12. ~

Und Willow hielt ihr Versprechen. Sie schwieg über die Rückkehr von Angel und behielt Sarahs Geheimnis für sich. Willow nahm Sarah auch in Schutz weil diese immer öfter im Unterricht einschlief. Aber das wunderte Willow nicht. Sarah konzentrierte ihre ganze Energie auf Angel und nebenbei war sie noch auf der Suche nach dem grausamen Geschöpf, das schon mehr als drei Jugendliche getötet hatte.

Langsam, aber sicher, nahm das Puzzle eine Form an. Gemeinsam mit Giles recherchierte die Gang. Sie waren sich ziemlich sicher das es kein Vampir war. Das es ein Werwolf war wurde auch immer unwahrscheinlicher. Sie konnten sich aber nicht erklären was für ein Wesen diese Morde begangen hatten. Und wenn sie mal nicht weiter wußten, fingen sie an den Hintergrund der Opfer zu erforschen. Vielleicht fanden sie die Antworten, die sie brauchten, ja im Leben der Opfer.

„Giles, ich glaub, ich hab was gefunden“, sprach Willow. „Was?“ „Die Opfer waren ja alle männlich, nicht wahr?“ „Ja“, mischte sich Oz ein. Er war froh und erleichtert das er diese Morde nicht begangen hatte. „Diese Männer waren alle Studenten. Und zwar hier auf der Sunnydale University.“ „Das ist eine Gemeinsamkeit“, schloß Giles daraus. „Sie sagen es, Einstein“, witzelte Sarah, handelte sich dafür aber einen strafenden Blick ihres Wächters ein.

„Diese Jungs hatten alle Kontakt zu einer Schülerin auf der Universität.“ „Und wer?“ „Du kennst sie, Sarah. Es ist Debbie.“ „Die Debbie aus unserer Klasse?“ fragte Sarah verwirrt. „Du sagst es.“ „Das ist ja interessant.“ „Das hat aber nichts zu bedeuten“, widersprach Giles seiner Jägerin. „Giles, wir leben hier am Höllenschlund. Alles ist möglich.“ „Da hast du recht“, korrigierte er sich. „Wir sollten mit ihr reden. Vielleicht weiß sie was“, beschloß Willow.

„Das kann ich machen. Ich kenne Debbie schon einige Jahre. Ich kenne sie länger als ihr“, mischte sich Oz ein. „Das ist eine gute Idee. Sie kennt dich und vielleicht vertraut sie dir ja sogar. Außer höfliches Grüßen haben Will und ich nichts mit Debbie zu tun. Da wird es schwer werden etwas aus hier heraus zu bekommen.“ „Ich rede sofort morgen früh mit ihr“, versprach Oz. „Gut. Und was machen wir solange?“ fragte Sarah ihren Wächter. „Wir warten“, sprach Giles und er ging in seine Küche um Tee zu kochen.

Am nächsten Morgen wartete Xander vor der Uni auf Sarah. Er hoffte, das sie ihm zuhörte; das sie mit ihm reden würde. Sarah bog um die Ecke und Xander straffte die Schultern. Er atmete noch einmal tief durch. Als Sarah ihn sah funkelten ihre Augen Xander eiskalt an. Kein gutes Zeichen, dachte Xander bedrückt. Doch er mußte es wagen. Er mußte es wenigstens probieren.

„Sarah“, sprach er nervös. „Kann ich kurz ... mit dir sprechen?“ Unruhig hüpfte Xander von einen Fuß auf den anderen. Er war schrecklich nervös. Es konnte leicht sein das Sarah ihm die Nase brechen würde. Doch er mußte da jetzt durch. Er konnte es nicht mehr ertragen das Sarah sich so von ihm abgewandt hatte und die anderen aus der Gang sich auf ihre Seite gestellt hatten. Sarahs Miene zeigte Xander, das sie noch immer total sauer auf ihn war.

„Bitte“, sprach Xander mit Nachdruck. „Okay, du hast fünf Minuten“, erklärte Sarah ihm eisig. Xander schluckte schwer. „Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Es tut mir leid.“ Sarahs Miene verfinsterte sich. „Ich weiß, nichts was ich sage oder tue wird wieder gut machen was ich getan habe.“ „Schön, das du das einsiehst“, erwiderte Sarah sarkastisch. Sie reagierte auf Xander total reserviert und so stand sie ihm auch gegenüber – kühl, regelrecht kalt, und reserviert. Nervös fuhr sich Xander durch sein Haar. Er konnte ihre Reaktion verstehen. Aber er wünschte sich so sehr, das sie seine Entschuldigung annehmen würde.

Ich mache mir aber nur was vor wenn ich das wirklich glaube, dachte Xander. „Es tut mir wirklich leid, Sarah. Ich hatte kein Recht dir Willows Plan zu verschweigen. Ich hätte es dir sagen sollen, das weiß ich jetzt. Aber ... ich bin davon ausgegangen das Willow es nicht rechtzeitig schafft den Fluch zu erneuern.“ „Wie sensibel du doch bist“, spottete Sarah.

„Ich habe Angel geliebt. Wie konntest du mir das nur antun? Ich hab dir vertraut.“ „Ich weiß. Und es tut mir leid das ich dieses Vertrauen mißbraucht habe, aber ... ich weiß wirklich nicht was in diesem Moment in mich gefahren ist. Ich wollte nicht das du weiter durch ihn leidest. Du hast ja recht. Ich hab egoistisch gehandelt.“ „Du übersiehst dabei eine Kleinigkeit, Xander“, sprach Sarah energisch.

„Was?“ fragte Xander vorsichtig nach. „Angel gehörte zu meinen Leben, nicht zu deinem. Er war ein Teil meines Lebens. Du glaubst wohl mit einer einfachen Entschuldigung ist die Sache aus der Welt, oder? Doch da täuscht du dich. Glaubst du wirklich, du brauchst dich nur bei mir entschuldigen und schon ist alles wieder okay?“ fuhr Sarah ihn wütend an. „Das ist aber nicht der Fall, Harris. Du hast mich schwer enttäuscht. Das wahre Monster hier bist du und nicht Angel. Den du wolltest seinen Tod und warst bereit mein Glück dafür zu opfern. So einfach kann ich dir nicht verzeihen.“ Sarah ging an ihm vorbei und stieg die Stufen zum Eingang hinauf.

„Sarah!“ rief Xander. Sie blieb stehen und drehte sich langsam um. Fragend sah sie Xander an. „Besteht die Möglichkeit, das ... das wir uns irgendwann wieder versöhnen? Kannst du mir in der Zukunft verzeihen?“ fragte Xander stockend. Blitzende Augen trafen ihn mitten im Herz. Es waren wütende und enttäuschte Augen. „Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht ob ich dir jemals vergeben kann. Baue deine Hoffnungen nicht darauf auf“, erwiderte Sarah und verschwand im Inneren der Universität.

Oz suchte Debbie am späten Nachmittag auf. Vorher war er nicht dazu gekommen. Erst jetzt begegnete ihm Debbie. Er fand das blonde Mädchen im Hof der Universität. „Debbie, warte einmal“, rief er laut und eilte zu ihr. Debbie blieb verwundert stehen. „Oz, hi“, rief sie. „Ich muß mit dir reden“, sprach Oz ernst. „Worüber? Hast du etwa Probleme beim studieren? Das wäre was ganz neues, du Genie.“ „Darum geht es nicht. Debbie, es ist sehr ernst.“ Oz stutzte und sah das blaue Auge. Debbie versuchte es mit ihren Haaren zu verstecken.

„Was ist passiert?“ fragte Oz besorgt. „Ach, nichts. Ich Dummkopf bin gegen eine Tür gelaufen. Es ist nicht schlimm. Also, worüber willst du mit mir sprechen?“ „Du hast doch sicher von diesen Morden gehört, die in den letzten Tagen hier in Sunnydale passiert sind?“ fragte Oz. Debbie nickte langsam. „Ja, schrecklich. Die Jungs wurden regelrecht zerfleischt. Aber was hat das mit mir zu tun?“ fragte Debbie irritiert.

„Diese Jungs hatten alle zu dir Kontakt – kurz bevor sie starben.“ Die Farbe wich aus Debbies Gesicht. Oh mein Gott, dachte sie. Ihr Verdacht fiel sofort auf Pete. Konnte er in seiner Eifersucht tatsächlich so weit gehen? Sie schüttelte energisch den Kopf. Nein, das hatte Pete nicht getan. Er war kein Mörder – niemals.

„Das ... das ist Zufall“, wich Debbie aus. Oz konnte regelrecht riechen das da etwas nicht in Ordnung war; das Debbie versuchte etwas vor ihm zu verbergen. Ein schrecklicher Verdacht kam Oz. „Hat dein Freund Pete etwas damit zu tun?“ fragte er geradeheraus. „Nein“, rief Debbie panisch. „Nein, das hat er nicht. Ich weiß nichts“, meinte sie, drehte um und ging hastig davon. Oz legte die Stirn in Falten und dachte nach. Etwas stimmte da nicht. Das mußte er sofort Sarah berichten. Und als Oz auf den Weg zur Jägerin war sah er nicht das Pete ihn mißtrauisch beobachtete.

„Etwas stimmt da nicht“, beendete Oz seine Erzählung. „Du hast recht. Du meinst, sie deckt ihren Freund?“ sprach Sarah. Oz nickte. „Was denkst du? Ist er ein Dämon?“ fragte Willow. Sarah zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber am Höllenschlund ist alles möglich. Ich muß ihn finden.“ „Aber wo willst du zu suchen anfangen?“ fragte Willow verwirrt. Sarah sah von Willow zu Oz. „Ich werde mit Debbie reden“, beschloß Sarah entschlossen. „Und ...“ Von lauten Stimmen wurden sie unterbrochen.

Sarah sah, das die Polizei an ihnen vorbeiging und im Inneren der Universität verschwand. „Was ist den hier los?“ flüsterte Willow Sarah zu. „Gehen wir nachsehen“, meinte Sarah entschlossen und ging zur Absperrung. Sie wollte hindurch schlüpfen, doch da hielt ein Polizist sie auf. „Tut mir leid, Leute. Hier dürft ihr momentan nicht durch.“ „Was ist den passiert?“ fragte Sarah freundlich. Der Polizist seufzte. „Man hat die Leiche eures Schulpsychologen tot aufgefunden. Wir vermuten, das er schon seit ungefähr einer Stunde tot ist.“ Sarah zuckte erschrocken zusammen.

„Was ist los, Sarah?“ „Mr. Platt ... ist tot“, flüsterte sie geschockt. Sie konnte es nicht glauben. Mr. Platt hatte an sie geglaubt und gewartet bis sie bereit war ihm alles zu erzählen. Jetzt würde er nie mehr erfahren was Sarah so mitgenommen hatte das sie abgehauen war. Sarah schluckte schwer. Ausgerechnet Mr. Platt, dachte die Jägerin geschockt.

Nun war sie wirklich wütend. Instinktiv wußte sie, das dieselbe Kreatur dafür verantwortlich war, die auch die andere Morde begangen hatte. „Oz, du rufst Giles an und informierst ihn“, sprach Sarah. „Willow, wir suchen Debbie auf. Jetzt reicht es“, sprach Sarah. Ihre Freunde fragten nicht nach sondern taten einfach was die Jägerin ihnen aufgetragen hatte.

Schwungvoll stieß Sarah die Tür zum Waschraum auf. Debbie stand vorm Spiegel und zuckte zusammen. Sie hielt mitten in der Bewegung inne. „Ich weiß, was dagegen hilft“, sprach Sarah als sie sah wie Debbie versuchte die Spuren in ihrem Gesicht mit Make-up zu vertuschen. „Und was?“ fragte Debbie. Sarah tauchte neben Debbie auf und sah sie ernst an. „Laß dich nicht schlagen“, sprach sie entschlossen.

Debbie lachte bitter. „Du verstehst das nicht“, meinte sie. Debbie steckte ihr Make-up in ihre Tasche und wollte gehen. Doch Sarah packte das Mädchen an der Schulter und hielt sie auf. „Wie lange willst du dich noch von ihm schlagen lassen? Er liebt dich nicht.“ „Doch, das tut er“, widersprach Debbie heftig. Sarah drehte Debbies Gesicht zum Spiegel. „Würde er dich wirklich lieben, würde er dir das nicht antun“, sprach sie. Debbie schüttelte den Kopf.

Sie ließ sich auf die Holzbank fallen und schlang ihre Arme um ihren Oberkörper. „Er liebt mich“, flüsterte sie immer und immer wieder. „Debbie, wo ist er? Er hat Menschen getötet.“ Sie schüttelte den Kopf. „Er ist nicht so. Pete ist nur ... anders, wenn er dieses Zeug nimmt.“ „Welches Zeug?“ fragte Sarah alarmierend. „Nichts von Bedeutung.“ „Debbie, wo ist Pete?“ rief Sarah scharf. Doch Debbie schwieg.

Sarah verdrehte genervt die Augen. „Hier erfahren wir nicht wo Pete ist“, sprach Sarah. „Gehen wir, Willow.“ „Aber ... vielleicht wenn ich mit ihr rede“, meinte Willow. „Das hat keinen Sinn. Sag mir nur eines, Debbie: Er hat all diese Jungs getötet, richtig?“ Debbie schluckte schwer und schwieg weiterhin. „Schweigen ist auch eine Antwort“, sprach Sarah sarkastisch und sie verließ mit Willow den Waschraum.

Sarah und Willow trafen sich mit Oz vor dem Schulgebäude. Es war schon dunkel und die Sterne leuchteten hell am finsteren Nachthimmel. „Ich hab Giles informiert“, sprach Oz sofort. „Und was hat er gesagt? Ich meine, immerhin ist Pete ein Mensch. Irgendwie muß ich ihn aber aufhalten. Ich kann nicht zulassen das er noch mehr Menschen tötet.“ „Giles meinte, du sollst ihn k.o. schlagen und ihn zu ihm bringen wenn es geht. Wenn du aber keine andere Wahl hast ...“ „... Soll ich ihn töten“, beendete Sarah Oz‘ Satz. Oz nickte. „Gut, dann werde ich das tun.“ „Ich bin gleich wieder da“, sprach Oz. „Wo willst du hin?“ fragte Willow. „Wir brauchen dich hier.“ „Ich geh nur mal kurz auf die Toilette“, sprach Oz lächelnd.

„Pete?“ Die Tür fiel hinter Debbie zu. Nur fahles Licht schien im dunklen Raum. Pete kam mit versteinerter Miene hinter den Regalen hervor. Debbie seufzte erleichtert auf. Sie fiel ihrem Freund um den Hals. „Ich bin so froh das es dir gut geht. Pete, Sarah weiß davon das du diese Jungs getötet hast. Sarah Summers, du kennst sie doch flüchtig, oder? Sie hat nach dir gefragt und nach den Morden. Aber ich hab ihr nichts gesagt, ehrlich, Pete. Ich hab nichts gesagt.“ Debbie sah Pete glücklich an.

„Das war doch richtig, oder? Aber sie verdächtig dich. Du mußt verschwinden – sofort!“ „Debbie“, unterbrach Pete sie scharf. „Ja?“ „Du hast ihr alles erzählt. Ich weiß es. Ich lese es in deinen Augen. Du hast mich gerade belogen und mich an dieses Mädchen verpfiffen.“ „Das ist nicht wahr“, stritt Debbie ab. „Ich hab alles für dich getan“, rief Pete wütend. „Aber dir war das alles nicht gut genug. Jetzt ist es genug.“ „Was ... was meinst du?“ fragte Debbie mit zitternder Stimme. Pete sah sie entschlossen an. „Ich werde deinen Lügen ein Ende machen“, sprach er und kam bedrohlich nahe an Debbie heran. Sie fing heftig zu zittern an. Sie ahnte, was Pete vorhatte. „Pete, bitte nicht“, flehte sie, aber tief in sich wußte Debbie, daß es zu spät war.

In der Hauptmann Gruft wurde Angel immer unruhiger, immer aggressiver. Angel sprang vom Boden auf und riß an den Ketten. Doch der Kerzenbeleuchter wollte einfach nicht nachgeben. Angel setzte seine ganzen vampiristischen Kräfte ein um loszukommen. Brutal riß er an den Ketten. Endlich gab der Widerstand nach und der Kerzenbeleuchter wurde aus der Mauer gerissen. Sobald er sich befreit hatte rannte Angel aus der Gruft und schlug zielsicher einen einzigen Weg ein.

Oz hatte sich gerade die Hände gewaschen und wollte zurück zu den Mädels gehen als die Tür aufging. Er drehte sich um und zuckte zusammen. Mit wütenden Augen stand Pete vor ihm. Und irgendwie war das Gesicht – die Haut – von Pete total verändert. Oz konnte jedoch nicht sagen wie verändert das Gesicht war. Das ist gar nicht gut, dachte Oz. Und jetzt wünschte er sich wirklich das Sarah hier war. „Du bist hinter meiner Freundin her“, sprach Pete sofort. „Hey, Mann, ich weiß nicht wovon du redest“, sprach Oz verwirrend. „Du hast dich an Debbie ran gemacht und dafür wirst du jetzt zahlen. Niemand macht meine Freundin an“, sprach Pete und er stürzte sich auf Willows Freund. Oz wurde zu Boden gerissen.

„Wo bleibt Oz den solange?“ murmelte Willow. „Gehen wir nachsehen. Wir müssen Pete suchen“, meinte Sarah und die beiden Mädchen betraten das Gebäude. Sarah blieb stehen als sie einen Schrei hörte. „Das war Oz“, meinte Willow erschrocken. Die Jägerin sah ihre beste Freundin an und dann rannten beide los.

Schlitternd kam Sarah zum stehen als sie durch die Tür brach. „Du elender Bastard! Du läßt gefälligst deine Finger von Debbie“, schrie Pete. Sarah riß Pete von Oz runter und schleuderte ihn gegen die Tür. Sie verzog das Gesicht als sie die Veränderung bei Pete sah. „Wie eklig“, sprach Sarah angewidert. „Du Miststück“, fauchte Pete. „Komm her, du Freak! Dann zeig ich dir was ein wahres Miststück ist“, forderte Sarah ihn auf. Doch Pete entschied sich dafür zu flüchten.

Willow ließ sich neben Oz nieder. Sie strich ihm durchs Haar. „Ist alles okay, Oz?“ fragte Sarah. Oz sah auf und nickte. „Ja. Er ist ...“ „Ich weiß“, sprach Sarah. „Ihr bleibt hier“, befahl sie und sie stieß die Tür auf. Sie rannte über den Gang und folgte Pete. Sarah sah wie aus einiger Entfernung eine Tür zuschlug. Pete war in den Heizungskeller geflüchtet. „Jetzt hab ich dich“, sprach Sarah und sie öffnete die Tür.

Eine einzige Glühbirne spendete den dunklen Raum Licht. Sarah schluckte schwer als sie einen leblosen Körper am Boden liegen sah. Sie kniete daneben nieder. Es war Debbie. Pete hatte ihr das Genick gebrochen. „Es tut mir so leid, Debbie“, sprach Sarah trocken. Pete hatte sie tatsächlich getötet. Ihr Blick glitt zu einen Glas von grüner Flüssigkeit. Das mußte dieses Zeug sein von dem Debbie geredet hatte.

Sarah blickte sich um. Er war hier. Sie wußte es. Sie roch es regelrecht. Irgend etwas stimmte hier nicht. Im nächsten Moment griff Pete Sarah von hinten an. Sarah flog gegen die Wand. Sie prallte hart gegen die Wand und glitt zu Boden. „Au, das hat weh getan“, stöhnte die Jägerin und sah auf. Mit grimmiger Miene starrte Pete sie an und stürzte sich auf sie. Er hat mehr als drei Studenten getötet; er hat Mr. Platt und Debbie getötet. Und dafür wird er zahlen, dachte Sarah wütend.

Sarah rappelte sich hoch. Doch da war Pete schon bei ihr und hatte sie an den Haaren gepackt. Er schleuderte Sarah herum und hämmerte ihre Hand gegen ein altes Rohr. Sarah konnte sich einen schmerzerfüllten Schrei nicht verkneifen. Pete ließ von ihr nicht ab; gab Sarah nicht einmal die Möglichkeit sich zu wehren. Er ließ ihre keine Luft. Pete schleuderte Sarah erneut durch den Raum.

Die Jägerin schaffte es eine kleine Distanz zwischen ihren Angreifer und sich zu bringen. Sarah konnte aufspringen und selbst angreifen. Sie rammte ihren Fuß in Petes Knie. Pete entkam ein Schrei und er ging zu Boden. Sarah setzte sofort weiter an und trat ihm ins Gesicht. Pete stolperte nach hinten. Sarah packte ihn an der Schulter und schleuderte ihn gegen ein Regal. Es schepperte laut. Doch die Dinge blieben auf den Regalen stehen. Pete fiel zu Boden und landete zwischen vielen alten Sachen.

Unbemerkt von Sarah griff Pete nach einem Rohr, das neben ihm am Boden lag. Sarah sprang zum Tritt hoch und wollte Pete im Gesicht treffen als dieser sich hoch rappelte. Da fuhr er herum und hämmerte Sarah das Rohr brutal in den Magen. Der Angriff der Jägerin wurde dadurch abrupt gestoppt. Mit einer Hand hielt sich Sarah den Bauch. Das hatte wirklich weh getan. Dieser Typ kannte echt kein Erbarmen und er war bereit sie zu töten. Also hatte sie keine Wahl. Pete war kein Mensch mehr, sondern ein seelenloses Geschöpf der Dunkelheit.

Sarah stöhnte laut auf und trat erneut zu. Doch diesmal ging ihr Tritt ins Leere. Pete stieß seine Krallen in Sarahs Haar und zerrte sie herum. Er warf Sarah gegen das Regal. Es klapperte laut und klirrte als Sarah dagegen fiel. Ich werde überall Blessuren und blaue Flecken haben wenn das so weitergeht, dachte Sarah. Wenn ich den morgigen Tag überhaupt noch erlebe, fügte sie still hinzu.

Pete packte die am bodenliegende Jägerin und zerrte sie in die Mitte des Raumes. Sarah bekam einen harten Schlag ins Gesicht. Danach folgte ein Tritt in die Kniekehlen und ein noch härterer Schlag gegen den Bauch. Sarah bekam die Prügel ihres Lebens. In der selben Sekunde wurde Sarah erneut gegen die Wand geworfen, so das sie schmerzend zu Boden glitt. Pete grinste dreckig und war bereit sein Werk zu beenden. Er griff nach einen Seil und wollte es Sarah um den Hals legen. Im nächsten Augenblick flog die Tür auf. Pete drehte sich um. Sarah blickte hoch und riß überrascht die Augen auf. Sie konnte es nicht fassen. Er schien sich losgerissen zu haben. In der Tür stand ein wutschnaubender Angel.

Pete war vollkommen perplex. Wer war dieser Mann? Angel knurrte Pete wütend an und stürzte sich auf ihn. Sarah kroch zur Seite um aus der Schußlinie zu geraten. Sie rappelte sich hoch und starrte auf den Kampf, der da zwischen Angel und Pete entbrannte. Hilflos mußte sie zusehen wie Angel sich mutig in den Kampf stürzte. Sie fühlte Schmerzen; jeder einzelne Muskel ihres Körpers schien zu protestieren.

Angel verpaßte Pete einen harten Schlag ins Gesicht. Dann wickelte er die Kette an seiner Hand um Petes Hals und drückte zu. Er schleuderte Pete hin und her. Pete würgte und schnappte nach Luft. Dann prallte er gegen ein Regal. Diesmal fielen einige Sachen zu Boden. Das Regal selbst schwankte bei der Wucht des Aufpralls gefährlich, aber es blieb stehen.

Erneut schnappte sich Angel den Jungen und schleuderte ihn hin und her. Pete versuchte sich aus Angels Griff zu befreien, doch es gelang ihm nicht. Angels unkontrollierte Wut war nicht zu stoppen. Mit aufblitzenden Fangzähnen knurrte er zornig. Pete schluckte noch einmal schwer. In der nächsten Sekunde riß Angel Petes Genick herum und tötete ihn. Petes Leiche polterte zu Boden. Es war vorbei.

Ungläubig starrte Sarah Angel an. Er keuchte und drehte sich langsam zu ihr um. Unbeweglich stand Sarah da und beobachtete ihn. Sie konnte sich einfach nicht mehr bewegen. Wachsam und mißtrauisch blickte Sarah Angel in die Augen. Er kam mit unsicheren Schritten auf sie zu. Aus seinen dämonischen Anlitz wurde wieder sein menschliches Gesicht. Nun stand Angel vor ihr. Minutenlang sahen sie sich nur an.

Der Vampir zitterte heftig. Dann sprach er leise: „Sarah?“ Sarah riß die Augen auf; konnte nicht fassen was er soeben gesagt hatte. Ihre Anspannung ließ nach. Ihre Angst und ihre Sorgen um Angel fielen augenblicklich von ihr. Sie konnte es nicht fassen; konnte es nicht glauben. Er war wieder er selbst. Angel hatte zu sich selbst zurück gefunden.

Angel fiel auf die Knie und grub sein Gesicht in Sarahs Bauch. Seine Hände umklammerten ihre Taille. Er drückte sie fest an sich; so als wollte er sie nie wieder gehen lassen. „Oh Sarah“, schluchzte Angel. Und dann fing er zu weinen an. Wie erstarrt stand Sarah da und sah zur Decke. Für einen langen Augenblick war sie vollkommen fassungslos. Sie spürte seine Nähe und sie wußte, sie hatte ihren geliebten Angel wieder. Er hatte es geschafft. Angel hatte seine Wildheit bekämpft. Vorsichtig strich Sarah durch Angels Haar. Ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie weinte mit ihm. Keiner von beiden bewegte sich. Für lange Momente verharrten sie in ihrer Position. Es reichte beiden einfach beim anderen zu sein und gemeinsam zu weinen.

Später, als sie wieder in der Gruft waren, beobachtete Sarah Angel. Sie war bei ihm geblieben. Einerseits für sich selbst und andererseits weil Angel sie darum gebeten hatte. Er wollte nicht alleine sein. Ihre Augen hingen an Angel und sie wandte sie nicht mehr ab. Er hatte zu sich selbst zurück gefunden. Angel war wieder er selbst. Ein leichtes Lächeln huschte über Sarahs Gesicht. Angel war wieder so wie sie ihn kannte. Er war wieder ihr geliebter Angel.

Der Vampir schlief. Doch seine Träume ließen nicht zu das er ruhig schlafen konnte. Er zuckte zusammen. Die Folter – seine Qualen – kehrten in seinen Träume zu ihm zurück und ließen ihm keine Ruhe. Doch das Sarah bei ihm – ihre Anwesenheit – beruhigte Angel. Er wußte, er war nicht allein. Sie war bei ihm und sie würde bleiben. Sarah war da und das besänftigte Angels gequälte Seele

Die Jägerin war erleichtert das er endlich wieder er selbst war. Er war geheilt. Doch was würde die Zukunft ihm und auch Sarah bringen? Angst kroch in Sarah hoch wenn sie daran dachte welches Gespräch sie mit Angel zu führen hatte. Sie mußten über das sprechen was zwischen ihnen geschehen war. Konnte er ihr verzeihen? Sarah schüttelte den Kopf und seufzte leicht. Egal was auch geschehen mag, wichtig war nur - das Angel wieder bei ihr war; das er wieder gesund war.

Sarah lehnte ihren Kopf gegen die Wand. Ihr fiel etwas ein was sie einmal in dem Buch „Die Wildnis“ gelesen hatte. Rückblickend paßte es zu Angel. Und vielleicht beruhigte der sanfte Klang ihrer Stimme den Vampir, der in einen seiner schrecklichen Alpträume gefangen war. „Die Nacht brach herein“, begann Sarah sanft. „Ein voller Mond stieg über den Bäumen entbor und erfüllte das Land mit seinen Schein. Solange, bis alles wie in geisterhaftes Tageslicht getaucht war.“ Sarah sah, daß es wirkte.

Der Klang ihrer Stimme besänftigte Angel wirklich und schien seinen Alptraum zu vertreiben. „Der Zug zum Urtümlichen blieb jedoch lebendig und bestimmend. Die Eigenschaften, wie Treue und Ergebenheit, hatten Menschen in ihm geweckt und er besaß sie in hohen Maße. Aber seine Wildheit und Verschlagenheit behielt er bei. Und aus den Tiefen der Wälder erklang gebieterisch der Ruf.“ Sarah lächelte leicht. Nun schien Angel nicht mehr so schlimm zu träumen.

Sarah blieb die ganze Nacht bei Angel und wachte über ihn. Sie wich nicht von seiner Seite und war einfach für ihn da. Noch immer konnte Sarah nicht glauben das Angel wirklich wieder da war. Doch was würde in der Zukunft geschehen? Was würde Angel zu ihrer Tat sagen? Konnte er es wirklich verzeihen? Das werden wir sehen, dachte Sarah und sie lächelte leicht. Das Einzige, daß im Moment für sie zählte, war, das Angel wieder gesund war. Den Rest würde man dann schon sehen ...

To Be Continued ...


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