Title: The Devil and I,
Part 1 – Now and Then
Author:
Tegan
Fandom:
Highlander – The Series
Rating:
NC-17
Category:
Wiedersehen, Fight, Folter
Characters, Pairing: Cassandra, Kronos / Juana (eig. Charakter)
Summary:
Nachdem sich ihre Wege im Mittelalter getrennt haben, begegnet
Juana Kronos in Portugal wieder. Er hat eine Forderung an sie, da sie ihn einst
ohne ein Wort verlassen hatte. Und während Juana mit ihrer Entscheidung über
ihr weiteres Leben mit oder ohne Kronos hadert, trifft er auf Methos Ex-Sklavin
Cassandra ...
Disclaimer:
Die Charaktere von Highlander – The Series gehören
nicht mir, sondern der Davis/Panzer Productions und anderen. Diese Story ist
FanFiction mit der weder Geld verdient, noch Rechte verletzt werden sollen. Ich
schreibe sie nur zu meinen Vergnügen.
Note:
Die Story spielt vor den Zweiteiler „Comes A Horseman &
Revelation 6:8“. Ich wollte mal etwas über Kronos‘ Vergangenheit schreiben.
In der Fortsetzung wird auch Methos einiges zu tun haben. Ich hoffe, die
Aktualisierung des zweiten Teiles dauert nicht so lange. Ich werde mich bemühen,
ihn bald fertig zu kriegen. Bis dahin wünsche ich viel Spaß mit dem ersten
Teil von „The Devil and I“.
The
Devil and I, Part 1 - Now and Then
written by Tegan
© 2001
~ 1. ~
In Lissabon herrschte Frühling. Juana liebte den Frühling in Portugal.
Keine Jahreszeit war schöner als diese in diesen herrlichen Land. Die
Unsterbliche hatte in ihren Leben schon an vielen Orten gelebt. Doch Portugal
hatte sie erst vor fünf Jahren betreten. Auf Anhieb hatte sie sich in dieses
Land verliebt. Hier fühlte sie sich zu Hause. Die Menschen waren so frisch, so
freundlich und offen. Sie nahmen Fremde wie Freunde auf und hießen sie herzlich
willkommen. Sie stellten auch keine Fragen, sondern akzeptierten die Menschen
einfach so, wie sie waren. Juana liebte die ruhige Art des Lebens in Lissabon.
Die Menschen planten nicht, sie taten es einfach. Sie nahmen den Tag so wie er
war und lebten danach. Das gefiel Juana. Sie sprach inzwischen auch schon fließend
portugiesisch.
Juana spazierte über den Markt und erledigte ihre Einkäufe. „Guten
Tag, Juana“, begrüßte sie der alte Mann am Gemüsestand. „Guten Tag,
Jack.“ „Wie immer das Gleiche?“ erkundigte er sich. „Sicher“,
erwiderte sie lächelnd. Die Unsterbliche, deren wahre Identität niemand wußte,
strich sich eine Strähne ihres langen honigblonden Haares zurück. Die Sonne
schien über den Platz und Juana setzte ihre dunkle Sonnenbrille auf. Aufmerksam
blickten sich ihre dunkelblauen Augen um.
In Portugal gab es fast keine Unsterblichen. Seit Jahren hatte sie
keinen ihrer Art mehr getroffen. Dieser Ort gefiel ihren Artgenossen nicht sehr.
Warum die anderen Unsterblichen Portugal nicht mochten, konnte Juana nicht
sagen. Und es interessierte sie auch nicht. Sie fühlte sich in dieser Umgebung
wohl und daran würde sich nie etwas ändern. Juana bezahlte das Gemüse und
ging weiter, um den Rest ihrer Einkäufe einzuholen.
Danach fuhr Juana in ihre Wohnung, wo sie allein lebte. Während sie
kochte, kehrten ihre Gedanken unwillkürlich zu einer alten Zeit zurück. Sie
dachte an ihre Vergangenheit. Was war wohl aus Kronos geworden? Warum dachte sie
ausgerechnet jetzt an ihn? Sie hatte ihn lange nicht mehr gesehen. Er war ein
Teil ihrer Vergangenheit, mehr nicht. Es war lange her. Doch Juana erinnerte
sich – so als wäre es erst gestern gewesen ...
[Mittelalter - Jahr 1288]
Juana – ein junges Bauernmädchen von zarten zweiundzwanzig Jahren –
lebte mit ihrer Familie in einen kleinen Dorf. Die Zeiten standen schlecht in
ihren Land, das sich England nannte. Schlimme Krankheiten zogen durch das Land
und infizierten die Menschen. Kriege und Auseinandersetzungen herrschten. Ritter
aus verschiedenen Königreichen kamen im Dorf vorbei, um sich zu stärken und
von ihrer langen Reise zu erholen, bevor sie weiterritten.
Ihr Vater war ein gewöhnlicher Bauer. Und wie viele andere Bauern
konnte auch er bald die ständig wachsende Steuer nicht mehr zahlen. Juana wußte,
was das bedeutete. Ihr Vater würde großen Ärger bekommen, den er sich
wahrhaft nicht leisten konnte. Björn versuchte seine Familie nicht damit zu
belasten. Er verschwieg seine Sorgen seiner Frau Marian und seinen beiden Töchtern.
Seine jüngste Tochter Anna war noch im Kinderalter. Sie war gerade einmal acht
und würde es nicht verstehen, was ihn so sehr beschäftigte. Juana war schon
eine erwachsene Frau. Doch er hatte ihr nie die Wahrheit über ihre Herkunft erzählt.
Marian und er hatten Juana als Baby im Wald gefunden und sie zu sich genommen.
Sie liebten sie wie ihr eigenes Kind.
Die Dunkelheit brach über das Dorf herein. Mit dem kühlen Zug des
Windes kamen sechs Ritter an. Die Pferde waren erschöpft. Es war
offensichtlich, daß sie eine lange Reise hinter sich hatten. Die Menschen im
Gasthaus gewährten ihnen Unterschlupf. Juana stand am Brunnen, um Wasser zu
holen, das ihre Mutter brauchte. Doch auf einmal spürte sie einen brennenden
Blick auf sich. Vorsichtig hob sie den Kopf und sah sich um.
Vor dem Gasthaus stand – an einen Pfosten gelehnt – ein fremder
Ritter, der mit der letzten Gruppe gekommen war. Er hatte eine dominante, gefährliche
Ausstrahlung. Der Ritter war von schlanker, aber muskulöser Gestalt mit
schulterlangen braunen Haar und braunen, dunklen Augen. Eine Narbe zierte sein
rechtes Auge. Er lächelte nicht, sondern blickte sie nur an. Juana mochte das
überhaupt nicht. Viele Ritter beobachteten sie, wenn sie sich im Dorf bewegte.
Sie haßte dies. Es wäre ihr lieber die Ritter würden weiterziehen.
Kronos beobachtete die junge Frau, die stolz ihr Kinn vorschob und sich
wieder um ihre Arbeit kümmerte. Sie war eine zarte, verführerische Blüte. Und
ein Geheimnis umgab sie. Ein Geheimnis, das nur er kannte. Sie konnte es nicht
wissen. An der Art wie sie sich bewegte und ihre Arbeit machte, sah er, das sie
keinen blassen Schimmer hatte, wer sie wirklich war. Kronos hatte es sofort gespürt
als er sie gesehen hatte.
Dieses schwache, ihm so bekannte Gefühl hatte ihn erfaßt. Es war
dieses Gefühl, das er bekam, wenn jemand seiner Art in der Nähe war. Der
ehemalige apokalyptische Reiter wußte, daß sie sich für eine Sterbliche
hielt, die nichts besonderes an sich hatte. Doch sie hob sich aus den Menschen
dieses Dorfes hervor. Sie hatte keine Ahnung von ihrer Unsterblichkeit. Sie wußte
nichts von der Macht, die in ihr schlummerte und nur darauf wartete, erweckt zu
werden. Er wollte wissen wie sie auf ihn reagierte, deshalb verließ er nicht
den Holzpfosten, an dem er lehnte. Seine Anwesenheit – sein scharfer Blick –
machte sie nervös. Er sah es ihr an.
Reiß dich zusammen, ermahnte Juana sich im Stillen selbst. Sie trug den
Eimer Wasser zu ihrer Mutter. „Danke, mein Kind“, sprach Marian mit einen
leichten Lächeln. „Kann ich dir sonst noch irgendwie helfen?“ „Ja. Würdest
du bitte das Holz zum Aufwärmen aus dem Schuppen holen?“ „Natürlich,
Mutter.“ Juana legte sich ein Tuch um die Schultern und verließ ihr
Elternhaus aufs Neue. Wie von selbst glitt ihr Blick zum Gasthof. Der Ritter
stand noch immer da, wo er vor wenigen Minuten noch gestanden hatte.
Doch diesmal legte sich ein selbstgefälliges Grinsen über seine
Lippen. Spielerisch deutete er eine Verbeugung an. Juana ignorierte diese Geste
und öffnete die Tür zur Scheune. Ihr Vater lagerte hier das Holz, damit es
nicht naß werden konnte. Sie hatte eine Öllampe dabei, um nicht in völliger
Dunkelheit herum zu tasten und womöglich zu stürzen. Gerade, als sie nach dem
Holz griff, packte eine Hand sie an der Taille. Entsetzt schrie Juana auf. Doch
ihr Schrei wurde von einer weiteren Hand erstickt, die sich über ihren Mund
legte.
„Nicht schreien, Süße“, flüsterte eine Männerstimme an ihrem
Ohr. Juana wollte mit der Öllampe nach ihrem Angreifer schlagen, doch er
erkannte ihre Absicht. Er umfaßte mit harten Griff ihr Handgelenk und nahm ihr
die Lampe aus der Hand. „Nein, du wirst mich nicht schlagen“, gab er ihr zu
verstehen. Sein Tonfall war schmeichelnd, beruhigend. Doch es schien nicht echt
zu sein.
Juana spürte seinen heißen Atem in ihren Nacken, seine rauhen Hände
an ihren Körper. Sie nahm wahr wie sich sein Körper an ihren schmiegte. Dieser
Mann schien die lautlosen und –schnellen Bewegungen eines Raubtieres zu haben.
Sie hatte ihn nicht kommen gehört. Was wollte er? Was hatte er mit ihr vor?
Wollte er ihr ein Leid antun? Angst kroch in ihren Nacken und breitete sich in
ihren ganzen Körper aus.
„Ich werde dich jetzt loslassen. Du wirst ein braves Mädchen sein und
nicht schreien, einverstanden?“ Langsam nickte Juana. Die Hand entfernte sich
von ihrem Mund. Der Mann drehte ihr den Rücken zu und stellte die Öllampe auf
einen alten, knorrigen Sessel. Als er ihr das Gesicht zudrehte, erkannte Juana
ihn. Er war der Ritter, der sie die ganze Zeit beobachtet hatte. Unwillkürlich
fragte sie sich, woher er die Narbe hatte. Doch trotz seiner rauhen Art, seines
harten Aussehens, hatte er eine sehr starke, männliche Ausstrahlung.
„Was ... was wollt Ihr von mir, Sir?“ fragte Juana mit zitternder
Stimme. Er trat einen Schritt auf sie zu. Ängstlich wich sie vor ihm zurück.
Dies kommentierte er mit einen amüsierten Lachen. „Du brauchst keine Angst
haben. Ich tue dir schon nichts“, erklärte er. „Wer ... wer seit Ihr?“
„Mein Name ist Kronos. Wie heißt du?“ „Juana.“ „Ich habe dich
beobachtet, Juana. Uns verbindet etwas“, sprach er geheimnisvoll. „Was könnte
ein einfaches Bauernmädchen mit einen Ritter Eures Standards verbinden?“
fragte sie. Sie sah an seiner Kleidung, das er ein Ritter höheren Ranges war.
„Mehr als du denkst, meine Schöne. Du bist von meiner Art.“ „Was
meint Ihr damit?“ „Komm her. Tritt ans Licht. Ich zeige dir, was ich
meine“, forderte Kronos sie auf. Er winkte sie heran. Zögernd trat Juana nahe
ans Licht, nahe zu ihm. Er zog sein Schwert. „Du gehörst nicht unter diese
Menschen. Nein, du bist keine von ihnen“, sprach Kronos, dann schnitt er sich
eine Wunde in die Handfläche. Entsetzt beobachtete Juana, was mit ihm geschah.
Blaue, kleine Blitze durchzuckten die Wunde und schloß sich. Innerhalb
von Sekunden war die Haut wieder unversehrt – so als hätte er sich nie
geschnitten. „Was ... was ist das für ein Zauber?“ fragte Juana schockiert.
Unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück. Angst tauchte in ihren Augen auf.
„Das ist kein Zauber. Auch du hast es in dir. Du bist von meiner Art. Du bist
unsterblich. Du bist keine Sterbliche, Juana. Du bist wie ich unsterblich“,
erklärte er ihr. Juanas Gesichtsausdruck zeigte Kronos, das sie ihm nicht
glaubte.
„Die Macht in dir ist noch nicht erweckt“, sprach Kronos weiter.
„Das ist nicht wahr. Ihr lügt“, flüsterte Juana. Ein breites Grinsen
huschte über sein Gesicht. „Sie haben dir nie erzählt, daß du nicht ihre
Tochter bist? Interessant.“ „Wie könnt Ihr es wagen? Ihr wißt nichts von
mir oder meiner Familie.“ Kronos trat auf sie zu. Juana wollte ihm ausweichen,
doch er packte sie am Ellbogen und zog sie an sich.
„Du hast Glück mich getroffen zu haben. Wenn ich kein Interesse an
dir hätte, würde ich dir jetzt den Kopf abschlagen.“ „Wie bitte?“ Juanas
Stimme wurde eine Oktave höher. „Man kann Unsterbliche nur töten, wenn man
sie enthauptet. Alles andere tötet dich nur für eine kurze Zeit. Du wachst
danach wieder auf.“ Kronos sah in ihren Augen, das sie Angst vor ihm hatte.
Sie fürchtete ihn und die Worte, die er sagte. Kronos faßte einen Entschluß.
Sie war jung und schön. Sie konnte von ihm lernen. In vieler Hinsicht, dachte
er grinsend.
„Wenn deine Macht nicht erweckt wird, wirst du nicht lange leben. Du
wirst wie ein Sterblicher sterben“, sprach er. „Ich bin ein normaler Mensch.
Ich bin nicht unsterblich.“ Kronos lachte über ihre Torheit. „Das glaube
alle Unsterbliche einmal. Das dachte ich auch einst. Aber es ist eine Fehleinschätzung,
Süße.“ „Hört auf, mich so zu nennen, Sir“, forderte Juana. „Du wirst
deine wahre Identität schnell akzeptieren“, sprach Kronos. Juana sah, wie es
in seinen Augen aufblitzte.
Er hatte etwas vor, das erkannte sie. Ihre Nackenhaare stellten sich
auf. Eine unglaubliche Kälte lief plötzlich durch ihren Körper. Im nächsten
Moment zog Kronos seinen Dolch und ehe Juana reagieren konnte, hatte er ihr den
Dolch ins Herz getrieben. Gequält stöhnte Juana auf. „Keine Sorge, Süße,
du wachst wieder auf. Das erste Mal ist immer sehr schmerzhaft“, hörte sie
aus der Ferne Kronos‘ Stimme. Sie fühlte, wie sie schwächer wurde, wie ihre
Kraft schwand. Es war, als würde ihr jemand die Lebensenergie rauben. Bevor
Juana in ein tiefes schwarzes Loch fiel, fühlte sie, wie Kronos sie hochhob.
Dann verschwamm alles vor ihr ...
[Gegenwart]
Leicht schüttelte Juana den Kopf. Sie öffnete die Tür ihres Balkons
und ließ die frische Luft in ihr Apartment. Die Spaghetti waren fertig und sie
setzte sich damit auf den Balkon. Sie hatte dort einen Tisch und zwei Stühle,
wo sie bei schönen Wetter immer gern saß und ihr Mittagessen zu sich nahm.
Juana schaltete das Radio ein und lauschte der Musik. Warum denke ich
ausgerechnet jetzt an Kronos? dachte sie, als sie sich ein Glas Weißwein gönnte.
Juana verstand das nicht. Sie war jetzt über siebenhundert Jahre alt.
Sie hatte gelernt ohne Kronos zu leben. Das Leben im alten England war nicht
immer einfach gewesen. Und das Leben mit ihm war es auch nicht gewesen. Kronos
war mehr gewesen als nur ihr Lehrer. Er war ihr Beschützer und Liebhaber
gewesen. Ja, er hatte ihr wirklich alles beigebracht. Juana schloß die Augen
und genoß die Mittagssonne auf ihrer Haut. Was war wohl aus ihm geworden? Was
tat Kronos im Augenblick?
Zur selben Zeit landete am Flughafen Lissabons eine Maschine, die aus
Kairo kam. Die Passagiere tummelten sich über die Gangway. Die Menschen waren
in Eile und wollten so schnell wie möglich weiter. Es waren vor allem die Geschäftsleute,
die aus beruflichen Gründen in Portugal waren und keine Zeit hatten, sich zu
entspannen. Der Jet-Leg spielte bei diesen Leuten keine Rolle. Müdigkeit
konnten sie sich nicht leisten. Ein Passagier jedoch, der gerade aus Ägypten
kam, hielt nicht viel von dieser Hektik.
Langsam schritt er über die Gangway in die Flughafenhalle. Er
durchquerte sie und als er durch die Glastüren trat, prallte ihm die Frühlingssonne
entgegen, die den Asphalt erhitzte. Er schulterte seine Tasche und pfiff ein
Taxi an den Straßenrand. „Zum Golden Hotel“, orderte er an als sich das
Taxi in Bewegung setzte. Der Mann blickte aus dem Fenster. Er hatte lange
gebraucht, um sie zu finden. Doch jetzt war es endlich soweit. Er hatte
Jahrhunderte gebraucht, um zu erfahren, wo sie sich aufhielt. Er wandte sein
Gesicht dem Rückspiegel zu und grinste breit. Ich bin schon neugierig auf
Juanas Reaktion, wenn sie mich sieht, dachte Kronos amüsiert.
~ 2. ~
Das Golden Hotel gehörte zu den teuersten Hotels in Lissabon. Für
Kronos war dieser Luxus nur gut genug. Kronos hatte ein großes Zimmer mit einer
wunderbaren Aussicht auf die Stadt reserviert. Doch es war nicht die Aussicht,
die ihn interessierte. In dieser Stadt hielt sich Juana auf. Er blickte aus dem
Fenster. Sie war irgendwo in diesen Großstadtdschungel. Er brauchte sie nur
noch ausfindig machen. Aber das stellte kein Problem für ihn dar.
Kronos griff nach dem Telefon und wählte die Nummer der portugiesischen
Auskunft. „Ich brauche eine Adresse“, erklärte er der Dame am anderen Ende
der Leitung. „In welcher Stadt?“ „Lissabon.“ Einen kurzen Augenblick überlegte
Kronos. Welchen Nachnamen hatten sich Juana wohl zugelegt? Wenn sie noch so
berechenbar war, wie er sie in Erinnerung hatte, würde sie noch immer den Namen
ihrer Familie tragen. „Die Frau heißt Juana Shenantin“, teilte Kronos der
Dame von der Auskunft mit. Er hörte, wie sie am anderen Ende der Leitung den
Namen in ihren PC eintippte. Einige Minuten später gab sie Kronos die Adresse
durch. Er unterbrach das Gespräch ohne sich zu bedanken.
Der ehemalige Anführer der vier apokalyptische Reiter ging ins
Badezimmer, das an das Schlafzimmer angrenzte. Das Schlafzimmer war groß und
ein breites Bett stand in der Mitte, daneben stand ein Nachttisch aus Mahagoni
und mit goldenen Rändern. Ein breiter Kleiderschrank und eine fein geschnitzte
Kommode zierten das Zimmer weiter. In einer Ecke stand ein Sofa, ein
Polstersessel und ein niederer Glastisch. Dazu gab es noch eine kleine Minibar,
die sich unter dem Fernsehtisch befand.
Eine Sofagarnitur fand man auch auf dem großen Balkon. Das Badezimmer
hatte eine Duschkabine und eine Badewanne. Die Griffe waren vergoldet und ein
großer Spiegel hing über der Spüle. Kronos ging unter die Dusche. Er hatte es
nicht eilig. Er hatte Zeit, um Juana gegenüberzutreten. Kronos würde sich erst
einmal ausschlafen und erst am nächsten Morgen aktiv werden. Da er seinen Plan
schon vor Wochen ausgearbeitet hatte, konnte er unbeirrt bis zum nächsten Tag
schlafen. Alles war vorbereitet.
Am nächsten Morgen zwitscherten die Vögel ein fröhliches Lied. Juana
genoß das warme Wetter und schlenderte am Hafen entlang. Das Wasser schlug
gegen die Wände der Schiffe, die dort vor Anker lagen. Obwohl es erst früh
war, herrschte schon reger Betrieb. Die Menschen gingen ihrer Arbeit am Hafen
nach, andere gingen spazieren. Juana ging gern dort entlang. Sie liebte das Meer
und konnte es stundenlang beobachten.
Plötzlich spürte sie ein altbekanntes Gefühl. Wie versteinert blieb
sie stehen und ließ ihren Blick langsam über den Hafen gleiten. Sie tastete
jeden Winkel mit ihren Augen ab. Da wurde das Gefühl wieder schwächer. Aber
Juana war sich sicher: Es war ein Unsterblicher in der Nähe. Und er schien sich
wieder zu entfernen. Schon lange hatte Juana nicht mehr die diese Präsenz
gefühlt. Allerdings war es auch töricht zu glauben, die einzige
Unsterbliche in Lissabon zu sein.
Obwohl der Buzz schwächer wurde, verschwand sie nicht ganz. Jemand
schien mit ihr zu spielen. Juana griff nach ihrem Schwert, das sie verborgen
unter ihrem Mantel trug. Als sie den Griff ertastete, fühlte sie sich etwas
erleichterter. Eine der ersten Lektionen, die Kronos ihr beigebracht hatte, war:
Sei immer bereit für einen Kampf. Langsam setzte Juana ihren Weg fort. Wer
immer der fremde Unsterbliche war, er schien es darauf anzulegen, mit ihr zu
spielen. Es schien ihm Spaß zu machen.
Jedoch fand Juana diese Sache nicht sehr komisch. Sie konnte nicht
orten, wo sich der fremde Unsterbliche aufhielt. Die Präsenz hielt an. Wo zum
Teufel war dieser Kerl nur? Erneut wurde das Gefühl stärker. Er schien sich
ihr wieder zu nähern. Ein schwerer Seufzer entrang sich Juanas Kehle. Sie
konnte Unsterbliche, die so mit ihren Gegner spielten, nicht leiden. Es
erinnerte sie zu sehr an den Mann, der sein Wissen an sie weitergegeben hatte.
Juana wartete noch ein paar Sekunden ab, dann blieb sie stehen. Mit einer Hand
faßte sie unter ihren Mantel, obwohl ein Kampf bei den vielen Leuten am Hafen
nicht stattfinden würde. Aber es gab ihr Sicherheit.
Dann wandte sich Juana um. Aus der Menge stach ihr sofort ein Mann ins
Auge. Unwillkürlich wich Juana einen Schritt zurück. Sie atmete tief ein und
stieß die Luft dann um so heftiger aus. Da stand er – zirka fünf Meter von
ihr entfernt. Er stand an einer Bank und grinste zufrieden vor sich hin. Juana
konnte sich nicht mehr bewegen. Sein Anblick war zuviel für sie. Sie hatte das
Gefühl, daß ihr der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Sie glaubte, in
die Hölle zu fallen, ohne die Möglichkeit zu haben, sich zu retten.
Er war es eindeutig. Seine schulterlangen Haare waren verschwunden. Er
trug sie jetzt kurz. Er war mit schweren, schwarzen Stiefeln, einer schwarzen
Lederhose und einen dunklen Shirt bekleidet. Darüber trug er eine schwere,
schon etwas ältere Lederjacke. Die Narbe war noch immer da. Juana schien ihr
Kraft zu verlieren. Es war Kronos. Leibhaftig stand er da und beobachtete sie amüsiert.
Kronos schien zu gefallen, wie er sie mit seiner bloßen Anwesenheit aus der
Fassung brachte. Er machte keinen Schritt auf sie zu; bewegte sich nicht.
Ein Bein hatte er auf der Bank abgestützt, aber er tat nichts. Kronos
sah sie nur an. Ein breites Grinsen huschte über sein Gesicht. Juana wußte
nicht, wie sie nun reagieren sollte, was sie tun sollte. Was tat er hier? War er
wegen ihr hier oder war es nur Zufall? Energisch schüttelte sie den Kopf. Nein,
das war kein Zufall. Ihr Instinkt wußte, er war hier, um sie zu sehen. Seine
Anwesenheit hatte nur mit ihr zu tun.
Doch warum? Wollte er ihren Kopf? Wollte er sie bestrafen? Hatte er vor,
sie zu töten – aus Rache, weil sie ihn ohne ein Wort verlassen hatte? Noch
immer bewegte Kronos sich nicht auf sie zu. Im Gegenteil – Er setzte sich auf
die Bank und machte sich offensichtlich über ihre Reaktion lustig. Als sich
ihre Blicke trafen, las Juana in seinen Augen, an was er dachte. Und auch in ihr
wurde die Erinnerung wach – an das, was geschehen war als sie in seiner Burg
aufgewacht war ...
[Mittelalter - Jahr 1288]
Ein quälendes Stöhnen drang über Juanas Lippen. Stechende Schmerzen
zogen sich durch ihren Oberkörper. Sie fühlte sich so anders – wie in
Trance, schwerelos. „Mach die Augen auf, Süße“, drang eine rauhe Stimme an
ihr Ohr. Doch sie wollte das nicht tun. Sie wollte in diesen schwerelosen
Zustand bleiben. „Ich weiß, das du wach bist. Also öffne deine Augen.“
Schwer hoben sich Juanas Lider. Sie blickte in das Gesicht des Ritters aus ihrem
Dorf. Verwirrt blickte sie Kronos an.
„Ich sagte doch, beim ersten Mal tut es immer besonders weh“, erklärte
er. Stöhnend setzte sie sich auf. Der Schmerz in ihrer Brust wurde stärker.
Juana hustete stark. Was war geschehen? Und wo war sie? Kronos hielt ihr einen
Becher Wein hin. „Hier, trink das. Das hilft.“ Sie nahm den Becher an und
trank einen Schluck. Nun blickte sie sich um. Sie lag auf einen Bett mit vielen
Decken und Fellen. Das Zimmer war nicht sehr prunkvoll eingerichtet. Zwei Truhen
standen in einer Ecke. Es gab zwei Stühle und einen einfachen Kasten. Durch
drei Fenster schien der Mond in das Zimmer.
„Wo ... wo bin ich?“ fragte sie mit schwacher Stimme, die leicht
erzitterte. „In meiner Burg, deinen neuen zu Hause“, erwiderte Kronos mit
einen gleichgültigen Schulterzucken. „Meinen was?“ Ein breites Grinsen
huschte über sein Gesicht. „Du gehörst nicht zu deiner sogenannten Familie.
Du hast nie zu ihnen gehört. Du brauchst jetzt jemanden, der dir beibringt zu kämpfen
und zu überleben.“ Bitter lachte Juana auf. „Du glaubst meinen Worten noch
immer nicht?“ Verneinend schüttelte sie den Kopf.
„Gib mir deine Hand“, forderte er. Unsicher blickte Juana ihn an und
tat es. Kronos nahm seinen Dolch und schnitt ihr eine Wunde in die Handfläche.
Was sie bei ihm gesehen hatte, wiederholte sich nun bei ihr. Entsetzt starrte
Juana auf ihre Haut, wo soeben noch Blut geflossen war. Das konnte nicht sein.
Er hatte die Wahrheit gesprochen. Ihr Leben ... ihr ganzes Leben ... es war
nicht das, was sie einmal geglaubt hatte. Wer bin ich? fragte sie sich unwillkürlich.
Heftig sprang Juana auf. Sie vergaß ihre Schmerzen, doch die holten sie
schnell in die Realität zurück. Sie schwankte unter den pochenden Schmerz in
ihrer Brust. Kronos fing sie auf. „Nicht so schnell. Das erste Mal dauert es
bis sich der Körper an die Unsterblichkeit – an deinen ersten Tod – gewöhnt
hat. Du brauchst Ruhe. Wenn du morgen aufwachst, sind die Schmerzen vorbei. Dann
kann ein neues Leben für dich beginnen.“ „Mein ganzes Leben war eine Lüge“,
flüsterte Juana. Sie sprach nicht zu Kronos, sondern zu sich selbst.
„Das ist eine Feststellung, die jeder einmal macht“, erklärte
Kronos locker. Eindringlich blickte er sie an. „Du brauchst deinen alten Leben
nicht nachtrauern. Dazu hast du keinen Grund. Du hast bei einer armen
Bauernfamilie gelebt. Aber vor dir liegt ein Leben, das du dir nicht vorstellen
kannst. Du kannst dir dieses Leben nicht einmal vorstellen. Aber ich werde es
dir zeigen und dir alles beibringen, was du wissen mußt. Dafür will ich jedoch
eine Kleinigkeit“, teilte er ihr mit.
Skeptisch blickte Juana ihn an. „Und was?“ fragte sie zögernd nach.
„Tue, was ich dir sage und du wirst kein Problem mit mir haben. Solange du
dich an diesen Grundsatz hältst, wird dir nichts geschehen. Verstehen wir
uns?“ Langsam nickte Juana. Sie sank in die Kissen des Bettes zurück. Kronos
betrachtete sie. Sie würde eine gute Geliebte abgeben, dessen war er sich
sicher. Doch das mußte warten. Sie brauchte Ruhe um sich von ihren ersten und
schmerzhaften Tod zu erholen ...
[Gegenwart]
Fassungslos starrte Juana ihren ehemaligen Lehrer an. Sie konnte nicht
glauben, daß er hier war. Am liebsten würde sie auf der Stelle umdrehen und
weglaufen. Der Drang vor ihm zu fliehen wurde immer stärker. Aber wenn er sie
hier am Hafen gefunden hatte, würde er wahrscheinlich auch wissen, wo sie
wohnte. Er würde sie dort aufsuchen und notfalls die Tür eintreten, wenn sie
ihn nicht rein ließ. Das würde ihm ähnlich sehen. Reiß dich zusammen,
beschwor Juana sich selbst.
Er war dein Lehrer. Er war einmal mehr als das. Ich habe nicht nur einen
Teil meines Lebens mit ihm verbracht. Ich habe auch das Bett mit ihm geteilt,
dachte Juana und straffte die Schultern. Kronos schien nur darauf zu warten, daß
sie zu ihm kam. Er machte keine Anstalten zu ihr zu gehen. Kronos schien sich
nicht einmal von der Bank erheben zu wollen. Juana wußte, es war nicht klug,
jetzt vor ihm zu fliehen. Das würde ihm nur zeigen, daß sie Angst vor einer
Begegnung mit ihm hatte. Also nahm Juana ihren ganzen Mut zusammen und ging auf
ihn zu.
Kronos hatte die Beine von sich gestreckt. Er blickte zu Juana auf als
sie vor ihm stand. „Ich dachte schon, du willst abhauen“, spottete er.
„Hallo Kronos“, sprach sie so ruhig, wie ihr das möglich war. Mühsam rang
sie sich ein Lächeln ab. „Du würdest am liebsten abhauen, habe ich recht?“
Langsam erhob er sich von seinen Platz. „Du siehst gut aus, Süße.“ „Was
willst du hier?“ seufzte Juana. „Ich habe dich gesucht – eine lange
Zeit.“ Unsicher blickte Juana zu Boden. Doch dann hob sie entschlossen den
Blick.
„Du hast mich ohne ein Wort verlassen“, stellte er klar und in
seinen Augen blitzte es wütend auf. „Kronos, ich ...“ „Niemand verläßt
mich, wenn ich es nicht will. Du bist einfach gegangen, Juana. Ich möchte gern
wissen warum.“ „Aber deshalb suchst du mich doch nicht über
Jahrhunderte“, protestierte sie. „Was glaubst du eigentlich, wie überrascht
ich war, als ich damals aufgewacht bin und festgestellt habe, daß du fort
bist?“ Kronos ging einmal um sie herum – wie ein Raubtier, das sein Opfer
belauerte, bevor es angriff.
„Ich kann dir das erklären ...“, begann sie hilflos. „Das wirst
du auch. Aber jetzt noch nicht. Ich habe dich beobachtet. Du hältst dich an
das, was ich dir beigebracht habe“, sprach Kronos. „Es ist nicht so, Kronos,
das ... ich mußte einfach weg. Ich habe nie geschmälert, was du mich gelehrt
hast. Ohne dich hätte ich wohl kaum solange überlebt.“ „Hör sich das
einer an! Suchst du eine Entschuldigung, warum du einfach gegangen bist?“ Es
war offensichtlich, daß er sie verspottete und sich erneut über sie lustig
machte.
„Und was hast du jetzt vor, Kronos? Was willst du tun? Willst du
meinen Kopf? Ich mag deine Spielchen nicht.“ „Du hast meine Spielchen nie
gemocht. Dabei macht es so einen Spaß.“ „Nur du empfindest so etwas als Spaß“,
sprach Juana kopfschüttelnd. „Um auf deine Frage zurück zu kommen, Juana:
Ich weiß noch nicht, ob ich deinen Kopf will. Das kommt ganz darauf an.“
„Worauf?“ fragte sie skeptisch. Sie traute Kronos nicht. Sie wußte, wie
unberechenbar er sein konnte.
„Das wirst du noch erfahren. Kennst du das Restaurant De Angelo?“
Leicht nickte Juana. „Ich warte dort auf dich, um acht Uhr. Sei bitte pünktlich.
Du weißt ...“ „Ja, ich weiß. Du magst keine Unpünktlichkeit“, schnitt
Juana ihm das Wort ab. „Und wenn ich nicht komme? Wenn ich kein Interesse
habe?“ „Dann komme ich bei dir vorbei und verschaffe mir mit Gewalt
Zutritt.“ In seinen Augen funkelte es gefährlich auf. Sie wußte, er meinte
es ernst. „Ich komme“, sprach sie nur. Kronos grinste breit. „Bis später.“
Er drehte sich einfach um und ging. Juana war verwirrt. Was hatte das alles zu
bedeuten?
~ 3. ~
Unschlüssig stand Juana vor dem Restaurant. Genervt blickte sie auf
ihre Armbanduhr. Es war zehn nach acht Uhr abends. Kronos ließ sie warten.
„Ich wußte, das ist wieder eines seiner Spielchen“, schimpfte Juana.
Gerade, als sie im Begriff war, zu gehen, vernahm sie seine Stimme hinter ihr
und spürte den Buzz. „Wo willst du den hin?“ Kronos trat auf sie zu. „Ich
war pünktlich – wie du es verlangt hast. Aber ich hätte mir denken können,
daß du mich warten läßt“, erwiderte Juana bissig.
Im Gegensatz zu ihr hatte er sich nicht umgezogen. Juana selbst mochte
es nicht, unpassend gekleidet in einen Restaurant zu erscheinen. Kronos jedoch
war so etwas wie Anstand egal. Er unterzog sie einer eindeutigen Musterung.
Juana trug ein schwarzes Abendkleid. Es reichte ihr bis zu den Knien und die Träger
waren im Rücken gekreuzt. Dazu trug sie Netzstrümpfe, wie er erkannte, und
hochhackige, schwarze Schuhe. „Ich bin beeindruckt. Willst du mich besänftigen
oder was hat dieser Aufzug für einen Sinn?“ fragte er amüsiert.
Ein kaltes Lachen entrang sich seiner Kehle. Es klang genauso wie früher.
Juana wurde ungeduldig. Sie wollte dieses Abendessen endlich hinter sich
bringen. „Wolltest du mich nicht zum Essen einladen?“ Abschätzend schüttelte
Kronos den Kopf. „Noch immer so ungeduldig? Was habe ich dir mehr als tausend
Mal gesagt?“ Strafend blickte er sie an. Juana rollte genervt mit den Augen.
„Übe dich in Geduld, wenn du an dein Ziel kommen willst“, sprach sie.
„Wenigstens hast du es nicht vergessen. Aber du warst ja schon immer
eine ungeduldige Person. Alles mußte sofort gehen. Wo ist dein Schwert?“
hakte er nach. „Zu Hause“, teilte Juana ihm freimütig mit. „Das ist sehr
nachlässig.“ „Kronos, hier gibt es außer mir keine Unsterblichen – nicht
so fern ich weiß. Und ich glaube kaum, daß du mich ausgerechnet jetzt
enthaupten wirst.“ „Woher willst du das wissen?“ „Weil du gerne mit mir
spielst?“ gab Juana schnippisch zurück und schlenderte auf den Eingang des
Restaurants zu.
Sie hatten einen exklusiven Tisch im hinteren Teil des Restaurants
bekommen. Der Kellner hatte ihnen ihre Bestellung gebracht und sich verzogen.
„Was willst du hier?“ fragte Juana, während sie einen Bissen von ihren
Fisch nahm. „Was denkst du, was ich hier will?“ gab Kronos rauh zurück.
„Woher soll ich das wissen? Kann ich deine Gedanken lesen?“ „Niemand kennt
mich so gut wie du, Juana. Nicht einmal meine Brüder kennen mich so gut“,
teilte er ihr mit.
„Kronos, bitte! Verschone mich mit deinen Geschichten über deine
apokalyptischen Reiter. Die kenne ich zur Genüge. Ich kann das nicht mehr hören“,
wies Juana ihren Lehrer zurecht. Ein leises Stöhnen entrang sich ihrer Kehle.
Kronos nahm einen Schluck des Weines, den er bestellt hatte, und blickte sie
nachdenklich an. „Früher wolltest du es hören. Du konntest nicht genug von
diesen Geschichten kriegen.“ „Ich bin nicht mehr so. Ich habe mich verändert“,
erwiderte Juana. Kronos entkam ein leises Kichern.
„Warum lachst du?“ fragte Juana irritiert. „Ich kann nicht
glauben, das du dich verändert hast. Du warst einmal ein Ebenbild von mir.
Sicher, du warst immer ... zögerlich. Du hast dir am Anfang schwer getan
unschuldige Menschen zu töten. Aber du hast es getan – mir zuliebe.“ „Das
ist vorbei. Ich habe mich weiter entwickelt. Ich weiß jetzt, wer ich wirklich
bin, Kronos“, teilte Juana ihm mit. „Tatsächlich? Dann sag mir doch einmal,
wer du bist“, forderte er sie mit scharfen Blick heraus.
Juana hielt seinen Blick stand. Sie war nicht gewillt nachzugeben.
„Ich bin nicht mehr das naive Mädchen, das alles tat, um dich glücklich zu
machen. Ich laß mich nicht mehr herum kommandieren. Ich bin eine eigenständige
Frau, Kronos. Auch wenn du es nicht glaubst, ich komme ganz gut ohne dich aus.
Ich brauche dich nicht mehr.“ „Da magst du recht haben. Wenn es um das Kämpfen
geht, benötigst du meine Hilfe nicht, aber ... in anderer Hinsicht brauchst du
mich schon noch.“ „Ach ja? In welcher Hinsicht könnte ich dich noch
brauchen?“ fragte sie argwöhnisch.
Ein selbstgefälliges Grinsen huschte über Kronos‘ Lippen. Dann fühlte
Juana wie sein Fuß an ihren Bein hoch strich. „Laß das, Kronos!“ zischte
sie mit blitzenden Augen. „Wieso? Sag bloß, ich habe keine Wirkung mehr auf
dich?“ „Stell dir vor – nein.“ „Wirklich nicht? Du enttäuscht mich, Süße.“
„Hör endlich auf mich Süße zu nennen, verdammt“, knurrte Juana zornig.
Kronos sah, wie ihr Temperament entfacht wurde. Sie legte es darauf an mit ihm
zu streiten.
Er beugte sich vor und flüsterte: „Wenn ich wollte, könnte ich dich
jetzt auf den Tisch werfen und dich nehmen. Du würdest bereitwillig mitmachen
und alles genießen, was ich mit dir machen würde.“ „Das bildest du dir nur
ein! Wenn du meinen Kopf willst, solltest du es hinter dich bringen. Ansonsten
tust du uns beiden einen Gefallen, wenn du einfach wieder verschwindest“,
sprach Juana. Sein Blick war starr und sein Gesicht zeigte keine Regung. Juana
konnte nur ahnen, was er jetzt dachte. Sie wußte, das es nicht klug war, ihn
herauszufordern. Doch ihr Wiedersehen brachte sie durcheinander. Sie hatte nicht
damit gerechnet ihn jemals wiederzusehen.
Amüsiert prostete Kronos ihr mit dem Weinglas zu. „Ich wüßte zu
gern, was jetzt in deinen Kopf vorgeht“, meinte er. „Du mußt nicht alles
wissen“, blockte Juana ab. „Ich kenne dich. Du kannst nichts vor mir
verheimlichen. Du weißt nicht, was du nun tun sollst. Unser Wiedersehen wühlt
dich auf.“ Juana stöhnte leise. „Kann man vor dir gar nichts verbergen?“
„Nein, dir ist das noch nie gelungen. Ich kenne dich in- und auswendig.“
Wieder fühlte sie seinen Fuß an ihrem Bein. Kurz entschlossen zog Juana ihre
Beine ein und rückte mit dem Stuhl ein Stück zurück. Kronos lachte vergnügt.
„Sag bloß, du fühlst dich dadurch bedrängt?“ „Ja, das tue
ich.“ Juana warf einen Blick auf ihre Uhr. Wann würde dieser Abend endlich
enden? „Willst du mich loswerden?“ fragte Kronos. „Ehrlich gesagt, habe
ich das vor. Oder hast du noch etwas mit mir zu besprechen?“ „Hm ... im
Moment nicht. Was hast du morgen vor?“ erkundigte er sich. „Etwas, was ich
ohne dich mache“, erklärte Juana bissig. „Du könntest dir sicher ein, zwei
Stunden Zeit für mich nehmen, oder?“ „Warum sollte ich das tun?“ „Ich
will mit dir trainieren.“ „Danke, kein Interesse.“ „Ich hole dich morgen
von zu Hause ab.“ „Ich sagte ...“ „Ich weiß. Aber ich überzeuge mich
gern selbst“, fiel Kronos ihr ins Wort. Er rief nach dem Kellner und beglich
die Rechnung.
„Bin ich nun entlassen?“ fragte Juana mißtrauisch als Kronos ihr
ein Taxi an den Straßenrand pfiff. „Vorerst einmal.“ „Ich habe morgen
keine Zeit. Um genau zu sein, Kronos, ich habe für dich keine Zeit.“ „Weißt
du was? Das interessiert mich nicht.“ „Warum wundert mich das nicht?“ gab
Juana ironisch zurück. „Du hast deinen Humor zurück. Das freut mich. Ich
dachte nämlich schon, daß meine Anwesenheit dich so schockiert hat, das du mir
gegenüber wie ein scheues Reh bist. Das wäre schade gewesen“, spottete
Kronos.
„Du nervst mich, Kronos. Wenn du kein Duell mit mir willst ... Warum
bist du dann hier?“ „Erfährst du noch“, blockte Kronos ab. Der Taxifahrer
stieg aus. „Entschuldigung, aber können wir dann fahren? Es gibt noch andere
Fahrgäste.“ „Ich komme.“ Der Fahrer stieg wieder ein und wartete. „Ich
geh dann mal. Danke für die Einladung.“ Juana öffnete die hintere Wagentür.
Da packte Kronos sie an der Taille und zog sie zu sich. Ehe sie reagieren
konnte, hatte er sie leidenschaftlich geküßt. „Morgen, elf Uhr. Vergiß
unser Training nicht“, sprach er, dann ließ er sie los. Betäubt stieg Juana
in den Wagen und gab den Taxifahrer ihre Adresse durch. Sie drehte sich noch
einmal um und blickte Kronos nach wie dieser in der Dunkelheit davon ging.
In ihrer Wohnung war es still. Juana ließ sich in einen Couchsessel
fallen. Sie streifte ihre hochhackigen Schuhe ab. Diese angenehme Ruhe war genau
das, was sie jetzt brauchte. Der Abend mit Kronos hatte sie müde gemacht. Was
zum Teufel hatte er vor? Was war das Ziel seines Spielchens, das er mit ihr
trieb? War er bloß aus Rache hier? Juana schüttelte leicht den Kopf. „Er
bringt mich schon jetzt um den Verstand – und das, obwohl er noch gar nicht
solange hier ist“, flüsterte Juana.
Sie stand auf und ging ins Badezimmer. Jetzt hatte sie dringend eine
Dusche nötig. Als sie wenig später in einen warmen Bademantel auf der Couch saß,
trank sie in aller Ruhe noch eine Tasse heißer Schokolade und dachte über ihre
plötzliche Begegnung mit Kronos nach. Sie fand sowieso keinen Schlaf. Dazu war
sie zu aufgewühlt. Ihr Blick fiel auf ihr Schwert. Ich habe Kronos viel zu
verdanken, dachte sie. Er hatte sie aufgenommen und ihr alles beigebracht, was
sie wissen mußte, um als Unsterbliche zu überleben. Doch sie hatte nicht bei
ihm bleiben können. Die Situation zwischen ihnen hatte sich im Laufe der Zeit
verändert ...
[Mittelalter - Jahr 1380]
Ein Stuhl flog durch die Luft und zerbrach an der Wand nahe an Kronos‘
Kopf. „Würdest du dich bitte beruhigen?“ sprach er genervt. „Ich soll
mich beruhigen? Das ist mal wieder typisch für dich. Ich habe die Nase voll.
Ich habe keine Lust mehr, Kronos.“ Juana stand am Ende des Tisches und ließ
ihren ganzen Frust raus, denn sie schon seit einiger Zeit hatte. Sie war Kronos
dankbar für das, was er für sie getan hatte. Doch es gefiel ihr nicht mehr
nach seiner Pfeife zu tanzen.
Sie hatte ihr Leben als Unsterbliche akzeptiert und sich seinen Lehren
gefügt. Doch sie hatte sich weiter entwickelt und ihr Wille entfaltete sich nun
wieder. Sie wurde sich ihrer Identität wieder deutlich bewußt. „Du kennst
unseren Deal“, knurrte Kronos und er trat einen Schritt auf sie zu. Juana
griff nach einer Vase. „Oh nein, nicht die Vase! Das Ding war ein Vermögen
wert“, warnte Kronos sie. Juana gab einen verächtlichen Laut von sich und
schleuderte den Gegenstand gegen die Wand. Mit einem lauten Geräusch zersprang
die Vase und die Scherben fielen zu Boden.
„Dir ist alles wichtiger als ich. Diese verdammte Vase ... Was
interessiert mich das, was du dafür bezahlt hast? Ich wette, du hast sie
gestohlen. Das tust du ja so gerne.“ „Ich habe dir schon einmal erklärt, daß
wir uns alles nehmen können, was wir wollen. Das war schon früher so.“
„Ich bin nicht einer deiner Brüder, Kronos. Ich verfluche den Tag als ich
dich das erste Mal getroffen habe. Du hättest mich enthaupten sollen.“ „Da
gebe ich dir recht. Dann hätte ich jetzt ein ruhigeres Leben.“ Entsetzt
schnappte Juana nach Luft. Könnten Blickte töten, wäre Kronos auf der Stelle
tot umgefallen.
Mit funkelten Augen blickte Juana ihn an. Langsam trat Kronos einen
weiteren Schritt nach vorne. „Komm mir bloß nicht zu nahe“, warnte sie ihn.
„Es wäre das Beste, wenn wir getrennte Wege gehen.“ „Nein, du gehst erst
dann, wenn ich nicht mehr will. Du bleibst bei mir“, schnitt Kronos ihr barsch
das Wort ab. „Ich bin nicht deine Sklavin“, rief Juana laut. Sie wollte nach
dem nächsten Gegenstand greifen und es ihm an den Kopf werfen, doch da war
Kronos bei ihr und schlug ihr den Teller aus der Hand.
„Laß mich los“, forderte Juana. „Ich denke nicht dran. Du wirst
dich jetzt beruhigen, Süße.“ „Und wenn ich es nicht tue?“ „Dann lege
ich dich einfach übers Knie“, teilte Kronos ihr mit. „Oh, das würdest du
nicht wagen!“ Kronos grinste über das ganze Gesicht. Juana schäumte vor Wut
fast über. Im nächsten Augenblick hatte Kronos sie über seine Schulter
geworfen. „Was, verdammt noch mal, soll das? Was bildest du dir eigentlich
ein? Laß mich gefälligst runter, du Ekel!“ protestierte Juana erbost.
„Es wundert mich nicht, daß unsere Diener über uns tuscheln, wenn du
so schreist“, sprach Kronos gleichgültig. „Das ist mir egal. Du sollst mich
runter lassen.“ Juana schlug mit den Fäusten auf seinen Rücken ein. Doch
Kronos ging unbeirrt die Stufen hoch. „Das werde ich schon noch, keine
Sorge.“ „Damit beweist du nur, das ich recht habe.“ Kronos trat die Tür
mit dem Fuß hinter sich zu. Dann warf er Juana auf das Bett. „Ich liebe es,
wenn du so wild bist“, erklärte er ihr. Juanas Zorn wich feuriger
Leidenschaft als sich Kronos zu ihr auf das Bett kniete. Und wie immer wurde die
nächste Runde hinter verschlossenen Türen ausgefochten ...
[Gegenwart]
Es hatte immer so geendet. Egal wie sehr sie sich auch gestritten hatten
... am Ende hatte Kronos doch gewonnen. Juana ging ins Schlafzimmer und öffnete
das Fenster. Es war für diese Jahreszeit schon sehr heiß. Ihre Diskussionen
hatten immer im Bett geendet. Danach hatten sie sich immer geliebt. Kronos hatte
ihre Auseinandersetzungen stets ins Bett verlagert. Damals hatte sie ihm nicht
widerstehen können. Und heute? Juana war sich nun nicht mehr so sicher.
„Nein, ich werde mich nicht noch einmal von ihm einwickeln lassen. Es
wird kein zweites Mal geschehen“, murmelte sie. Juana legte sich ins Bett und
versuchte sich auf ihren Roman zu konzentrieren. Doch das gelang ihr einfach
nicht. Genervt legte sie das Buch zur Seite und schaltete das Licht ab. Aber sie
lag noch lange wach - weil sie aufgrund von Kronos‘ Auftauchen in ihren Leben
– einfach keinen Schlaf fand. Er hatte ihre ganze innere Ruhe zerstört, die
sie sich in den Jahren ohne ihn angeeignet hatte. Kronos hatte mit seiner
Dreistigkeit ihr ganzes Leben durcheinander gebracht. Erst lange nach
Mitternacht fielen ihr dann vor Erschöpfung die Augen zu und Juana fand ein
wenig Schlaf.
~ 4. ~
Ein hartes Klopfen holte Juana aus dem Schlaf. Mit einem verschlafenen
Stöhnen grub sie ihren Kopf in die Kissen. „Verdammt, Juana, mache die Tür
auf“, rief eine rauhe Stimme von der Tür her. „Verschwinde, Kronos“,
erwiderte Juana. „Entweder du machst die Tür auf oder ich trete sie ein!“
Juana seufzte schwer. Das sah Kronos mal wieder ähnlich. „Ich komme“, rief
sie schließlich. Sie warf einen Blick auf ihren Wecker, der neben dem Bett auf
einen Nachttisch stand. Es war elf Uhr. Er nahm es wirklich ernst. Wieder
trommelte er mit den Fäusten gegen die Tür. „Du weckst meine Nachbarn
auf!“ „Dann mach endlich die verdammte Tür auf!“ Juana schlüpfte schnell
in ihren Bademantel und schlurfte zur Tür, die sie ungeduldig aufriß.
„Du hast verschlafen, Süße“, sprach Kronos grinsend. „Warum
wohl? Verschwinde!“ Doch Kronos ignorierte ihre Aufforderung und betrat
einfach die Wohnung. Lässig ließ er sich auf die Couch fallen. „Was soll
das?“ Verärgert warf Juana die Tür ins Schloß. „Wenn du dich schon in
meiner Wohnung breit machst ...“ Sie ging zu ihm. „... Dann nimm deine Füße
von meinen Tisch. Der Glastisch ist neu.“ Mit diesen Worten schubste sie seine
Beine von der Tischplatte.
„Zieh dich endlich an“, forderte Kronos sie auf. „Ich habe keine
Lust auf ein Training mit dir“, erwiderte Juana. „Das ist mir egal.“ „Du
kannst wieder verschwinden.“ „Das habe ich nicht vor.“ Juana stöhnte.
„Willst du einen Kaffee?“ „Ich will dir keine Umstände bereiten.“
„Das tust du schon längst“, gab Juana bissig zurück. „Nun, wenn das so
ist, ja, ich will einen Kaffee – stark, schwarz, ohne irgend etwas.“ „Das
paßt zu dir.“ „Was für eine bissige Zicke du doch bist“, spottete Kronos
lachend. Juana verbiß sich ihren nächsten Kommentar und ging in ihre kleine,
gemütliche Küche.
Kronos beobachtete sie. Unwillkürlich fragte er sich, was sie wohl
unter ihren Bademantel trug. Juana machte Kaffee. „Ich brauche meine Zeit bis
ich fertig bin. Du wirst sowieso nicht gehen, bevor ich mich für dieses
Training einverstanden erklärt habe, oder?“ „Wie gut du mich doch
kennst“, warf Kronos ein. Er sah sich um. Sie hatte wirklich Geschmack, daß
mußte er ihr lassen. Ihr Apartment war schön eingerichtet. Es vertrat genau
den Stil, den er von ihr erwartete. Die Wohnung trug unverkennbar ihre
Handschrift.
Juana stellte eine Tasse vor ihm ab und dazu eine Kanne mit heißen
Kaffee. „Bediene dich“, zischte Juana. „Was? Du schenkst mir nicht ein?
Was hast du für Manieren, Juana?“ „Du bist völlig gesund, Kronos. Du
kannst dich wunderbar bewegen. Bei dir muß ich mein gutes Benehmen nicht
zeigen. Du hast es nämlich nicht verdient.“ Kronos lachte leise. „Was hast
du doch für einen trockenen Humor.“ „Hör auf, mich zu verspotten“,
forderte Juana. „Das tue ich doch gar nicht.“ „Natürlich tust du das. Du
hast es schon immer getan.“ „Stimmt doch gar nicht“, widersprach Kronos.
Genervt verdrehte Juana die Augen.
„Ich ziehe mich jetzt an. Und wage es ja nicht mir ins Schlafzimmer zu
folgen. Oder habe ich noch Zeit für eine Dusche?“ „Kann ich mitkommen?“
fragte Kronos. Er sah Juana an, daß sie bei seinen Worten fast explodierte.
„Geh unter die Dusche, wenn du willst. Ich warte solange hier.“ „Tatsächlich?“
fragte Juana skeptisch. „Ja, hast du etwas zu essen da?“ „Schau im Kühlschrank
nach.“ „Du bist wirklich eine gute Gastgeberin.“ „Du kriegst soviel
Gastfreundschaft von mir, wie du sie verdienst. Eigentlich ... verdienst du gar
keine“, bemerkte Juana.
„Das ist wirklich zu liebenswürdig von dir“, erwiderte Kronos amüsiert.
„Fühle dich doch wie zu Hause, Kronos.“ „Das tue ich bereits. Oder siehst
du das nicht?“ Juana verzog das Gesicht zu einer Grimasse und ging ins
Schlafzimmer. Sie holte ihre Kleider und ging ins Badezimmer. Dann ließ sie die
Dusche an. Vorsichtig lugte sie aus der Tür hinaus. Kronos stand am Kühlschrank
und nahm sich den Obstsalat heraus, der seit einigen Tagen rum stand. Er schien
gar nicht daran interessiert zu sein, sie zu ärgern, indem er ihr folgte.
Sicherheitshalber schloß Juana jedoch die Badezimmertür ab.
Nach gut zwanzig Minuten, in denen sich Juana betont viel Zeit gelassen
hatte, konnte sie das Training mit Kronos nicht länger hinausschieben. Sie nahm
ihr Schwert und ihren Mantel und ging ins Wohnzimmer. Kronos saß mit der
Zeitung in der Hand auf der Couch und studierte sie. „Fertig?“ fragte er.
„Ja.“ Juana holte ihre alten Turnschuhe aus dem Schuhschrank und zog sie an.
Kronos musterte sie. Sie trug ein einfaches Shirt und eine alte Jeans.
„Trainingsoutfit?“ hakte er nach und erhob sich langsam.
„Du sagst es. Würdest du bitte das Chaos wegräumen, das du
angerichtet hast?“ sprach sie vorwurfsvoll als sie den schmutzigen Teller, die
leere Tasse und die leere Salatschüssel auf den Tisch sah. „Was hast du dir
noch aus dem Kühlschrank geholt?“ „Die zwei Stück Kuchen, die noch da
waren.“ „Beide?“ „Ja. Hätte ich eines übrig lassen sollen?“ fragte
Kronos unschuldig. „Das wäre nett gewesen. Aber ich vergaß ... du bist gar
nicht nett.“ „Endlich hast du erkannt wie ich wirklich bin.“ Juana zog
ihren Mantel an und steckte das Schwert ein. „Können wir jetzt los?“ „Ich
habe nur auf dich gewartet, Süße“, ergriff Kronos das Wort und folgte ihr
aus dem Apartment.
Sie fuhren in eine alte Fabrikhalle, die in einer abgelegenen Gegend
lag, wo niemand ihre kleine Trainingseinheit stören würde. Juana legte ihren
Mantel ab und wandte sich Kronos zu, der sofort begann, sie wie ein Raubtier zu
umkreisen. „Ich hätte mir denken können, daß du so wieder anfängst“,
seufzte Juana und ging in Kampfstellung. Scharf musterte Kronos sie. „Wie
konntest du solange nur überleben?“ „Wieso?“ „Das alte Problem. Du
verlagerst dein ganzes Gewicht auf einen Fuß. Ich habe dir schon einmal gesagt,
daß das falsch ist. Du mußt dein Gewicht auf beide Beine verlagern, ansonsten
wirst du schnell müde. Du hattest bis jetzt immer nur leichte Gegner,
richtig?“ „Möglich“, wich Juana aus. „Befolge meinen Rat, Süße“,
wies Kronos sie zurecht.
Seufzend folgte Juana dem. „Zufrieden?“ „Ja, schon besser.“ Im nächsten
Augenblick griff er an. Juana trat einen Schritt rückwärts. Sie parierte den
Schlag mit Mühe. So war es immer gewesen. Im Training hatte er sie nie
geschont. Kronos hatte immer angegriffen als wäre es ein echter Kampf. Unwillkürlich
fragte sich Juana, ob das Training nur ein Vorwand war, ob er daraus einen
echten Kampf veranstalten würde. Die Klinge von Kronos‘ Schwert fuhr an ihrem
Arm entlang. Er zerschnitt den Ärmel ihres Shirts. Blut trat aus einer Wunde,
die jedoch sofort wieder heilte.
„Mußte das sein?“ beschwerte sich Juana. „Du nimmst das Training
nicht ernst“, stellte Kronos fest. „Oder ist das Training bloß ein Vorwand
von dir, um meinen Kopf zu bekommen?“ stichelte Juana bissig. „Wie kannst du
nur so schlecht von mir denken? Ich würde dich nie belügen.“ Bitter lachte
Juana auf. „Du hast ja sogar Humor, Kronos.“ „Wußtest du das nicht?“
„Nein, das ist mir neu“, gab sie zurück.
Juanas Klinge schlug gegen die von Kronos. Er parierte den Schlag mühelos.
„Du hast doch mehr Kraft in dir. Komm schon, Juana, zeig mir, was du wirklich
kannst“, forderte Kronos sie heraus. Das brauchte er nicht zwei Mal sagen.
Juana setzte ihre ganze Kraft ein. Von weitem sah das Training wie ein echter
Kampf aus. Juana hatte schon vom ersten Schlag an gemerkt, daß Kronos mit ihr
spielte. Er ließ ihr einen gewissen Spielraum, ließ sie in den Glauben, daß
sie eine Chance gegen ihn hatte. So machte Kronos es immer in seinen Kämpfen.
Außerdem hatte er Spaß daran mit ihr zu spielen. Aber zum Schluß war doch er
der Sieger. Juana traute ihm nicht.
Die Klingen schlugen gegeneinander. Sie geriet ins Stolpern, konnte ihr
Gleichgewicht aber gerade noch rechtzeitig halten. „Wie ungeschickt“,
spottete Kronos. „Sei immer wachsam. Eine alte Regel von mir“, teilte er ihr
mit und schlug ihr fast das Schwert aus der Hand. Juana duckte sich unter seinen
nächsten Schlag und tauchte hinter Kronos wieder auf. Dann gab sie ihm einen
heftigen Stoß in den Rücken. Kronos trat zwei Schritte zurück und grinste
breit. „Sehr klug! Ein alter Trick von mir.“ „Hast du dich nicht mal
beschwert, ich würde von dir nicht lernen wollen?“ gab Juana zurück. Wieder
schlugen die Klingen aneinander.
Kronos und Juana lieferten sich einen heißen Kampf. Er sah, daß Juana
langsam nachließ. Ihre Kraft wurde von ihm erschöpft – Stück für Stück.
Er nahm sie hart ran. Doch Kronos hielt das für besser. Wenn sie im Training
geschont wurde, würde sie sich draußen im echten Duell nicht durchsetzen können.
Das war eine von Kronos‘ Devisen. Nach wie vor war Juana gut. Das sah er gern
ein, während er ihr seine ganze Kraft bot. Doch sie war noch lange nicht gut
genug, um solange zu überleben wie er; um eine Chance zu haben, ihn zu
besiegen.
Juana spürte, wie ihre Hand schwach wurde. Wie lange wollte Kronos sie
noch herum scheuchen? Wollte er sie an das Ende ihrer Energie treiben? Nur mit
großer Mühe konnte sie den herben Schlag abwehren und mit ihrem Schwert
parieren. Juana achtete nicht darauf, daß Kronos sie immer weiter nach hinten
trieb. Sie mußte sich auf ihn konzentrieren, so hatte sie keinen Blick für
das, was hinter ihr war. Hinter ihr standen alte Kartons – verstreut am Boden
herum. Juana duckte sich vor einem erneuten Schlag von Kronos. Doch seinen nächsten
konnte sie nicht abwehren. Er schlug ihr das Schwert aus der Hand und Juana
stolperte. Sie fiel zu Boden.
Sie blickte zu Kronos hoch. Entsetzt schloß Juana die Augen, als sie
sah, wie Kronos erneut mit dem Schwert ausholte. Die scharfe Klinge blieb
Millimeter vor ihrer Kehle stehen. „Du wärst jetzt tot, wenn es kein Training
wäre“, flüsterte er und zog sein Schwert zurück. Juana schluckte schwer.
„Du hast jetzt ganz schöne Angst bekommen, richtig?“ lachte Kronos.
„Allerdings. Sag mal, spinnst du?“ „Es war nur eine kleine Lektion, Süße.“
Kronos reichte ihr die Hand. Juana zögerte einen Moment, doch dann ließ sie
sich von Kronos auf die Beine helfen.
„Ich wollte dir nur zeigen, was passiert, wenn du nicht vorbereitet
bist“, erklärte Kronos ihr mit einen gleichgültigen Schulterzucken. „Und
was willst du jetzt tun? Sag mir doch endlich, warum du hier bist und
verschwinde dann wieder“, seufzte Juana. Sie hob ihr Schwert auf und zog ihren
Mantel an. Kronos brachte sie in ihre Wohnung zurück. „Du solltest wirklich
mehr üben“, sprach er, ohne auf ihre Frage einzugehen. „Dein Glück ist, daß
sich in Portugal nicht so viele Unsterbliche herumtreiben. Wohnst du deshalb
hier?“ „Nein. Meine Gründe, hier zu leben, gehen dich überhaupt nichts
an.“ „Nun ... wir sehen uns dann in ein paar Tagen. Ich habe noch ein paar
Dinge zu erledigen.“ „Schön! Bleib doch gleich für immer weg“, meinte
Juana und stieg aus. Sie hörte noch Kronos‘ Lachen, bevor er den Wagen
startete und sich im Mittagsverkehr einreihte.
Wütend warf Juana die Tür ins Schloß. Ihr Mantel und ihr Schwert
landeten achtlos in einer Ecke. Sie hatte keinen blassen Schimmer, was Kronos
mit seiner Aktion bezweckte, was er mit seinen plötzlichen Auftauchen bei ihr
eigentlich erreichen wollte. Was war es, daß ihn wirklich hierher trieb? Hass?
Wut? Rache? Oder doch etwas anderes? Welches Ziel verfolgte Kronos mit seinen
geheimnisvollen Verhalten? So verhielt er sich doch sonst nie. Dieses Verhalten
paßte einfach nicht zu dem Kronos, den sie kannte.
Juana öffnete die Tür ihres Balkons und trat hinaus. Warum war er hier
und warum wollte er es ihr noch nicht sagen? Kronos‘ Verhalten war für sie
eigentlich immer ein Rätsel gewesen. Das war es nicht nur heute. Nur heute war
er noch geheimnisvoller als früher. Juana ließ sich auf das Sofa fallen, das
auf ihrem Balkon stand. Sie ließ sich die Mittagssonne ins Gesicht scheinen und
grübelte nach. Er hatte ihr erklärt, daß er ein paar Dinge zu erledigen
hatte. Was waren das für Dinge? Hatten diese Dinge mit ihr zu tun?
[Mittelalter - Jahr 1388]
Der Schein des Mondes flutete durch die Fenster in das Zimmer. Juana
wachte auf. Ihr Blick wanderte zu Kronos, der friedlich neben ihr schlief. Sein
Schwert lag neben dem Bett, immer griffbereit. Sie setzte sich auf und schlang
sich ein warmes Fell um den Körper. Ein ganzes Jahrhundert schon, dachte sie.
Seit einem Jahrhundert war sie nun Kronos‘ Begleiterin. Er hatte ihr alles
beigebracht und dafür war sie ihm überaus dankbar. Doch jetzt? Juana hatte
Gedanken, wovon Kronos keine Ahnung hatte.
Sie dachte über ihr Leben nach, über Kronos und sich. Ihre Grübeleien
betrafen in letzter Zeit nur noch ihr gesamtes Leben – das als Unsterbliche
und das Leben, das sie davor gehabt hatte. Und Juana verspürte den Wunsch, zu
gehen und sich die Welt anzusehen – allein. Kronos hatte viel für sie getan.
Doch ihre Dankbarkeit reichte nicht aus zu bleiben. Sie wußte, es war an der
Zeit zu gehen. Es war Zeit ihn zu verlassen. Der Drang frei zu sein wurde immer
stärker. Es zog sie in weite, große Welt. Es zog sie von Kronos fort.
Leise stieg Juana aus dem Bett und zog sich an. Sie wußte, er würde es
niemals verstehen. Also blieb ihr nur eine Möglichkeit. Sie mußte gehen
solange er schlief. Juana packte ihre Sachen zusammen und beugte sich dann noch
einmal über Kronos. Ein letztes Mal küßte sie ihn sanft. „Ich danke dir für
alles“, flüsterte sie, bevor sie – so leise wie möglich – das Zimmer
verließ. Juana ging in den Stall und sattelte ihr Pferd.
Nachdem sie ihre Sachen am Sattel befestigt hatte, stieg sie auf. Sie
trieb ihr Pferd aus der Burg. Wohin sie gehen wollte, konnte sie noch nicht
sagen. Aber zuerst mußte sie den ersten Schritt machen und Kronos verlassen,
das Leben mit ihm hinter sich lassen. Als sie ihr Pferd den Hügel hoch jagte,
blieb sie noch einmal stehen. Juana drehte sich ein letztes Mal um. Im Stillen
nahm sie Abschied von der Burg, die eine lange Zeit ihr zu Hause gewesen war.
Und sie nahm Abschied von dem Mann, der ihr Begleiter und Lehrer gewesen war.
Dann ritt sie davon.
Als Kronos aufwachte, wußte er sofort, das Juana nicht neben ihm lag.
Er spürte ihre Anwesenheit nicht. Verschlafen öffnete er die Augen. Der Platz
neben ihm war leer und ihre Sachen waren weg. Sofort war Kronos hellwach. Er
stieg aus dem Bett, zog sich an und verließ das Innere der Burg. Seine Schritte
hallten über den Steinboden. Sein Weg führte ihn zum Stall. Ihr Pferd war
fort. Was, zum Teufel, war hier los? „Björn“, schrie Kronos als er sein
Pferd sattelte. „Ja, Herr?“ „Wo ist Juana?“ „Ich weiß es nicht, Herr.
Als ich heute Morgen in den Stall kam, war das Pferd schon weg.“ „Wann war
das?“ „Kurz nach Sonnenaufgang.“ Brutal stieß Kronos den Stallburschen
zur Seite und schwang sich in den Sattel. Er jagte aus der Burg und begann nach
Juana zu suchen.
Kronos blieb den ganzen Tag fort. Er suchte bis kurz vor Sonnenuntergang
nach ihr. Doch sie war unauffindbar. Als Kronos in seine Burg zurückkehrte, war
er außer sich vor Zorn. Sein Pferd überließ er einen Stallburschen. Er
reichte ihm die Zügel und stieß wütend seine Soldaten zur Seite. Im
Speisesaal wurde ihm das Essen serviert. Doch er hatte das erste Mal seit langer
Zeit keinen Appetit. Das Tablett mit dem Essen flog gegen die Wand, danach
folgte ein Stuhl. Der Stuhl zersprang laut an der Wand.
„Warum hast du mich verlassen?“ rief er wütend. Kronos trat an das
Fenster. Sie war gegangen – ohne ein Wort zu sagen. Juana war nicht mehr da.
Sie war aus seinen Leben verschwunden. „Ich gebe nicht auf“, sprach Kronos
leise. „Ich werde dich finden, egal wie lange es dauert“, schwor er. Und er
würde sich daran halten. Juana war ohne ein Wort gegangen, hatte ihn verlassen.
Und das würde er nicht auf sich sitzen lassen. Egal wie lange es dauerte, er würde
Juana eines Tages finden ...
~ 5. ~
[Gegenwart]
Kronos stand an einer dunklen Ecke. Ihm gegenüber war ein
Lebensmittelgeschäft. Ungeduldig warf er einen Blick auf die Uhr. Es war kurz
nach Mitternacht. Wo war seine Verabredung? Kronos haßte es, wenn jemand nicht
pünktlich zu einen Termin mit ihm erschien. Sein Weg und seine Geschäfte
hatten ihn nach Lagos verschlagen. Lagos war eine Stadt, die sich ganz unten in
Portugal befand. Er hatte Lissabon vor zwei Tagen verlassen. Unwillkürlich
fragte Kronos sich, was seine Süße gerade tat? Ob sie ihn vermißte? Kronos
hatte sie buchstäblich im Regen stehen lassen als er sie vor ihrer Wohnung
abgesetzt und erklärt hatte, das er für einige Tage verschwand. Juana war
durch sein Auftauchen ganz schön verunsichert. Ein breites Grinsen huschte über
Kronos‘ Lippen.
In diesen Augenblick kam eine Gestalt auf ihn zu. Automatisch tastete
Kronos nach seinen Dolch und zog die Waffe aus dem Halfter an seinen Gürtel. Er
packte den jungen Mann am Kragen seines Mantels und warf ihn gegen die
Hausmauer. „Martin Luis?“ fragte Kronos mißtrauisch. Der überraschte Mann
nickte hastig. „J ... ja, der bin ich. Ich ... Sie müssen wohl ...“,
stammelte er. „Mein Name spielt keine Rolle. Ich habe, was dein Chef will. Es
ist in meinen Wagen“, schnitt Kronos ihm scharf das Wort ab.
Er ging zu seinen Landrover voraus. Kronos öffnete den Kofferraum.
„Wo ist das Geld?“ fragte er beiläufig. Martin Luis reichte ihm einen
schwarzen Koffer. Kronos öffnete ihn und sah das Geld, das sich darin befand.
Er nickte leicht und stellte den Koffer neben sich am Boden ab. Dann reichte er
den Mann einen langen, ebenfalls schwarzen Koffer. Kronos schloß den Kofferraum
und Martin stellte den Gegenstand, den Kronos ihm gereicht hatte, darauf ab. Er
öffnete ihn. Darin lagen zwei spezielle Waffen, die nur von der amerikanischen
Armee benutzt wurden. Niemand – außer Kronos – hatte diese Waffen. Es war
sein Geheimnis, wie er an diese Waffen kam. Martin nickte bloß und ging. Und
Kronos verstaute das Geld in seinen Wagen.
Gerade als Kronos einsteigen wollte, blickte er auf. Er spürte die
Anwesenheit eines anderen Unsterblichen. „Waffengeschäfte! Das ist echt
billig, Kronos“, ertönte eine Stimme. Kronos blickte sich um und grinste über
das ganze Gesicht. „Cassandra, was für eine angenehme Überraschung“, rief
er aus. Kronos nahm sein Schwert und näherte sich ihr. „Hast du mich
gesucht?“ „Stell dir vor, ja, daß habe ich.“ „So? Du hast mich wohl
vermißt, oder? Willst du noch so eine Lektion wie damals?“ fragte er
herausfordernd.
Cassandra wußte, wovon er sprach. Sie hatte es nicht vergessen. Wie
sollte sie diese Nacht auch jemals vergessen? Es war diese bestimmte Szene, die
einst in der Bronzezeit passiert war. Sie war Methos‘ Sklavin gewesen, eine
Gefangene der vier apokalyptischen Reiter. Eines nachts hatte Kronos sie geholt
und ihr Dinge angetan, die sie bist heute noch so deutlich in Erinnerung hatte.
Dinge, die sie noch heute verfolgten, nachts, wenn sie träumte. Kronos kam noch
näher. So kannte sie ihn – lautlos und schnell, wie ein Raubtier.
Bedrohend schwang die Unsterbliche ihr Schwert. Doch das beeindruckte
Kronos in keinster Weise. „Du wirst so anders auf mich“, sprach er grinsend.
„Das liegt wahrscheinlich daran, daß du zur Abwechslung mal stehst und nicht
auf den Rücken liegst.“ Cassandra lachte verächtlich. „Dynastien kommen
und gehen. Doch du ... du bist derselbe geblieben.“ „Das hoffe ich doch.
Warum bist du hier? Ach ja, du willst meinen Kopf, aber den wirst du nicht
kriegen“, teilte Kronos ihr mit. Die ganze Situation amüsierte ihn.
„Das werden wir ja noch sehen. Ich habe dazu gelernt, Kronos“,
sprach Cassandra verbittert. In ihren Augen blitzte ihr ganzer Hass auf, den sie
für ihn verspürte. „Das glaube ich erst, wenn ich es sehe“, spottete
Kronos. Die ehemalige Hohepriesterin setzte einen Fuß nach vorne. „Du wirst müde,
Kronos. Du mußt deine Augen schließen. Du wirst jetzt deine Augen schließen.“
Kronos lachte kalt auf. „Wieso? Willst du mich küssen?“ fragte er ironisch.
Cassandra lächelte nicht einmal, ignorierte seinen Kommentar einfach. „Hör
mit diesen albernen Tricks auf. Das zieht nicht bei mir“, sprach Kronos.
„Und wie wäre es damit?“ rief Cassandra und holte mit dem Schwert aus.
Genervt verdrehte Kronos die Augen und hob den Arm. Mühelos parierte er
den Schlag mit seinen Schwert und lächelte gelangweilt. Cassandra hatte nur
solange überlebt, weil sie ihre Macht als Priesterin nutzte, um ihre Gegner zu
schwächen. Aber er fiel darauf nicht rein. Ein Wunder, das sie noch am Leben
ist, obwohl sie so schwach ist, dachte Kronos. Für ihn war sie keine Gegnerin,
eher ein Spielball. Jedoch hatte er andere Pläne mit ihr. Ein Plan, den er
innerhalb der letzten Sekunden entwickelt hatte.
Kronos gab Cassandra das Gefühl, sie wäre ihm überlegen. Und wie
erwartet fraß sie den Köder auch, denn Kronos ihr hinwarf. Somit lockte er sie
zu seinen Wagen. Beim nächsten Schlag duckte er sich, umfaßte Cassandras
Nacken und riß den Kopf herum. Ein Lächeln glitt über seine Lippen, als er hörte,
wie ihr Genick mit einen lauten Geräusch brach. „Ich liebe es, daß zu
tun“, sprach er freudig. Kronos beobachtete, wie sein Opfer verblüfft die
Augen verdrehte. Ein schwacher Laut kam aus ihrer Kehle. Ihr Schwert fiel zu
Boden und blieb im Dreck liegen. Ihr Kopf sank nach hinten. Dann war jegliches
Leben aus ihren Körper gewichen und Cassandra fiel zu Boden. Sie war tot.
„Das war noch leichter als ich es gedacht habe“, sprach Kronos. Er hob sie
hoch und verfrachtete sie in seinen Wagen. Dann fuhr er los.
[Stunden später]
Ein leises Stöhnen drang über Cassandras Lippen. Der Nacken tat ihr
weh. Wo war sie? Sie öffnete die Augen und blickte sich um. Ihr Nacken war ganz
steif. Jede Bewegung verursachte Schmerzen. Ihr Mund war ausgetrocknet.
„Oh!“ Sie versuchte, mit der Hand nach ihrem Nacken zu greifen, aber ihre
Hand ließ sich nicht bewegen. Cassandras Blick glitt hoch. Sie war an einen
Heizkörper gekettet – mit Handschellen. Sie rutschte ein wenig herum, um eine
bessere Lage zu finden. Da spürte Cassandra Kronos‘ Anwesenheit. Er schloß
die Tür zu dem kleinen Apartment und blickte sie überrascht an, als er sah,
das sie wieder unter den Lebenden war.
„Die Schöne ist wieder wach! Na, wie fühlst du dich?“ fragte er
spottend. Cassandra spuckte ihm auf die Stiefel. „Das ist gar nicht nett.“
„Wo bin ich?“ hakte sie eisig nach. „Siehst du das nicht?“ „Das ist
ein Apartment“, stellte Cassandra monoton fest. „Richtig. Da ich beschlossen
habe länger in Lissabon zu bleiben, habe ich mir heute ein Apartment gemietet.
Außerdem brauchte ich einen Ort, wo ich dich unterbringen konnte.“ „Was
willst du von mir?“ fragte Cassandra und obwohl sie versuchte, es zu
verhindern, zitterte ihre Stimme leicht.
„Ein wenig spielen, bevor du deinen Kopf verlierst“, teilte Kronos
ihr mit einen gleichgültigen Schulterzucken mit. „Wenn ich schreie, wird es
jeder hören“, meinte Cassandra. Kronos lachte vergnügt. „Hier hört dich
niemand, Weib. In diesen Haus ist das die einzige Wohnung, die bewohnt ist. Ich
bin der Mieter. Also, wer soll dir helfen? Wer soll deine Hilfeschreie hören?
Außerdem gibt es heutzutage wirksame Knebel, die dich am schreien hindern
werden“, teilte er ihr mit und stellte die Tüte, die er bei sich trug, am
Tisch ab.
Er nahm chinesisches Essen heraus und setzte sich an den Schreibtisch.
Dann griff er nach dem Hörer des Telefons. Kronos‘ Beine landeten auf der
Tischplatte, während er eine Nummer wählte. Er hatte Cassandra den Rücken
zugedreht. „Juana Shenantin“, meldete sich eine verschlafene Stimme. Sie
warf einen Blick auf die Uhr. Es war kurz nach zwei Uhr morgens. „Hallo Süße!
Schon im Bett?“ Für einen Moment war es still am anderen Ende der Leitung.
„Seit wann bist du zurück, Kronos?“ fragte Juana schließlich. Sie setzte
sich im Bett auf und gähnte herzhaft.
„Seit einer Weile. Habe ich dich aufgeweckt?“ „Zufällig ja“,
zischte Juana. „Das tut mir aber leid. Ich wollte dir nur sagen, daß ich zurück
bin.“ „Das hättest du auch zu einer vernünftigen Tageszeit machen können.
Aber du bist ja so rücksichtslos, daß du jetzt anrufen mußt. Jedenfalls
danke, daß du mich informiert hast. Gute Nacht.“ „Warte!“ Juana stöhnte
leicht. „Was willst du? Ich würde gern schlafen.“ „Frühstück, morgen um
neun Uhr.“ „Wo?“ „Bei dir.“ „Wenn du die Croissants mitnimmst ...
okay, einverstanden.“ „Ich werde daran denken.“ Doch da hatte Juana schon
aufgelegt. Kronos nahm einen Bissen seines mitgebrachten Essens zu sich und
drehte sich zu Cassandra um.
„Wer ist Juana?“ fragte sie sofort. Kronos grinste breit. „Eine
alte Freundin.“ „Seit wann hast du Freunde? Das ist mir neu.“ „Du weißt
vieles nicht von mir ... Sklavin“, stichelte Kronos. Cassandra würde ihm am
liebsten an die Kehle gehen, wenn sie nur könnte, wenn sie dazu in der Lage
war. Aber sie hatte äußerst wenig Bewegungsfreiraum. Kronos warf seine
Lederjacke über einen Stuhl und ging ins Badezimmer. „Hast du Hunger?“ rief
er. Erst jetzt wurde Cassandra das Knurren in ihrem Magen gewahr. Sie hatte
einen furchtbaren Hunger. „Ja“, gab sie widerwillig zu.
Kronos blickte ins Wohnzimmer, wo sie an den Heizkörper gekettet war.
„Du kriegst aber nichts. Gute Nacht. Und bitte, benimm dich“, sprach er.
Dann verschwand Kronos im Schlafzimmer. Cassandra haßte ihn. Er
ließ sie einfach verhungern. Sie kannte diese Art des Todes. Ihr Magen
schmerzte und es wurde immer schlimmer. Verzweifelt versuchte Cassandra es zu
ignorieren, aber es gelang ihr nicht. Der Schmerz zog sich stechend durch ihren
ganzen Bauch. Und dann wurde ihr schwarz vor den Augen. Schwindelgefühl befiel
sie. Nichts aus den schrecklichen Hunger, den sie verspürte, zählte noch. Und
dann starb sie zum zweiten Mal in der erneuten Gefangenschaft von Kronos ...
Am nächsten Tag war Kronos gutgelaunt. Er war schon weg als Cassandra
aufwachte. In der Wohnung war es unheimlich still. Sie konnte nichts tun – außer
warten, das er wiederkam. Dann würde man sehen wie es weiterging. Aber das wußte
Cassandra auch so. Er würde sie töten, sie enthaupten. Aber zuerst würde er
mit ihr spielen – wie die Katze mit der Maus, bevor sie zum tödlichen Schlag
ausholte. Er würde sie foltern und quälen und sein Spielchen mit der
ehemaligen Sklavin von Methos treiben. Und es würde ihm gefallen und genießen.
Jede Sekunde, in der sie Schmerzen haben würde, würde Kronos seine Freude
haben.
Juana riß die Tür auf, bevor Kronos die Möglichkeit hatte, zu
klopfen. Sie hatte seine Anwesenheit schon wahr genommen. „Guten Morgen“,
erwiderte sie. Ihr langes Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden. Der
Tisch auf der Terrasse war gedeckt. Darauf befanden sich frischer Orangensaft
und Kaffee, Butter, Marmelade, Käse und noch einige andere Köstlichkeiten.
Kronos warf seine Lederjacke über das Sofa im Wohnzimmer. Dann ließ er sich
auf dem kleinen Sofa auf der Terrasse fallen und griff nach einem Croissants,
die er selbst mitgebracht hatte und Juana inzwischen in einen Brotkorb getan
hatte.
Sie nahm Kronos gegenüber Platz. „Du hast dir wirklich Mühe gemacht.
Willst du mich beeindrucken?“ fragte er amüsiert. „Nein“, blockte Juana
bissig ab. „Warum dann dieser Aufwand?“ „Vielleicht hoffe ich, dich
dadurch loszuwerden?“ gab sie ihm zu verstehen. Kronos lachte und griff nach
dem Orangensaft. Er goß nicht nur sich selbst, sondern auch Juana ein Glas ein.
Verwundert blickte sie ihn an. „Was ist?“ „Seit wann bist du so höflich?
Du kennst doch gar keine Manieren“, bemerkte Juana.
„Süße, du denkst einfach zu schlecht von mir“, tadelte Kronos sie.
Juana verzog die Lippen zu einen schiefen Grinsen. „Nun, sagst du mir endlich,
was du von mir willst?“ „Nach dem Frühstück hatte ich das vor.“ „Ah,
du willst mich endlich einweihen? Was für eine Ehre, Kronos.“ „Ja, ich
werde dir meinen Grund für die Anwesenheit hier erklären. Aber zuerst ... frühstücken
wir in aller Ruhe.“ „Du bist ein Schwein, Kronos. Habe ich dir das schon
einmal gesagt?“ „Ja, ungefähr tausend Mal als du meine Geliebte warst“,
erwiderte er.
„Ich war nie deine Geliebte. Ich war deine Schülerin und deine
Begleiterin, die dir süße Stunden im Bett verschafft hat.“ „Eben. Du warst
meine Geliebte. Und was für eine! Ich frage mich, ob du noch immer soviel Feuer
im Bett hast wie damals“, sprach er. In seinen Augen blitzte es verräterisch
auf. Im Reflex nahm Juana vor Empörung das Messer und schleuderte es in
Kronos‘ Richtung. Ohne mit der Wimper zu zucken wich Kronos aus. Das Messer
bohrte sich in die Wand hinter ihm.
„Nicht so hitzig, Süße“, sprach er und strich Marmelade auf sein
Croissant. Juana nahm sich ebenfalls eines und biß unruhig hinein. Die Frage,
was Kronos wirklich in Portugal und von ihr wollte, drängte sich wieder auf.
Sie trank ihren Kaffee und wartete bis Kronos mit seinen Frühstück fertig war.
Er ließ sich mit Absicht soviel Zeit. Er ließ sie zappeln. Aber das tat er ja
gerne. Er liebte diese Spielchen. „Laß uns ins Wohnzimmer gehen. Uns muß
niemand zuhören“, meinte er, als er fertig war und aufstand.
Juana folgte ihm. Kronos machte es sich auf der Couch bequem, während
Juana Abstand zwischen ihnen brachte und sich in einen Sessel setzte. „Du weißt,
daß ich niemanden gehen lasse ohne mein Einverständnis“, begann er. „Ich
habe dich lange gesucht, Juana. Seit du mich verlassen hast, war ich auf der
Suche nach dir. Du bist wirklich schwer zu finden. Aber letztendlich habe ich es
doch geschafft. Dachtest du wirklich, du kannst dich vor mir verstecken?“
„Nein, daß habe ich nie gedacht“, gab Juana zu. Kronos grinste breit und
streckte die Beine von sich.
„Was willst du?“ fragte sie geradeheraus. „Nicht so schnell. Ich
habe mir viele Gedanken darüber gemacht, was ich mit dir machen soll, wenn ich
dich gefunden habe. Eigentlich hätte ich dich schon längst enthaupten sollen,
aber ... Nein, das ist nicht das, was ich will.“ „Nein?“ fragte Juana überrascht.
„Nein, Süße.“ „Was willst du dann?“ Ungläubig blickte Juana ihn an.
Die ganze Zeit hatte sie vermutet, daß er nur mit ihr spielte und ihr
letztendlich doch den Kopf abschlagen würde.
„Ich habe eine viel bessere Idee. Ich stelle dich vor die Wahl. Du
bist eine der Wenigen, der ich eine Wahl lasse. Du kennst mich.“ „Und welche
Wahl wäre das?“ fragte Juana. Sie konnte das Zittern in ihrer Stimme nicht
ignorieren. Auch Kronos hatte es bemerkt. Er beugte sich vor und sah sie mit
seinen altbekannten raubtierhaften Blick an. Es war der Blick, den sie so gut an
ihn kannte. „Ganz einfach, Juana: Entweder kehrst du zu mir zurück oder ich töte
dich!“
~ 6. ~
Fassungslos blickte Juana ihren ehemaligen Lehrer an. Sie konnte nicht
glauben, was er ihr soeben gesagt hatte. „Du willst was?“ flüsterte sie.
„Du hast mich schon verstanden, Süße. Entscheide dich schnell! Du weißt,
ich fackle nicht lange.“ Unwillkürlich sprang Juana auf. Sie fuhr sich durchs
Haar. „Aber warum?“ „Niemand verläßt mich, wenn ich es nicht will. Außerdem
... warst du immer eine leidenschaftliche Begleiterin. Ist es da ein Wunder, daß
ich dir noch eine Chance geben will? Du könntest deinen Fehler von einst
wiedergutmachen“, sprach er lächelnd.
„Ich habe keinen Fehler gemacht“, widersprach Juana hastig. Sie wußte,
was kommen würde, wenn sie nein sagte, aber sie konnte nicht anders. Sie wollte
– konnte – nicht zu ihm zurück. Es würde wieder so enden wie damals. Auf
Dauer würde ihre Beziehung wieder zerbrechen. Kronos hatte nicht dazu gelernt.
Er würde sie wieder einengen und ihr Leben bestimmen. Leicht schüttelte Juana
den Kopf. Das konnte sie nicht noch einmal eingehen. Sie hatte sich ein Leben
ohne ihn aufgebaut. Der Schritt, zu ihm zurück zu gehen, wäre fatal – für
sie beide.
„Nein, Kronos“, sprach sie ruhig. Ein zorniger Funke tauchte in
seinen Augen auf. „Nein?“ wiederholte er. „Ich ... kann nicht. Es geht
einfach nicht.“ Blitzschnell fuhr Kronos von der Couch hoch und umfaßte
Juanas Kehle. Sie bemerkte seine Wut zu spät. Kronos warf sie auf das Sofa und
kniete sich über sie. Er zog seinen Dolch. „Kronos, was hast du vor?“ rief
Juana panisch. Mit einer Hand hielt Kronos sie fest. Die Spitze seines Dolches
glitt gefährlich nahe zu ihrem Herzen.
„Kronos, bitte ...“ „Ich weiß, daß wird weh tun“, schnitt er
ihr das Wort ab. „Aber ich verschaffe dir eine kleine Denkpause. Ich komme
wieder und dann will ich deine Entscheidung hören. Du kannst noch einmal über
alles nachdenken.“ „K ... Kronos ...“, stammelte Juana. Doch er hörte ihr
nicht mehr zu. Die Klinge des Dolches fuhr durch ihr Herz. Schmerzerfüllt bäumte
sich Juana auf. Dann fiel sie in ein dunkles Loch und starb. Kronos erhob sich
und steckte seinen Dolch wieder ein. Er strich Juana eine Strähne aus dem
Gesicht. „Entscheide dich richtig“, flüsterte er und ging.
Cassandra erkannte sofort, daß Kronos wütend war, als er nach Hause
kam. Mit einen lauten Geräusch fiel die Tür ins Schloß. „Oh nein“, flüsterte
sie. Irgend etwas mußte geschehen sein. Etwas, was ihn dermaßen in Rage
brachte, daß er fast überschäumte vor Zorn. „Ist etwas passiert?“ fragte
sie. „Schnauze, Weib“, knurrte Kronos und ging ins Schlafzimmer. Cassandra hörte,
daß er in seinen Sachen nach etwas suchte. Sie tippte darauf, daß seine
Freundin ihm einen heftigen Stoß verpaßt haben mußte. Sie mußte etwas getan
haben, was Kronos nicht gefiel. Und sie, Cassandra, durfte es sicher ausbaden.
Er würde seinen Zorn an ihr abreagieren. „Na wunderbar“, seufzte sie.
Kronos kam aus dem Schlafzimmer und warf einige Gegenstände auf die
Couch. „Was ist das?“ fragte Cassandra. Ein Beben tauchte in ihrer Stimme
auf. Angst überkam sie. Nicht schon wieder, dachte sie. Sie hatte nie mehr in
der Gefangenschaft eines Reiters sein wollen. Doch nun war sie es wieder. Und
wieder würde sie eine grausame Folter über sich ergehen lassen müssen.
„Spielzeug“, meinte Kronos ungerührt. Cassandra ließ ihren Blick über die
Gegenstände gleiten.
Dabei handelte es sich um einen Dolch, einen Elektroschocker, eine
Peitsche und sein Schwert. „Kronos, bitte nicht“, flehte Cassandra
augenblicklich. In dieser Minute vergaß sie ihren Stolz. „Jetzt fängst du
zum flehen an? Reichlich später, oder, Weib? Du tauchst hier auf,
willst meinen Kopf und jetzt bettelst du um dein Leben? Ich muß meine
Wut abreagieren und du bist dafür genau die Richtige, mein Schatz“, spottete
Kronos und ging vor ihr auf die Knie. Cassandra hatte keine Möglichkeit zum
Ausweichen. Sie war noch immer angekettet und sie wußte, sie mußte die ganze
Folter über sich ergehen lassen.
Kronos grinste breit. Es war, als könnte er ihre Gedanken lesen. „Du
hast Angst, schön“, stellte er fest. Kronos griff nach Cassandras Bein.
„Kronos ...“, stammelte sie, doch im nächsten Augenblick wurde ihr Flehen
von ihrem Schrei übertönt. Mit einem Ruck riß Kronos ihren Knöchel zurück.
Zufrieden hörte er, wie der Knochen brach. Cassandras Schrei erfüllte ihn mit
Freuden. Das war genau das Richtige, um sich nach so einer Enttäuschung
abzureagieren.
Er erhob sich und griff nach dem Elektroschocker. „Weißt du,
Cassandra, die heutige Welt gefällt mir. Soviel modernes Zeug, das einem das
Foltern leichter macht“, sprach er mit ruhiger, bedrohlicher Stimme. Er kam zu
ihr zurück und aktivierte den Elektroschocker. Der blaue Blitz leuchtete für
einen Moment auf. Cassandras Augen füllten sich mit Panik. „Nein, bitte
nicht, Kronos! Nicht der Elektroschocker, bitte nicht“, flehte sie. Ein kaltes
Lächeln glitt über seine Lippen. „Das ist Musik in meinen Ohren. Das
erinnert mich an früher, an die Bronzezeit. Weißt du noch?“ Kronos las Angst
in ihren Blick, in ihrem Gesicht. Sie hatte nichts vergessen, was damals
vorgefallen war.
Seine Hand schoß nach vorne und der Elektroschocker bohrte sich in
Cassandras Taille. Sie biß sich auf die Lippe. Cassandra wollte Kronos nicht
die Genugtuung geben, sie noch einmal schreien zu hören. Doch er bemerkte ihre
Absicht und grub den Schocker tiefer in ihr Fleisch. Der elektrische Schlag tat
höllisch weh. Cassandra konnte sich nicht erinnern, was sie zuletzt solche
Schmerzen verspürt hatte. Sie hielt es nicht mehr aus und schrie laut auf.
Verzweifelt hielt Cassandra an ihrem Bewußtsein fest. Sie hatte Angst in
Ohnmacht zu fallen.
Der Schocker bohrte sich noch tiefer in ihr Fleisch. Die Wunde blutete
stark. Zufrieden zog Kronos die Hand zurück. Doch bevor Cassandra sich von den
Schmerzen halbwegs erholen konnte, nahm er ihre Hand und brach ihr mit Gewalt
die Finger. Ihre Schmerzen wurden größer. Ihre Angst wurde größer. Brutal
brach Kronos ihr einen Finger nach dem anderen. Und jedesmal, wenn ein Knochen
brach, grinste er vergnügt. Einen Moment hielt Kronos inne als er beim letzten
Finger der rechten Hand angekommen war.
„Wie fühlst du dich?“ fragte er scheinheilig. Cassandra keuchte.
Das war Antwort genug. Die Schmerzen breiteten sich in ihrem ganzen Körper aus
und hielten sie gefangen. Sie konnte nichts mehr fühlen außer diesem
brennenden Schmerz in ihrer Taille. Das er ihr die Finger brach, war noch gar
nicht das Schlimmste. Das Schlimmste waren die Schmerzen, die der
Elektroschocker hinterlassen hatte. „Bestens“, stieß sie gequält hervor.
„Dann kann ich ja weitermachen. Werde mir bloß nicht ohnmächtig, Weib.“
Kronos nahm den Finger und riß ihn brutal zurück. Ein Schrei entrang sich
Cassandras Kehle.
Cassandra konnte nichts mehr fühlen. Sie nahm ihre Umwelt nicht mehr
wahr. Nichts zählte mehr. Ihr Hass auf Kronos wurde nur noch größer. Sie
verfluchte ihn. Die Qualen breiteten sich in ihrem Kopf aus. Cassandra wurde
schwindlig. Alles um sie herum drehte sich. Unter den höllischen Schmerzen, die
sie erlitt, nahm sie nur am Rande wahr wie Kronos von ihrer Seite wich. Er zog
sich zurück und wartete, bis Cassandra wieder besser bei Bewußtsein war. Die
Unsterbliche schluckte schwer. Die Wunde an ihrer Taille fing zu brennen an.
Cassandra mußte die ganze Qual hinaus schreien, um nicht verrückt zu werden.
Der Schmerz nahm ihr jegliches Gefühl; nahm ihr alles, woran sie sich
festhalten konnte. Sie wurde nur noch von diesen Schmerzen beherrscht.
Erst, als sie Kronos‘ Nähe bei sich spürte, erwachte Cassandra aus
ihrer Erstarrung. Sie versuchte vor ihm zurück zu weichen, doch sie konnte es
nicht. Ein kaltes Lächeln huschte über Kronos‘ Lippen. „Öffne deine
Augen, Weib“, befahl er ihr. Verneinend schüttelte Cassandra den Kopf. Sie
wimmerte leise. Kronos sah die Tränen, die sich langsam von ihren Augen lösten
und ihr Gesicht hinab rieselten. „Das gefällt mir. So will ich dich habe –
brav unterwürfig und voller Angst. Ich befehle dir, öffne deine Augen“, erklärte
er ihr scharf. Cassandra schluckte und ihre Lider flatterten. Schwer öffnete
sie die Augen und erblickte einen Dolch, den Kronos vor ihr hin und her
schwenkte.
„Ein schöner Dolch, nicht wahr? Ich habe ihn einen Pharao vor langer
Zeit in Ägypten abgeknöpft. Leider hat er dabei sein Leben verloren“, sprach
Kronos ironisch. Der Dolch glitt über ihren Hals – weiter hinunter bis hin zu
ihren Beinen. Gequält schloß Cassandra die Augen. Sie spürte, wie der Dolch
wieder nach oben wanderte und hörte Kronos‘ eiskaltes Lachen. „Du hättest
mir damals den Kopf nehmen sollen als du die Möglichkeit dazu hattest. Jetzt
wirst du diese Chance nie mehr haben. Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du
sterben – für immer“, flüsterte er.
Der Dolch hielt bei ihrem linken Handgelenk an. Cassandra spürte, wie
sich die Spitze langsam in ihre Haut bohrte. Die Oberfläche wurde aufgeritzt
und der Dolch wurde in ihr Fleisch getrieben – ganz langsam. Mit Genuß tat
Kronos es. Ein stechender Schmerz machte sich in ihrem ganzen Arm breit.
Cassandra biß die Zähne zusammen. Sie würde nicht schreien. Es würde wieder
vergehen, dieser Schmerz schon. Doch die Wunde an ihrer Taille brannte noch
immer. Mit einen Ruß riß Kronos den Dolch heraus.
Diesmal entkam Cassandra ein kleiner Schrei. „Mann, tut das gut“,
meinte Kronos glücklich. Seine Stimmung besserte sich, je schlechter es
Cassandra ging. Je mehr er sie demütigte und folterte, desto besser ging es
ihm. Leise schluchzte Cassandra auf. Sie wußte, daß sie sich eine große Blöße
gab, wenn sie vor diesem Wahnsinnigen weinte, aber sie konnte nicht anders. Die
Schmerzen waren übergroß, übermächtig. Sie konnte es kaum noch ertragen.
Und dann ... dann tötete er sie zum ersten Mal. Kronos genoß die
Sekunden, in denen sie starb. Er genoß es mehr als alles andere. Kronos legte
die Peitsche um ihren Hals und grinste boshaft. „Wie oft hat Methos dich auf
diese Weise getötet, hm? Ich bin mir sicher oft, bevor er sich veränderte,
bevor er so etwas wie ein Gefühl für dich entwickelte“, spuckte er verächtlich.
„Hast du vergessen, wie es ist, so zu sterben? Das können wir schnell
auffrischen. Glaub mir, die Erinnerung kommt sehr schnell zurück. Schneller als
dir lieb ist“, teilte er ihr einschmeichelnd mit.
Kronos kniete vor ihr und zog brutal die Peitsche zusammen. Cassandra
sah sein gemeines, fast dämonisches Grinsen. Das Leder schnitt sich in ihre
Haut. Verzweifelt schnappte sie nach Luft. Sie keuchte und röchelte. Die Luft
wurde immer knapper, je fester Kronos zuzog. Sein Grinsen wurde noch breiter als
er ihren Todeskampf miterlebte. Es gefiel ihm. Das hatte ihn schon immer
gefallen. Kronos tat dies unheimlich gerne. Mit einem hatte Cassandra Recht: Er
hatte sich überhaupt nicht verändert seit er als Anführer der vier Reiter die
Welt unsicher gemacht hatte. Aus Cassandra wich das Leben und sie fiel in ein
dunkles Loch ...
~ 7. ~
Ein qualvolles Stöhnen drang über Juanas Lippen. Ihre Lider
flatterten, dann öffnete sie schwer die Augen. Im ersten Moment fragte sie
sich, wo sie war und was passiert war. Sie hustete stark und setzte sich auf.
Juana war allein. Kronos war gegangen. Nun fiel ihr auch wieder ein, was
geschehen war. Kronos hatte ihr ein Ultimatum gestellt. Und nachdem sie sich
geweigert hatte, dem nachzukommen, hatte er sie getötet.
„Mein Gott“, flüsterte Juana. Sie wußte, wie alles enden würde.
Wenn sie sich weiterhin weigerte, zu Kronos zurück zu gehen, würde er sie zum
Duell fordern. Und gegen Kronos konnte sie nicht siegen. Das wußte sie. Er war
zu gut, zu skrupellos. Juana vergrub ihr Gesicht in ihren Handflächen. Was
sollte sie jetzt nur tun? Sie konnte nicht wieder mit ihm durch die Gegend
ziehen. Sie wollte nie mehr so sein. Damit hatte sie abgeschlossen. Außerdem würde
es wieder so enden wie damals. Zuviel war geschehen. Und Juana wußte, ihr
langes Leben würde bald vorbei sein. Den gegen Kronos hatte sie keine Chance.
Aber sie hatte keine andere Wahl. Sie mußte es probieren – auch wenn es ihr
nicht helfen würde.
Zur selben Zeit wachte auch Cassandra auf. Kronos erwartete sie schon.
„Wie fühlst du dich?“ spottete er. „Es könnte mir nicht besser gehen“,
erwiderte Cassandra bissig. „Das freut mich. Dann können wir ja
weitermachen.“ Sie war noch schwach. Zu spät bemerkte Cassandra, daß Kronos
sie von den Handschellen befreit hatte. Und selbst wenn sie es bemerkt hätte, hätte
sie nichts tun können. Denn ihr fehlte jegliche Kraft, um Kronos daran zu
hindern, weiter zu machen.
Kronos kniete sich hinter sie und legte ihren rechten Arm auf sein Knie.
Mit einer Hand hielt er ihr Handgelenk fest. Die andere plazierte er auf
Cassandras Schulter. „Weißt du, Weib, du hättest anfangen sollen, einfach
alles zu vergessen, was war. Immerhin ist es schon lange her. Wie kannst du nur
so nachtragend sein? Das hätte dir einigen Schmerz erspart. Aber nein, du mußtest
ja unbedingt auf Jagd nach meinen Kopf gehen. Du bist selbst schuld“, flüsterte
Kronos.
Cassandra schloß die Augen. Sie wußte, was er vorhatte und versuchte,
sich auf den Schmerz vorzubereiten. Kronos blickte sie an. Schweißperlen
erschienen auf ihrer Stirn. Ihr Körper zitterte unter seinen Händen. Sie fürchtete
ihn noch genauso wie damals in der Bronzezeit, als er mit ihr getan hatte,
wonach er Lust gehabt hatte. Die Angst war noch immer die Gleiche. Kronos ließ
sie nicht länger warten. Er packte ihren Ellbogen und riß ihn hinunter über
sein Knie. Mit einem lauten Geräusch brach der Knochen.
Unter den höllischen Schmerzen schrie Cassandra auf. Tränen der
Verzweiflung, aber auch des Schmerzes liefen ihr über die Wangen. Sie zitterte
jetzt noch stärker. Schlaff hing der Ellbogen hinunter. Kronos war sehr
zufrieden mit sich selbst. Dann verstärkte er seine Kraft auf ihrer Schulter
und kugelte den Arm aus. Mit einen eiskalten Lachen, das es Cassandra einen
Schauer über den Rücken jagte, ließ er sie schließlich los. Sofort wich die
Unsterbliche in die letzte Ecke zurück.
Sie blickte Kronos verängstigt wie ein scheues Reh an. Wie lange hatte
er noch Spaß an seinen kranken Spiel? Wie lange mochte er sie noch foltern?
Cassandra wußte aus Erfahrung, er konnte es den ganzen Tag tun, wenn ihm danach
war. Und Kronos sah nicht so aus als wäre er schon mit ihr fertig. Der
ehemalige Reiter beobachtete seine Geisel. Es gefiel ihm. Er fühlte sich schon
viel besser. Es war so schön jemanden zu demütigen. Doch am schönsten war
diese Folter noch immer bei Cassandra. Er liebte es, ihr weh zu tun, ihren
Schmerz zu sehen.
Stunden über Stunden folterte er sie auf die verschiedensten Arten. Und
er dachte nicht daran aufzuhören. Cassandra starb so oft, daß sie aufhörte,
zu zählen. Kronos wurde immer brutaler. Er packte ein Feuerzeug aus und
erhitzte damit die Spitze seines Dolches. Unwillkürlich lief Angstschweiß über
Cassandras Rücken. Als die Spitze heiß genug war, ließ sich Kronos neben der
völlig verängstigten Cassandra nieder.
Panisch riß sie die Augen auf. „Nein ... b ... bitte nicht mehr.
Bitte nicht“, flehte sie schwach. Doch Kronos ignorierte ihr Flehen wie schon
so oft. Die heiße Dolchspitze glitt in ihren Brustkorb und traf das Herz. Das
Brennen, das Cassandra verspürte, war grausam. Sie schrie ihre ganze Qual
hinaus. Cassandra hatte das Gefühl, innerlich zu verbrennen. Der brennende
Schmerz breitete sich in ihrem ganzen Körper aus. Sie schien in Flammen zu
stehen. Es tat grauenvoll weh. Vom Schmerz übermannt fiel sie in Ohnmacht ...
Nach ihrem Erwachen ging es weiter. Cassandras Körper zeigte die
verschiedensten Brandwunden auf. Die Wunden heilten nur langsam, weil Kronos es
geschickt verstand, die Heilung zu verlangsamen. Ein Feuerzeug war eigentlich
nicht so gefährlich. Es sei denn, es kam in Kronos‘ Händen. Er hielt ihren
Arm umfaßt und versetzte ihr eine Brandwunde. Die Schmerzen waren grausam und
unerbittlich. Cassandra schrie aus Leibeskräften. Als er die Spitze seines
Dolches erneut erhitzt hatte, verpaßte er ihr eine bedrohliche Wunde an der
Leber.
Cassandra starb an den schweren inneren Blutungen, die er ihr zufügte
– mit den Dolch und den Schlägen, die nun hinzukamen. Die Spitzen seiner
schweren Cowboystiefeln taten in ihren Rippen höllisch weh, wo er sie immer und
immer wieder traf. Unter seinen Tritten brachen die Rippen und es freute ihn.
Und zum Schluß legte er seine Hände um ihren Hals. Gnadenlos drückte er zu
und beobachtete Cassandra, wie sie verzweifelt nach Luft schnappte. Sie vernahm
sein grausames Grinsen und wußte, es war vorbei. Wenn sie wieder aufwachte, würde
er ihr den Kopf nehmen.
Kronos fuhr mit Cassandras leblosen Körper zu einer abgelegenen Stelle
des Hafens von Lissabon. Es ärgerte ihn, daß sie noch immer nicht bei Bewußtsein
war. Sie sollte am Leben sein, wenn er ihr den Kopf abschlug. Sie sollte alles
miterleben. Kronos wollte ihren Hass sehen, ihre Angst in ihren Augen lesen. Überaus
tapfer ist sie nicht gewesen, dachte er, als er ihren bewußtlosen Körper aus
dem Wagen hob.
Unsanft ließ er sie am Boden liegen. Kronos holte sein Schwert und ging
unruhig auf und ab. Ihre Wunden heilten verdächtig langsam. Die Qualen waren
wohl zuviel für sie gewesen. Sein Spielchen zeigte noch jetzt Wirkung bei ihr.
Kronos grinste über seinen Erfolg. Cassandra hatte geglaubt ihn besiegen zu können.
Doch erneut hatte er sie gedemütigt und unterworfen. Und dafür haßte sie ihn
noch mehr. Kronos wollte es genauso haben. Sie sollte ihn hassen, ihn
verabscheuen. Er hatte dieses Weib noch nie gemocht.
Kronos wurde aus seinen Gedanken gerissen als sich Cassandra leicht
bewegte. Ein leises Stöhnen drang über ihre Lippen. Dann öffnete sie die
Augen und blickte sich um. „Wo ... wo ... bin ich?“ stammelte sie, da ihr
die Gegend fremd war. Sie war nicht mehr in Kronos‘ Apartment, daß war
eindeutig. Schlagartig wurde ihr bewußt, daß er sie jetzt enthaupten würde.
„Wir sind allein, keine Sorge, Weib“, sprach Kronos. Sie blickte zu ihm
hoch. Er war mit sich und der Welt zufrieden.
„Du ... bist ein Schwein. Du wirst es immer bleiben“, flüsterte
sie. Cassandra versuchte aufzustehen. Aber dafür war sie zu schwach. Sie konnte
sich kaum rühren. „Ich weiß, Weib. Ich weiß, daß ich ein Schwein bin. Für
mich ist das ein Kompliment. Bist du bereit? Willst du jetzt sterben?“ fragte
er gehässig. „Du wirst mich nicht los. Ich werde in dir sein und ...“ „Du
kannst gar nichts ausrichten. Du bist zu schwach. Meine Liebe, hast du es noch
immer nicht kapiert? Du bist kein Gegner für mich. Ob tot oder lebendig ... das
spielt keine Rolle. Du bist und bleibst eine überaus schwache Frau“, spottete
Kronos.
In gefährlicher Haltung schwang er das Schwert. Cassandra kniete vor
ihm. Sie hielt den Kopf gesenkt, schien bereit zu sein, den tödlichen Schlag zu
empfangen. In Sekunden zog ihr langes, unsterbliches Leben vor ihrem inneren
Auge vorbei. Ihr Leben ging zu Ende. Es war vorbei. Nun war der Zeitpunkt
gekommen, den viele Unsterbliche schon gegenüber gestanden hatten. Sie hatte
nie erwartet die Letzte zu sein. Doch ausgerechnet durch Kronos‘ Hand zu
sterben war eine einzige Demütigung für sie.
Ein letztes Mal blickte sie ihn an. Sie sah die Kälte und die Überlegenheit
in seinen Blick. „Wir werden uns wiedersehen“, sprach Cassandra. „Warte
nicht auf mich. Ich komme nicht nach“, erwiderte Kronos spottend. Sie schloß
die Augen. Der Wind wehte und blies durch ihr Haar. Für einen langen Augenblick
fand sie ihren Frieden. Dann hörte sie ein Zischen und Kronos schwang das
Schwert. „Leb wohl, Weib“, lachte er. Die Klinge durchtrennte ihren Hals.
Der Leichnam polterte zu Boden. Es war vorbei. Cassandra war tot. Kronos hatte
endgültig über sie gesiegt.
Und dann begann ein überaus starkes Quickening. Kronos fiel auf die
Knie; konnte sich durch diese Macht, die ihn erfaßte, nicht länger auf den
Beinen halten. Cassandra war fast dreitausend Jahre alt gewesen. Sie hatte eine
starke Macht besessen, die nun auf Kronos überging. Ihre Lebensenergie gehörte
nun Kronos. Und zum ersten Mal erfuhr er, welche Schmerzen Cassandra in ihrem
Leben wirklich erlitten hatte. Er spürte ihre Verzweiflung und ihren unbändigen
Hass auf die vier apokalyptischen Reiter.
Cassandra war von Rache besessen gewesen. Sie war davon besessen
gewesen, sich vor allem an Kronos für alles zu rächen. Es hatte ihr keine Ruhe
gelassen. Es hatte sie bis in ihre Träume verfolgt. Ihr ganzes Leben war davon
bestimmt gewesen. Ihre Rache war ihr einziges Lebensziel gewesen. Gequält
schrie Kronos auf als das Quickening ihn mit voller Wucht erfaßte. Um ihn herum
schlugen Blitze ein. Die Fensterscheiben eines alten Gebäudes, das in der Nähe
lag, flogen aus dem Rahmen. Ein heftiges Feuer wurde entfacht. Funken stiegen
hoch zum Himmel entbor.
Mit einen gequälten Keuchen fiel Kronos zu Boden. Er schluckte. Selten
hatte er ein so dermaßen starkes Quickening erlebt. Ein Quickening, das mehr
als acht Minuten gedauert hatte. Nun war es vorbei. Kronos hatte Cassandras
Schmerzen gefühlt. Er hatte sie tief in sich aufgenommen und freute sich darüber,
daß sie so gelitten hatte unter der Herrschaft der vier Reiter. Ein kaltes
Lachen entrang sich Kronos‘ Kehle.
Cassandra war so schwach, so hilflos gewesen. Sie war nie ein richtiger
Gegner für ihn gewesen. Sie war nur eine unbedeutende Frau gewesen, ein
niemand. Kronos nahm sein Schwert und erhob sich. Für einen Moment schwankte
er. Die Nachwirkungen des starken Quickenings beeinträchtigten ihn doch. Er
ging zu seinen Wagen. Als er den Motor startete, atmete er für einen Augenblick
tief durch. Kronos mußte dringend schlafen, wenn er zu Hause war. Er mußte
Kraft schöpfen.
~ 8. ~
Erst am Nachmittag des nächsten Tages hatte Kronos sich von dem starken
Quickening erholt. Gutgelaunt und fit fuhr er zu Juana. Schließlich hatten sie
noch etwas zu besprechen. Sie hatte eine wichtige Entscheidung zu treffen und
die wollte er nun hören. „Was ist passiert?“ fragte Juana sofort als er
ihre Wohnung betrat. „Ich weiß nicht, was du meinst“, erwiderte er locker
und ließ sich auf die Couch fallen. „Weich nicht aus, Kronos! Gestern, diese
Energie. Das war ein Quickening. Und ich bin mir ziemlich sicher, daß du dafür
verantwortlich bist“, sprach sie vielsagend.
Ein breites Grinsen huschte über Kronos‘ Gesicht. „Ich hatte eine
Begegnung mit einer alten Bekannten aus der Bronzezeit. Aber das braucht dich
nicht weiter zu interessieren. Hast du nachgedacht? Welche Entscheidung hast du
getroffen?“ fragte er mit seinen typischen raubtierhaften Blick. Kronos hatte
ihre Nervosität bemerkt, obwohl sie versuchte, es vor ihm zu verbergen. „Dein
Angebot ist sicher nett gemeint, aber ... ich kann nicht. Verstehe mich nicht
falsch, Kronos. Ich kann einfach nicht zu dir zurück kommen. Es geht nicht“,
sprach Juana aufrichtig.
„Warum?“ hakte Kronos gereizt nach. Unsicher blickte Juana ihn an.
Sie wußte, mit den nächsten Worten besiegelte sie ihr Schicksal. „Es geht
nicht. Es würde nicht funktionieren, Kronos. Außerdem ... ich liebe meine
Freiheit und ...“ „Deine Freiheit? Du wirst nichts mehr von deiner Freiheit
haben, wenn du gegen mich im Duell antrittst“, schnitt Kronos ihr scharf das
Wort ab. „Kronos, es ist nicht so, das du mir nichts mehr bedeutest, aber ...
Es würde nicht klappen. Es würde genauso enden wie damals, glaube mir. Ich
will es auch nicht mehr. Ich will nicht mehr so leben, so sein wie früher. Ich
habe mich verändert. Und ich mag mich so wie ich jetzt bin. Du würdest von mir
verlangen wieder zu töten. Und das kann ich nicht mehr. Ich schätze das Leben
sehr“, sprach Juana.
Zwischen ihnen herrschte Schweigen. Juana konnte nur ahnen, was er jetzt
dachte. „Ist das dein letztes Wort?“ hakte Kronos nach und stand auf. Zögernd
nickte Juana. Kronos kam näher. Seine Augen funkelten wütend. „Morgen Abend,
zehn Uhr, bei der alten Papierfabrik. Sei bitte pünktlich, Darling“, befahl
er. „Kronos, ich will nicht gegen dich kämpfen. Können wir nicht einfach
Freunde bleiben? Die meiste Zeit haben wir uns doch gut verstanden. Wir müssen
uns nicht duellieren“, unternahm Juana noch einen Versuch ihn von seinen
Vorhaben abzubringen.
„Oh doch, mein Schatz, wir werden gegeneinander antreten. Du wirst kämpfen.
Sei dir dessen bewußt. Entweder kehrst du zu mir zurück und du kämpfst gegen
mich. Das sind deine beiden Möglichkeiten. Du willst nicht zu mir zurück? Es
ist deine Entscheidung. Wir werden uns morgen zum Duell treffen. Glaub mir, es
wird auch mir schwerfallen. Aber was sein muß, muß eben sein.“ „Aber ...
Kronos ...“ Sein Finger strich über ihre Lippe. Verneinend schüttelte er den
Kopf. Er wollte nicht, daß sie noch etwas sagte.
„Du hast mich verlassen, Darling. Du bist gegangen – ohne ein Wort,
ohne irgend etwas. Und dafür mußt du bezahlen. Ich schwöre dir, es wird
schnell gehen. Wir sehen uns morgen, Juana.“ Die Unsterbliche schloß die
Augen. Mußte es den wirklich so enden? Sie spürte eine federleichte Berührung
an ihren Lippen. Es war ein hauchzarter Kuss. Es war ein Abschiedskuß, daß wußten
sie beide. Dann ließ Kronos sie stehen und die Tür fiel hinter ihm zu.
Kronos war ein Mann, der sein Wort hielt – auch wenn es ihm diesmal
schwerfallen würde. Er ging aus dem Haus. Selbst für ihn würden zwei
Quickenings in so kurzem Abstand schwer werden. Das war nicht leicht zu
verkraften. Er wußte, daß Juana keine Chance gegen ihn hatte. Und das erste
Mal in seinen Leben tat es ihm fast weh jemanden zu töten. Auf eine besondere
Art und Weise bedeutete sie ihm sehr wohl etwas. Doch diese Geschichte mußte
jetzt beendet werden. Er hatte seine Forderung gestellt und sie war nicht bereit
diese zu erfüllen. Dafür mußte sie sterben.
In ihrer Wohnung glitt Juana zu Boden. Sie weinte leise. Verzweifelt zog
sie die Knie an und vergrub das Gesicht in ihren Händen. Ihr Körper wurde von
einem heftigen Schluchzen erfaßt. Sie wollte nicht gegen Kronos kämpfen, aber
er zwang sie dazu. Er ließ ihr gar keine andere Wahl. Juana wußte selbst, daß
diese Sache beendet gehörte. Aber so? Das alles hatte sie nicht gewollt. Sie
war eine gute Kämpferin, aber gegen Kronos war sie chancenlos.
Und was war, wenn es ihr gelang, ihn zu entwaffnen? War sie in der Lage
durchzuziehen und Kronos zu töten? Den Mann das Leben zu nehmen, der sie bei
sich aufgenommen und ihr alles beigebracht hatte? Der immer für sie da gewesen
war? Sie hatte einen großen Teil ihres Lebens mit ihm verbracht. Sie hatte das
Bett und ihr Leben mit ihm geteilt. Ja, sie hatte ihn geliebt. Nie hatte sie es
ihm gesagt, aber sie hatte ihn sehr geliebt.
[Zehn Uhr abends, nächster Tag]
Es war soweit. Kronos lehnte an seinen Wagen und wartete auf Juana. Er
warf einen Blick auf seine Uhr. Sie hatte schon zehn Minuten Verspätung. Aber
das hatte er erwartet. In diesen Moment spürte er die altbekannte Präsenz und
Juana tauchte auf. „Ich bin da“, sprach sie mit trockener Stimme. „Du bist
ohne Wagen hier?“ fragte er. „Ja, ich dachte, ein Spaziergang dürfte mir
nicht schaden.“ „Wo es der Letzte sein wird“, erwiderte Kronos und ging
zur Fabrik voraus. Juana folgte ihm. Sie warf ihren Mantel auf den Boden.
„Können wir darüber nicht reden, Kronos? Wir finden sicher eine Lösung,
die uns beide zufriedenstellt.“ „Hör auf damit! Es hat keinen Sinn. Wir müssen
es beenden“, sprach Kronos ungerührt. Er drehte sich zu ihr und fing an.
Juana parierte den Schlag mit ihrem Schwert. „Kronos ...“ „Hör auf zu
flehen und kämpfe“, wies er sie zurecht. Er trat nach vorne und bombardierte
sie mit harten Schlägen seines Schwertes. Hart schlug seine Klinge gegen die
ihre.
Juana versuchte alles um irgendwie gegen ihn zu bestehen. Kronos drehte
sich um und gelang hinter ihr. Dabei zog seine
Klinge eine gerade Linie in ihren Arm. Unwillkürlich wich sie einen
Schritt zurück. Das Blut versiegte sofort und die Wunde schloß sich. Juana sah
ein, daß es keinen Sinn hatte, Kronos zur Vernunft bringen zu wollen. Sie mußte
sich verteidigen. Sie hatte keine andere Wahl. Also griff sie an. Für einen
Moment war Kronos überrascht, welche Kraft sie doch in sich hatte.
Minutenlang gaben sich beide keine Blöße. Verbissen bekämpften sie
sich. Keiner von beiden wollte nachgeben. Es war nur das Klirren der aufeinander
schlagenden Klingen zu hören. Doch dann geschah es. Juana duckte sich unter
einen Angriff von Kronos. Sie drängte ihn zurück. Einen Augenblick war Kronos
unachtsam und stolperte. Dies nutzte Juana aus und schlug ihm das Schwert aus
der Hand. Es landete vor Kronos‘ Füßen. Kronos verlor das Gleichgewicht und
stürzte. Als er aufsah, lag Juanas Schwert an seinen Hals. Er konnte es nicht
glauben. Wie hatte das passieren können? Wie hatte ihm ein solcher Fehler
unterlaufen können? Er war Derjenige, der in die Defensive geraten war.
Schweigend blickten sie sich in die Augen. „Worauf wartest du? Tue
es“, forderte Kronos, als er die Stille durchbrach. Er war auf sich selbst wütend.
Wie hatte ihm dieser Fehler nur passieren können? Doch Juana schüttelte den
Kopf und trat einen Schritt zurück. Sie ließ das Schwert sinken. „Nein,
Kronos. Ich kann das nicht. Ich kann dich nicht töten. Du warst mein Lehrer und
hast mich bei dir aufgenommen. Einst warst du der wichtigste Mensch in meinen
Leben. Ich habe dir viel zu verdanken“, sprach Juana offen.
„Wie kann ich dich da töten? Vielleicht ist das für dich kein
Problem. Aber ich habe ein gewaltiges Problem damit. Ich bin nicht du. Ich kann
nicht einfach so vergessen, was zwischen uns war. Du willst mich töten? Bitte,
dann tue es. Ich werde dich nicht daran hindern.“ Juana warf ihr Schwert auf
den Boden. Ungläubig blickte Kronos sie an. Sie verschonte ihn? Wieso tat sie
das? Anscheinend schien sie doch noch viel mit ihm zu verbinden.
Kronos stand auf, bückte sich nach seinen Schwert und hob es auf. Nun
standen sie sich gegenüber. Juana erwartete den Tod. „Du willst nicht kämpfen?“
hakte er nach. „Ich kann nicht. Nicht gegen dich.“ Juana ging vor ihm auf
die Knie. „Jemand muß es beenden“, flüsterte sie. Sie legte ihr Leben in
seine Hand. Sie war bereit zu sterben. Kronos beobachtete sie. Er hatte ihr Gefühl
für ihn in ihren Augen gelesen. Für einen einzigen Moment hatte sie ihm ihre
Gefühle offenbart.
Natürlich konnte er sich auch täuschen. Konnte es tatsächlich sein,
daß es mehr als nur Dankbarkeit war, was sie ihm entgegenbrachte? Konnte es
sein, daß sie ihn liebte? Verächtlich schüttelte Kronos den Kopf. Nein, daß
war nicht möglich. Zwischen ihnen hatte immer Leidenschaft geherrscht, aber es
war nie Liebe im Spiel gewesen. Doch wenn er Juana ansah, wie sie ihr Leben in
seine Hände legte, war er sich dessen nicht mehr so sicher.
„Steh auf“, forderte Kronos unvermittelt. Juana öffnete die Augen
und sah ihn verwundert an. „Du sollst aufstehen“, wiederholte er scharf. Zögernd
tat sie es. „Kronos?“ Fragend sah sie ihn an. „Sei still“, knurrte er.
Unruhig ging er auf und ab. Juana beobachtete ihn. Er war gereizt, daß war
offensichtlich. Was war los mit ihm? Sie hatte ihn verlassen ohne ein Wort zu
sagen. Dafür wollte er sie bestrafen. Warum tat er es jetzt nicht? Warum
beendete er nicht, was er vorgehabt hatte?
Unverständlich murmelte Kronos vor sich hin. Juana verstand nicht, was
er da sagte. Er war wütend. Doch auf wen ... das konnte sie nicht sagen. War er
auf sie zornig oder auf sich selbst? Seine Stiefelabsätze bohrten sich in den
weichen Untergrund unter ihren Füßen. Sein Gang, seine ganze Haltung, zeigte
ihr, daß er wütend war. Und dann – ohne Vorwarnung – drehte er sich zu ihr
um. Er baute sich vor ihr auf und funkelte sie mit einen gefährlichen Blick an.
„Heb dein Schwert auf“, forderte Kronos. „Nein, ich werde nicht
gegen dich kämpfen.“ „Heb es auf“, schrie Kronos herrisch. Juana zuckte
zusammen und bückte sich, um ihr Schwert aufzuheben. „Hau ab!“ „Was?“
Überrascht blickte sie ihn an. War das sein Ernst? „Verschwinde! Geh, bevor
ich es mir anders überlege! Ich verschone dich.“ Kronos verachtete sich
selbst, daß er diese Entscheidung traf. Noch nie hatte er einen Menschen
verschont. Ob sterblich oder unsterblich, daß spielte keine Rolle. Noch nie
hatte er jemanden am Leben gelassen. Aber ... er konnte sie nicht töten. Etwas
in ihm wehrte sich dagegen und dafür verachtete er sich selbst zutiefst.
„Verschwinde endlich“, knurrte Kronos. Juana erkannte seinen
Zwiespalt. Sie ließ ihn allein und ging nach Hause. Kronos ging zu seinen Wagen
und riß die Tür auf. Brutal warf er sein Schwert auf den Beifahrersitz. Das
Schwert zerschlug fast das Fenster. Doch Kronos achtete nicht darauf. Es
interessierte ihn nicht. Er nahm seine Zigarettenschachtel heraus und zündete
sich eine an. Dann lehnte er sich gegen den Wagen. Warum hatte er sie gehen
lassen? Warum? Was war nur in ihn gefahren? Das Quickening von Cassandra hatte
ihn nicht beeinflußt. Er war zu stark für sie.
Aber warum zum Teufel hatte er nicht dafür gesorgt, daß Juana für
ihren Fehler bezahlte? Deshalb war er doch nach Portugal gekommen. Wieso hatte
er nicht beendet, was er ihr angedroht hatte? Sie hatte es doch verdient zu
sterben. Immerhin hatte sie ihn ohne ein Wort verlassen. Das hatte er noch nie
getan. Er tötete und hinterließ eine Blutspur. Er tötete, ohne zu zögern.
Doch bei Juana hatte er es das erste Mal getan. Er hatte gezögert. Obwohl er
stinksauer war, daß sie nicht zu ihm zurückkehrte, hatte er ihr Leben
verschont. Kronos wußte, eines Tages würde er diese Entscheidung
wahrscheinlich bereuen. Er setzte sich in den Wagen und fuhr in der Dunkelheit
davon. Warum Kronos Juana gehen ließ ... dafür hatte er selbst keine Erklärung.
To Be Continued ...
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