Title: The Devil and I, Part 2 – Deadly Vengeance
Author: Tegan

Fandom: Highlander – The Series
Rating: NC-17
Category: Begegnungen, Entführung, a little bit Folter
Characters, Pairing: Duncan, Methos, Kronos / Juana (eig. Charakter)

Summary: Fünf Jahre nach den Geschehnissen in Portugal kreuzen sich die Wege von Kronos und Juana erneut. Ein alter Feind Kronos‘ ist hinter Juana her, um mit ihrer Hilfe Kronos aus seinen Versteck zu locken. Kronos bleibt nichts anderes übrig als sich auf dieses Spiel einzulassen, den Juanas Leben hängt an einen seidenen Faden ...

Disclaimer: Die Charaktere von Highlander – The Series gehören nicht mir, sondern der Davis/Panzer Productions und anderen. Diese Story ist FanFiction, mit der weder Geld verdient, noch Rechte verletzt werden sollen. Ich schreibe sie nur zu meinen Vergnügen.

Note: Der zweite Teil von „The Devil and I“ spielt noch immer vor dem Reiter-2teiler. Ich fand die Idee, daß Kronos schon im Vorfeld wußte, wo sich Methos befindet und diesen anruft, ganz gut. Deshalb habe ich sie hier eingebaut. Mit diesen Teil ist „The Devil and I“ abgeschlossen. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen.


The Devil and I, Part 2 - Deadly Vengeance
written by Tegan
© 2001

~ Prolog ~

[5 Jahre später]

Die Geschehnisse in Lissabon waren vergangen. Trotzdem holten sie Juana jede Nacht ein. Sie schlief schlecht seit Kronos sie hatte gehen lassen. Fluchtartig hatte sie Portugal verlassen; wollte nicht mehr dort leben. Die Ereignisse mit Kronos hatten sie einfach zu sehr mitgenommen. Für eine kurze Zeit hatte sie ihr Weg nach San Francisco geführt. Doch auch dort hatte sie die bösen Geister ihrer Vergangenheit nicht vertreiben können.

Deshalb war sie auch schon bald wieder weiter gereist. Schließlich war Juana in Kanada gelandet. Sie lebte abseits der Großstadt, in einen kleinen Ort, der Moose Jaw hieß. Es war still und ruhig in diesem kleinen kanadischen Städtchen. Und genauso wollte sie es. Es gab in dieser Gegend keine Unsterbliche und das war ihr nur recht. Der Kampf mit Kronos hatte sie durcheinander gebracht. Sie hatte genug und einfach keine Lust sich mit anderen ihrer Art herumzuschlagen.

Doch auch in Moose Jaw holten sie ihre Träume ein. Diese Träume, die sie hatte seit der Sache mit ihrem ehemaligen Lehrer und Geliebten. Es waren jedoch nicht nur die Träume. Jeden Tag – jede Stunde – kreisten ihre Gedanken über das Duell mit Kronos. Er hatte sie verschont. Und dafür hatte Juana einfach keine Erklärung. Er hatte sie tatsächlich am Leben gelassen, hatte sie gehen lassen. Juana suchte nach dem Grund warum. Aber sie fand keine Antwort auf ihre Frage.

Es gab jedoch noch viel mehr, was an dieser Sache nicht in Ordnung gewesen war. Die ganze Situation war verwirrend und warf unerklärliche Fragen in den Raum. Kronos hatte sie verschont, ja. Doch sie hatte in seine Augen gesehen und hatte Hass darin gelesen. Dieser Hass hatte sich jedoch nicht gegen sie gerichtet, sondern gegen ihn selbst. Kronos hatte sich selbst für diese Entscheidung verachtet, daß hatte Juana selbst gesehen.

Aber weshalb hatte er sie dann am Leben gelassen? Wenn er sich selbst haßte, weil er sie gehen ließ, warum hatte er es dann getan? Kronos hatte Jahrhunderte nach ihr gesucht und sie in Lissabon aufgespürt weil er unter diese Sache einen Schlußstrich ziehen wollte – egal auf welche Art und Weise. Er hatte sie bestrafen wollen, weil sie sich geweigert hatte, zu ihm zurück zu kommen. Der Kampf zwischen ihnen hätte diese Sache für immer beenden sollen. Doch Kronos hatte sie gehen lassen. Sein Verhalten war wirklich rätselhaft. Juana konnte es sich einfach nicht erklären.

Kronos hatte es nach Brasilien verschlagen. Er war regelrecht nach Südamerika geflüchtet, nachdem die Sache in Portugal so daneben ausgegangen war. Sie war anders verlaufen als er sich das vorgestellt hatte. Ihm war nur die Flucht geblieben, nachdem er einen kurzen Augenblick Schwäche empfunden hatte. Und auch seine Gedanken kreisten um seinen Kampf mit Juana. Sie kreisten um das, was geschehen war.

Immer und immer wieder fragte Kronos sich, was ihn dazu getrieben hatte, Juana gehen zu lassen. Was war mit ihm los gewesen? Was war nur in ihn gefahren? Dieses Verhalten paßte gar nicht zu ihm. Es sah ihm nicht ähnlich. Er tötete ohne Mitleid mit seinen Opfern zu haben. Er tötete weil es ihm Spaß machte. Kronos war ein Mann ohne Skrupel, ohne Gewissen und ohne Furcht.

Doch er hatte Juanas Leben verschont. Warum, zum Teufel, hatte er das bloß getan? Dies war eine Frage, die er gar nicht beantworten wollte. Kronos wollte es nicht wissen. Denn, obwohl er sich vor nichts fürchtete, machte ihm die Antwort Angst. Tief in sich kannte er die Antwort. Sie war in ihm begraben. Er hatte die Antwort tief in sich begraben, damit er sie selbst nie erkannte und sich dieser Wahrheit niemals stellen mußte.

Juana wurde beobachtet. Außer ihr gab es noch einen Unsterblichen in Moose Jaw. Sie wußte nichts davon, da er sich immer soweit von ihr fern hielt, daß sie seine Anwesenheit nicht spüren konnte. Ray Edgall war auf der Suche nach ihr gewesen. Doch er beobachtete sie nicht weil er mit ihr eine Tasse Kaffe trinken wollte. Nein, er tat es, weil er von Hass und blinden Zorn getrieben wurde. Sein Hass galt aber nicht Juana. Sein Hass galt einen Menschen, den sie nur zu gut kannte. Kronos war sein Ziel. An ihm wollte Ray sich rächen und dies würde er über Juana tun.

Kronos saß in seinen Hotelzimmer. In den letzten Tagen war er verdächtig nachdenklich geworden. Und das lag nur an Juana. Sie war daran schuld. Immer wieder sah er den Ausdruck in Juanas Augen vor sich als diese die Möglichkeit gehabt hatte ihn zu töten. Es war dieser bestimmte Ausdruck in ihrem Gesicht, der ihm keine Ruhe mehr ließ. Es ging Kronos einfach nicht mehr aus dem Kopf. Für einen kurzen Augenblick hatte Juana ihm die völlige Wahrheit offenbart. Es war die Wahrheit über ihre Gefühle mit dem Kronos nicht klar kam.

Er wollte es einfach nicht wahrhaben; konnte es nicht glauben. Diese Gefühle waren Dinge gewesen über die sie nie gesprochen hatten. Sie hatten ein stummes Abkommen darüber getroffen. Kronos hatte sich auch nie Gedanken darüber gemacht, warum Juana in der Vergangenheit solange bei ihm geblieben war und getan hatte, was er von ihr verlangt hatte. Jetzt kannte er die Wahrheit. Und diese Wahrheit gefiel ihm nicht.

Nachdenklich nahm Kronos einen Zug seiner Zigarette und stieß eine kräftige Rauchwolke aus. Ein schwerer Seufzer entrang sich seiner Kehle. Was war bloß mit ihm geschehen? In diesen einen Augenblick, als er entschieden hatte, Juana gehen zu lassen? Er hatte tatsächlich ihr Leben verschont. Doch warum war er soweit gegangen? Warum hatte er diesen Schritt gemacht? Was hatte ihn nur zu diesem Fehlverhalten getrieben? Hatte er etwa den Verstand verloren?

Für Kronos war es leichter die Wahrheit zu verkraften, wenn er es als einen kurzen Moment der Schwäche abtat. Doch so einfach war das alles nicht. Kronos wußte das. Jedoch weigerte er sich dies einzusehen. Es war nur ein kurzer Aussetzer seines Verstandes gewesen, mehr nicht. Doch tief in sich wußte Kronos es besser. Da war die ganze Wahrheit vergraben. Eine Wahrheit, bei der er sich hartnäckig weigerte, sie zu akzeptieren. Er wollte es sich einfach nicht eingestehen. Die Sache mit Juana war für ihn vorbei – ein für alle Mal. Diese Frau war eine Gefahr für ihn und seinen gesunden Menschenverstand. Und deshalb war es besser, wenn er sie nie mehr wiedersah ...

~ 1. ~

Da Juana beabsichtigte, länger in Moose Jaw zu bleiben, hatte sie sich eine Wohnung besorgt. Wegen der Sache mit Kronos mied sie jeglichen Kontakt zur Gesellschaft, egal wie das aussah. Sie sprach mit den Menschen in ihrer Umgebung nur das Nötigste und vergrub sich ansonsten in ihrer Einsamkeit. Aus der lebensfrohen Frau, die Juana einmal gewesen war, war ein in sich gekehrter, stiller Mensch geworden. Sie wollte nur vergessen, doch das war nicht so einfach. Es war nicht einfach zu verarbeiten. Doch die Erinnerung daran holte sie immer wieder ein und ließ sie nicht mehr los.

Jeden Morgen ging Juana joggen. Für sie war es eine Art Therapie, die ihr half, für eine Weile den Kopf frei zu bekommen. Nur beim Laufen vergaß sie für einige Momente das, was mit Kronos geschehen war. Sie nahm immer den gleichen Weg, der zu einer verlassenen Bergstraße führte, in deren Nähe es nur einige abbruchfähige Hütten gab. Und genau dort stellte sie auf einmal die altbekannte Präsenz ein.

Wie vom Blitz getroffen blieb Juana stehen. Sie blickte sich um. Doch die Gegend war vollkommen verlassen. Konnte sich hier wirklich ein Unsterblicher herumtreiben? Verwirrt sah sie die Straße entlang. Und genau da tauchte er auf – ein dunkelblonder, gut gebauter Mann. Juana kannte ihn nicht; war ihm noch nie zuvor begegnet. Wer war er? „Wunderbar“, murmelte sie. Ausgerechnet beim joggen mußte ihr ein Unsterblicher über den Weg laufen, wo sie ihr Schwert nicht mit sich führte.

Der fremde Mann kam auf sie zu. Er zeigte keine Feindseligkeiten. Aber das konnte auch nur ein überaus schlechter und mieser Trick sein. Mißtrauisch blickte Juana ihm entgegen. „Mein Name ist Ray Edgall“, stellte er sich ruhig vor. „Ich heiße Juana“, erwiderte sie. „Kann ich Ihnen helfen?“ Juana hoffte, ihn dadurch schneller loszuwerden. „Sie sind doch eine Bekannte von Kronos oder irre ich mich da, Juana?“ fragte Ray. Augenblicklich erstarrte Juana. Na toll, ein Feind von Kronos. Das hat mir gerade noch gefehlt, dachte sie sarkastisch.

Mußte ihr der Kerl eigentlich immer Ärger einbringen? Auch dann, wenn er sich gar nicht in ihrer Nähe aufhielt? Ray blickte ihr in die Augen. Sein Name sagte ihr – ganz offensichtlich – nichts. Also wußte sie nicht, wer er war und welche Vergangenheit er mit Kronos hatte. Er war Juana völlig fremd. Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht. Kronos hatte ihn in ihrer Gegenwart also nie erwähnt. Aber warum sollte er das auch tun?

„Ja, man kann sagen ... Ich bin eine Bekannte von Kronos“, gab Juana zögernd zu. Ray grinste kalt. Im nächsten Augenblick hatte er auch schon einen Dolch gezückt und preßte die scharfe Klinge an Juanas Kehle. Vollkommen überwältigt von diesem Angriff erstarrte Juana förmlich. Sie schluckte schwer. Entsetzt begegnete sie Rays Augen. Und darin las sie nichts außer bitteren, tiefen Hass.

Ich hätte es mir denken können, dachte sie. Angst überkam Juana. Es war offensichtlich, daß dieser Typ sie töten würde. Juana liebte das Leben. Sie fürchtete den endgültigen Tod. Doch sie zwang sich selbst, ruhig zu bleiben und ihrem Gegenüber ihre Angst nicht zu zeigen. Er durfte sie nicht sehen. Das hatte Kronos ihr beigebracht. „Wenn dein Feind Angst siehst, bist du ihm hilflos ausgeliefert“, hallte seine Stimme in ihrem Kopf. Und er mußte es ja wissen. Durch die Angst waren seine Opfer ihm ausgeliefert und ihre Hilflosigkeit war für Kronos Grund genug, mit seiner Folter weiterzumachen. Das wußte Juana.

„Wo ist er?“ fragte Ray barsch. „Ich ... weiß es nicht, ehrlich“, erwiderte Juana mit trockener Stimme. Ray preßte den Dolch noch fester gegen ihre Kehle, so das sie fast keine Luft mehr bekam. „Sie sind seine Geliebte. Sie müssen wissen, wo er sich aufhält“ „Sie irren sich, Ray“, widersprach Juana. „Ich war seine Geliebte. Die Betonung liegt auf war. Kronos und ich sind seit Jahrhunderten nicht mehr zusammen. Tut mir leid, ich kann Ihnen nicht weiterhelfen.“ Wütend funkelte Ray sie an.

„Und das soll ich Ihnen glauben?“ fauchte er ungehalten. „Sie lügen, Juana! Ich weiß, daß Sie ihn vor kurzem getroffen haben.“ „Das stimmt so nicht. Er hat mich aufgesucht und wir haben ein Duell bestritten.“ „Tatsächlich?“ „Ja, habe ich erwähnt, daß ich ihn einst ohne ein Wort verließ? Das hat er nicht besonders gut aufgenommen. Er war deshalb etwas sauer auf mich.“ „Sie leben noch“, warf Ray ein. „Ja, weil er mich gehen ließ. Ich hatte die Möglichkeit ihn zu töten. Doch ich habe sie nicht genutzt“, sprach Juana. Fassungslos starrte Ray sie an.

Ein Grinsen huschte über Juanas Lippen. Wenn ich sterbe, gehe ich wenigstens mit einen Knall unter, dachte sie. „Sie haben diesen Bastard am Leben gewesen, obwohl Sie die Möglichkeit hatten, ihn zu erledigen?“ hakte Ray scharf nach. Juana nickte bejahend. „Sie haben ihn nicht getötet. Und deswegen sind Sie genauso schuldig wie er. Dafür werden Sie zahlen.“ Ich wüßte gerne, wovon der Kerl redet, dachte Juana irritiert und schluckte schwer.

„Wie konnten Sie das Leben dieses elenden Bastards verschonen?“ knurrte Ray zornig. Seine Wut beherrschte ihn. Er war nicht mehr zu bremsen. Juana atmete einmal tief durch, um ihre Pulsfrequenz zu normalisieren. „Hören Sie, Ray“, begann sie ruhig. „Ich sehe, Sie sind kein Freund von Kronos. Um ehrlich zu sein, hat er wenig Freunde, was ich verstehen kann. Ich bin mir sicher, Ray, Ihr Hass auf ihn ist gerechtfertigt. Immerhin ist Kronos ein Killer. Aber ... ich habe mit dieser Sache, was auch immer es ist, nichts zu tun. Ich kann Ihnen nicht helfen. Ich habe keine Ahnung, wo er sich im Augenblick aufhält. Er ist nach der Sache in Portugal verschwunden.“ Sie hoffte, das es etwas brachte. Juana hoffte wirklich, daß Ray auf sie hören würde und sie gehen ließ.

Doch er lachte nur bitter auf. „Ein billiger Versuch Ihre Haut retten zu wollen, Juana“, sprach er und preßte die Klinge noch fester gegen ihre Kehle. Die Klinge schnitt ihre Haut auf und Blut quoll aus der kleinen Wunde. „Nein, tue ich nicht“, widersprach Juana verzweifelt. „Es ist die Wahrheit. Ich weiß wirklich nicht, wo Kronos steckt. Er kann überall sein.“ „Da gebe ich Ihnen recht. Aber ich bin mir sicher, er wird uns bald hier in Kanada besuchen kommen. Er wird uns sicher einen Besuch abstatten.“ Verwirrt blickte Juana Ray an. „Wie meinen Sie das?“ fragte sie vorsichtig nach.

„Er wird kommen. Kronos wird kommen, um Ihr Leben zu retten“, lachte Ray. „Was?“ „Ich bin mir sicher, er wird deshalb kommen, Juana.“ Ray entfernte den Dolch von ihrer Kehle und trieb ihn statt dessen in ihr Herz. Juana stöhnte auf und schwankte. Augenblicklich wurde ihr klar, das Ray sie als Köter benutzen würde, um Kronos aus seinen Versteck zu locken. Ihre Gedanken traten in den Hintergrund. Sie spürte nur noch diese pochenden, quälenden Schmerzen in ihrem Körper. Und dann fiel sie in ein bodenloses, schwarzes Loch ...

Mit einen kalten Grinsen blickte Ray auf den leblosen Körper am Boden. Sein Mittel zum Zweck war gestorben. Der erste Schritt seines Planes war durchgeführt. Ray hob Juana hoch und trug sie zu seinen Wagen. Er verstaute sie darin und entfernte sich mit rasender Geschwindigkeit von dem Ort des Geschehens. Ray war sich sicher, daß Kronos kommen würde. Kronos würde nicht zulassen das Juana etwas geschah. Er hatte sie gehen lassen – damals in Portugal. Und deshalb würde er kommen, um sie zu retten.

Stechende Schmerzen waren das erste, das Juana fühlte, als sie aufwachte. Die Schmerzen breiteten sich in ihrem ganzen Körper aus. Das Aufwachen fiel ihr schwer. Verschwommen nahm sie ihre Umgebung wahr. Ein leises Stöhnen drang über ihre Lippen. Ihre Lider fühlten sich unglaublich schwer an als sie die Augen öffnete. In ihrem Kopf dröhnte es. Ihr ganzer Körper schien vor Schmerzen zu schreien. Langsam hob Juana den Kopf. Nun wurde ihre Sicht auch klarer und sie blickte sich um.

Das Apartment, indem sie sich befand, war nur spärlich eingerichtet. Ihr Entführer schien keinen großen Wert auf teure Sachen zu legen. Er saß vor einem Computer und war tief in seine Arbeit vergraben. Juana bemerkte woran es lag, daß sie Schmerzen im ganzen Körper fühlte. Sie war an einen unbequemen Stuhl gefesselt und konnte sich nicht rühren. Na prima, das auch noch! Und wem habe ich das Ganze jetzt zu verdanken? Kronos ist natürlich an allem schuld, dachte Juana und rollte mit den Augen.

„Entschuldige mal“, meldete sie sich laut zu Wort. Ray drehte sich um. „Du bist wach“, stellte er sachlich fest. „Wie du siehst ... ja. Sag mir, warum du hinter Kronos her bist“, bat sie, um ein Gespräch zum Laufen zu bringen. Sie mußte mit ihm reden. Vielleicht kam sie so hinter seine Motive. Außerdem interessierte es sie, warum Ray so leichtsinnig war und Kronos jagte. Niemand ging dieses Risiko ein. Immerhin war Kronos ein skrupelloser Killer und jeder, der ihn kannte, wußte das.

„Was interessiert dich das? Du versucht doch nur, dich mit mir zu unterhalten, damit ich nicht auf die Idee komme, dich zu töte“, gab Ray ihr wütend zu verstehen. „Ich will wirklich erfahren, was hinter diesen Hass steckt. Außerdem wüßte ich gerne wegen was ich sterben muß“, sprach sie. „Ich habe auch nichts gegen eine kleine Unterhaltung mit meinen Entführer. Komm schon, Ray! Sprich mit mir“, forderte Juana ihn auf. 

Einen langen Moment musterte Ray sie skeptisch. Dann setzte er sich auf das Bett und seufzte aus tiefer Kehle. „Na gut, Juana! Ich erzähle dir, warum ich all das tue. Mein Grund heißt Kronos. Er hat mein Leben zerstört“, teilte Ray ihr bitter mit. „Soweit bin ich mit meinen gedanklichen Ausführungen auch schon gekommen. Es gibt viele Leute, die ihn hassen. Doch die meisten dieser Leute wissen, daß es besser ist, sich nicht mit ihm anzulegen. Du wagst es aber trotzdem. Wieso?“ Ray blickte sie schweigend an. Und dann begann er zu erzählen ...

~ 2. ~

[Schottland - Jahr 1504]

Zwischen den Wäldern befand sich ein kleines Dorf. Die Vögel zwitscherten am Morgen ein kleines, fröhliches Lied. Die Männer verabschiedeten sich von ihren Frauen, um auf den Feldern ihrer Arbeit nachzugehen. Erneut hatte ihr Master die Steuern erhöht. Die Bauern machten sich Sorgen. Bald konnten sie das geforderte Geld nicht mehr zahlen. Sie waren bereits mit einer Zahlung im Rückstand. Würde der Master ihnen noch ein wenig Zeit geben? Was würde auf sie zukommen? Was würde mit ihrem Dorf passieren? Würde der schwarze Ritter ihr Dorf niederbrennen, so wie es anderen vor ihnen schon ergangen war? Die Bauern kannten die Antwort, doch sie weigerten sich, diese zu akzeptieren.

Marian sah ihrem Mann nach als er mit den anderen des Dorfes zu den Feldern ging, um ihre Ernte einzutreiben. Ray, der Unsterbliche, drehte sich ein letztes Mal um und winkte seiner sterblichen Frau. Lächelnd erwiderte sie seine Geste. Sie wußte nichts davon, daß ihr Mann von einer anderen Art war. Er hatte es  ihr nie erzählt. Ray wußte, sie würde es nicht verstehen. Deshalb behielt er das Geheimnis über seine wahre Natur besser für sich. Die Männer verschwanden am Horizont und die Frauen begannen mit ihrer täglichen Arbeit.

Gegen den Mittag stand die Sonne heiß am Horizont als plötzlich der Boden heftig erbebte. Das einfache Geschirr in den Häusern fing zum klirren an. Einige Schüsseln fielen zu Boden. Marian stürzte nach draußen, um nachzusehen, was die Störung herbei rief. Sie erstarrte regelrecht als sie die Reiter erkannte, die den Hügel hinabritten. Eine Gruppe fremder Reiter näherte sich dem Dorf mit schnellen Tempo.

„Marian!“ rief ihre Freundin Doreen. „Das sind die Reiter des Masters“, sprach sie ängstlich. „Ich weiß. Der schwarze Ritter ist dabei. Das bedeutet nichts gutes“, erwiderte Marian. Jeder wußte, der schwarze Ritter wurde nur geschickt, wenn etwas böses anstand. Sein Ruf eilte ihm voraus. Man betitelte ihn als gemein, skrupellos und äußerst grausam. Es machte ihm Spaß ein Dorf nach dem anderen niederzubrennen. Es machte ihm Spaß zu sehen, wie die Menschen alles verloren.

Kronos zügelte sein Pferd in der Mitte des Dorfes. Er blickte sich mit einen raubtierhaften Blick um. Die Bauern waren bei der Arbeit. Nur die Frauen und Kinder waren anwesend. Ein kaltes Grinsen huschte über sein Gesicht. Das würde ja noch mehr Spaß machen. Kronos blickte die Runde vor sich an. Seine scharfen Augen wurden zu schmalen, gefährlichen Schlitzen. „Welcher eurer Ehemänner ist für dieses Dorf verantwortlich?“ fragte er laut.

Marian schluckte schwer. Zögernd trat sie vor. „Das ist mein Mann, Sire“, sprach sie ängstlich und blickte zu Boden. Kronos grinste selbstgefällig. „Dein Mann ist bei der Arbeit?“ erkundigte er sich scheinheilig. „Ja, Sire.“ „Er weiß, daß euer Dorf Probleme hat die Steuern rechtzeitig zu bezahlen.“ Das war keine Frage, sondern eine schlichte Feststellung. Marian nickte leicht. „Ja, er wollte deshalb mit dem Master sprechen, Sire“, erwiderte sie mit zitternder Stimme.

„Ihr könnt nicht zahlen, meine Liebe. Was gedenkt dein Mann dagegen zu unternehmen?“ hakte Kronos amüsiert nach. „Ich weiß es nicht, Sire. Die Arbeit auf dem Feld wirft Geld ab und ...“ „Aber nicht genug, Weib“, unterbrach Kronos sie barsch. Marian zuckte zusammen. Innerlich wußte sie, daß der schwarze Ritter Recht hatte. „Ich schwöre, er wollte mit dem Master sprechen.“ „Du kennst die Regel. Dein Mann kennt die Regel. Jeder kennt sie. Wer am zweiten des Monats nicht zahlen kann, wird bestraft“, donnerte Kronos wütend los.

Zögernd sah Marian zu ihm hoch. „Sire, ich schwöre, meinen Mann ist das bewußt. Er weiß es. Aber unser Dorf hat immer pünktlich seine Abgaben geleistet. Wir brauchen nur ein wenig Zeit.“ „Das stimmt. Ihr habt immer pünktlich bezahlt. Aber das interessiert weder mich, noch dem Master. Für mich zählen Tatsachen. Und Tatsache ist, ihr habt diesmal nicht gezahlt.“ „Aber ...“ Kronos hob den Blick und sah seine Leute an. „Brennt das Dorf nieder“, befahl er. „Fackelt alles ab. Ich will dieses verdammte Dorf brennen sehen.“ Die Ritter nahmen ihre Fackeln und warfen sie auf die Dächer der Häuser.

„Sire, ich flehe Euch an, gebt meinen Mann ein bißchen mehr Zeit“, bat Marian verzweifelt. „Er wird zahlen. Aber bitte ... nehmt uns nicht alles, was wir besitzen. Wo sollen wir hin, wenn wir alles verlieren?“ Kronos beugte sich zu Marian hinunter und lächelte scheinheilig. „Wer sagt denn, daß ihr noch irgendwohin gehen könnt?“ flüsterte er. Marian erschrak. Was wollte er damit sagen? „Tötet sie! Tötet sie alle! Ich will keine Überlebenden“, brüllte Kronos und seine Stimme übertönte die lauten Geräusche im Dorf.

Kronos packte Marian an den Haaren und zog sie nah zu seinen Pferd. „Sire ...“, flehte sie hilflos. Kronos holte seinen Dolch hervor und schnitt ihr brutal die Kehle auf. Marian hatte nicht einmal die Möglichkeit sich zu wehren. Die Klinge fuhr durch ihren Hals und sie starb einen kurzen Tod. Kronos stieß die Leiche achtlos zu Boden. Zufrieden grinste er. Genauso hatte er sich die ganze Sache vorgestellt.

Der ehemalige apokalyptische Reiter hob den Kopf und blickte sich um. Die Häuser brannten. Die Frauen und Kinder wurden gnadenlos nieder gemetzelt. Das Dorf brannte nieder, während die Reiter sich um den schwarzen Ritter sammelten und davonritten. Das war eine Sache ganz nach Kronos‘ Geschmack. Er konnte mit seiner Leistung als geheimnisvoller schwarzer Ritter mal wieder zufrieden sein. Ein Dorf nieder zu brennen, war genau das, was er an manchen Tagen brauchte.

Am Abend kehrten Ray und die anderen Männer nach Hause zurück – müde und ausgelaugt. Langsam verrauchte das Feuer. Die Männer erstarrten als sie aus der Ferne das niedergebrannte Dorf sahen. Augenblicklich ließen sie ihre Werkzeuge fallen und rannten zu ihren Familien. Doch so wie Kronos es befohlen hatte ... Niemand hatte überlebt. Schwach ließ sich Ray neben die Leiche seiner geliebten Frau nieder.

„Oh Gott, nein!“ schrie er verzweifelt. Ray hielt den leblosen Körper seiner Frau in seinen Armen und weinte. Er konnte nicht glauben, daß sie so grausam ermordet worden war. Unbändige Wut breitete sich in seinen Körper aus. Ray wußte, wer das hier getan hatte. Es war der schwarze Ritter des Masters gewesen. Dieses Massaker war das Werk des schwarzen Ritters gewesen. Und Ray würde nicht eher ruhen, bevor er diesen gefunden und gestellt hatte ...

[Kanada – Gegenwart]

„Ich habe lange über sein Leben Erkundigungen eingezogen. Ich habe meine Suche nie aufgegeben. Bei meiner Suche fand ich heraus, daß der schwarze Ritter unsterblich ist. Und ich fand heraus, daß es sich dabei um den Anführer der vier apokalyptischen Reiter handelt“, schloß Ray seine Erzählung. Juana schluckte schwer. Sie wußte, daß es Kronos‘ große Leidenschaft war, Unschuldige zu töten. Aber ... Sie konnte das Bild richtig vor sich sehen. Das war eine Seite an Kronos, die sie zutiefst verabscheute. Doch sie konnte es nicht ändern. Kronos würde sich niemals ändern.

Ray richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf Juana. „Weißt du, warum er mein Dorf in Schutt und Asche gelegt hat?“ Verneinend schüttelte sie den Kopf. Aber sie hatte eine Ahnung, die Ray ihr sogleich bestätigte. „Es ging ihm nicht darum mein Dorf zu zerstören. Es ging ihm darum die Häuser brennen zu sehen. Er wollte sehen wie das ganze Dorf brannte. Nur aus diesem Grund hat er das Feuer befohlen. Er hat das Dorf nur angezündet, um es brennen zu sehen“, sprach Ray wütend.

Das sieht Kronos mal wieder ähnlich, dachte Juana. „Und was hat das mit mir zu tun? Ich sehe, daß du deine Frau sehr geliebt hast, aber ...“ „Es geht nicht nur um Marian“, begehrte Ray zornig auf. „Es geht hier um mein ganzes Dorf. Sie waren meine Familie. Sie waren mein Leben. Ich habe mir dieses Leben bei ihnen hart erarbeitet. Ich habe sie geliebt. Und Marian?“ Ray seufzte schwermütig. „Sie war das Wichtigste in meinen Leben“, fuhr Ray sie an. Juana zuckte zusammen. Er litt noch heute unter dem, was Kronos getan hatte, daß erkannte sie. Irgendwie tat er ihr leid. Ray lebte in der Vergangenheit. Es war nur sein Schmerz, der ihn zu diesen Hass antrieb.

„Aber ... was willst du von mir?“ fragte Juana zweifelnd. Ray erhob sich und blickte auf sie herab. „Kronos nahm mir das Wichtigste in meinen Leben. Jetzt nehme ich ihm den einzigen Menschen, der ihm wirklich etwas bedeutet.“ Juana lachte bitter. „Da muß ich dich enttäuschen. Bei mir bist du an der falschen Adresse, mein Lieber. Wenn du Kronos das Wichtigste in seinen Leben nehmen willst, mußt du seine apokalyptischen Brüder ausfindig machen und töten. Denn ich bedeute diesem Kerl gar nichts.“ „Er wollte dich zurück“, bemerkte Ray.

Gleichgültig zuckte Juana mit den Schultern. Sie verzog die Lippen zu einen schiefen Grinsen. „Das hatte nichts mit Liebe zu tun. Ja, er wollte mich zurück. Aber nicht, weil er mich liebte, sondern weil es ihm darum ging mich zu besitzen. Es ging ihm nur um Macht. Macht, die er über mich wollte. Doch geliebt ... hat er mich nie. Es ging ihm immer nur darum mich zu besitzen.“ „Er wird kommen“, sprach Ray zuversichtlich und ging zur Tür. „Er wird niemals kommen“, rief Juana ihm hinterher. Doch da fiel die Tür ins Schloß und sie war allein.

Na prima, dachte Juana. Sie saß gefesselt auf einen Stuhl und war einen Wahnsinnigen ausgeliefert. Wenn jemand schon eine so lange Zeit ausgerechnet hinter Kronos herjagte, konnte er nicht mehr klar bei Verstand sein. Juana seufzte schwer. Das sie überhaupt in dieser Lage war, war nur Kronos‘ Schuld. Doch sie konnte ihn nicht einmal zum Teufel wünschen. Denn Kronos war der Einzige, der sie befreien konnte. Aber Juana wußte, er würde niemals kommen.

~ 3. ~

Unruhig lief Ray im Wohnzimmer auf und ab. Er hatte seine Hoffnung darauf aufgebaut, daß Juana wußte, wo sich Kronos aufhielt. Obwohl Ray es nicht gerne zugab, hatte er Kronos‘ Spur in Portugal verloren. Das ist nicht gut, dachte der Unsterbliche kopfschüttelnd. Der Anführer der apokalyptischen Reiter, der ehemalige berüchtigte schwarze Ritter, war unauffindbar. Ray mußte sich etwas einfallen lassen, um ihn ausfindig zu machen. Schließlich mußte Kronos wissen, wo sich sein kleiner Schatz befand. Er mußte erfahren, in welcher Gefahr sich Juana befand. Also mußte Ray andere Wege gehen, um Kronos dies mitzuteilen.

Ray entschloß sich für das World Wide Web. Das war der schnellste Weg um Gerüchte in Umlauf zu bringen. Er setzte s ich an den Computer und öffnete eine bestimmte Site im Internet. Dort setzte er die Gerüchte um Juanas Entführung in die Welt, um Kronos darauf aufmerksam zu machen. Wenn die Beobachter davon Wind bekamen, würden die Gerüchte bald durch die Welt der Unsterblichen rasen und Kronos würde hellhörig werden. Zufrieden lehnte sich Ray zurück. Schon bald würde er dem Mann gegenüberstehen, der ihm alles genommen hatte, der sein Leben zerstört hatte.

Und die besagten Gerüchte machten schnell die Runde. Die Beobachter wurden darauf aufmerksam und so auch die Unsterblichen. Was den Beobachtern nicht entging, entging den Unsterblichen erst recht nicht. Es waren diese Gerüchte, daß die friedliche Unsterbliche Juana entführt worden und spurlos verschwunden war. Ray rechnete fest damit, daß Kronos darauf anspringen würde. Immerhin befand sich seine Frau in großer Gefahr.

Innerhalb von ein paar Tagen wanderten die Gerüchte durch die Welt und gelangten auch in Brasilien an. Sie erreichten Kronos. Langsam fing sein normales Leben, so wie er sich das vorstellte, wieder voran. Langsam gelang es ihm Juana aus seinen Gedanken zu verbannen. Er hatte sich ein Apartment gemietet und war aus dem Hotel ausgezogen. Und er ging wieder seinen finanziellen Geschäften – seinen illegalen Waffenhandel – nach.

Kronos gelang es wieder sich auf sein Leben zu konzentrieren. Er schaffte es wieder normal zu leben. Die Sache mit Juana ... wollte er so schnell wie möglich vergessen. Er wollte sie nur noch vergessen; wollte nicht mehr darüber nachdenken. Es brachte ihn nicht weiter, wenn er darüber nachdachte. Doch es war leichter gesagt als getan diese mißratene Sache einfach abzuhaken. Und Kronos würde all das viel leichter fallen, wenn da nicht plötzlich diese Gerüchte aufgetaucht wären.

Es waren diese Gerüchte über Juana. Zuerst hatte er diesen unsinnigen Gerede keine Beachtung geschenkt. Es waren nun mal Gerüchte, aber dann ... Sie hatten sich immer mehr verfestigt und daraufhin hatte Kronos beschlossen, sie zu ignorieren. Es ging ihn nichts mehr an, was Juana und ihr Leben betraf. Aber er schaffte es nicht. Sobald ihm zu Ohren gekommen war, daß Juana entführt worden und in Gefahr geraten war, war er hellhörig geworden. Jetzt ließ ihn diese Sache keine Ruhe mehr.

„Das ist mal wieder typisch, Juana“, murmelte Kronos sauer als er nach Hause kam. Natürlich schaffte sie es – trotz allen guten Vorsätzen – sich in sein Leben zu drängen. Unbewußt, aber es gelang ihr. Dabei hatte Kronos sich fest vorgenommen diesen Gerüchten nicht nachzugehen, ihnen keinen Glauben zu schenken. Aber natürlich konnte er sie nicht einfach so ignorieren. Deshalb schaltete er seinen Computer ein und begann mit seinen Nachforschungen. Kronos wußte, eigentlich ging ihm diese Sache gar nichts an, aber ... Sein Instinkt riet ihm jedoch mehr über diese Gerüchte in Erfahrung zu bringen.

[Stunden später]

Kronos griff nach der Flasche Bier, die neben ihm stand, und nahm einen Schluck. Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war kurz nach zwei Uhr morgens und seine Nachforschungen liefen noch immer. Seit Stunden saß er am Computer und ging diesen verdammten Gerüchten nach. Bis jetzt hatte Kronos noch nichts gefunden, was ihm wirklich weiterhalf. Er hakte sich in die verschiedensten Systeme ein. Doch er fand nichts, was ihm bestätigte, daß diese Gerüchte stimmten.

Und dann gelangte er endlich auf die Site, auf der die Gerüchte das erste Mal erschienen waren, ohne etwas von ihrer Unsterblichkeit preiszugeben. Doch jeder Unsterbliche verstand die wahre Bedeutung dieser Worte, verstand die versteckte Botschaft. Der Text – wie er geschrieben war, einfach alles ... Es klang nach einen alten Bekannten von ihm: Ray Edgall. Ein breites Grinsen huschte über Kronos‘ Gesicht.

Der Kerl war schon seit einiger Zeit hinter ihm her. Ray glaubte, daß er seine Jagd auf Kronos so perfekt organisiert hatte, daß sein Opfer nicht dahinterkam. Ray glaubte, Kronos hätte nichts davon bemerkt. Doch er täuschte sich. Ray hatte die Rechnung ohne Kronos‘ Scharfsinn gemacht. Denn Kronos war nicht so leicht hinters Licht zu führen. Er hatte bemerkt, daß jemand hinter ihm her war. Jedoch nahm er den Mann nicht ernst. Er hatte sowieso keine Chance gegen ihn. Und irgendwie amüsierte ihn diese Jagd.

„Juana“, murmelte Kronos ahnend. Ein Licht ging ihm auf und plötzlich verstand er die Zusammenhänge. Juanas Verschwinden, die Gerüchte, Ray ... Ray, dachte Kronos. Nur er konnte hinter dieser Entführung stecken. Kronos lehnte sich zurück und schüttelte leicht den Kopf. Ray hatte sich Juana geholt, um ihn – Kronos – aus seinen Versteck zu locken. Nicht schlecht, mein Junge, dachte Kronos. Diesen cleveren Plan hatte er seinen Verfolger gar nicht zugetraut.

Kronos seufzte schwer und rieb sich über die müden Augen. Eigentlich sollte er ins Bett gehen, aber ... Er hatte noch etwas zu erledigen. Wenn Ray diese Gerüchte ins Internet gestellt hatte, war davon auszugehen, daß er – allen voran diese Site – regelmäßig überwachte. Er würde warten bis er eine Reaktion von Kronos bekam. Na gut, dann bekommt er eben eine Reaktion, dachte Kronos und suchte nach einen Anhaltspunkt wie er Ray erreichen konnte.

Schon nach kurzer Zeit hatte Kronos gefunden, wonach er gesucht hatte. Es war die Email-Adresse von Ray Edgall. „Okay, du kleine Ratte! Dann wollen wir doch mal sehen, wieviel Nerven du für diese Jagd noch übrig hast“, sprach Kronos und tippte eine kleine Nachricht ein. Die Email schickte er sofort ab. Kronos lehnte sich zurück und wartete. Er wußte, Ray würde sich melden, sobald er seine kleine Information gelesen hatte ...

Ray war am Computer eingeschlafen. Das leise Geräusch, daß die Ankunft einer neuen Email ankündigte, holte ihn aus seinen Schlaf. Ray rieb sich die Augen und gähnte herzhaft. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit auf den Bildschirm. Verwirrt rief er die neue Email auf und öffnete sie. Wer schrieb ihm um diese späte Uhrzeit noch? In der Email befand sich nur eine Telefonnummer und die Aufforderung, sofort anzurufen.

Darauf konnte sich Ray keinen Reim machen. Das alles war sehr geheimnisvoll. Wer wollte ihn da sprechen? Ray griff nach seinen Telefon und wählte die Nummer aus der Email. Drei Mal ertönte das Freizeichen, dann wurde am anderen Ende der Leitung abgehoben. „Hallo Ray“, sprach eine eiskalte Stimme. Für eine halbe Sekunde zuckte Ray zusammen. Er hatte tatsächlich angebissen. „Du hast mich also gefunden, Kronos“, erwiderte er gefaßt.

Juana hob den Kopf, als sie hörte, mit wem Ray da am Telefon sprach. Sie war vollkommen überrascht. Kronos hatte wirklich Kontakt mit Ray aufgenommen? Das war doch unmöglich, oder? Das konnte nicht sein. Es konnte sich nur um einen schlechten Scherz handeln. Kronos würde das niemals tun. Er würde niemals solchen Gerüchten nachgehen – nur um sie zu finden. Kronos würde sich niemals von Gerüchten hinreißen lassen. Das war einfach ein Ding der Unmöglichkeit. Es paßte nicht zu seinen Charakter.

Ein leises, gequältes Stöhnen drang über ihre Lippen. Juana spürte jeden einzelnen Knochen und jeden Muskel ihres Körpers. Ihre Arme taten ihr weh. Sie hatte schon gar kein Gefühl mehr in ihren Armen. Ihre Beine und ihr Hintern taten genauso weh. Seit gut vier Tagen saß Juana auf diesem Stuhl – angekettet, wohlgemerkt. Langsam, aber sicher, fand sie diese ganze Sache ganz und gar nicht mehr komisch.

„Okay, was sollen diese Gerüchte, die du da in Umlauf gebracht hast?“ brachte Kronos die Sache auf den Punkt. „Na, was denkst du?“ gab Ray zurück. Kronos stöhnte theatralisch. „Du willst mir also weismachen, daß du Juana in deiner Gewalt hast? Und was willst du machen? Willst du sie mit deinen kleinen Schwert kitzeln?“ spottete er vergnügt. „Du solltest die Sache etwas ernster nehmen, Kronos. Sie ist hier. Und ihr Leben ist in Gefahr. Aber natürlich glaubst du mir nicht.“ „Stimmt“, pflichtete Kronos seinen Verfolger bei. „Dann warte einen Moment“, sprach Ray. Er nahm das schnurlose Telefon und kam zu Juana ins Zimmer.

„Hier, sprich mal mit deinen Ex“, spottete Ray und preßte ihr den Hörer ans Ohr. Juana stöhnte. Sie konnte sich Kronos‘ Vorwürfe schon vorstellen. Und sie war nicht scharf darauf, sich von ihm erneut belehren zu lassen. Sie wußte, er würde ihr die Leviten lesen, sobald er erfuhr, daß sie ohne Schwert und Dolch unterwegs gewesen war. „Na los, rede schon mit ihm“, forderte Ray heftig. „Oder hast du Angst vor ihm?“ Das saß. Das würde sich Juana nicht gefallen lassen.

„Hallo Kronos“, sprach sie so ruhig wie möglich. Für einen kurzen Augenblick schwieg Kronos. Er konnte nicht glauben, daß Juana sich tatsächlich in der Gewalt dieses komisches Kauzes befand. „Juana, wie hat er das geschafft?“ stöhnte er schließlich. „Nun ja, wir leben hier in einer sehr verlassenen und einsamen Gegend“, wich sie aus. Das sagte Kronos alles, was er wissen mußte. „Du warst wieder ohne Schwert unterwegs?“ stellte er sachlich fest.

„Nun ... so ungefähr. Ich weiß, du hast mir beigebracht außer dem Schwert auch einen Dolch zu tragen und das habe ich nicht getan. Also bitte keine Vorwürfe, ja? Ich kenne sie zur Genüge. Könntest du bitte herkommen und mich abholen? Dieser Kerl läßt mich leider nicht gehen, wenn du nicht kommst. Er ist total besessen davon dich zu treffen“, sprach sie sarkastisch. Genervt stöhnte Kronos. Dafür, daß sie eine Geisel war, hörte sie sich ganz gut an. „Bist du okay?“ fragte er ernst.

Für einen Moment war Juana verblüfft. Er fragte nach ihrem Gesundheitszustand. Kronos fragte, ob es ihr gut gehe. Das konnte Juana nicht glauben. Seine Stimme klang tatsächlich besorgt. Er schien sich wirklich Sorgen um sie zu machen. Unmöglich, dachte Juana kopfschüttelnd. „Bist du in Ordnung, Juana?“ fragte Kronos noch einmal, da er keine Antwort von ihr bekam. „Ja, einigermaßen. Wenn man einmal davon absieht, daß ich die letzten Tage gefesselt auf einen äußerst unbequemen Stuhl verbracht habe ... bin ich okay.“ Nun preßte Ray wieder das Telefon an sein Ohr.

„Was denkst du jetzt, Kronos?“ fragte er feindselig. Kronos konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, obwohl er wußte, daß Ray es nicht sehen konnte. „Sie ist zynisch. Und ich kenne sie. Wenn sie so ist, denke ich, geht es ihr bestens.“ „Du solltest herkommen und deine Frau abholen“, schlug Ray vor. „Ich laß sie gehen, wenn du kommst. Nicht sie ist es, die ich will. Du bist Derjenige, hinter dem ich her bin.“ „Tut mir leid, sie ist nicht meine Frau und ich habe keine Zeit für deine Spielchen“, blockte Kronos ab und legte einfach auf. Fassungslos starrte Ray auf das Telefon und konnte nicht glauben, daß sein Plan nicht aufgegangen war.

„Ich habe es dir ja gesagt. Ich habe dir gesagt, Ray, daß er nicht kommen wird“, sprach Juana hinter ihrem Entführer. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen. Obwohl die Sache ganz und gar nicht komisch war, empfand sie ein wenig Freude. Wenn Kronos nicht kam, würde sie sterben, so einfach war das. Aber sie konnte nicht anders. Es gefiel ihr, daß Kronos Ray den Triumph nicht gönnte und einfach dem Geschehen fernblieb.

„Könntest du mich jetzt bitte gehen lassen?“ bat sie. „Dein Plan geht sowieso nicht auf.“ Ray baute sich vor seiner Gefangenen auf und schlug ihr mehrere Male hart ins Gesicht. „Halt die Klappe“, knurrte er wütend. Er wandte sich ab und verließ das Zimmer. Mit einen lauten Knall warf Ray die Tür ins Schloß. Er mußte sich etwas überlegen; mußte seinen ursprünglichen Plan vielleicht etwas ändern. Ray mußte Kronos klar machen, daß die Sache sehr wohl ernst war. Und ihm würde etwas einfallen. Er würde Kronos schon begreiflich machen in welcher Gefahr seine Frau schwebte.

[Ein paar Tage später]

Kronos erhielt ein kleines Paket. Es kam aus Kanada. Irritiert runzelte Kronos die Stirn. Er kannte dort niemanden. Doch dann stutzte er. Juana hatte am Telefon etwas von einer einsamen Gegend gesagt. Der Gedanke schlich sich bei ihm ein und ließ ihn nicht mehr los. Anscheinend hatte Ray mittels seiner Email-Adresse und Telefonnummer seine Adresse heraus bekommen. Kronos schnitt das Paket mit seinen Dolch auf und eine Haarlocke fiel ihm in die Hände. Es war eine dunkelbraune Loche. Sie gehörte eindeutig zu Juanas Haar.

Aus dem Umschlag fielen noch ein paar Fotos heraus. Kronos sah sich die Fotos an – eines nach dem anderen. Sie zeigten Juana in Gefangenschaft. Ihr langes Haar war ungewaschen. Unter ihren Augen hatten sich schon Ringe gebildet und sie sah etwas abgemagert aus. Juana hatte schon immer einen schlanken, attraktiven Körper gehabt. Kronos kannte ihren Körper. Und er sah, daß sie dünner als üblich geworden war. Jetzt schien es ihr nicht mehr so gut zu gehen wie sie am Telefon behauptet hatte.

Zornig trat Kronos gegen einen Stuhl. Dieser flog durch das Wohnzimmer und prallte mit einen lauten Krachen gegen die Wand. Das Möbelstück zersprang in tausend Einzelstücke. Kronos‘ Augen sprühten wütende Funken. Er hatte sich fest vorgenommen Juana zu vergessen, sie aus seinen Leben zu streichen. Doch jetzt? Sein netter, kleiner Verfolger hatte sie in seine Gewalt gebracht, um ihn – Kronos – aus seinen Versteck zu locken.

Wieder glitt sein Blick zu den Fotos. Sie sah wirklich nicht gut aus. Und es war offensichtlich, daß Ray sie töten würde, wenn er nicht bald etwas unternahm. „Ich will das nicht“, stöhnte Kronos. Er hatte wirklich keine Lust sich in diese Sache einzumischen. Aber ... eine Stimme in ihm wollte nicht, daß Juana etwas geschah. Irgendwie hatte er doch noch dieses Gefühl – tief in sich. Das Gefühl, sie zu beschützen – vor allem was ihr Leben bedrohen konnte. Noch war es nicht ganz verschwunden. Es schien noch da zu sein. Und das gefiel Kronos nicht.

„Ich habe keine Lust den verdammten Helden zu spielen“, murmelte Kronos vor sich hin. Er war kein Held. Er war das genaue Gegenteil davon. Kronos sah sich noch einmal die Fotos an. Ihm wurde klar, daß er Juanas einzige Chance war. Ihm war auch klar, daß er ihr etwas schuldete. Immerhin hatte sie ihn verschont. Sie hatte ihn am Leben gelassen und ihres in seine Hände gelegt. Eindeutig schuldete er Juana etwas.

Natürlich konnte er seine ehemalige Geliebte eiskalt in Stich lassen. Für ihn stellte das kein Problem dar. Doch er kannte Juana. Und Kronos wußte, daß er nicht kam, war genau das, was sie von ihm erwartete. Sie war sich sicher, daß er sie in Stich lassen würde. Juana glaubte wirklich, er war berechenbar geworden. Und sie glaubte, inzwischen konnte man sein Verhalten einschätzen. Doch da sollte sie sich täuschen.

Alleine um Juana zu beweisen, daß er noch immer unberechenbar war, würde er sie retten. „Dir werde ich zeigen wie unberechenbar ich bin“, murmelte Kronos und warf die Fotos auf den Tisch. Er ging geradewegs ins Schlafzimmer und holte seine Tasche unter dem Bett hervor. Kronos warf seine Klamotten hinein. Es ist das allerletzte Mal, daß ich dir dein verdammten Leben rette, Juana, sprach er im Stillen. Kronos verstaute seine Waffen, die er für seine Aktion brauchen würde, holte noch seinen Reisepass und fuhr zum Flughafen.

~ 4. ~

Unterwegs hatte Kronos mit dem Flughafen telefoniert und einen Platz in der nächsten Maschine nach Kanade gebucht. Er würde auf den schnellsten Weg dorthin reisen. Das Flugzeug landete in Winnipeg. Von Winnipeg fuhr er dann mit einen Mietwagen nach Moose Jaw weiter. Die Gegend war genau das, was Juana bevorzugte. Kronos mietete sich in einen Hotel ein und bereitete alles vor. Er entwickelte einen Plan, wie er Ray überrumpeln und Juana retten konnte.

Kronos meldete sich bei Ray nicht mehr. „Du hast mein Haar umsonst verunstaltet“, protestierte Juana. Ruhig blickte ihr Entführer sie an. „Sag mir eines: Warum hast du dich ihm angeschlossen?“ „Warum willst du das wissen?“ gab sie zurück. „Weil ich wissen will, welche Frau sich mit einen solchen Bastard einläßt. Du hast das Bett mit ihm geteilt – freiwillig. Wie kann man nur so verrückt sein?“ „Du denkst, ich wäre verrückt?“ Ray nickte bejahend. „Allerdings denke ich das. Er ist ein Killer. Wie konntest du ihn nur solange ertragen?“ Juana verdrehte die Augen und seufzte genervt auf.

„Damals ... ich wußte nichts von meiner Unsterblichkeit. Dann begegnete ich Kronos und er ... hat mich aufgeklärt. Er hat mich getötet und in seine Burg gebracht. So wurde ich seine Schülerin. Das ist die Kurzfassung.“ „Verstehe! Hat er dich gezwungen bei ihm zu bleiben? Hat er dir gedroht, dich zu köpfen, wenn du nicht auf seine Bedingungen eingehst?“ Durchdringend sah Ray seine Gefangene an. Juana erwiderte seinen Blick und schüttelte verneinend den Kopf. „Kronos hat mich nie zu etwas gezwungen“, flüsterte sie. Einen langen Augenblick herrschte Schweigen im Schlafzimmer.

Ray blickte aus dem Fenster und beobachtete die untergehende Sonne. „Er wird nicht kommen. Gib es auf! Kronos kommt nicht“, fing Juana ihre eigentliche Rede wieder auf. „Du hast alles umsonst gemacht. Er läßt sich auf dein kleines Spielchen nicht ein.“ „Tja, weißt du, daß ist schlecht für dich. Wenn er nicht kommt um dich zu retten, dann ... wirst du um Mitternacht sterben“, verklickerte Ray seiner Geisel und ließ sie allein. Genau das hatte Juana erwartet.

Kronos fuhr zu Rays Adresse. Er hielt den Wagen im Dunkeln der Nacht und blickte an dem Haus hoch. Eigentlich stand es leer, wie er feststellte. Nur in einer einzigen Wohnung brannte Licht. Dort mußte Ray Juana gefangenhalten. Kronos seufzte schwer und schüttelte den Kopf. „Warum tue ich das eigentlich?“ fragte er sich laut. Es konnte ihm doch egal sein, ob Juana starb oder nicht. Es war doch nicht seine Angelegenheit.

Aber da war dieser kleine Funke Schuld, der sich in ihm breit gemacht hatte. Auch wenn Kronos es nicht gerne vor sich selbst zugab, Tatsache war, daß er seiner Ex-Geliebten etwas schuldete. Immerhin hatte Juana ihn am Leben gelassen, als sie die Möglichkeit gehabt hatte, das Duell zu beenden. Noch einmal kontrollierte Kronos seine Waffen und steckte sie ein. Lautlos umrundete er das Haus und sah sich alles an. Jedes noch so kleine Detail speicherte er in seinen Gedächtnis. Dann stieg er die Feuerleiter zur Wohnung hinauf.

Dunkelheit flutete in das Zimmer. Juana brauchte nicht wissen, daß die Uhr Mitternacht geschlagen hatte. Sie wußte, sie würde jetzt sterben. Und nichts und niemand würde das mehr verhindern können. Ray war gerade dabei eine Nadel mit irgendeinen Stoff aufzuziehen. Brutal stieß er die Nadel in Juanas Oberarm. „Au! Was, verdammt noch mal, soll das?“ fauchte sie. „Das ist Gift, meine Liebe“, teilte Ray ihr ruhig mit. Entsetzt riß Juana die Augen auf.

„Gift?“ sprach sie leise. „Ja. Du wirst einen äußerst qualvollen Tod erleben. Dieses Gift stammt aus Afrika. Es stoppt den schnellen Heilungsprozess eines Unsterblichen. Du wirst grausam sterben. Und du wirst mit der Gewißheit sterben, daß dies alles Kronos‘ Schuld ist. Er kam nicht, um dich zu retten, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte. Und, weil du solange mit ihm zusammen gelebt hast, werde ich dir keinen angenehmen Tod bereiten“, erklärte Ray. Er griff nach seinen Dolch.

„Ich finde das gar nicht komisch“, murmelte Juana schwach. Sie spürte, wie das Gift seine Wirkung zeigte. Es breitete sich in ihrem ganzen Körper aus und nahm von ihr Besitz. „Hast du noch etwas zu sagen, bevor ich mein Werk vollende?“ fragte Ray seine Geisel. Juana hob den Kopf. „Fahr zur Hölle! Egal, wie sehr du dich auch anstrengst, du wirst nie über Kronos siegen“, sprach sie bitter. Ray grinste kalt. „Das werden wir sehen.“ Er hob den Arm und die kalte Klinge hinterließ eine schwere Verletzung an Juanas Kehle.

Aus Panik fing sie zu röcheln an. Verzweifelt versuchte Juana nach Luft zu schnappen. Die einzige Konsequenz daraus war, daß es furchtbar weh tat. Blut quoll aus der Wunde hervor. Gezielt hatte Ray ihre Luftröhre beschädigt. Juana wußte, sie würde sterben. Daran hatte sie nun keinen Zweifel mehr. Doch es würde – wie Ray schon gesagt hatte – ein qualvoller und womöglich auch langer Tod werden.

Im nächsten Moment zerbrach hinter Juana das Fenster. Die Scherben flogen durch die Luft und verteilten sich am Boden. Überrascht sah Ray auf. Er konnte nicht mehr reagieren. Kronos stürzte durch das Fenster, ließ sich zu Boden fallen und feuerte mehrere Kugeln aus seiner Waffe ab. Die Kugeln zischten durch die Luft und trafen Ray in der Brust. Er wurde von der Wucht der Einschläge in seinen Körper zurück geworfen. Hart landete Ray im Wohnzimmer. Er brach zusammen und starb ... wenigstens für den Augenblick. Den beiden, noch lebenden, Unsterblichen im Raum war klar, daß er bald wieder aufwachen würde.

Kronos erhob sich und blickte Juana an. Ihre Augen glitten über seine Beine hinauf zu seinen Gesicht. Überrascht erwiderte sie seinen Blick. Sie konnte nicht glauben, was – wen – sie sah. Das war doch unmöglich. Er konnte nicht hier sein. Das mußte eine Halluzination sein. Er hatte doch erklärt, daß er für Rays Spielchen keine Zeit hatte. Und jetzt war er hier? Kronos kniete sich nieder und fing Juanas ungläubigen Blick auf.

Juana wollte etwas sagen, aber sie konnte nicht sprechen. Sie rang mit dem Leben. Kronos schnitt die Fesseln durch. Irgendwie amüsierte ihre Reaktion ihn. Sie hatte nicht damit gerechnet, daß er auftauchte. „Du hast mich gebeten dich abzuholen, erinnerst du dich?“ sprach er. „Tja, dein Abholdienst ist da. Ich habe mich erweichen lassen.“ Kronos sah die Wunde an ihrer Kehle und irgend etwas gefiel ihm daran nicht. Eigentlich hätte die Wunde schon längst heilen sollen und das sie es nicht tat, kam ihm verdächtig vor.

Kronos sah sich um und entdeckte ein Leintuch. Er griff nach seinen Dolch und schnitt es auseinander. So gut, wie es ihm im Moment möglich war, verband er Juanas Wunde. Er würde sich später mit dem Problem ihrer Selbstheilung auseinandersetzen. Zuerst mußte er noch seinen kleinen Verfolger erledigen und Juana an einen sicheren Ort bringen. Da griff Juana nach seinen Arm, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Fragend hob Kronos eine Augenbraue. Sie deutete hinter ihm. Langsam drehte sich Kronos um. Ray lag nicht mehr am Boden. Er war verschwunden.

„Verflucht“, stieß Kronos hervor. Er hörte, wie ein Auto wegfuhr. Kronos ging zum Fenster und blickte hinaus. Ein Wagen fuhr weg und Kronos wußte instinktiv, daß Ray der Fahrer war. Ray hatte erkannt, daß er momentan keine Chance hatte. Er war verletzt und mußte sich erst einmal davon erholen. Dazu kam, daß Kronos zu gut bewaffnet war. Im Augenblick konnte Ray überhaupt nichts erreichen, wenn er sich seinen Feind stellte. Er mußte sich erholen und dann würde er gegen Kronos antreten. Kronos hegte keinen Zweifel daran, daß sein kleiner Verfolger zurückkommen würde.

Er kümmerte sich nicht weiter darum. Mit Ray würde er sich auseinandersetzen, wenn es soweit war. Jetzt mußte er sich erst einmal um Juana kümmern. Kronos drehte sich zu ihr um. Sie röchelte und versuchte verzweifelt nach Luft zu schnappen. Dadurch erreichte sie nur, daß noch mehr Blut aus der starken Wunde an ihren Hals quoll. Diese wollte einfach nicht heilen. „Verdammt, Juana! Was hat er mit dir gemacht?“ fragte Kronos kopfschüttelnd. Juana konnte jedoch nur mit den Schultern zucken. 

„Okay, ich bringe dich jetzt erst einmal von hier weg“, sprach Kronos seufzend. Er griff nach Juana und legte ihren Arm um seinen Nacken. Bereitwillig ließ sich Juana von ihm wegführen. Sie war froh, daß er doch gekommen war. Auch wenn es oft Situationen – in die er sie getrieben hatte – gegeben hatte, wo sie ihn wirklich gehaßt hatte ... Sie war noch nie so froh gewesen, Kronos zu sehen. Er war noch rechtzeitig gekommen.

Es war offensichtlich. Kronos hatte ihr das Leben gerettet. Obwohl er es nicht hätte tun müssen, war er doch gekommen, um sie aus Rays Klauen zu befreien. Ohne ihn hätte Ray sie in dieser Nacht getötet. Kronos hatte das verhindert und Juana war ihm sehr dankbar dafür. Diesmal nahm er die Tür. Der Weg über die Feuerleiter war für Juana – in diesen schlechten Zustand – einfach viel zu anstrengend. Das würde sie niemals schaffen. Kronos führte Juana zu seinen Mietwagen und schaffte sie auf den Beifahrersitz. Dann brachte er sie in sein Hotelzimmer.

~ 5. ~

Als Juana aus ihrem ruhelosen Schlaf aufwachte, fand sie sich in einen fremden Bett wider. Verwirrt blickte sie sich um. Wo war sie? Die Decke war weiß und die Wände waren im zarten gelb gestrichen worden. Dem Bett gegenüber stand ein schwerer Kleiderschrank aus Eiche. Neben dem Schrank führte eine Tür in ein Badezimmer. In einer Ecke stand eine kleine, dunkelblaue Sofagarnitur mit einen niederen Glastisch. Daneben befand sich ein Fernseher und eine kleine Hausbar.

Instinktiv tastete Juana nach ihrer Wunde. Sie trug einen Verband um ihren Hals und spürte heftige Schmerzen. Die Wunde hatte sich noch immer nicht geschlossen. Ray hatte Recht gehabt. Das Gift wirkte überaus gut. In diesen Augenblick spürte sie die altbekannte Präsenz eines anderer Unsterblichen. Die Tür ging auf und Kronos kam herein. Er hatte eine Tüte bei sich und stellte diese auf dem Glastisch ab.

Kronos drehte sich zu ihr um. „Guten Morgen, Süße“, sprach er gelassen. Juana schluckte schwer und versuchte etwas zu sagen, doch sie verzog schmerzhaft das Gesicht. Kronos kam ans Bett und setzte sich neben sie. „Du hast lang geschlafen. Also, Juana, was hat diese kleine Ratte mit dir gemacht?“ fragte er geradeheraus. Kronos holte einen Block und einen Stift aus dem Nachttischchen, das neben dem Bett stand, und reichte beides Juana.

„Schreib es auf“, befahl er. Juana folgte seinem Befehl und reichte den Block Kronos. „Gift“, las er laut. Bejahend nickte seine Ex-Geliebte. „Welches Gift und welche Wirkung soll es haben?“ Wieder schrieb Juana die Antwort auf. „Es stammt aus Afrika und verhindert die Selbstheilung bei Unsterblichen. Das paßt zusammen. Hat er gesagt, welchen Namen das Gift trägt?“ Juana schüttelte verneinend den Kopf.

Kronos sah ihr an, daß sie Angst hatte. Sie fürchtete, daß es keine Heilung für ihren Zustand gab. „Keine Sorge! Ich kriege dich schon wieder hin“, versprach er ihr. Juana schrieb noch etwas auf den Block und reichte ihn Kronos. Verwundert blickte er auf den Satz, den sie geschrieben hatte. „Ich danke Dir.“ Ein kleines Lächeln huschte über seine Lippen. „Jetzt sind wir quitt“, meinte er bloß und stand auf. Er griff nach dem Telefon und verzog sich damit ins Badezimmer. Kronos rief einen alten Freund an und beorderte ihn sofort nach Kanada.

„Du kannst nicht fahren“, protestierte Duncan und sah zu, wie Methos seine Tasche packte. „Doch ich kann“, erwiderte Methos bloß. „Dann sag mir wenigstens, wohin du fährst, damit ich weiß, wo du bist.“ „Es geht dich nichts an“, wich der alte Mann aus und zog den Reißverschluß seiner Tasche zu. „Du bist mein Freund. Ich mache mir doch nur Sorgen. Wohin fährst du? Und was ist so wichtig, daß du überhaupt fahren mußt? Mit wem triffst du dich?“ „Ich muß einfach weg, okay?“ Methos steckte seinen Reisepass, der ihn als Adam Pierson auswies, ein und ging zur Tür.

„Wiedersehen, MacLeod“, rief er über seine Schulter hinweg und warf die Tür hinter sich zu. Duncan saß noch einen kurzen Moment wie versteinert in Methos‘ Wohnung. Erst dann realisierte er, daß sein Freund wirklich gegangen war. Was, verdammt noch mal, war so wichtig, daß er einfach abhaute? Und vor allem, daß er kein Wort darüber verlor, wo er hinwollte und mit wem er sich traf?

Methos hatte einen Anruf bekommen. Danach hatte er sofort am Flughafen angerufen. Und jetzt war er weg. Duncan traute der ganzen Sache nicht. Da war doch etwas im Busch. Methos hatte nervös reagiert als er den Anruf entgegen genommen hatte. Warum wollte er nicht sagen, warum er so dringend wegfahren mußte? Da stimmte etwas nicht. Duncan spürte es. Er würde herausfinden, was es war.

Methos saß in einen Flugzeug nach Kanada. Er konnte selbst nicht glauben, daß er das tat. Aber jetzt war es für eine Rückkehr zu spät. Kronos‘ Anruf hatte ihn vollkommen überrascht. Er hatte nicht damit gerechnet, daß sein Bruder seinen Aufenthaltsort kannte und sich bei ihm auch meldete. Kronos hatte verlangt, daß Methos sofort nach Kanada kam. Es war ein Notfall, hatte er gesagt. Und ich habe natürlich nichts besseres zu tun als sofort zu springen, wenn Kronos ruft, dachte Methos verächtlich. Doch jetzt war er auf den Weg. Außerdem war er doch ein wenig neugierig, was Kronos unter einen Notfall verstand.

In Kronos‘ Hotelzimmer lief der Fernseher. Die Vorhänge waren zugezogen. Nur schwach schien darunter die Sonne ins Zimmer. Juana lag im Bett und war in einen Dämmerschlaf gefallen. Kronos lag neben ihr und sah sich eine Quizshow im Fernsehen an. Er schüttelte den Kopf über die Unwissenheit der Kandidaten, die diese an den Tag legten. Er wartete nur darauf, daß Methos endlich anrief, um ihm mitzuteilen, daß er in Kanada gelandet war.

Sein Blick glitt zu der Frau neben ihn. Er erinnerte sich daran wie sie nach ihrem ersten Tod reagiert hatte. Kronos erinnerte sich gut an die Angst in ihren Augen. Es war die Angst vor der ungewissen Zukunft gewesen, in die sie damals gesehen hatte. Sie war ihm so schutz- und hilflos erschienen. Und das hatte sie verdammt sexy gemacht, ohne das sie sich dessen bewußt gewesen war. Diese Schutzlosigkeit hatte ihn angezogen. Er hatte es geliebt, wenn sie sich hilfesuchend an ihn gewandt hatte.

Und diesmal war Juana wieder auf seine Hilfe angewiesen. Aber diesmal war alles anders. Die Situation war nicht mit der von einst vergleichbar. Kronos wollte es nicht zugeben ... aber Juana stand an der Schwelle des Todes. Auf Dauer würde ihr Körper den ständigen Blutverlust nicht mehr Stand halten können. Hoffentlich bist du bald da, Methos, dachte Kronos und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Fernseher zu.

... „Ich hab etwas für dich, Süße“, verkündete Kronos als er bei der Abenddämmerung in die Burg zurückkam. Er war den ganzen Tag über unterwegs gewesen und hatte Juana sich selbst überlassen. Sie hatte den Tag damit verbracht, sich selbst klarzumachen, daß ihr Leben sich ab jetzt ändern würde. Alles würde sich ändern. Nichts würde mehr so sein wie früher. Ab jetzt würde sie das Leben einer Unsterblichen führen. Und Kronos war der Einzige, der ihr dieses Leben beibringen konnte.

Skeptisch blickte sie Kronos an. Ein trauriger Schatten legte sich auf ihr Gesicht. „Komm her“, sprach Kronos und legte einen Gegenstand auf den Tisch. Juana tat, was er ihr sagte und näherte sich ihm. Nun war ihre Neugier doch geweckt. Was hatte er ihr mitgebracht? Kronos wickelte den Gegenstand aus dem schwarzen Tuch. Mit großen Erstaunen blickte Juana auf die lange, glänzende Klinge. Kronos hielt ein fein geschliffenes Schwert in seiner Hand und reichte es ihr.

„Das ist wirklich für mich?“ flüsterte sie. „Ja. Du brauchst ein Schwert, um dich verteidigen zu können. Es ist sehr leicht und läßt sich gut führen. Genau das Richtige für deine zarten Hände. Schließlich muß dir dein Schwert Vorteile verschaffen und deine Stärken unterstützen. Es darf nicht zu einer Last werden. Und wenn du ein schweres Schwert hättest, würdest du schnell ermüden. Ich denke aber, daß hier ist das Richtige für dich. Du wirst gut damit zurechtkommen. Es wird deine Schwächen ausgleichen“, sprach Kronos – mit sich selbst zufrieden. 

„Aber ... ich kann damit nicht umgehen“, sprach Juana zögernd. Unsicher blickte sie Kronos an. Ein breites Grinsen lag auf seinen Lippen. „Das, Süße, lernst du von mir. Ich werde dir alles beibringen, was du wissen mußt. Du wirst von mir alles lernen: Das Kämpfen, das Überleben und ...“ Kronos grinste vielsagend. „... Und noch so einiges mehr.“ „Wie soll ich dir jemals für alles, was du für mich tust, danken?“ Kronos beugte sich vor und nahm ihr Kinn zwischen zwei Finger.

„Wenn du tust, was ich sage, und schön brav bist ... bin ich bereit dich hier zu behalten. Also, Unterwürfigkeit ist das Zauberwort. Und wenn das der Fall ist, dann stehst du für eine sehr lange Zeit unter meinen persönlichen Schutz. Nebenbei zeige ich dir noch ein paar Tricks, die nur ich kenne. Haben wir uns verstanden?“ „Ja. Ich danke dir für deinen Schutz und auch dafür, daß ich hier wohnen darf“, sprach Juana aufrichtig. Kronos musterte sie mit einen eiskalten Lächeln ...

Juana drehte sich im Schlaf um. Sie hatte ein leichtes Lächeln auf den Lippen. „Ich würde zu gern wissen, wovon du träumst, Süße“, sprach Kronos als er ihr Lächeln sah. Sie schien glücklich zu sein. Ihr Traum schien ihre angespannten Nerven zu beruhigen. Kronos beugte sich zum Boden hinunter und hob die Bierflasche auf, die dort stand. Nachdenklich trank er einen Schluck. Es wurde Zeit, daß Methos sich endlich meldete.

[Ein paar Stunden später]

Müde und ausgelaugt betrat Methos das Flughafengebäude in Winnipeg. Für einen kurzen Augenblick blieb er stehen, schloß die Augen und stieß einmal kräftig die Luft aus. Danach holte er seine Tasche und ging zum nächsten Telefon. Aus seinen Mantel holte Methos einen kleinen Zettel. Darauf hatte er die Nummer notiert, die Kronos ihm am Telefon genannt hatte. Über diese Nummer war der ehemalige Anführer der vier Reiter erreichbar. Methos suchte nach Kleingeld und wählte dann die besagte Nummer.

Das Freizeichen ertönte. Methos wartete geduldig und unterdrückte ein Gähnen. Er sehnte sich nach einen Bett, um den verlorenen Schlaf nachzuholen. Ich hoffe wirklich, diese ganze Anstrengung lohnt sich. Ich bin ja selbst schuld daran, daß ich hier bin. Ich habe mich ja von Kronos dazu überreden lassen zu kommen, dachte Methos ironisch. Wieder schloß er kurz die Augen. Er spürte die Müdigkeit, die sich in ihm breit machte. Hoffentlich war das alles es wert.

„Ja?“ meldete sich schließlich eine eiskalte Stimme. Methos atmete tief durch. „Hier ist Methos.“ „Wo bist du?“ „In Kanada. Ich bin gerade in Winnipeg gelandet und warte auf deine Anweisungen“, frotzelte Methos. Kronos lachte amüsiert. „Wir sind in einen kleinen Ort namens Moose Jaw. Dort gibt es ein Hotel mit den Namen ‘Skelton Hotel‘, Zimmer 166. Ich bin unter den Namen Brian Mitchell eingetragen.“ „Okay. Moment mal“, sprach Methos verwirrt. „Was heißt hier eigentlich wir? Wer ist da bei dir?“ „Komm so schnell wie möglich“, erwiderte Kronos nur und legte auf.

Stirnrunzelnd blickte Methos auf den Telefonhörer. Wir? Das wurde ja immer eigenartiger. Bei Kronos gab es das Wort „wir“ nur in Zusammenhang mit den apokalyptischen Reitern. Aber so hatte sich das alles nicht angehört. Da war etwas anderes im Busch. Ich wüßte zu gern was, dachte Methos und schulterte seine Tasche. Er würde es bald erfahren. Methos ging zum Bahnhof und erkundigte sich, wann der nächste Zug nach Moose Jaw ging.

~ 6. ~

Methos ersparte sich den Blick auf die Uhr. Endlich war er in Moose Jaw angekommen und stand vor dem Hotel, das Kronos ihm genannt hatte. „Ich hoffe, er hat eine gute Erklärung für alles“, murmelte er und betrat das Hotel. Müde schleppte sich Methos zur Rezeption. Der junge Mann hinter dem Tresen sah auf. „Kann ich Ihnen helfen?“ erkundigte er sich freundlich. „Ich bin hier mit einen Freund verabredet. Er wohnt auf Zimmer 166, Brian Mitchell.“ „Einen Moment, bitte!“ Der junge Mann griff nach dem Telefonhörer und wählte eine Nummer.

Am anderen Ende der Leitung wurde abgehoben. „Ja?“ „Mr. Mitchell, entschuldigen Sie die Störung, aber hier an der Rezeption ist ein junger Mann, der sagt, mit Ihnen verabredet zu sein.“  „Ah! Das wird Adam Pierson sein. Sie können ihn ruhig herauf lassen“, sprach Kronos und legte auf. Endlich ist er da, dachte er und warf einen Blick auf Juana. Es wurde aber auch langsam Zeit, daß er aufwachte, wie Kronos fand.

Ein paar Minuten später spürte Kronos die Anwesenheit eines anderen Unsterblichen. Gleich darauf ertönte ein Klopfen. Er sprang auf und öffnete. „Hallo Methos“, sprach er ruhig. „Hallo Kronos“, seufzte Methos. Kronos ließ ihn eintreten. Methos ließ seine Tasche fallen und fiel sofort in den nächsten Polstersessel. Er lehnte sich zurück und schloß die Augen. „Du siehst müde aus“, kommentierte Kronos und schloß die Tür.

Methos warf seinen Bruder einen bitteren Blick zu. „Ich bin seit – weiß Gott – wie vielen Stunden unterwegs. Ich habe kaum geschlafen. Also ist es doch verständlich, daß ich müde bin, oder? Eigentlich wollte ich gar nicht kommen.“ „Und wieso bist du dann hier?“ „Weil es mich interessiert, was du unter einen Notfall verstehst.“ Kronos goß ein Glas Whiskey ein und reichte es Methos. „Danke.“ In einen Zug schüttete der alte Mann das Zeug seine Kehle hinunter. Da fiel sein Blick auf die Frau in Kronos‘ Bett.

„Jetzt bin ich verwirrt“, stellte er fest. Methos blickte Kronos an. „Könntest du mir das erklären? Ist diese Frau dein Notfall?“ „Ja“, antwortete Kronos kurz angebunden. „Ähm ... das verstehe ich jetzt nicht so ganz. Du rufst mich wegen einer Frau? Das heißt nicht, daß ich etwas dagegen haben, aber ausgerechnet du? Das stört mich. Dich interessiert das Wohl einer Frau doch sonst nicht. Das ist nicht deine Art.“ „Bei ihr ist das etwas anderes“, murmelte Kronos. „Deine medizinischen Fachkenntnisse sind gefragt, Methos. Und du bist der einzige Art, der keine blöden Fragen stellt.“ „Aha“, kommentierte der alte Mann irritiert.

„Wer ist sie, Kronos, und was ist passiert?“ erkundigte er sich neugierig. „Das ist Juana. Ich habe mit ihr ein gutes Jahrhundert zusammengelebt.“ „Sie war deine Geliebte?“ „Meine Schülerin, meine Geliebte, meine Vertraute ...“, seufzte Kronos schwer. „Niemand kennt mich so gut wie sie. Ich meine, du und unsere Brüder ... ihr habt mich gekannt. Aber niemand kam mir jemals so nahe wie Juana. Ja, sie kennt mich besser als jeder andere Mensch auf der Welt.“ „Was ist passiert?“ wiederholte Methos seine Frage.

„Ich bin Ray Edgall, einen Unsterblichen, vor einiger Zeit mal auf die Füße gestiegen. Seit dem macht er Jagd auf mich. Er hat Juana entführt und ihr ein afrikanisches Gift verpaßt, das ihre Selbstheilung stoppt. Ihre Verletzung an der Kehle will einfach nicht heilen. Ich bin zwar kein Arzt, aber ich weiß, daß sie den andauernden Blutverlust nicht mehr lange verkraftet.“ „Deshalb brauchst du meine Hilfe“, stellte Methos sachlich fest. Kronos nickte leicht. „Ich will, daß du sie rettest“, gab er offen zu.

„Niemals hätte ich gedacht, daß ich das mal sage, aber ... ich will sie nicht sterben sehen. Ich kann nicht zulassen, daß sie stirbt.“ „Was?“ Entgeistert blickte Methos seinen Bruder an. „Ja.“ Kronos zuckte schwach mit den Schultern und setzte sich neben Juana. Methos beobachtete, wie er ihr sanft über das Haar strich. „Sie ist das einzige menschliche Wesen, das mir jemals etwas bedeutet hat. Ich wollte sie immer beschützen.“ „Was ist passiert?“ „Wir hatten Unstimmigkeiten“, brummte Kronos. Es war offensichtlich, daß er nicht darüber sprechen wollte, was vorgefallen war.

„Liebst du sie?“ fragte Methos unvermittelt. „Spinnst du?“ begehrte Kronos heftig auf. „Ich meine, wenn ich dich so sehe und höre, was du sagst, dann ...“ „Methos, ich warne dich! Das hier hat nichts mit Liebe zu tun.“ „Sondern?“ „Vielleicht ist es einfach Besessenheit. Was weiß ich?“ fluchte Kronos. „Ich will nur, daß du sie heilst, verstanden? Ich will nur, daß es Juana besser geht. Ich habe dich nicht geholt, damit du mich analysierst, kapiert?“ Methos nickte leicht. „Klar. Ich tue, was ich kann“, versprach er Kronos. „Rette sie“, legte sein Gesprächspartner ihm scharf ans Herz.

Methos atmete tief durch und erhob sich. „Ich tue mein Bestes.“ Kronos stellte sich ihm in den Weg und starrte ihn finster an. „Dein Bestes wird diesmal nicht gut genug sein“, sprach er. „Du solltest deine natürliche Gabe, Dinge zu lösen, schnellstens einsetzen.“ „Ich habe verstanden. Schließlich bin ich nicht auf den Kopf gefallen“, meinte Methos und schob Kronos bestimmend zur Seite. Er setzte sich auf die Bettkante und löste den Verband, den Juana trug.

Für einen kurzen Moment verzog er das Gesicht. Die Wunde sah wirklich schlimm aus. „Und?“ fragte Kronos ungeduldig. „Gedulde dich ein wenig“, murmelte Methos. Er nahm sich die Zeit, den Schnitt genau zu betrachten und zu beobachten, wie das Blut aus der Wunde quoll. „Sieht nicht gut aus. Was immer das für ein Gift ist, es wirkt verdammt gut.“ Methos hob den Kopf und sah Kronos an.

„Wie lange befindet sie sich schon in diesen Zustand?“ fragte er. „Ich weiß nicht, wann Ray ihr diese Verletzung zugefügt hat, aber ich schätze ... zwei Tage ungefähr. Sie schläft viel.“ „Das ist die Erschöpfung. Dieser immense Blutverlust schwächt den menschlichen Körper.“ „Soviel weiß ich selbst, du Genie. Hast du eine Idee, wie man das heilen kann?“ Methos seufzte schwer und schüttelte verneinend den Kopf.

„Was soll das heißen?“ schnauzte Kronos seinen Bruder an. „Ich kann ihr erst helfen, wenn ich weiß, was das für ein Gift ist. Einfach so kann ich nichts machen. Tut mir leid.“ „Dann finde raus, was das für ein verdammtes Gift ist. Du bist doch sonst nicht so schwer von Begriff.“ „Ich werde ihr Blut untersuchen, Kronos. Das Gift ist sicher noch in den Blutbahnen. Und du tust ihr einen Gefallen, wenn du Ray findest und ihn zum reden bringst.“ In Kronos‘ Augen funkelte es gefährlich auf. „Ich bringe den Mistkerl schon zum reden. Das tue ich doch immer“, sprach er zornig.

Methos verstand und nickte leicht. Kronos würde Ray einer schmerzhaften Folter unterziehen, wenn dieser nicht mit der Sprache herausrückte. Er kannte diese Prozedur nur zu gut. Und er kannte Kronos lang genug, um das zu wissen. „Wie willst du ihn finden?“ fragte Methos. Kronos grinste kalt. „Ich finde ihn schon. Ich weiß, wo er ist. Und du bleibst bei Juana und kümmerst dich um sie.“ „Sie ist bei mir in guten Händen“, versprach Methos. Kronos griff nach der Türklinke und drehte sich noch einmal zu ihm um. „Ich will, daß sie bei dir in den besten Händen ist.“ „Das ist sie, Kronos, keine Sorge“, meinte Methos als die Tür hinter seinen Bruder zufiel.

... „Ich habe dir schon tausend Mal erklärt wie – verdammt noch mal – du dein Gewicht richtig verlagern sollst“, fauchte Kronos ungehalten. „Tut mir leid, aber ich bin einen Anfängerin, falls du das vergessen hast. Ich bin kein Profi, so wie du“, erwiderte Juana. Kronos stöhnte. „Zum letzten Mal, Süße: Du mußt das Gewicht auf beide Beine verlagern, sonst hältst du einen längeren Kampf nicht durch. Du wirst ansonsten schnell müde.“ „Ich werde das nie lernen“, murmelte Juana.

„Doch wirst du“, erwiderte Kronos und er wartete, bis sie richtig stand. „Noch etwas, Juana.“ „Ja?“ Fragend sah sie ihn an. „Ich gebe dir einen guten Rat. Einen Rat, der dir unter Umständen das Leben retten kann.“ „Und welchen?“ „Mach das Schwert zu einen Teil von dir. Es ist nicht nur die Waffe, mit der du dich verteidigst. Ein Schwert ist die Verlängerung deines Armes und bringt deinen Gegnern den Tod. Verstanden?“ Juana nickte. Und dann griff Kronos an ...

Juana fuhr aus dem Schlaf hoch. Sie blickte sich um. Methos kam sofort an ihre Seite und schenkte ihr ein sympathisches Lächeln. Juana zuckte zusammen und blickte ihn aus großen Augen an. Wer war er und wo war Kronos? Sie versuchte zu sprechen. „Tue das nicht, Juana. Es bereitet dir nur unnötige Schmerzen“, sprach Methos beruhigend. Er konnte ihre Frage auch so in ihren Augen lesen. Er wußte, was sie sagen wollte.

„Ich bin Methos, ein Bekannter von Kronos. Er hat mich angerufen, weil er meine medizinischen Fachkenntnisse braucht, um dich zu heilen. Deshalb bin ich hier. Ich werde deine Wunde heilen. Ich weiß zwar noch nicht wie, aber es wird mir schon gelingen. Darauf kannst du vertrauen. Ich werde dir helfen, wieder gesund zu werden.“ Juana griff nach den Block und den Kugelschreiber, die auf dem Nachttisch neben dem Bett lagen.

Sie schrieb etwas auf. „Wo ist Kronos?“ las Methos laut vor. „Kronos ist unterwegs. Er sucht den Kerl, der dir das angetan hat. Er wird ihn schon zum reden bringen.“ Juana nickte und verstand. Kronos würde Ray foltern. Aber etwas anderes hatte sie auch nicht erwartet. Sie schrieb noch etwas auf und reichte den Block Methos. „Du bist Death, richtig?“ las Methos und erschreckte bei diesen Satz zutiefst.

Dann nickte Methos langsam. Kronos hatte ihr also von den Reitern erzählt. Nun ja ... die Beiden waren lange zusammen gewesen, wie Kronos gesagt hatte. Aber Methos hatte auch erkannt, daß sie viel miteinander verband – noch heute. Trotzdem hätte er nicht gedacht, daß Kronos über sein Leben mit seinen Brüdern reden würde. Noch dazu hatte er es einen Wesen anvertraut, von dem Kronos noch nie sehr viel gehalten hatte – einer Frau. Daran konnte Methos erkennen, daß Juana – vielleicht als einzige Frau im ganzen Universum – einen ganz besonderen Platz in Kronos‘ Leben und in seinen Herzen hatte.

Sanft drückte Methos Juana in die Kissen zusammen. Sie schloß die Augen. Der Blutverlust machte ihr schwer zu schaffen. Methos griff nach einem Waschlappen und tauchte ihn in eine Wasserschlüssel ein, die er neben das Bett gestellt hatte. Er wischte Juana den Schweiß aus dem Gesicht. Die Wunde hatte er neu verbunden. Während Juana geschlafen hatte, hatte er ihr Blut abgenommen, um es genau zu analysieren – mittels Mikroskop. Das Auswerten dauerte. Das konnte er nicht selbst machen. Das mußte ein Labor tun. Und diese Idee Kronos zu unterbreiten, würde nicht einfach werden. Kronos würde bestimmt nicht wollen, das irgendwer dahinterkam, was sie hier taten. Aber mehr konnte Methos – jedenfalls im Moment – nicht für Juana tun. Er hoffte, daß Kronos aus Ray heraus bekam, was das für ein Gift war.

Kronos stieg aus dem Wagen und sah zu dem Haus hoch. In der besagten Wohnung brannte Licht. Ein breites Grinsen huschte über sein Gesicht. Ich wußte, er kommt zurück, dachte Kronos und ging über die Straße. Er betrat das Haus. Ray würde dafür bezahlen, was er getan hatte. Ich werde herausfinden, was das für ein Gift ist. Und wenn ich es aus ihm herausprügeln muß, dachte er entschlossen. Er würde Juana nicht einfach so sterben lassen. Kronos spürte, daß sie nicht mehr viel Zeit hatte. Es mußte endlich etwas unternommen werden oder sie war verloren. 

Unruhig lief Ray in der Wohnung auf und ab. Sein ganzer Plan hatte nicht so funktioniert wie er sich das vorgestellt hatte. Kronos hatte mit seiner tollkühnen Aktion, Juana zu retten, alles durcheinander gebracht. Schwach ließ sich Ray auf das Bett fallen. Kronos hatte Juana und somit war sein Druckmittel weg. Sein guter Plan war nicht aufgegangen. Vielleicht hatte Juana Recht gehabt. Vielleicht war es wirklich ein Fehler gewesen sich mit Kronos anzulegen. Vielleicht sollte er die Sache einfach ruhen lassen.

Aber der Schmerz ... die qualvolle Erinnerung ... es tat so weh. Er konnte nicht vergessen, was Kronos ihm genommen hatte, wie er sein glückliches Leben zerstört hatte. Es war doch normal Rache zu wollen; danach zu dürsten, den Mörder seiner Frau – seines Dorfes – am Boden wiederzufinden. Doch es hatte nicht so funktioniert. Nun war nicht Kronos länger der Gejagte. Ray wußte, nun war er der Gejagte.

Überraschenderweise hatte sich das Blatt gewendet. Doch so leicht würde Ray nicht aufgeben. Er wollte es zuende bringen; mußte es für Marian tun. Irgendwie hatte er doch erreicht, was er wollte. Er hatte Kronos aus der Reserve gelockt und seine Geliebte verletzt. Auch wenn Kronos es nicht zugeben wollte, sah man ihm an, daß er etwas für Juana empfand. Vielleicht spürte er jetzt selbst den Schmerz, den er Ray einst zugefügt hatte.

In diesen Augenblick spürte Ray die altbekannte Präsenz. Wie von der Tarantel gestochen sprang er auf. Ein anderer Unsterblicher war in der unmittelbaren Nähe. Und Ray mußte nicht lange nachdenken, um zu wissen, wer dieser Unsterbliche war. Denn die Tür wurde aufgestoßen und ein alter Freund trat ein. Endlich stand er ihm gegenüber – nach so langer Zeit. Endlich stand er Kronos gegenüber.

~ 7. ~

„Hallo Ray“, sprach Kronos kalt und kam näher. Ray griff nach seinen Schwert und ging in Kampfposition. „Es wurde Zeit, du Bastard! Ich warte schon zulange darauf, dich fertig zu machen.“ „Tatsächlich? Du wirst heute sterben, keine Sorge. Aber vorher beantwortest du mir ein paar Fragen.“ „Ich denke nicht dran“, rief Ray wütend. Allein Kronos‘ Anwesenheit gab ihm das Gefühl, sich verteidigen zu müssen, sich rechtfertigen zu müssen. Und das mißfiel ihm. Kronos‘ Nähe war äußerst gefährlich und beunruhigte ihn, was er jedoch niemals vor seinen Feind zugeben würde.

„Ich will wissen, was das für ein Gift ist, daß du Juana verpaßt hast“, sprach Kronos. Ein breites Grinsen huschte über Rays Lippen. „Deine Frau lebt noch? Wow, ich bin beeindruckt. Das Gift ... Ja, was ist das wohl für ein Gift?“ Kronos kam noch näher und zog sein Schwert. „Du solltest mir es sagen oder die Strafe, die du bekommst, wird äußerst unmenschlich ausfallen“, forderte Kronos drohend. „Du hast mir alles genommen, was ich geliebt habe. Jetzt nehme ich dir alles, was du liebst.“ Kronos schüttelte leicht den Kopf.

„Da verstehst du etwas falsch, du kleine Ratte. Ich liebe sie nicht“, sprach Kronos. „Und warum bist du dann hier?“ fragte Ray neugierig nach. „Weil ich Juana etwas schuldig und für sie verantwortlich bin, wenn du es genau wissen willst“, stellte er eisig klar. „Erzähl mir was von diesen Gift. Und erzähl mir etwas vom Gegengift.“ Ray zuckte jedoch nur schwach mit den Schultern. „Ich werde sie genauso sterben lassen wie du meine Frau hast sterben lassen.“ Und mit diesen Worten griff er an.

Problem parierte Kronos den Schlag. Schon nach dem ersten Angriff wußte Kronos, daß Ray kein Gegner für ihn war. Er ließ sich von seinen Gefühlen beeinflussen und konzentrierte sich nicht auf das Wesentliche. Kronos tauchte unter Rays Arm hinweg und kam hinter seinen Gegner wieder zum stehen. Er versetzte Ray einen harten Stoß in den Rücken. Dieser verlor dadurch das Gleichgewicht und stürzte zu Boden.

Hastig griff Ray nach seinen Schwert, doch Kronos stieg mit seinen Stiefel auf Rays Hand. Mit Mühe konnte er einen Schrei unterdrücken. Der spitze Stiefelabsatz bohrte sich tief in seine Haut. Kronos sah die zusammen gekniffenen Auen und die aufeinander gepreßten Lippen und grinste zufrieden. Ray hatte Schmerzen, aber er war zu stolz, um das zuzugeben. Mit einer flinken Bewegung kickte Kronos das Schwert seines Gegners in eine Ecke. Nun war Ray unbewaffnet und Kronos schutzlos ausgeliefert. Genau so wollte der ehemaliger Reiter seinen kleinen Verfolger haben.

„Na los, töte mich, so wie du es angekündigt hast“, forderte Ray und sah Kronos stolz in die Augen. Seine Schwertspitze lag an Rays Hals. Er beugte sich zu ihm hinab und flüsterte: „Du wirst noch sterben, keine Sorge! Aber zuerst ... zuerst wirst du mir erzählen, was ich wissen will.“ „Niemals“, zischte Ray verächtlich. Kronos packte Ray am Kragen und zerrte ihn hoch. „Verlaß dich drauf! Du wirst reden“, verkündete er und brachte ihn ins Schlafzimmer.

Methos rieb sich über die Augen. Juanas Blut sah nicht sehr gut aus. Es war eindeutig verseucht. Aber mehr konnte Methos auch nicht sagen. Was dahinter steckte, mußte wirklich ein Labor klären. Doch er wußte ... er konnte das Blut unmöglich an ein Labor schicken. Immerhin würde man dadurch herausfinden, daß es Unsterbliche gab. Denn das Blut von Unsterblichen sah unter dem Mikroskop anders aus als das von Sterblichen. Sie steckten in einer Zwickmühle. Und wenn Kronos nicht aus Ray herausbrachte, was genau mit Juana los war, dann ... Methos schüttelte den Kopf. Er wußte, wenn es Kronos nicht gelang, Ray zum reden zu bringen, würde Juana sterben ...

Ein Zittern ging durch Rays Körper. Er war an einen Stuhl gefesselt. Blut rann über sein Gesicht. Kronos baute sich vor ihm auf. „Und? Willst du noch immer nicht mit mir reden?“ „Ich ... werde dir nicht ... sagen, was du ... wissen willst“, stöhnte Ray gequält. Kronos packte Ray an den Haaren und zog seinen Kopf hoch. „Ich werde dir jetzt mal etwas verklickern: Ich bin nicht im Besitz von großer Geduld. Eines möchte ich dir noch mitteilen.“ Kronos beugte sich zu Rays Ohr. „Es hat mir großes Vergnügen bereitet dein Weib zu töten. Als sie starb, hatte sie Todesangst.“ „Nein“, schrie Ray und riß den Kopf zurück.

Kronos lachte amüsiert. „Tut noch immer weh, nicht wahr?“ Er zog seinen Dolch hervor und hinterließ einen langen, tiefen Schnitt an Rays Wange. „Ich weiß, daß dieses Gift aus Afrika stammt. Woher genau und wie kann man diese verdammte Wirkung des Giftes vertreiben?“ Verneinend schüttelte Ray den Kopf. Kronos kniete sich vor ihm nieder und trieb ihm langsam den Dolch ins rechte Knie. Ray schrie vor Schmerzen auf.

„Dieses Geheimnis nehme ich mit ins Grab“, zischte Ray mit blitzenden Augen. Er sah, daß er damit Kronos zum ausrasten brachte. Kronos ließ den Dolch in Rays Knie stecken und sprang auf. Hart schlug er ihm ins Gesicht. Und jeder einzelne Schlag wurde immer härter. Er schlug Ray die Nase und um ein Haar auch den Kiefer kaputt. „Rede, du verdammter Bastard! Wie kann ich Juana heilen?“ forderte Kronos scharf. Doch Ray schüttelte stur den Kopf.

Kronos umfaßte den Griff seines Dolches und drehte ihn im Knie herum. Ray biß sich auf die Lippen und weigerte sich, zu schreien. „Ich höre“, sprach Kronos. „Nein, niemals.“ „Falsche Antwort“, kommentierte der ehemalige Reiter nur und zog den Dolch ein Stück heraus. Dann grinste er fies und stieß die Klinge heftig in die Wunde zurück. Ray warf den Kopf zurück und schrie laut auf. Er konnte diesen Schmerzen nicht mehr standhalten. Es tat einfach zu sehr weh. Ray konnte sie nicht mehr ertragen und stöhnte leise auf. Er wollte nicht mehr. Ray wußte, er hatte dieses Spiel verloren.

„Sie wird sterben. Nichts kann deine Frau mehr retten“, flüsterte Ray. Kronos brodelte vor Wut, daß sah Ray ihm an. „Du verdammter Bastard, sag mir endlich, was ich wissen will“, forderte Kronos. Ray schüttelte den Kopf und lachte bitter auf. Kronos griff nach seinen Schwert und preßte die Klinge gegen den Hals seines Gegners. Ray schluckte schwer und schloß die Augen. Erneut schüttelte er den Kopf. Kronos erkannte, er würde niemals reden. Sie mußten anders an das Gegenmittel kommen. Es mußte einen anderen Weg geben Juana zu heilen.

Ohne ein weiteres Wort zog Kronos durch und enthauptete seinen Gegner. In derselben Sekunde ging auch schon das altbekannte Quickening los. Rund um Kronos schlugen Blitze ein. Das Glas zersplitterte und brach aus den Fensterrahmen. Kronos fiel auf die Knie und ließ das Quickening über sich ergehen. Die Erinnerungen und Gedanken von Ray Edgall stürmten auf ihn ein.

Als es vorbei war, hob Kronos den Kopf. Ein schwerer Seufzer entrang sich seiner Kehle. Rays Gedanken hatten ihm etwas offenbart – den Weg zu Juanas Heilung. Ray trug das Gegenmittel für das Gift bei sich. Er hatte es in einer Tasche. Kronos erhob sich und suchte nach der Tasche. Er fand eine schwarze, etwas größere Reisetasche unter dem Bett. Kronos öffnete sie und streute den Inhalt auf dem Bett aus.

Er fand zwei kleine Fläschchen, die einen flüssigen Inhalt in sich trugen. Und eines davon war das Heilmittel, das Juana so dringend benötigte. In der anderen Flasche mußte dann das Gift sein. Kronos nahm beide an sich. Methos mußte herausfinden, welchen von den beiden das Gegenmittel war. Er nahm sein Schwert, steckte die beiden Fläschchen ein und verschwand. Er warf keinen Blick mehr auf Ray. Kronos ließ seinen toten Feind hinter sich. Wie alle Gegner vor Ray, hatte auch er sterben müssen.

Methos schreckte hoch als Kronos die Tür laut ins Schloß warf. „Du bist wieder da“, stellte er müde fest. Kronos stellte zwei kleine Flaschen auf den Tisch vor Methos. „Was ist das?“ fragte er verwundert. „Eines davon ist das Heilmittel für Juana. Finde es. Das andere ist das Gift, daß Ray ihr verpaßt hat.“ „Ich verstehe“, murmelte Methos und zog sein Mikroskop heran. Er machte sich sofort an die Arbeit.

„Ist er tot“, erkundigte sich Methos nebenbei, während er die beiden Flüssigkeiten untersuchte. „Ja“, sprach Kronos kurzangebunden und zog seine Lederjacke aus, die er achtlos über einen Stuhl warf. „Wie geht es ihr?“ fragte er mit einen Blick auf Juana. „Sie hat die ganze Zeit geschlafen. Allerdings ist sie kurz aufgewacht.“ „Hat sie nach mir gefragt?“ „Ja, hat sie. Als ich ihr erklärte, wo du bist, ist sie wieder eingeschlafen. Wieso willst du das wissen?“ „Nur so“, wich Kronos aus. Methos wußte, daß da mehr dahinter steckte, sagte aber nichts. „Keine Sorge, mit dem Gegenmittel wird es ihr bald wieder besser gehen“, sprach er und untersuchte die zweite Flüssigkeit.

„Hast du es endlich?“ fragte Kronos ungeduldig. „Laß mir noch eine Minute Zeit. Ich will schließlich sicher gehen“, murmelte Methos und verglich die beiden Flüssigkeiten mit der in Juanas Blutbahnen. „Okay, ich habe“, meinte er. „Hast du eine Spritze hier?“ „Ich habe eine von Ray mitgenommen“, erklärte Kronos. „Gut, wasch sie aus und gib sie mir dann“, befahl Methos. Selten folgte Kronos einen direkten Befehl von Methos, aber diesmal ... Wortlos ging Kronos ins Badezimmer.

Wenig später kehrte er mit der Spritze zurück und reichte sie dem ehemaligen Tod der vier apokalyptischen Reiter. Methos zog das Heilmittel auf und trat an das Bett. Er setzte sich zu Juana und injizierte ihr das Gegenmittel. „Wenn sie aufwacht, wird es ihr besser gehen. Die Wunde müßte bald verheilt sein“, erklärte er. „Das ist gut“, kommentierte Kronos bloß. „Was machen wir jetzt?“ Methos setzte sich in den Polstersessel und lehnte sich zurück. „Wir warten“, sprach er ruhig.

[Zwei Stunden später]

Methos entfernte den Verband und kontrollierte die Wunde. Die Wunde war gänzlich verschwunden. Der Schnitt war verheilt und die Haut war wieder unversehrt. Zufrieden lächelte er. Kronos blickte ihm über die Schulter. „Sie ist völlig verheilt“, stellte er überrascht fest. „Ja, sie ist verheilt. Juana hat es überstanden.“ Methos richtete sich auf und drehte sich zu Kronos um. „Brauchst du mich noch? Wenn nicht, würde ich gerne zurückfliegen.“ Kronos blickte ihm direkt in die Augen. „Nein, ich brauche dich nicht mehr. Du hast deinen Zweck erfüllt.“ „Gut, dann kann ich wieder verschwinden.“ Methos verschwand im Bad, machte sich frisch und kam nach kurzer Zeit wieder heraus.

Er kramte seine Sachen zusammen und zog seinen Mantel an. „Tja, ich bin mir sicher ... wenn du wieder meine Hilfe brauchst, wirst du mich anrufen. Du weißt ja, wo ich zu finden bin“, seufzte Methos. Kronos nickte leicht. „Wir werden uns wiedersehen – irgendwann“, sprach er. Methos schulterte seine Tasche und öffnete die Tür. Er warf noch einen Blick auf Juana und war froh, daß er ihr hatte helfen können. Wenn es ihm nicht gelungen wäre, hätte Kronos ihn zur Strafe enthauptet, daß wußte er. Methos verließ das Hotel und trat die Heimreise an. Für ihn war die Geschichte beendet und das sich seine Wege mit denen von Kronos wieder kreuzen würde, war klar. Irgendwann würden sie sich wieder begegnen.

~ Epilog ~

Als Juana aufwachte, stellte sie überrascht fest, daß sie keine Schmerzen mehr verspürte. Instinktiv tastete sie nach ihrer Wunde und war verblüfft, daß sie keinen Verband mehr trug. Juana setzte sich auf. Ihre Wunde war vollkommen verheilt. Die Schmerzen waren verschwunden und sie fühlte sich besser. Sie fühlte sich stärker, nicht mehr so schwach wie nach der Einnahme des Giftes. Ihr Körper schien gereinigt zu sein. Sie schien geheilt zu sein.

„Kronos?“ rief sie laut. Sie konnte wieder sprechen und es tat dabei auch nicht mehr weh. Sie war wieder gesund, vollkommen in Ordnung. Juana schlug die Decke zurück und stand auf. „Kronos?“ Juana ging ins Badezimmer, doch auch da war er nicht. Anscheinend war sie allein. Juana zuckte leicht mit den Schultern und sah in den Spiegel, der im Badezimmer über dem Waschbecken hing. Sie sah schrecklich aus. Kurzerhand beschloß sie, eine Dusche zu nehmen. Danach würde sie sich besser fühlen.

Als Kronos das Zimmer betrat, sah er sofort, daß Juana nicht mehr im Bett lag. Es war offensichtlich, daß sie aufgestanden war. Und wenn sie aufgestanden war, bedeutete das, daß sie sich wirklich erholt hatte. „Es geht ihr also besser“, murmelte er und schloß die Tür. „Juana?“ Kurz darauf ging die Badezimmertür auf. Juana hatte geduscht, sich umgezogen und trocknete nun ihr nasses Haar mit einen Handtuch ab.

„Wo warst du?“ erkundigte sie sich. „Ich habe unten etwas gegessen. Wie fühlst du dich?“ „Besser. Die Wunde ist verheilt, ich kann wieder sprechen und habe keine Schmerzen mehr.“ „Das klingt vielversprechend.“ Juana kam zu Kronos und küßte ihn spontan auf die Wange. „Wofür war das?“ fragte er überrascht. „Das war ein Dankeschön für deine Hilfe. Ohne dich würde ich jetzt nicht mehr am Leben sein. Danke, Kronos.“ „Ich habe das nicht getan weil ... ich dich liebe. Ich habe es getan weil ich dir etwas schuldig war.“ „Das ist mir klar. Und es ist gut so, daß du es so siehst“, erwiderte sie. „Jetzt sind wir quitt“, sprach Kronos. „Ja, daß sind wir“, pflichtete Juana ihm bei.

„Ich schätze, es ist besser, wenn ich bald gehe“, sprach sie zögernd. „Genau.“ Juana blickte ihn lange an. Sie hatte das Bedürfnis, ihm das zu sagen, was sie schon immer sagen wollte. Aber sie wußte, sie konnte es nicht. Er würde es nicht hören wollen. „Kronos, wir müssen es nicht aussprechen ... Wir wissen auch so, was zwischen uns gewesen ist. Wir sind jetzt quitt. Und es ist besser, wenn wir getrennte Wege gehen – so wie wir es beschlossen haben, bei deinen letzten Besuch.“ Kronos nickte leicht. In ihren Augen las er, was sie ihm wirklich sagen wollte. Und er war froh, daß sie es nicht laut aussprach.

„Kronos?“ „Ja?“ „Auch wenn du es nicht glaubst ... Du wirst immer einen besonderen Platz in meinen Leben haben. Aber wir gehören einfach nicht zusammen. Es würde nicht gutgehen. Es ging schon beim ersten Mal nicht gut. Doch ich danke dir für alles, was du für mich getan hast. Ich habe dir sehr viel zu verdanken. Du hast mich bei dir aufgenommen, mich unterrichtet und ... mir jetzt das Leben gerettet.“ „Oh bitte, Juana! Hör auf! Ich kann es nicht ertragen, wenn du so emotional wirst“, stöhnte Kronos.

Juana lächelte wissend. „Ich weiß, aber ich mußte dir das einmal sagen.“ „Du solltest jetzt wirklich gehen“, bemerkte er. „Ich weiß. Ich komme schon ohne dich zurecht. Was ist mit Ray?“ „Er wird dir nie mehr in die Quere kommen. Ich habe ihn ausgeschaltet.“ „Verstehe.“ Juana griff nach ihrer Jacke und zog sie an. Sie band ihr noch etwas nasses Haar zusammen und straffte die Schultern.

Einen Moment standen sie sich schweigend gegenüber. „Unsere Wege trennen sich hier dann wohl“, meinte Juana. Wie von selbst streckte Kronos seine Hand nach ihr aus und zog sie in seine Arme. Ihre Lippen fanden zu einen allerletzten leidenschaftlichen Kuss zusammen. „Es wird Zeit, leb wohl zu sagen“, murmelte Juana als sich ihre Lippen von seinen lösten. „Tue mir einen Gefallen, Süße.“ „Welchen?“ „Schau, daß du alleine überlebst. Ich werde nicht immer da sein.“ „Ich weiß. Ich kriege das schon hin. Es wird Zeit für mich.“ Kronos nickte und ließ sie los.

Juana zögerte kurz, dann ging sie. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloß. „Leb wohl“, murmelte Kronos und schaltete das Fernsehgerät ein. Nun war es wirklich vorbei. Ihre Wege hatten sich für immer getrennt. Ihre Beziehung oder Affäre – was auch immer es war – war für die Ewigkeit vorbei. Nun würden sie beide ihr Leben allein weiterleben. Ihre Geschichte war zuende und was blieb, waren die Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit, die Kronos und Juana auf ewig miteinander verband ...

The End


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