One More Morning

by Tegan

Notes:
Rating: P18 bzw. NC-17 Als einzige Warnung sollte ich hinzusagen, das Guinevere in meinen King Arthur Stories generell nicht gut weg kommt, da ich sie überhaupt nicht leiden kann.

King Arthur: One More Morning

~ 1. ~
Wenn ich mich erinnere …

„Arthur!“

Verzweifelt trug der Wind Lancelots Stimme über das Schlachtfeld. Über die Köpfe der feindlichen Sachsen, der Pikten und der wenigen Ritter, die versuchten, den Wall zu verteidigen, sah der sarmatische Krieger zu seinem besten Freund hinüber. Hilflos wurde Lancelot Zeuge, wie der Anführer des Reitertrupps schwach auf die Knie fiel, nachdem ein harter Schlag Cerdics, den dieser mit seinem Schwert ausführte, ihn dazu zwang. Lancelots Blick flog hin und her. Rechts von ihm kämpfte Guinevere gegen die Soldaten der sächsischen Streitmacht. Und links von ihm geriet Arthur immer mehr in Gefahr. Selbst aus der Ferne konnte er erkennen, wie schwer der kommandierende Offizier des Hadrianswalles um sein Überleben kämpfen musste.

Cerdic war stark, gerissen und im Kampf erfahren. Seine Hinterhältigkeit kannte keine Grenzen und Gnade empfand dieser Mann für seine Gegner in keinster Weise. Und der Sachse hatte es tatsächlich geschafft, den Halbrömer in ernsthafte Bedrängnis zu bringen. Tiefe Angst flackerte in Lancelots Augen auf. Er hatte eine Entscheidung zu treffen. Entweder rettete er das Leben seines Freundes oder das der jungen Frau, die sie irgendwie in diese Ausnahmesituation gebracht hatte. Für einen kurzen Moment schweiften Lancelots Gedanken ab. Guinevere hatte Arthurs schwachen Punkt gegen ihn verwendet, um ihn dazu zu bringen, dieses Land gegen die Sachsen zu verteidigen, ihr zu helfen, die Insel für ihr Volk zurück zu erobern.

Wenn all das nicht geschehen wäre, angefangen von Germanus’ letzten Auftrag für den sarmatischen Reitertrupp, würde sich Arthur jetzt auf den Weg in ein kleines entferntes Bergdorf befinden, um die Frau seines Herzens zu holen, und mit ihr nach Rom aufzubrechen. Doch jetzt stand er inmitten dieser blutigen Schlacht und würde vielleicht nie die Möglichkeit erhalten, zu ihr zurück zu kehren und sein Leben mit ihr zu teilen. Guinevere hatte sie alle dazu verleitet, ihre Freiheit gegen den sicheren Tod einzutauschen. Lancelots Blick glitt noch einmal zu der kämpfenden Amazone und in dieser Sekunde wusste er, was er zu tun hatte, um mit einem reinen Gewissen den nächsten Tag zu begegnen, sollte er diesen jemals erleben.

Wütend schlug er auf die Soldaten links von sich ein, die seinen Weg zu Arthur behinderten. Er musste das Leben seines besten Freundes retten, selbst wenn er dabei sein eigenes verlor. Arthur wurde in dieser Welt noch gebraucht. Die Größte seiner Taten hatte er noch nicht vollbracht. Vielleicht war es ihm wirklich möglich, die friedliche und einige Welt zu erschaffen, von der er träumte, und mit deren Vorstellung er ihm ständig in den Ohren lag. Lancelot musste einfach an Arthurs Traum glauben. Tat er dies nicht, würde nur noch die dunkle Verdammnis auf sie alle warten.

Lancelot näherte sich immer mehr dem Schauplatz von Cerdic und Arthur. Fassungslos musste er mitansehen, wie sein Freund erneut von der scharfen Klinge des Gegners getroffen wurde und zusammen brach. Excalibur glitt Arthur aus der Hand. Ein lauter, schmerzerfüllter Schrei entrang sich seiner Kehle. Seine angebliche Niederlage, und in diesen Moment schien es so, als wäre Arthur geschlagen, entlockte Cerdic ein triumphierendes Grinsen. Er war schon siegessicher, doch Lancelot wusste es besser. Arthur hatte einen äußerst wichtigen Grund zu überleben. Und nichts und niemand, egal wie sehr das Grauen von ihm Besitz ergreifen würde, konnte ihn daran hindern, seinen Weg zu der Frau zurück zu finden, der er vor Jahren sein Herz geschenkt hatte.

In diesen Augenblick stellte sich ein sächsischer Krieger Lancelot in den Weg. Cynric, Cerdics ungeliebter Sohn, trug ein höhnisches Lächeln auf dem Gesicht, fest entschlossen, den ersten und wichtigsten Ritter Arthurs zu töten, um den Respekt seines Vaters zurück zu erhalten. Lancelot warf einen flüchtigen Blick auf Arthur. Es stand wirklich schlecht um ihn. Er wirkte tatsächlich besiegt. Verdammt, Arthur, steh auf, dachte Lancelot, wollte am liebsten die Worte hinaus brüllen, da er nicht glauben konnte, das der Überlebenswille den Halbrömer verlassen hatte.

Wieso, zum Teufel, musste Cynric sich ausgerechnet jetzt beweisen wollen? Unbändiger Zorn stieg in Lancelot hoch. „Dein Freund ist verloren, Sarmate. Mein Vater ist ein Meister in der Kunst des Tötens“, knurrte Cynric zuversichtlich, der den mächtigen Anführer, von dem in ganz Britannien ehrfurchtsvoll gesprochen wurde, bereits als Leiche im Gras liegen sah. Am Schwert seinen Vaters würde dessen wertvolles Blut herab fließen. „So gut dein Vater auch sein mag, Arthur hat einen Grund, diese Schlacht zu überstehen, der stärker ist als eure gesamte Armee“, erklärte Lancelot knapp und schwang geschickt seine beiden Kurzschwerter, um Cynric zu signalisieren, das er sich gerne mit ihm anlegen konnte, aber mit seinem Leben für diesen Fehler bezahlen würde.

„Ihr werdet heute beide sterben“, verkündete der Sachse und richtete die Spitze seines breiten Schwertes auf seinen Gegner. Lancelot ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken und ging zum skrupellosen Angriff über. Innerlich jedoch schickte er tatsächlich ein Gebet zu Arthurs Gott, an den er nicht glaubte, das dieser seine Hoffnung erfüllte, und es die beiden Sachsen sein würden, die nach dieser Schlacht blutend am Boden lagen. Es widerstrebte ihm, das weder Arthur, noch er selbst als Opfer den hohen Preis des Todes für diesen Krieg bezahlen mussten.


Als Arthur durch die Kraft Cerdics auf die Knie sank, verließ ihn sein Glaube im ungüngstigsten Moment. Er spürte den pochenden Schmerz in seiner rechten Schulter, sah das Blut, das unter seiner Rüstung aus der Wunde trat und an seinem Arm hinab lief. Arthur konnte diesen kaum noch richtig heben, geschweige denn schien es ausgeschlossen, damit weiterhin ein Schwert führen zu können. Warum nur hatte er sich entschlossen zu bleiben? Warum hatte er das Leben und die lang ersehnte Freiheit seiner Ritter aufs Spiel gesetzt? Nie hatte er dies von ihnen verlangt, doch treu - als seine Männer und seine besten Freunde - waren sie ihm erneut in eine Schlacht gefolgt, die nicht die ihre war. Wenn sie heute starben, lastete die Schuld daran auf seinen Schultern.

Er hätte gehen sollen, als Lancelot ihn so eindringlich darum gebeten hatte. Sein Versprechen, das er ihr vor drei Jahren gab, würde sich nun wohl nicht mehr erfüllen. Sein Weg würde ihn wahrscheinlich nicht mehr zu ihr zurück führen. Zweifellos würde die Nachricht seines Todes zu ihr durchdringen. Ein Leben mit ihr schien ihm Gott einfach nicht gönnen zu wollen. Solange schon musste er auf ihre Nähe, ihre Wärme und ihre Liebe verzichten. Er würde sterben, ohne noch einmal die Gelegenheit zu bekommen, seine Arme um sie zu schließen. Arthur schloss die Augen, ließ sich vom Wind treiben, der zart durch sein Haar strich. Es war, als wäre es ihre Hand, die ihn streichelte.

Mitten in der Dunkelheit seiner Seele erschien ein helles Licht. Ein zärtliches Lächeln glitt über Arthurs Lippen, als er die Gestalt sah, deren Anblick er bis zum heutigen Tag nicht hatte vergessen können. Da stand sie, seine Zukunft, in einem hellblauen, wallenden Kleid, das ihren schlanken Körper umhüllte. Ihr langes, goldblondes Haar wurde vom Wind getragen und ihre blauen Augen sahen ihn liebevoll an. „Ich liebe dich, Arthur, und ich weiß, du wirst zu mir zurück kommen“, sprach sie leise zu ihm. Er hatte wirklich das Gefühl, das sie bei ihm war, hinter ihm stand, und seine Tapferkeit festhielt, damit er sie nicht verlor.

Unwillkürlich fiel jegliche Anspannung von Arthur. Nein, er hatte keine Angst, nicht vor dem Tod oder vor dem Ausgang dieser Schlacht, denn er wusste, wie sein Schicksal für ihn weitergehen würde. Er würde heute nicht sterben, sondern würde das Schlachtfeld als Sieger verlassen. Sie war sein Grund, warum er sich überhaupt in diesen Kampf befand. Sie war sein Grund zu überleben. In diesen Sekunden, wo das Grauen um ihn herum furchtbare Gestalt annahm, erinnerte sich Arthur an die Begegnung, die so intensiv gewesen war, das die Kälte der langen Kriege für Rom schlagartig aus seinem Herzen verschwunden waren ...


„Ich eigne mich einfach nicht zum Botschafter“, maulte Lancelot schlecht gelaunt. Arthur wandte sich seinem Freund zu, während sie nebeneinander ritten. „Wir haben die Dokumente abgeliefert, so wie es der Wunsch Roms war. Bald sind wir wieder am Wall. Unser zu Hause ist nicht mehr weit entfernt, Lancelot.“ „Nicht mehr weit entfernt? Nimmst du mich auf dem Arm? Wir werden erst in ungefähr drei Tagen zu Hause sein, Arthur. Wieso mussten ausgerechnet wir diese Arbeit übernehmen? Das hätten auch Bors und Dagonet machen können“, sprach Lancelot mit einem entschiedenen Kopfschütteln.

„Das wäre keine besonders kluge Idee gewesen. So wie ich die Beiden kenne, hätten sie die Dokumente einfach in den nächsten Fluss geworfen, hätten sich ein paar schöne und freie Tage gemacht, und wären dann scheinheilig, als hätten sie nichts getan, zum Wall zurück gekehrt. Und wenn herauskommt, das sie die Papiere nicht abgeliefert haben, würden sie das leugnen und so tun, als würden sie nicht wissen, wovon die Rede ist. Ich kenne Bors doch. Wenn er hinter einer solchen Idee steckt, zieht er Dagonet in der Regel in seine dummen Vorhaben mit hinein.“ Alleine bei der Vorstellung, das diese beiden Wilden wichtige Dokumente für Rom überlieferten, brach Lancelot in amüsiertes Gelächter aus. Bors und Dagonet waren nun wirklich nicht die richtigen Männer für einen friedlichen Botengang.

Vor gut einer Woche hatte Rom Arthur, nicht einmal er selbst wusste, weshalb er für diesen Auftrag ausgewählt worden war, mit einem Befehl beinahe ans andere Ende von Britannien geschickt. Eigentlich hätte er alleine reiten sollen, um die Dokumente zu übergeben, die für den Hauptmann dieser weit entfernten Römerstation bestimmt waren, doch Lancelot hatte sich freiwillig bereit erklärt, seinen Freund zu begleiten. Er vertrat die Meinung, das Arthur ein wenig Schutz und auch Gesellschaft auf diesen einsamen Ritt gebrauchen konnte. Sein Freund war damit einverstanden gewesen, hatte allerdings darauf bestanden, das der Rest seiner Männer am Wall blieb, um das Kastell zu beschützen.

Arthur stimmte in das Lachen seines Freundes ein. Nicht nur Lancelot war es leid, sein Leben für ein Land zu opfern, das ihn zu diesen Dienst gezwungen hatte. Arthur liebte Rom, fühlte sich mit diesen Imperium zutiefst verbunden, und das schon alleine wegen seines Mentors Pelagius, der dort lebte. Doch Arthur verachtete sehr wohl die Art und Weise, wie Rom mit seinen Männern und deren kostbare Freiheit umging. Ihr Leben wurde mit Füßen getreten und in den Augen der Römer war es weniger als Dreck wert. Fünfzehn lange Jahre mussten sie in den Kampf ziehen, um eine Macht aufrecht zu erhalten, die ihnen alles genommen hatte. Wenn sie ihre Freiheit zurück erlangten, würde es die Heimat, die sie aus ihrer Kindheit kannten, nicht mehr geben. Sie würden in ein fremdes Land zu fremden Menschen zurück kehren.


Mitten auf ihren Heimweg verdunkelte sich die sowieso schon finstere und kalte Nacht. Von einer Sekunde auf die Andere prasselte ein heftiger Regenschauer auf die beiden Männer hinab. „Wunderbar! Jetzt geraten wir auch noch in ein donnerndes Gewitter“, jammerte Lancelot, dessen Laune bei jeden einzelnen Regentropfen, der ihn traf, noch mehr auf den Tiefpunkt sank. „Willst du dich jetzt etwa den ganzen Weg nach Hause über die Umstände beschweren? Behalte dies bitte für dich, Lancelot. Dein Gejammer ist für niemanden leicht zu ertragen, nicht einmal für mich“, erklärte Arthur und klopfte seinem weißen Hengst freundschaftlich den Hals, um diesen zu beruhigen. Auch das Tier empfand die Nässe des Regens als äußerst störend.

Und es war nicht nur der Regen, der ihnen schwer zu schaffen machte. Arthur und Lancelot ritten seit Stunden ohne eine Rast durch. Sie waren erschöpft, hungrig und zu allem Überfluss auch noch völlig durchnässt. „Ungefähr zwei Meilen von hier gibt es ein kleines Bergdorf. Wir werden dort anhalten und um Unterschlupf für die Nacht bitten“, beschloss Arthur, der es ihnen beiden einfach nicht länger zumuten konnte, die Nacht durchzureiten. „Diesem Vorschlag stimme ich zu. Ich sehne mich nach einem warmen Feuer und einem Dach über den Kopf“, pflichtete Lancelot Arthurs Vorhaben bei.

Zügig trieb Lancelot sein Pferd an, um so schnell wie möglich zu diesem kleinen Dorf zu gelangen, das Arthur erwähnt hatte. Der Regen wurde immer heftiger. Bis auf die Knochen spürten sie die Nässe der Nacht. Der kalte Wind, der ihnen um die Ohren pfiff, ließ Arthur und Lancelot frieren und das, obwohl die Beiden eigentlich hart gesottene Soldaten waren, die so einiges ertrugen. Doch die Kombination all dieser Umstände war selbst für die Beiden zuviel. Sie sehnten sich nur noch nach einem trockenen Platz, wo sie die Nacht verbringen konnten.

Arthur wendete sein Pferd leicht nach rechts. Lancelot bekam während dem schnelleren Ritt Zweifel, ob es dieses Dorf tatsächlich gab, von dem Arthur gesprochen hatte. Doch nach weiteren zehn Minuten, die vergingen, tauchten am Hang eines Berges auf einmal ein paar Hütten mit weitflächigen Feldern auf. Überrascht zog Lancelot die Augenbraue hoch. „Dachtest du etwa, ich hätte mich getäuscht?“ fragte Arthur kopfschüttelnd nach, als er die Geste seines Freundes bemerkte. Er brauchte darauf gar keine Antwort, denn der Blick Lancelots sagte alles aus, was er wissen musste.

„Ich war mir nicht so sicher, ob du dir dieses Dorf nur eingebildet hast. Doch zu meiner Erleichterung stelle ich fest, das du ein hervorragendes Gedächtnis besitzt“, erklärte Lancelot mit einem frechen Lächeln. Im selben Takt trieben die Beiden ihre Pferde an und steuerten direkt auf das kleine Bergdorf zu. Die Hütten lagen in vollkommener Finsternis. Die Anwohner schienen bereits in einen tiefen Schlaf gefallen zu sein. Nur in einer Hütte, die links von Arthur lag, brannte noch Licht. Ein einziger Blick, den Arthur und Lancelot wechselten, genügte, damit sie einheitlich beschlossen, ihr Glück bei demjenigen zu probieren, der anscheinend noch wach war.

Müde schwangen sie sich aus dem Sattel und führten ihre Pferde zu einem stabilen Unterstand neben der Hütte. Darunter befand sich nur ein Pferd für die Feldarbeit. Arthur und Lancelot ließen ihre Tiere in der Trockenheit des improvisierten Stalles zurück und gingen zu der schweren Holztür. Entschlossen klopfte Arthur drei Mal an die Tür und trat einen Schritt zurück. „Hoffentlich wird uns überhaupt aufgemacht. Kein vernünftiger Mensch würde bei diesem Wetter und um diese späte Stunde einem Fremden die Tür öffnen“, sprach Lancelot zynisch und verzog die Lippen zu einen schiefen Grinsen. Arthur ignorierte diesen Spott. Manchmal fragte er sich wirklich, warum sein Freund so negativ über alle möglichen Dinge dachte. Er betrachtete das Leben als Hölle, während Arthur den eisernen Willen besaß, die Welt mit seinen Taten zum Guten verbessern zu können.


Erneut war ein Klopfen zu hören, das von draußen in das Innere der Hütte drang. Shae hob irritiert den Kopf. Sie hatte sich das in keinster Weise eingebildet. Wer konnte um diese späte Stunde, immerhin war es mitten in der Nacht, noch um Einlass fordern? Langsam richtete sie sich von ihrem Stuhl auf, legte die Stickerei zur Seite, an der sie gerade arbeitete, und wollte Richtung Tür gehen, als sie von der Treppe Schritte vernahm. „Wer ist da an der Tür?“ fragte Melina nach, die gemeinsam mit Kytara in der kleinen Küche erschien. Shaes Schwestern waren sieben und zehn Jahre alt. Eigentlich sollten sie schon seit ein paar Stunden schlafen, doch die plötzliche Störung hatte sie wohl aufgeweckt.

Die Beiden fühlten sich etwas unwohl, da ihre Eltern nicht im Dorf waren. Sie besuchten die Großeltern, die fünf lange Tagesritte entfernt wohnten. So hatte ihre Mutter Clouvie Shae die Verantwortung übertragen. Und die achtzehnjährige Bauerntochter wusste, das ihre äußerst strenge Mutter es niemals dulden würde, das sie zu dieser Stunde noch ein paar Fremden die Tür öffnete. Doch es regnete stark und sie musste sich wenigstens erkundigen, ob derjenige, der in dieser dunklen und kalten Nacht unterwegs war, Hilfe benötigte. Shaes Mitgefühl für ihre Mitmenschen war einfach geweckt.

„Geht wieder ins Bett“, befahl Shae ihren jüngeren Schwestern und sah sie auffordernd an, ein Blick, der keinen Widerspruch zuließ, das wussten Melina und Kytara genau. „Geht auf der Stelle auf euer Zimmer und legt euch wieder schlafen“, fügte Shae streng hinzu. Die beiden Mädchen tat, was ihr aufgetragen wurde. Mit lauten Schritten marschierten sie die Stufen hinauf und verschwanden in dem Zimmer, das sie gemeinsam bewohnten. Doch sie ließen die Tür einen kleinen Spalt offen, um zu sehen, wer um diese Zeit bei ihnen auftauchte. Ihre Neugier war einfach zu groß, um sich Shaes Befehl willenlos fügen zu können.

Erneut klopfte es an der Tür. Diesmal ging es bereits energischer vonstatten. Shae ging in ihr Zimmer, holte das Kurzschwert, das sie besaß, und marschierte erst dann zur Tür. Sie öffnete sie vorsichtig und warf einen Blick hinaus. Das Schwert hielt sie hinter ihrem Rücken versteckt, damit der Besucher es nicht sofort sah, sie es aber schnell ziehen konnte, wenn es nötig war. Misstrauen legte sich in ihren Blick, als sie sich zwei vollkommen durchnässten Männern gegenüber sah.

Ihre Augen glitten über die Rüstungen, die der überraschende Besuch trug. Daran erkannte Shae, das die Männer Soldaten des berüchtigten sarmatischen Reitertrupps der Römer waren, von denen man sich Geschichten in ganz Britannien erzählte. Tausend verwirrender Gedanken schossen Shae durch den Kopf. Diese beiden attraktiven Männer kämpften für Rom gegen die Rebellen ihres Landes? Was taten sie überhaupt in dieser abgeschnittenen Gegend? Und welches Anliegen führte sie ausgerechnet in ihr unbedeutendes Dorf?

Weder Arthur, noch sein Begleiter rechnete damit, das ein solch junges Mädchen ihnen die Tür öffnen würde. Ihnen entging nicht die Vorsicht in ihren Augen. Arthur konnte durchaus nachvollziehen, das sie skeptisch war, wenn zwei römische Soldaten mitten in der Nacht an ihre Haustür klopften. Bewundernd lagen ihre Augen ausschließlich auf ihn. Und auch Arthur konnte seinen Blick nicht von ihrem hübschen Gesicht nehmen. Zwischen ihnen breitete sich eine Spannung aus, die er noch nie zuvor bei einer Frau gespürt hatte.

Ein breites Grinsen huschte über Lancelots Lippen, als er die Reaktion seines Freundes bemerkte. Die blutjunge Dorfschönheit schien es Arthur angetan zu haben. Noch nie zuvor hatte er dieses besondere Flackern in den Augen seines Freundes gesehen. Sekundenlang sahen sich Arthur und Shae nur schweigend an. Das sie einander gefielen, konnte selbst ein Blinder auf mehreren Meilen Entfernung erkennen. Nur ungern zerstörte Lancelot das Knistern zwischen den Beiden, doch die Wärme, die im Inneren des Hauses herrschte, zog ihn beinahe magisch an. Leicht, so das die junge Frau es nicht bemerkte, stieß er seinen Ellbogen in Arthurs Rippen, um ihm damit deutlich zu machen, das er hier draußen keine Wurzeln schlagen wollte.

Arthur verzog jedoch keine Miene, schaffte es noch immer nicht, seinen Blick von der Fremden zu nehmen, die ihnen so großzügig die Tür geöffnet hatte. Shae hatte das Gefühl, in eine fremde Welt gestolpert zu sein. Die Intensität, mit der der Ritter sie ansah, ließ ihr Herz so laut schlagen, das sie fürchtete, die Männer könnten es hören. Er war der umwerfendste Mann, der jemals ihren Weg gekreuzt hatte. Erneut verpasste Lancelot Arthur einen Stoß in die Rippen, um ihn endlich dazu bringen, den Rest der Nacht in ihrem trockenen Haus verbringen zu dürfen.

„Wir bitten um Verzeihung für diese nächtliche Störung, Mylady, doch wir sind auf der Suche nach einem Unterschlupf vor dem heftigen Gewitter“, sprach Arthur, der sehr darum bemüht war, seiner Stimme einen halbwegs normalen Klang zu verschaffen. Augenblicklich rieselte ein heißer Schauer über Shaes Rücken. In seiner Stimme tauchte die wilde Männlichkeit auf, die er zweifellos besaß. Allein sein durchnässter Anblick genügte, um in ihrem Herzen eine warme Sehnsucht auszulösen.

„Der Regen ist in der Tat teuflisch. Wer seit Ihr, mein Herr?“ erkundigte sich Shae, die das Schwert unauffällig abstellte. Ihr Gefühl sagte ihr, das sie es bei diesen Männern nicht brauchen würde. In den Augen des unerwarteten Besuches las sie viel Ehre. „Mein Name ist Arthur und das ist Lancelot. Wir sind Ritter des römischen Reiches.“ „Arthur? Etwa Arthur Castus, der Anführer der sarmatischen Reiter?“ stieß Shae überrascht aus. Selbst an diesen entlegenen Ort waren die vielen Geschichten über die beste Reitertruppe gedrungen, die im Dienste von Rom standen und den Hadrianswall beschützten.

„Wie ich sehe, ist mein Ruf bereits auch in Eure Gefilde vorgestoßen, Mylady“, lächelte Arthur leicht. „Allerdings, Sire. Es ist mir eine ganz besondere Ehre, Euch mein Heim zur Verfügung stellen zu dürfen. Kommt herein und wärmt Euch am Feuer auf“, erklärte sie freundlich. Dazu musste man die Beiden nicht zwei Mal auffordern. Mit schweren Schritten traten sie durch die Tür. Sie waren froh, der Kälte entkommen zu sein und die Nacht nicht im Regen verbringen zu müssen.


~ 2. ~
Eine Begegnung des Schicksals

Arthur und Lancelot saßen in der Küche direkt am Feuer und nahmen eine warme Suppe zu sich, die Shae ihnen bereitwillig gekocht hatte. Zwar hatte Arthur dieses Angebot mit der Begründung abgelehnt, das sie sich keine Umstände wegen ihrer Anwesenheit machen sollte, doch die junge Schönheit hatte darauf bestanden, dies für sie zu tun. Lancelot war sehr dankbar dafür, an diesen Abend noch etwas richtiges in den Magen zu bekommen. Er haßte es, wenn er hungrig durch die Gegend reiten mußte, vor allem, wenn er wegen eines Auftrages für Rom unterwegs war.

Shae hatte die Küche verlassen, um ihr Schwert unbemerkt von den Besuchern in ihr Zimmer zurück zu bringen, und ein paar Decken zu holen. „Bist du mit deinem Verstand wieder in der Wirklichkeit?“ erkundigte sich Lancelot grinsend. „Ich verstehe nicht, was du meinst.“ „Ich bitte dich, Arthur! Dieses Mädchen hat dein Interesse geweckt. Das würde selbst noch ein Blinder erkennen. Findest du nicht, das sie etwas zu jung für dich ist?“ „Das sagt genau der Richtige. So fern ich mich erinnere, war die letzte Frau, die dein Bett geteilt hat, nicht viel älter als unsere Gastgeberin“, hielt Arthur ruhig dagegen.

Amüsiert lachte Lancelot auf. Mit einer solchen Antwort hatte er bereits gerechnet. Schließlich gab es nichts, was Arthur und er nicht voneinander wußten. „Du warst Derjenige, der sie zuerst zu sich ins Bett geholt hat. Irgend jemand mußte sich ja um sie kümmern, nachdem du ihr die kalte Schulter gezeigt hast“, kommentierte Lancelot. Arthur wollte etwas darauf erwidern, behielt seine Aussage jedoch für sich, als Shae in die Küche zurück kehrte. Aus Respekt vor der Jugend des Mädchens würde Arthur ein solch anzügliches Gespräch in ihrer Gegenwart nicht dulden.

„Ihr solltet Eure Rüstungen ablegen. Die Kleider können nicht trocknen, solange Ihr die noch darüber trägt“, sprach Shae und reichte den Männern die Decken, damit sie sich schneller aufwärmen konnten. Ein freches Grinsen huschte über Lancelots Lippen. „Ich glaube nicht, das sich ein solches Angebot für Euer Alter gehört“, sprach er. „Ich verspreche, ich werde niemanden verraten, was unter Eurer Rüstung zum Vorschein kommt, Lancelot“, gab sie schlagfertig zurück. Amüsiert schüttelte Lancelot den Kopf und entledigte sich seiner sarmatischen Rüstung.

Arthur folgte seinem Beispiel und ließ seine Rüstung am Boden neben dem Holztisch liegen. „Ich kann Euch nicht viel Komfort anbieten“, erklärte Shae zögernd. „Wir besitzen keine hohen Ansprüche. Das, was Ihr uns zur Verfügung stellt, genügt vollkommen“, erwiderte Arthur und hielt seine Hände über das Feuer. Im oberen Stockwerk hörte er leises Gemurmel. Als er seinen Kopf hob, um zu sehen, was über ihm los war, entdeckte er zwei kleine Mädchen, die an der Treppe standen und ihn neugierig anstarrten.

Shae bemerkte seinen Blick und konnte sich denken, wen er gerade entdeckt hatte. Sie trat zu den Stufen und tadelte ihre Schwestern mit strengen Augen. „Solltet ihr nicht im Bett sein?“ sprach sie kopfschüttelnd. „Mutter wird es nicht gutheißen, das du zwei fremde Männer in unser Haus läßt“, erklärte Melina trotzig. „Das lasse ruhig meine Sorge sein. Geht zurück in eure Betten und schlaft endlich!“ „Aber, Shae ...“, protestierte Kytara. „Kein aber! Es ist spät und ihr solltet bereits seit Stunden schlafen. Worauf wartet ihr? Tut, was ich euch sage“, forderte sie die Beiden auf.

Seufzend wandten sich die Beiden um und gingen in ihr Zimmer zurück. Sie würden wohl nie erfahren, was es mit dem geheimnisvollen Besuch auf sich hatte, denn ihre ältere Schwester war für ihre Verschwiegenheit bekannt. „Und schließt die Tür“, rief Shae den beiden zu, die wußte, das sie versuchen würden, der Unterhaltung zu lauschen. Geduldig wartete sie, bis sie hörte, wie die Zimmertür ins Schloß fiel. Mit einem entschuldigenden Lächeln wandte sie sich Arthur und Lancelot zu.

„Wo befinden sich Eure Eltern?“ hakte Lancelot nach. „Sie besuchen meine Großeltern, die fünf Tagesritte von hier entfernt in einem anderen Dorf leben. Das ist Euer Glück. Meine Mutter hätte Euch die Tür vor der Nase zugeworfen“, sprach sie lächelnd, wobei ihr Blick nicht auf Lancelot, sondern auf Arthur lag. Die schwarze Tunika, die er trug, ließ ihn noch attraktiver erscheinen als er ohnehin schon war. Hastig wandte sich Shae ab, da die Hitze ihres Körpers sie wie eine Welle zu erschlagen drohte, und füllte den Becher von Lancelot mit Wein auf.

„Wollt Ihr mich betrunken machen?“ lachte er vergnügt. „Gewiß nicht, aber er wirkt sehr einschläfernd“, erwiderte sie. „Ein solches Schlafmittel kann ich gut gebrauchen. Nun, Mylady, welches Lager habt Ihr für mich auserwählt? Etwa das Bett Eurer Eltern?“ „Tut mir leid, doch wenn ich das tue, wird meine Mutter mich kreuzigen. Ich werde den Tisch ein wenig zur Seite schieben und Euch hier ein bequemes Schlaflager errichten. Ich wünschte, ich könnte berühmten Rittenr wie Euch mehr anbieten, doch es ist mir leider nicht möglich“, sprach Shae und es war ihr anzusehen, das ihre Armut ihr peinlich war.

„Wir sind damit zufrieden. In der Vergangenheit haben wir an viel schlimmeren Orten nächtigen müssen. Dagegen ist das hier ein Palast. Es ist nicht das erste Mal, das wir auf dem Boden schlafen. Und es wird gewiß nicht das letzte Mal sein“, sprach Arthur beruhigend. Er war sehr darauf bedacht, Shae das Gefühl nehmen zu wollen, sie müsse sich für ihre niedere Herkunft schämen. Sie besaß dieselben armen Wurzeln wie er. Seine eigene Abstammung war weder edel, noch hochblütig.

Erneut flogen heiße Blicke zwischen Arthur und Shae hin und her. Lancelot erhob sich mit einem kleinen Grinsen. „Ich werde kurz nach unseren Pferden sehen. Schließlich gehören sie auch gut versorgt.“ „Ihr findet alles im Stall, was dafür nötig ist“, rief Shae ihm hastig nach, als er bereits bei der Tür war und in den Regen hinaus verschwand. Arthur kannte jedoch den wahren Grund, weshalb sich Lancelot für ein paar Minuten so plötzlich zurück zog. Er wollte seinem Freund die Möglichkeit geben mit Shae ein wenig alleine zu sein und das hübsche Mädchen näher kennenzulernen.

„Wie lange seit Ihr schon unterwegs, Arthur?“ fragte Shae neugierig. „Eine Woche. Und wir werden erst in drei Tagen zum Hadrianswall zurück kehren.“ „Wie ist es dort? Ich habe schon viele Geschichten über das berühmte Kastell der Römer gehört“, sprach sie mit leuchtenden Augen und setzte sich neben Arthur auf den Stuhl, den zuvor noch Lancelot für sich beansprucht hatte. „Es ist eine Station der Römer. Meine Ritter und ich beschützen dieses Stück Land, so gut wir können. Für Rom ist es nur eine Festung, ein Posten, der verteidigt gehört. Doch für mich ist es in den letzten fünfzehn Jahren zu meiner Heimat geworden“, erzählte er und blickte Shae dabei ruhig in die Augen.

„Sehnt Ihr Euch nach Eurem zu Hause? Werdet Ihr auch nach Sarmatien gehen, wenn Euer Dienst vorbei ist?“ „Ich war diesem Dienst gegenüber immer loyal. Mein Weg wird mich nicht nach Sarmatien führen, sondern nach Rom.“ „Nach Rom? Wieso wollt Ihr nach Rom, wenn Ihr Eure Freiheit wieder erlangt?“ fragte Shae unverständlich. „In Sarmatien gibt es nichts, was auf mich wartet. In Rom treffe ich meinen alten Mentor Pelagius wieder, der mir beibrachte, das die Freiheit von Geburt an unser Recht ist. Und meine Männer können es gar nicht erwarten von dieser Insel zu verschwinden“, zuckte Arthur mit den Schultern, der sich schon jetzt auf die langen Gespräche mit dem Mann freute, der ihn nach der grausamen Ermordung seiner Mutter aufgezogen hatte.

„Britannien ist nicht so schlecht wie Ihr denkt.“ „Wenn es nicht regnet, schneit es oder der Nebel verdeckt einem den Blick, das man nicht einmal mehr die Hand vor den Augen sieht. Was ist der Reiz dieses Landes?“ „Es wird bald frei sein. Denkt Ihr, Rom sei besser?“ „Ich denke es nicht. Ich weiß es, Mylady. Rom ist fortschrittlich, zivilisiert und friedlich.“ „Rom billigt den freien Willen nicht. Rom will andere Völker nur unterdrücken. Und das sie uns unser Land zurück geben, glaube ich erst, wenn Rom auf ihren Schiffen Richtung Heimat segelt. Ich hörte schon von Euren Idealen“, bemerkte Shae und Unsicherheit tauchte in ihren Augen auf, ob sie mit einem römischen Anführer wie Arthur tatsächlich auf diese Art und Weise reden durfte, ohne eine Strafe zu erwarten.

„Ihr braucht Euch nicht vor mir fürchten! Eure Worte könnten nie dafür sorgen, dass ich meine Ehre außer acht lasse. Ich erhebe nicht die Hand gegen eine Frau“, sprach Arthur besänftigend und sein Blick forderte sie stumm auf, ihre Gedanken mit ihm zu teilen. „Ihr träumt von einer Welt des Friedens und der Einigkeit. Rom, Arthur, ist alles, nur nicht einig.“ „Doch mit meinen Taten hoffe ich, genau diese Welt erschaffen zu können.“ „Für wen?“ „Für die Menschen, die Ihren Glauben in mich gesetzt haben. Ich will nicht, das die Menschen frieren oder Hunger leiden müssen. Es widerstrebt mir, dabei zusehen zu müssen, wie Unschuldige gefoltert werden. Diese Mißstände müssen aufhören. Und dafür ziehe ich in den Kampf“, erklärte er seinen Traum von einer besseren Welt, in der es keine Kriege und keinen Hass untereinander gab.

„Euer Traum ist bewundernswert und ich hege für Euch die Hoffnung, das Ihr diese Welt eines Tages tatsächlich erbauen könnt. Aber diesen Schritt geht Ihr in Rom umsonst“, warf Shae ein und erhob sich, um weitere Decken und ein paar Kissen zu holen. Doch Arthur hinderte sie daran, indem sich seine Finger um ihr Handgelenk schlossen. Er blickte schweigend zu ihr hoch, spürte, wie ihr Blut allein durch seine Berührung regelrecht zu pochen anfing. Zärtlich streichelte er die empfindliche Stelle. Langsam nahm er ihre Hand fest in die seine und hauchte ihr einen Kuss auf die Oberfläche.

„Jetzt werdet Ihr unverschämt, Arthur“, tadelte sie ihn, dachte jedoch nicht daran, ihre Hand zurück zu ziehen. Zu einzigartig fühlte sich seine Berührung an. Die Wärme seines Körpers griff auf sie über. „Gebietet mir Einhalt, indem Ihr mich bittet aufzuhören“, sprach Arthur mit einem herausfordernden Funkeln in den Augen. „Ihr wißt, dass ich das nicht kann“, flüsterte Shae, die zuließ, das Arthur sie näher an sich heran zog. „Aus dem Wenigen, das ich hörte, schließe ich, das Eure Eltern sehr streng sind. Ich hoffe, Ihr werdet wegen unserer Anwesenheit keinen Ärger bekommen“, erklärte Arthur, während sein Arm um ihre Taille glitt. Dadurch zwang er Shae mit sanfter Gewalt auf seinen Schoß Platz zu nehmen.

„Meine Mutter, so sehr ich sie liebe, weiß nur die Hälfte von dem, was mir wichtig ist.“ „Und was bedeutet Euch etwas? Welche Träume habt Ihr?“ „Wie Ihr träume ich von einer friedlichen Welt, in der man keine Angst haben muß. Und so edel Eure Wünsche für die Zukunft auch sind, sie werden sich nie erfüllen. Dieses Zeitalter ist nicht dafür gemacht.“ „Das kann man ändern. Selbst die größte Tat ist bedeutungslos, wenn sie nicht einem höheren Zweck dient“, murmelte Arthur und genoß Shaes Berührung, als sie ihm das Haar aus der Stirn strich.

„Eure Tapferkeit wird Euch noch eines Tages unter die Erde bringen.“ „Soldaten sterben nun einmal im Kampf.“ „Ein einsamer Tod, Arthur, ist das das Ende, nachdem Ihr Euch sehnt? Wie viele Eurer Männer sind in diesen Kampf für ein Rom, das ihnen die Freiheit vorenthält, gefallen? Wie viele habt Ihr verloren?“ „Hunderte.“ „Und trotzdem hält Ihr an der Tafelrunde fest. Ein runder Tisch, umgeben von aufrichtigen Männern, die mit ihren Anführer gleich gestellt sind“, stellte Shae sachlich fest.

„Es ist ein Schritt, der uns die Einigkeit näher bringt.“ „Wieso wollt Ihr dann Euer Ziel in Rom umsetzen? Das Volk von Britannien zu einen, wäre eine echte Herausforderung, selbst für Euch. Oder glaubt Ihr, wir haben es nicht verdient, auf Eure Unterstützung zu hoffen?“ „Britannien raubte mir mehr als meine Kindheit, mehr als meine Träume.“ „Was ist geschehen, Arthur, das ich diesen Hass auf mein Land in Euren Augen sehe?“ fragte Shae ernst nach und nahm sein Gesicht zärtlich in ihre Hände. In seinen Blick las sie einen tief sitzenden Schmerz, der ihn bis zum heutigen Tag nicht los gelassen hatte.

Arthur blickte sie lange an, dachte für einen Augenblick an jenen schicksalshaften Tag in seiner Kindheit zurück, der ihn für immer verändert hatte, ein Moment, der sich regelrecht in seine Seele eingebrannt hatte. Obwohl sie einander völlig fremd waren, fühlte Arthur in Shaes Gegenwart eine Vertrautheit, wie bei keinem Menschen zuvor. Sein tiefes Vertrauen zu Lancelot war von einer anderen Art. Es war die Verbundenheit einer rauhen Männerfreundschaft, die im Kampf dafür sorgte, das man sich gegenseitig den Rücken freihielt und auf das Leben des anderen achtete.

Doch das hier verband zwei Herzen miteinander, die eine lange Zeit ein einsames Leben geführt hatten. Arthur fühlte, dass sie ihn in jeglicher Hinsicht verstehen würde. Ein einziger Blick aus ihren wunderschönen und klaren Augen genügte, damit seine Seele erwärmt wurde, die solange unter all den Kriegen für Rom gelitten hatte. Bei Shae zu sein, fühlte sich so an, als hätte er endlich seine Heimat gefunden. Sie besaß eine geradezu heilende Wirkung auf seine quälende Vergangenheit, auf die schrecklichen Erlebnisse, die er nicht hatte verhindern können, egal, wie sehr er sich auch für einen anderen Ausgang bemüht hatte.

„Ich war noch ein Kind“, begann Arthur mit ernster Stimme, als er innerlich die Entscheidung getroffen hatte, sie an seinen brutalen Leben teilhaben zu lassen. „Die Pikten überfielen mein Dorf. Unsere Hütte fing Feuer. Meine Mutter kam darin um. Die Rebellen Eures Landes haben sie getötet.“ Bitter starrte Arthur in die Flammen des Feuers, war nicht in der Lage, den Blick zu heben. Allein seine Haltung verriet Shae, wie sehr ihn der Tod seiner Mutter zerrissen hatte. Nie hatte Arthur die Pikten von dieser Schuld befreit, mit der er sie als Kind angeklagt hatte.

Shae strich durch sein Haar und hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Stirn, um ihm Trost zu spenden. „Du fühlst dich schuldig“, stellte sie vertraulich fest. Das bejahende Nicken von ihm war Antwort genug. „Ich mußte hilflos dabei zusehen wie sie verbrannte.“ „Du lädst eine Schuld auf dich, die du nicht tragen solltest. Du warst noch ein Kind, Arthur. Was hättest du tun sollen, um ihr den Tod zu ersparen?“ „Ich hätte zurück in das Haus gehen sollen, doch das Feuer versperrte mir den Weg“, erklärte Arthur, obwohl er wußte, das seine Worte Unsinn waren. Er hätte niemals die Kraft besessen, seine Mutter aus der brennenden Hütte zu ziehen.

„Ist das der Grund, weshalb es dir Freude macht, die Pikten zu töten?“ „Woher willst du wissen, dass ich Freude dabei empfinde?“ „Dein Ruf ist bereits legendär. Und auch die Art und Weise, wie du die Pikten tötest, drang zu uns durch. Arthur, es spielt keine Rolle, wie viele von ihnen du tötest, du wirst dadurch nie deinen Schmerz zum schweigen bringen“, sprach sie auf ihn ein. „Deine Wut kann die Wunden nicht lindern, die von deiner Seele Besitz ergriffen haben. Du mußt akzeptieren, was geschehen ist. Die Vergangenheit ist nicht zu ändern, egal, wie sehr du es auch versuchst.“ Ein schwerer Seufzer entrang sich Arthurs Kehle. Innerlich stimmte er ihr zu, aber noch war er nicht bereit, die Tür zu jenen grausamen Tag in seiner Erinnerung zu schließen.

Erst jetzt wurde sich Shae darüber bewußt, wie nah sich ihre Gesichter waren. Arthurs linke Hand umfaßte sanft ihr Kinn und zog sie an sich. In seinen Augen las sie, was er mit ihr vorhatte. Und Shae würde den Halbrömer nicht daran hindern sie zu küssen. In der Hütte hörte man nur das Knistern des warmen Feuers, ansonsten lag eine fast gespenstische Stille über den Beiden. Leicht erzitterten ihre vollen Lippen als Arthur sich über sie beugte. Sie waren nur noch Millimeter voneinander entfernt als Lancelot mit lauten Schritten von den Pferden zurück kam.

Ruckartig fuhren Arthur und Shae auseinander. Mit dieser Störung hatten sie nun gar nicht gerechnet. Absolut falscher Zeitpunkt, Lancelot, dachte Arthur, eine Spur enttäuscht, das ihm dieser Kuss vorenthalten blieb. Hastig richtete sich Shae auf, um die Decken zu holen, die noch für das Nachtlager der Ritter benötigt wurden. Lancelots Aufmerksamkeit entging es nicht, das sie auf Arthurs Schoß gesessen hatte. Er verliert wirklich keine Zeit, dachte Lancelot kopfschüttelnd, obwohl auch er keine lange Phase des Kennenlernens brauchte, um eine Frau in sein Bett zu locken.

„Die Pferde sind gut versorgt“, sprach er und ein breites Grinsen zierte sein Gesicht. „Ich hätte wohl noch etwas draußen bleiben sollen.“ „Du bist tatsächlich zu einem sehr ungünstigen Moment zurück gekommen“, erklärte Arthur knapp. „Entschuldige, aber ich dachte, ich hätte dir genügend Zeit gelassen, um sie mit deiner besonderen Art zu umschmeicheln.“ Shae kam aus dem Zimmer ihrer Eltern und reichte den beiden Männern die Decken und ein paar Kissen. Sie wünschte ihnen eine gute Nacht und verschwand hinter einer Tür neben der Treppe. Bevor sie diese jedoch zuzog, wechselte sie noch einen langen und vielsagenden Blick mit Arthur. Das Lächeln auf ihren Lippen sorgte dafür, das sein Herz unwillkürlich heftiger gegen seine Brust schlug.

„Wir müssen morgen früh wieder aufbrechen“, kommentierte Lancelot, als er es sich auf seinem provisorischen Bett bequem machte. „Wenn du ihr Liebhaber werden willst, solltest du dich beeilen. Dafür hast du nämlich nur diese eine Nacht.“ „Beschäftigen dich eigentlich nur diese dreckigen Gedanken?“ fragte Arthur, als er sich auf sein Schlaflager niederließ. „Warum fragst du mich etwas, worauf du die Antwort sowieso kennst? Arthur, dieses Lächeln war eine eindeutige Aufforderung. Warum also verführst du sie nicht? Sie wartet doch nur darauf, sich deiner Erfahrung hingeben zu dürfen“, spottete Lancelot, drehte sich auf die Seite und war nach wenigen Minuten eingeschlafen. Aber Arthur fand im Gegensatz zu seinen Freund keinen Schlaf. Er starrte auf die geschlossene Tür und fragte sich, ob ein junges Mädchen wie Shae wußte, worauf sie sich einließ, wenn sie einem Mann einen solchen einladenden Blick schenkte.


~ 3. ~
Nur in deinen Armen finde ich mein Glück

Im Halbschlaf nahm Shae eine schattenhafte Bewegung neben ihrem Bett wahr. Sie war nicht sofort eingeschlafen, da die Gedanken über Arthur sie wach gehalten hatten. Instinktiv fühlte sie, das dieser ehrenvolle und aufrichtige Mann ein besonderes Schicksal erwartete. Er war zu großartigen Taten bestimmt, die die Welt, die sie alle kannten, verändern würden. Shae legte ihren Glauben in ihm, das es ihm vielleicht tatsächlich gelingen würde, ein Volk von Einigkeit zu erschaffen. Dieser Mann würde seinen Platz in der Geschichte einnehmen und etwas außergewöhnliches leisten, das die Dunkelheit aus Britannien vertreiben würde.

Ein leises Geräusch folgte der Bewegung. Diesmal fuhr Shae schlagartig aus dem Schlaf hoch, als in ihr Bewußtsein drang, das sich jemand in ihrem Zimmer befand. Ihre schnelle Atmung beruhigte sich jedoch augenblicklich, als ihr Blick auf Arthur fiel, der an ihrem Bett stand und das Kurzschwert in den Händen hielt, das Shaes Vater ihr vor einigen Jahren überreicht hatte. Unwillkürlich musste sich Shae fragen, wie lange er sich wohl schon in ihrem Zimmer aufhielt, sie womöglich beim schlafen beobachtet hatte?

„Ich wollte dich nicht wecken, Shae“, entschuldigte er sich mit leiser Stimme, als er ihren verwunderten Blick auf sich spürte. „Hast du gelernt mit einer solchen Waffe umzugehen?“ „Mein Vater brachte es mir bei. Er war der Meinung, in diesen dunklen Zeiten muss eine Frau sich zu verteidigen wissen. Doch ich glaube nicht, das ich mit dir mithalten könnte“, räumte Shae ein. Ein leichtes Lächeln glitt über Arthurs Lippen. Vorsichtig lehnte er das Schwert wieder gegen die Wand, genau so, wie er es vorgefunden hatte.

„Du hattest das Schwert in der Hand, als du uns die Tür geöffnet hast“, stellte er sachlich fest. Seine Augen lagen aufmerksam auf Shae. „Woher weißt du das so genau?“ „Ein erfahrener Krieger erkennt so etwas.“ „Und trotzdem hast du nicht Excalibur gezogen?“ „Ich wußte, du würdest weder mich, noch Lancelot angreifen. In deinen Augen konnte ich sehen, dass du in uns ehrenhafte Männer erkannt hast.“ „Das Letzte, woran ich bei dir Zweifel hätte, wäre deine Ehre“, bestätigte Shae mit einem kurzen Nicken.

„Wie lange befindest du dich schon hier?“ hakte sie nach, um zu erfahren, weshalb Arthur trotz seiner langen Reise nicht schlief. „Ich gestehe, das ich eine Zeitlang in der Tür stand, um dich zu beobachten. Du solltest niemals einen Mann mit vielsagenden Blicken einladen, wenn du nicht beabsichtigst, ihn in dein Bett zu lassen“, erklärte Arthur und sah sie aufmerksam an, um zu erkennen, wie seine offenen Worte bei ihr ankamen. Shae wich nicht zurück, noch warf sie ihn wütend aus dem Zimmer. Die einzige Reaktion, die er darauf erhielt, war ein geheimnisvolles Lächeln.

Lächelnd griff Shae nach Arthurs Hand und zog ihn näher an sich heran. Zu dem, was nun zwischen ihnen geschehen würde, benötigte Arthur keine weitere Aufforderung. „Du spielst ein Spiel, das du nicht gewinnen kannst“, murmelte er, als er sich mit einem Bein auf das Bett kniete. „Diesen Sieg überlasse ich gerne dir, edler Ritter“, sprach Shae vielsagend, als ihre Hände um seinen Nacken glitten, und sich ihre Lippen einladend öffneten. Ihre Finger streichelten zärtlich über sein dunkles Haar. Alleine ihr Blick gab ihm die Erlaubnis, alles mit ihr zu tun, wonach ihm der Sinn stand.

„Gibt es am Hadrianswall eine Frau, die auf dich wartet?“ erkundigte sie sich vorsichtig, wollte erfahren, ob sie ihn mit einer anderen zu teilen hatte. „Keine, die mir etwas bedeutet“, erwiderte Arthur und beugte sich leicht vor. Er knabberte an ihrer Unterlippe, strich zärtlich mit der Zunge darüber. Ein leises Stöhnen entrang sich Shaes Kehle. Seine Zunge drang in ihren Mund vor, suchte nach ihrer, tastete nach ihr und forderte sie mit einem kleinen Stoß auf, seinen Bewegungen zu folgen. Ihre Zungen verschmolzen regelrecht miteinander, kosteten hungrig vom anderen, wobei ihr erotisches Spiel zärtlich und leidenschaftlich zugleich war.

Hingebungsvoll bog sich ihm ihr Körper entgegen, verlangte nach seinen Berührungen, das er sie auch mit denselben intimen Zärtlichkeiten verwöhnte, mit denen er schon ihren Mund erforschte. In Shae wuchs der Wunsch, ihm so nah wie möglich bei sich zu spüren. Mit einer heftigen Bewegung zog Arthur Shae eng in seine Arme, legte sich auf sie, und ließ seine Lippen über ihren schlanken Hals gleiten, den er mit unglaublich zarten Küssen liebkoste. Zielsicher wanderten seine Finger zum Saum ihres Nachthemdes und streiften es ihr über den Kopf. Ihr Körper war makellos und perfektionierte die außerordentliche Schönheit, von der Shae wahrscheinlich nicht einmal wusste, das sie sie besaß.

Ihre Haut war samtweich und er konnte gar nicht genug davon bekommen, sie zu berühren und zu streicheln. Seine Finger hatten ihren Busen erreicht, wo er sich nun ausgiebig mit den Brustwarzen beschäftigte. Arthur beugte den Kopf und nahm eine der Knospen zwischen seine Lippen. Shae legte den Kopf in den Nacken und stöhnte leise. Ihre Reaktion auf ihn gefiel Arthur. Sie konnte die süße Qual kaum ertragen, als er sie mit Mund und Zunge verwöhnte. Trotz des Vertrauens, das Shae ihm ohne Bedenken entgegenbrachte, hatte Arthur schon längst erkannt, das er ihr erster Liebhaber sein würde. Und er wollte ihr eine Nacht schenken, die ständig äußerst lebhaft in ihrem Gedächtnis verankert sein würde.

Hastig zog sich Arthur die schwarze Tunika aus und warf das Kleidungsstück achtlos zu Boden. Erneut nahm er Shae in die Arme und sank mit ihr engumschlungen in die weichen Kissen zurück. Immer und immer wieder fanden ihre Lippen zu Küssen zusammen, einmal leidenschaftlich, dann wieder sanft, dann wieder wild und hart, und im nächsten Moment wieder zärtlich. Ihre Zungen spielten auf dieselbe Art miteinander. Neckend strich Arthur mit der Zunge erneut über ihre Unterlippe, reizte sie, mehr von ihm zu verlangen, was sie auch mit einem leisen Stöhnen sofort tat.

Langsam streichelten seine Finger über ihre nackte Haut, wanderten von ihren Brüsten über ihren Bauch, umkreisten sanft ihren Bauchnabel. Ausgiebig liebkoste Arthur jeden Zentimeter Haut ihres Körpers auch mit den Lippen, folgte mit dem Mund der heissen Spur seiner Hände. Er lehrte sie Dinge, die nur ein Mann einer Frau beizubringen vermochte. Wieder hörte er ihr verführerisches Stöhnen, konnte sich selbst kaum noch zurück halten, und seufzte tief auf. Ohne jegliche Vorbehalte überließ sie sich seiner überaus erfahrenen Führung. Immer wieder hob Arthur den Kopf, kehrte auf Augenhöhe zu ihrem Gesicht zurück, um seinen Mund wild auf ihren zu pressen.

Shae erkannte, das Arthur sich nur ihretwegen mit seiner eigenen Befriedigung zurück hielt. Er bereitete sie geduldig auf ihr erstes Mal vor, gab ihr die nötige Zeit, sich in seinen Armen zu entspannen, nahm ihr die Angst vor dem, was sie miteinander teilen würden. Und alleine dafür verlor sie ihr Herz an ihm. Das ein Krieger wie er, ein Mann, der die Gesellschaft so vieler Frauen genossen hatte, so einfühlsam mit ihr umging, ließ eine Schwäche in ihr erwachen, die ihr erzählte, das sie nie wieder jemand anderen als ihn lieben würde. Das Begehren zwischen ihnen entflammte in einer heftigen Explosion. Shae wurde mutiger, begann seine Schultern zu massieren und über die nackte Haut seiner Brust zu streicheln.

Ihre Finger glitten bis über seinen Rücken hinab. Stummes Entsetzen breitete sich in ihr aus, als sie das Narbengewebe spürte. Sie befühlte jede einzelne Narbe, die Arthur von seinen schweren Kämpfen davon getragen hatte. Die Schmerzen, die manche Wunde ausgelöst hatte, mussten unvorstellbar grausam für ihn gewesen sein. Die Narben waren ein Zeugnis des brutalen Lebens, das er führte. Instinktiv zog Shae ihn enger an sich, als könnte sie ihn mit ihrer Umarmung vor dem Grauen in seinem Leben bewahren, ihn vor dem Leid beschützen, das er in der Vergangenheit hatte erfahren müssen.

Einem wohligen Seufzer folgend ließ sich Arthur in ihre beschützende Geste fallen und barg den Kopf an ihrer Schulter. Er konnte spüren, das sie ihm die Schmerzen nehmen wollte, die er seit seiner Kindheit in seiner Seele herumtrug. Es hatte viele Frauen in seinem Leben gegeben, doch er hatte sich stets alleine gefühlt. Nun, wo er Shae in den Armen hielt, war es anders. Seine Einsamkeit verschwand allmählich in der Finsternis. Ein warmes Licht hüllte sein Herz ein, erzählte ihm, das er überraschend bei ihr sein zu Hause gefunden hatte. Noch nie zuvor hatte er sich so lebendig, aber auch voller Frieden gefühlt wie in der Abgeschiedenheit ihres einfachen Schlafzimmers.

Freundschaft und Loyalität gab es zur Genüge in seinem Leben. Die Pflichten, die er seinen Männern gegenüber hatte, waren ihm immer das Wichtigste gewesen. In den vergangen fünfzehn Jahren waren diese raue Sarmaten zu seiner Familie geworden. Doch wirklich vermisst hatte er ein tiefes Gefühl, das er erst heute Nacht kennen lernte. Arthur berührte Shae zärtlich an der Wange und lenkte somit ihren Blick auf sich. Er wollte, das sie ihm in die Augen sah, wenn er seinen tiefen Wunsch laut aussprach. „Liebe mich“, bat er leise. Sie verstand die wahre Bedeutung hinter seinen Worten und nickte leicht. Er hatte soviel schreckliches in seinem Leben durch gemacht, aber die Liebe war ihm stets verwehrt geblieben.

„Nur das hatte ich vor, als ich dich vor meiner Tür stehen sah“, erklärte sie sanft und suchte leidenschaftlich seine Lippen mit ihrem Mund. Arthurs Reiterhose und auch seine Stiefeln landeten nun ebenfalls neben dem Bett. Fest umschlang er ihre Finger mit den seinen. Wissend blickte er ihr ins Gesicht. Shae streichelte über seine Wange. Es war ihr stummes Signal, das sie bereit für ihn war. Und Arthur wollte ihr alles von sich geben. Vorsichtig drang er in sie ein, sehr darauf achtend, ihr nicht weh zu tun. Langsam bewegte er sich, steigerte jedoch seinen Rhtyhmus, als sich Shae vollkommen fallen ließ.

In den starken Armen des tapferen Ritters erfuhr Shae das atemberaubendste Erlebnis, das sie sich hatte vorstellen können. Ihre Körper wurden zu einer Einheit und sie glaubte, den Verstand zu verlieren, als sie ihn doppelt in sich spürte, da nun seine Zunge erneut in das Spiel eingriff und in ihren Mund hinein glitt. Arthur trug Shae mit in einem wilden Strudel an Gefühlen, die sie nicht zu kontrollieren vermochte. Das pure Verlangen, eine regelrecht animalische Lust, beherrschte sie und stöhnten versanken sie in einer farbenfrohen Welt, in der nur für sie beide Platz war. Am Höhepunkt ihrer Erregung krallte Shae ihre Fingernägel in seine Schultern. Sie bäumte sich leicht auf und ein tiefes Stöhnen verkündete ihre Erfüllung. Erst danach ließ auch Arthur seiner Erregung freien Lauf und erreichte ebenfalls seinen Höhepunkt. Gemeinsam mit Arthorius Castus erlebte das Bauernmädchen das berauschendste Geschenk ihres Lebens ...


„Ich muss morgen wieder fort gehen“, sprach Arthur in die Stille hinein, nachdem ihre Leidenschaft verklungen war, und er sie einfach nur liebevoll im Arm hielt. Hauchzart streichelten seine Finger über Shaes nackte Schulter. „Ich weiß, Arthur.“ „Wieso kommst du nicht mit mir?“ fragte er überraschend. Ruckartig richtete sich Shae auf. Das Bettlaken wickelte sich um ihren Körper. Mit einer Mischung aus Freude, Verwunderung und Entsetzen blickte sie ihn an. „Ich soll dich begleiten?“ „Komm mit mir zum Hadrianswall. Lebe dort mit mir. Shae, ich kann dich nicht verlieren. Das ist ein Schritt, gegen den ich mich weigere, ihn zu gehen. Bleib bei mir“, bat Arthur eindringlich.

„Gerne würde ich mit dir kommen, aber ... ich kann nicht.“ „Was hindert dich?“ „Ich mag nur die Tochter armer Bauernleute sein, Arthur, aber ich habe Pflichten, genau wie du. Und ich kann meine Schwestern hier nicht alleine lassen. Meine Eltern kommen erst in ein paar Tagen zurück.“ „Solange könntest du sie bei deinen Nachbarn unterbringen?“ schlug er vor. Verneinend schüttelte sie den Kopf. Es widerstrebte Shae zutiefst, seine Bitte auszuschlagen, denn nichts würde sie lieber tun als ihm zu folgen, doch sie hatte Gründe, die sie in ihrem Dorf fest hielten.

„Das ist nicht möglich, Arthur.“ „Willst du nicht mit mir kommen?“ „Das ist es nicht.“ „Dann erkläre mir, wieso du nein sagst?“ „Meine Mutter ist eine sehr strenge und auch schwierige Person. Sie ist ... sehr religiös. Ich kann meine Schwestern nicht in ihrer Obhut lassen, alleine, verstehst du? Ich bin nur noch aus zwei Gründen hier. Erstens, weil ich nicht weiß, wohin ich gehen soll und zweitens, weil ich versuche, meinen Schwestern beizustehen.“ „Du bist ein gutes Mädchen“, sprach Arthur lächelnd. „Kannst du meine Entscheidung akzeptieren?“ „Das werde ich wohl müssen.“ „Du könntest mich besuchen“, schlug sie vor.

„Shae, dein Dorf liegt sehr abgelegen von der Gegend, in der ich lebe. Natürlich ist das für mich kein Hindernis, doch als kommandierender Offizier eines römischen Kastells kann ich mich ohne einen Befehl nicht entfernen.“ „Du bist an den Wall und deine dortigen Aufgaben, sowie an den römischen Befehlen gebunden.“ „Genau. Du bist hier in Sicherheit, weil das Land, auf dem dein Dorf steht, das Gebiet der Pikten ist. Dir wird hier nichts passieren. Wäre ich anderer Meinung, würde ich dich zwingen, mich zum Wall zu begleiten“, erklärte Arthur und stützte sich seitlich auf einen Ellbogen ab, um ihr in die Augen schauen zu können.

„Wie sieht unsere Zukunft aus, Shae? Sag es mir!“ „Willst du immer noch nach Rom gehen, wenn deine Männer aus ihrem Dienst entlassen wurden?“ „Das habe ich vor, ja. Was wirst du tun, wenn ich nach ein paar Jahren, in denen ich wahrscheinlichn keine Möglichkeit finde zu dir zu kommen, vor dir stehe und dich bitte, mich nach Rom zu begleiten, um dort mit mir zu leben?“ „Wenn du mich holst, werde ich mit dir kommen.“ „Sobald ich frei von meinen Aufgaben bin, wird mich mein Weg zu dir führen. Doch bis zu diesem Tag werde ich mich vor Sehnsucht nach dir verzehren.“

„Auch wenn ich glaube, das du mit deiner Rückkehr nach Rom einen Fehler begehst, werde ich bei dir bleiben. Und bis es soweit ist, werde ich auf dich warten.“ „Wirst du das auch noch tun, wenn Jahre vergehen, in denen wir uns vielleicht nicht sehen können? Wirst du dann noch immer auf mich warten?“ „Bis ans Ende der Zeit werde ich hier verweilen, bis du kommst, um mich zu holen. Ich bin nicht in der Lage, dir zu verweigern, was du dir wünscht, Arthur. Meine Liebe zu dir wird verhindern, das ich die Zukunft aufgebe, die vor uns liegt. Ich werde nicht verzweifeln, sondern an meiner Liebe fest halten, denn ich weiß, du wirst zu mir zurück kommen“, versicherte Shae ihm und gab sich ganz dem verheißungsvollen Kuss hin, mit dem er sich über sie beugte.

„Ich würde dich gerne schon jetzt mitnehmen“, bemerkte Arthur und Shae hörte deutlich das tiefe Bedauern aus seiner rauhen Stimme heraus. Sein Herz wollte sie nicht alleine zurück lassen. „Du weißt, ich kann jetzt nicht mit dir gehen.“ „Was wird in ein paar Jahren an deiner familiären Situation anders sein?“ „Meine Schwestern werden heran wachsen, selbst entscheiden können, wohin sie gehen wollen. Und wenn sie noch nicht alt genug sind, dann ...“, sprach Shae vorsichtig ab, weil sie nicht wusste, ob ihm ihr Gedanke wirklich Recht war. „Dann werden sie uns nach Rom begleiten und bei uns erwachsen werden“, beendete Arthur ihren Satz.

„Willst du das wirklich?“ „Es ist dein Anliegen. Also erfülle ich dir deinen Wunsch.“ „Danke, Arthur“, sprach Shae erleichtert und schmiegte sich erneut in seine Arme. „Wie lange dauert dein Dienst am Wall noch?“ „Drei Jahre. Erst dann erhalten meine Ritter ihre Freiheit wieder.“ „Drei Jahre, in denen ich dich wahrscheinlich nicht sehen werde“, seufzte Shaw schwermütig. „Wir werden uns wiedersehen“, versicherte Arthur ihr. „Das weiß ich. Arthur Castus, der Anführer der sarmatischen Reiter, hält stets sein Wort. Es würde seine Ehre verletzen, wenn er brechen würde, was er versprochen hat“, sprach Shae mit einem zärtlichen Lächeln. „Du brauchst mich nicht zu kennen, um zu wissen, wer ich wirklich bin.“ „Ein Blick in deine Augen genügt und ich habe das Gefühl, schon ewig in deinen Armen zu liegen. Doch denkst du wirklich, das du diese Verbindung ernsthaft eingehen willst?“ hakte sie unvermittelt nach. Verwirrung, aber auch Begehren zeichnete Arthurs Gesicht, als er ihre Worte vernahm.

„Worauf willst du hinaus?“ „Arthur, ich bin Teil des Volkes, das du verabscheust.“ „Du bist Britin, aber gehörst nicht zu den Pikten“, stellte er amüsiert fest. „Die Pikten sind das britannische Volk. Verstehst du das noch immer nicht? Sie mögen Rebellen sein, aber sie kämpfen für die Freiheit unseres Landes. Wie willst du mich lieben, wenn du die Menschen tötest, deren Blut auch in meinen Adern fließt?“ „Vielleicht habe ich doch mehr von meinen Vater als ich stets dachte.“ „Wieso?“ „Mein Vater war Römer, meine Mutter stammt aus diesen Land.“ „Deine Mutter war Britin?“ fragte Shae überrascht. Bejahend nickte Arthur. „Ja, sie wurde hier geboren, genau wie ich“, bestätigte Arthur gelassen.

„Dann scheint es doch etwas zu geben, das du diesem Land Gutes abgewinnen kannst. Anscheinend hast du nicht nur das Grauen hier gefunden.“ „Ich habe lange gesucht, um etwas zu finden, das mein Herz erwärmt, habe es aber erst in einem kleinen Dorf in den Bergen entdeckt“, lächelte er geheimnisvoll. Mit einer heftigen Bewegung zog er Shae an sich. Und während die Beiden ganz in den innigen Kuss versanken, den sie austauschten, nisteten sich Shaes bedeutungsvolle Worte in Arthurs Gedächtnis ein. Ihre Frage entsprach sehr wohl der Wahrheit. Wie konnte er weiterhin die rebellischen Pikten töten, jetzt, wo er eine Britin liebte?


~ 4. ~
Bitte komm zurück zu mir

Der Glanz der Nacht verschwand mit den ersten Sonnenstrahlen. Lancelot war so früh bereits auf den Beinen und hatte Feuer gemacht. Ihm war aufgefallen, dass Arthur nicht auf dem Platz geschlafen hatte, den Shae für ihn errichtet hatte. Mit einem breiten Grinsen blickte er zum Schlafzimmer neben der Treppe, dessen Tür sich leise öffnete, und Arthur mit lautlosen Schritten heraus kam. „Sieh mal an! Du hast wohl wieder ein Frauenherz erobert“, lachte Lancelos vergnügt. „Ich hoffe, du hast eine angenehme Ablenkung von deinen Pflichten erfahren. Wir sollten langsam aufbrechen, ansonsten werden unsere Freunde am Hadrianswall noch unruhig, weshalb wir nicht zurück kommen“, sprach der Ritter und griff nach seiner Rüstung.

„Arthur?“ bemerkte Lancelot fragend, da sein Freund noch immer  im Türrahmen stand und sich nicht bewegte. „Wenn wir mit Verspätung zum Kastell zurück kommen, glaubt Bors noch, das uns etwas zugestoßen ist. Du kennst doch Bors und kannst dir ausrechnen, wie er reagieren wird. Er wird wie ein wilder Stier losstürmen, um uns zu retten. Und wenn er dann erfährt, das der Grund unseres langen Fortbleibens eine junge Dorfschönheit ist, die dir völlig den Kopf verdreht, wirst du dir lange seinen Spott anhören dürfen.“ Selbst auf diese Worte reagierte Arthur nicht. Lancelot trat zu ihm und fing seinen Blick auf. Erst durch den eindringlichen Blick seines Freundes wurde Arthur in das Hier und Jetzt zurück geholt.

„Ich weiß, das wir aufbrechen müssen, auch wenn es mir zutiefst widerstrebt.“ „Wieso?“ Arthur brauchte ihm den Grund nicht sagen, denn Lancelot las die Antwort in seinen Augen. „In dir schlummern tiefere Gefühle für sie?“ fragte er nur. „Ohne sie zu gehen mißfällt mir.“ „Hast du sie gefragt, ob sie mit dir kommen will?“ „Wir haben darüber gesprochen. Sie hat noch ein paar Aufgaben in diesen Dorf zu erledigen, die nicht mehr da sein werden, wenn ich eines Tages zu ihr zurück komme“, erklärte Arthur näher und ging zu seiner Rüstung, die er sich mit ruhigen Bewegungen anlegte.

„Willst du dich nicht verabschieden?“ erkundigte sich Lancelot und blickte zu der schlafenden Schönheit. „Das habe ich bereits getan“, murmelte Arthur und ging zur Haustür, die er leise öffnete. Lancelot enthielt sich einen Kommentar, da er seinen Freund ansah, wie schwer ihm dieser Schritt fiel. „Da bekommen wir einen langweiligen Botenauftrag und du verlierst bei dieser Reise dein Herz. Du überrascht mich immer wieder, Arthur“, sprach er schließlich, als er das einfache Haus verließ und sein Pferd sattelte. Arthur tat es ihm gleich und schwang sich mit einer geschmeidigen Bewegung auf den Rücken seines kräftigen Tieres.


Shae hörte, wie die Haustür zuschlug. Wenig später vernahm sie das Wiehern der Pferde, die unruhig mit den Hufen scharrten und es gar nicht abwarten konnten, sich endlich wieder bewegen zu dürfen. Jedes einzelne Wort der Unterhaltung zwischen Arthur und Lancelot hatte sie mitbekommen. Sie hatte sich bewusst schlafend gestellt, um sowohl Arthur, wie auch sich selbst den Abschied zu erleichtern. Nun zog sie sich ihr Nachthemd an, schlang eine warme Decke um ihren Körper und eilte zur Tür. Sie musste ihn einfach noch einmal sehen, seine raue Männlichkeit betrachten, um sich zu vergewissern, das sein Besuch nicht nur ein wunderschöner Traum gewesen war. Hastig riß Shae die Tür auf und sah, wie die beiden Ritter sich langsam von dem Dorf entfernten.

„Arthur!“ rief sie laut.

Ihre Stimme hallte über den Hang. Ruckartig zog Arthur an den Zügeln und brachte seinen weißen Hengst zum stehen. Im Sattel drehte er sich um und nahm Shaes Anblick, wie sie mit wallenden Gewändern vor ihrer Hütte stand, tief in sich auf. Lange sahen sie sich über die Entfernung hinweg an. Ohne großartig zu überlegen wendete er sein Pferd und ritt zurück. Lancelot blieb geduldig an der Stelle stehen, wo er sich befand. Diesen einen Moment überließ er seinen Freund, der das dringend benötigte, um wirklich gehen zu können.

Arthur zügelte sein Pferd direkt neben Shae. Er beugte sich zu ihr hinab und küßte sie leidenschaftlich. „Ich werde dich nicht vergessen. Ich komme zu dir zurück“, versprach er inbrünstig. „Und egal, wie lange deine Rückkehr dauern mag, ich werde auf dich warten“, erwiderte Shae. Arthur richtete sich auf und ließ sein Pferd in einen leichten Galopp fallen, um zu Lancelot zurück zu reiten. Auf der kleinen Anhöhe drehte er sich ein letztes Mal zu Shae um. Ein schwerer Seufzer entrang sich seiner Kehle, da der Abschied nun stattfinden mußte.

„Was wirst du tun, wenn dein Dienst vorbei ist?“ hakte Lancelot nach, als sie das Dorf hinter sich ließen. „Ich werde nach Rom gehen, Lancelot.“ „Mit ihr?“ fragte der Ritter bloß. „Ja, mit ihr“, erwiderte Arthur. „Und was machst du bis es soweit ist? Ich bezweifle, dass uns noch ein Auftrag in diese Gegend führen wird.“ „Ich werde sehnsüchtig auf den Tag warten, an dem ich wieder bei ihr sein kann.“ Grinsend schüttelte Lancelot den Kopf. Er schien das alles sehr amüsant zu finden.

„Eine kurze Begegnung, eine Nacht, und du bist verliebt wie ein Bauernjunge“, kommentierte er. „Der Tag wird kommen, Lancelot, das prophezeie ich dir, an dem du dich bei einer Frau genauso fühlen wirst. Und dann möchte ich erleben, zu welch verrückten Dingen die Liebe dich verleitet“, erklärte Arthur. Die Beiden verschwanden am Horizont, während Shae ihnen noch immer nachsah. „Achtet gut auf sein Leben, ihr Götter. Der Tod darf ihn mir nicht nehmen“, flüsterte sie, denn der Krieg konnte ihr Arthur noch immer entreißen ...


Arthur blickte auf Excalibur, das Schwert seines Vaters, das direkt vor ihm im blutgetränkten Gras lag. Cerdic stand über ihn und betrachtete siegessicher seinen scheinbar aufgebenden Gegner. Ich muß zu ihr zurück, dachte Arthur entschlossen und ignorierte den Schmerz in seiner rechten Schulter. Die Wunde brannte höllisch, doch nicht einmal das konnte ihn davon abhalten, Cerdic den Tod zu bescheren, damit er das Land aufgab, das Shae so sehr liebte. Britannien war ihre Heimat und Arthur würde es bis zum letzten Blutstropfen verteidigen.

In dieser Sekunde wurde ihm klar, das er sich geirrt hatte. Seine Träume von einer besseren Welt würden sich nicht in Rom erfüllen. Seit er von Alecto vom Tod seines Mentors Pelagius erfahren hatte, wußte er, dass das friedliche und zivilisierte Rom nur noch in seiner Vorstellung existierte. Doch dieses Land, das er einst so gehaßt hatte, brauchte ihn. Hier konnte er tatsächlich etwas bewirken, seine Ziele umsetzen, und Shae die Welt schenken, die sie mit ihm teilen wollte.

„Es war mir eine Ehre, dich töten zu dürfen, Arthur Castus“, sprach Cerdic hinter dem knienden Mann. Cerdic konnte das wilde Feuer in den Augen des stolzen Kriegers nicht sehen. Blitzschnell umfaßte Arthur den Griff seines Schwertes und stieß es mit einer kräftigen Bewegung nach hinten. Die scharfe Spitze bohrte sich in den Magen des hoch gewachsenen Sachsen. Mehr vor Entsetzen als vor Schmerzen stöhnte er auf und taumelte einen Schritt zurück. Arthur zog die Klinge von Excalibur aus dem Fleisch Cerdics und erhob sich, ohne dabei auf die Verletzung an seiner Schulter zu achten.

Er wandte sich Cerdic zu, der nun seinerseits auf den Knien saß, und zu ihm hochblickte. Cerdic wollte nach seinem Schwert greifen, dessen Klinge den Boden berührte, doch Arthur stieg mit einem Fuß auf die Waffe und zwang seinen Gegner so, den Griff loszulassen. „Du wirst Britannien niemals erobern“, sprach Arthur und holte noch einmal aus. Excalibur schnitt eine tiefe und gerade Linie durch die Kehle des Mannes. Cerdic röchelte noch einmal kurz, bevor er langsam zur Seite fiel und bewegungslos liegen blieb. Der Anführer der barbarischen Sachsen war tot.

Arthur betrachtete die Klinge von Excalibur, die vollständig in Blut eingetaucht war. Es ist vorbei, dachte er und drehte sich um. Da sah er Lancelot, wie dieser mit Cynric kämpfte. Die Beiden waren schwer miteinander beschäftigt, doch als Cynric bemerkte, wie Arthur über der Leiche seines Vaters stand, packte ihn tiefe Angst. Wenn schon sein Vater in dieser Schlacht den Tod durch diese Ritter gefunden hatte, so würde auch er auf diese Art und Weise enden. Seine plötzlich aufkeimende Verzweiflung trieb ihn an.

Nach ein paar harten Schlägen gelang es Cynric tatsächlich, Lancelot eines der Schwerter aus der Hand zu schlagen. Der Ritter reagierte daraufhin jedoch mit einen Angriff auf Cynrics Brust. Die Klinge seiner Waffe bohrte sich knapp unter dem Herzen in das Fleisch. Der Sachse stieß Lancelot von sich, als dieser mit äußerst viel Druck das Schwert noch tiefer in die Wunde jagte. Cynric brüllte auf vor quälenden Schmerz und sank zu Boden. Wir haben verloren, dachte er erschreckend. So sehr sich ihre mächtige Streitmacht auch bemüht hatte, diese Ritter hatten Britannien verteidigt, obwohl es nicht ihre Pflicht gewesen war. Die Sachsen waren geschlagen worden.

Lancelot drehte sich kurz zu Arthur um, sich zu vergewissern, das er sich aus seiner mißlichen Lage hatte befreien können. Erhobenen Hauptes stand Arthur noch immer neben Cerdics Leichnam und sah sich das Schlachtfeld an. Der Kampf war vorüber. Nachdem die noch lebenden Sachsen auf den Tod ihres Anführers aufmerksam geworden waren, hatten sie den Rückzug angetreten. Auf den schnellsten Weg würden sie ihre Schiffe besteigen und verschwinden. Doch das war auch nur möglich, wenn sie den Pikten entkamen, die ihre Verfolgung aufgenommen hatten.

Diese Sekunde der Ablenkung nutzte der schwache Cynric, der bereits auf der Schwelle des Todes stand, gnadenlos aus. Mit zitternden und blutbefleckten Händen griff er nach dem Bogen, der neben ihm lag. Er spannte einen Pfeil ein, den er in der Nähe fand, und feuerte das Geschoss auf Lancelot ab. Dich nehme ich mit in die Hölle, du sarmatischer Bastard, dachte Cynric, dessen letzte Tat dem stolzen Ritter den Tod bringen sollte. Wir haben beide versagt, Vater, war des Sachse letzter Gedanke, als er in die kalte Dunkelheit hinein glitt, aus der er nie wieder erwachte. Cynric sollte nie erfahren, ob sein letzter Angriff auf Lancelot Erfolg hatte.


„Lancelot, hinter dir“, schrie Arthur panisch, als er die Waffe sah, die Cynric auf seinen Freund abfeuerte. Doch als der Ritter der Warnung seines Freundes folgte, war es bereits zu spät. Der Pfeil bohrte sich in Lancelots Brust. „Verdammt seist du, Sachse“, stöhnte er und verlor den Halt unter den Füßen. „Nein!“ hallte Arthurs Stimme über das Schlachtfeld, als sein engster Vertrauter in das blutgetränkte Gras sank. Während Arthur auf den schnellsten Weg zu ihm eilte, betastete Lancelot seine Wunde. Innerhalb von Sekunden waren seine Finger voller Blut.

Arthur war bei Lancelot angekommen und kniete sich neben ihn. Er sah sich den Pfeil an, der in dessen Brust steckte. „Das tut grausam weh“, murmelte Lancelot. „Was ist mit Cynric?“ „Der ist tot“, erklärte Arthur knapp, nachdem er den Gegner ohne eine Bewegung von ihnen entfernt liegen sah. Jegliche Atmung hatte bei Cynric bereits ausgesetzt. „Du hast ihn erwischt.“ „Siehst du, das passiert, wenn wir uns nicht gegenseitig den Rücken freihalten, Arthur. Wir werden beide verletzt“, stieß Lancelot zynisch aus. „Ich muß den Pfeil entfernen, Lancelot“, erwiderte Arthur, ohne auf den Spott des Ritters einzugehen.

„Worauf wartest du noch?“ forderte er ihn auf. Arthur legte eine Hand auf die Schulter Lancelots. Mit der anderen umfaßte er den Pfeil. Lancelot klammerte sich an den Arm seines Freundes fest. Einem heftigen Ruck folgend holte Arthur die Waffe aus Lancelots Körper. Vor Schmerzen schrie der stolze Ritter auf. Schweißperlen zeichneten sich auf seiner Stirn ab. Leicht lehnte er seinen Kopf gegen Arthur. Langsam verebbten die pochenden Schmerzen. Arthur hatte ein Stück Stoff von seinem roten Umhang abgerissen und preßte es auf die Wunde, damit das Blut nicht noch weiter floß.

„Ist es vorbei?“ fragte Lancelot leise. „Ja, wir haben gewonnen. Britannien gehört uns“, sprach Arthur, der noch immer damit beschäftigt war, die Blutung zu stoppen. Seine Wunde war ihm bei weitem nicht so wichtig wie die seines besten Freundes. „Nein, es gehört dir. Du bist Derjenige, der hier bleiben will.“ „Woher weißt du das?“ „Ich sehe das Funkeln in deinen Augen. In Rom gibt es nichts mehr, was auf dich wartet. Hier jedoch hast du eine Frau, die stark mit den Wurzeln ihrer Heimat verbunden ist. Du hast nicht gekämpft, weil Guinevere oder Merlin es von dir verlangt haben“, erklärte Lancelot seine Gedanken, die er sich über das Verhalten Arthurs in den letzten Tagen gemacht hatte.

„Du hast diesen Kampf auf dich genommen, weil du für Shae eine sichere Welt schaffen wolltest. Als wir unseren letzten Auftrag zuende geführt und unsere lang verdiente Freiheit zurück erhalten haben, war dir klar, dass du niemals rechtzeitig bei Shae sein würdest, um sie vor den Sachsen zu beschützen. Nachdem sie den Hadrianswall übernommen hätten, wären sie direkt in die Berge zu den Dörfern marschiert. Vorher war es dir nicht möglich, zu ihr zu gelangen. Du hattest also die Wahl: Dich dieser Schlacht zu stellen, um zu verhindern, das die Sachsen ihrem Dorf zu nahe kommen oder alleine fort zu gehen. Etwas, das du niemals in Betracht gezogen hättest.“

„Guinevere ist dennoch nicht ganz unschuldig.“ „Was wirst du wegen sie unternehmen?“ „Ich werde niemals dulden, das jemand versucht, uns gegeneinander auszuspielen. Sie wird die Konsequenzen tragen müssen.“ „Außerdem hast du dein Herz bereits verschenkt. Keine andere kann es erobern, weil du es längst an jemanden vergeben hast. Glaubst du, Shae denkt noch an dich?“ „Ich weiß, das sie noch immer auf mich wartet. Ich kann es regelrecht fühlen. Steh endlich auf, Lancelot“, erklärte Arthur, als er ihm half, wieder auf die Beine zu kommen. „Für den Anfang reicht das aus, aber deine Wunde gehört dringend richtig versorgt.“ „Dafür findet sich schon ein junges, hübsches Mädchen, das sich meiner annimmt“, scherzte Lancelot und ließ seinen Blick über das Schlachtfeld gleiten.

Ein verhängnisvoller Nebel hing über den vielen Leichen, sowohl Sachsen wie auch Pikten. Langsam kamen die anderen Ritter auf Arthur und Lancelot zu. An der Seite ihres Vaters Merlin ging auch Guinevere zu ihnen. „Britannien wurde endlich befreit“, sprach Merlin. „Siehst du nun ein, das es die richtige Entscheidung war, mit uns zu kämpfen, Arthur?“ „Das hatte nichts mit dir oder deiner Tochter zu tun“, blockte Arthur ab. „Dieses Volk gehört vereint. Nun, Arthur, bleibt nur noch eine Sache zu erledigen“, wies Merlin ihn an und seine Augen lagen vielsagend auf Guinevere.

„Dieses Volk ist bereits eins. Ich habe diesen Kampf bestritten und das Leben meiner Männer aufs Spiel gesetzt, wegen der Frau, der mein Herz gehört. Deine Tochter, so unschuldig sie auch aussehen mag, hat versucht, Lancelot und mich gegeneinander aufzuhetzen, damit wir etwas für die Ziele tun, die sie verfolgte. Doch so, Merlin, wird die Sache nicht weiter gehen. Ich will weder dich, noch Guinevere jemals wieder in meiner Nähe sehen.“ „Dasselbe gilt für mich“, mischte sich Lancelot ein, der Guinevere einen bitteren Blick zuwarf. Schwermütig dachte er an die Romanze, die zwischen ihnen hätte entstehen können, wenn sie nicht ein solch verlogenes Spiel mit Arthur und ihm getrieben hätte.

Guinevere blickte von einem zum anderen. Arthur wollte die Zukunft ihres Volkes wegwerfen, weil er dachte, seine Pflicht erfüllt zu haben? „Ich habe getan, was ich tun mußte, um euch auf unsere Seite zu ziehen“, erklärte sie knapp. „Deinetwegen wären wir alle beinahe getötet worden. Du wolltest, das meine Männer ihre gerade erst erworbene Freiheit für dich gegen den Tod eintauschen. Ihr Leben mag dir nichts bedeuten, doch sie sind die Einzigen, denen ich mich verpflichtet fühle. Du schuldest ihnen mehr als nur deinen Dank, denn sie waren bereit, ihr Leben für dein Land zu geben“, zischte Arthur wütend. Unbeeindruckt hielt Guinevere seinen Blick stand.

„Meine Tochter tat, was für ihr Volk das Richtige war. Arthur, um diesen Land Stabilität zu verleihen, ist eine Verbindung nötig.“ „Du glaubst doch nicht ernsthaft, Merlin, ich heirate eine Frau, der ich nicht vertrauen kann, bei der ich ständig ihre Treue in Frage stellen muß? Mein Herz wurde bereits verschenkt und für diese Frau, allein nur für sie, habe ich mich dem Kampf gegen die Sachsen gestellt. Ihr Überleben war der Grund, aber nicht Guinevere oder du.“ „Was wirst du jetzt tun?“ „In den Bergen wartet jemand auf mich. Meine Rückkehr wird seit Jahren sehnslichst erwartet. Der Krieg ist vorbei. Es wurde genügend Blut vergossen“, erklärte der Anführer der sarmatischen Reiter. Sein Blick streifte die Menschen, die um ihn herum standen.

„Hört auf zu kämpfen! Es ist genug. Zu viele haben wegen diesem Hass ihr Leben verloren. Zu viele meiner Ritter starben auf dieser Insel. Sie kämpften einen Kampf um die Freiheit, wobei ihre eigene nie eine Rolle gespielt hat. Findet endlich euren Frieden! Mein Weg führt mich zu der Frau, die seit drei Jahren auf mich wartet. Doch dich, Guinevere, verbanne ich aus meinen Leben. Trete mir nie mehr unter die Augen. Denn das nächste Mal werde ich die Intrigen, die du versucht hast zwischen Lancelot und mir zu schmieden, mit dem Tod bestrafen“, sprach er ernst und tat Excalibur in die Scheide zurück. Arthur stützte Lancelot auf der linken Seite, während Dagonet auf die rechte Seite eilte, um seinem verletzten Freund beizustehen. Die Ritter folgten ihrem Anführer über das Schlachtfeld. Der Krieg war tatsächlich zu Ende. Nun hieß ihre Freiheit sie endlich willkommen.


~ 5. ~
Du musst das Land einen, Arthur

Es war vorbei.

Die Sachsen waren nieder gezwungen worden. Der Frieden schien endlich Einzug in Britannien zu finden. Würde die kalte Insel nun endlich auch einmal ein warmes Licht erfahren? Die Pikten hatten sich zurück gezogen. Guinevere und Merlin gingen in ihren Wald zurück, um dort ihr Leben weiter zu führen. Das Schlachtfeld war geräumt, denn die vielen Leichen wurden in würdevollen Zeremonien der Pikten verbrannt. Hinter den Mauern des Hadrianswalles waren die verletzten Ritter medizinisch versorgt worden. Arthurs Männer feierten ausgelassen ihren Sieg und ihre erworbene Freiheit. Bors und Dagonet schmiedeten bereits eifrig Pläne, was sie nun tun sollten, und ignorierten die leichten Verletzungen, die sie im Kampf erlitten hatten.

Lancelot saß an einem Lagerfeuer und ließ sich von einem hübschen Mädchen verwöhnen. Er genoss ihre Fürsorglichkeit in vollen Zügen und alleine ihr Anblick genügte, damit er seine Schmerzen nicht mehr so intensiv spürte wie zuvor. Im fahlen Schein des Feuers wurde Lancelot auf eine männliche Gestalt aufmerksam, die mit hastigen Schritten im Stall verschwand. Selbst über die Entfernung hinweg erkannte er seinen besten Freund. Ruckartig erhob sich Lancelot, trank noch einen Schluck Wein und ging hinter Arthur her. Seit sie das Schlachtfeld verlassen hatten, hatte sein Freund sich von den Rittern zurück gezogen. Instinktiv wusste Lancelot, dass Arthur seine Gemächer geräumt hatte, um für seine Reise zu packen. Er wollte so schnell, wie es nur irgendwie möglich war, zu Shae zurück kehren.


Im Stall angekommen stand Arthur neben seinem Pferd, strich dem Hengst über den kräftigen Hals und sprach beruhigend auf ihn ein. „Du willst wirklich schon aufbrechen?“ erkundigte sich Lancelot. „Ich muss heute noch reiten. Ich halte es einfach nicht mehr ohne sie aus“, murmelte Arthur. „Ich will deine Pläne sicher nicht durchkreuzen, aber dein Pferd braucht Ruhe. Die Schlacht hat ihm, genau wie dir, viel Kraft gekostet. Auch du benötigst Ruhe. Schlaf eine Nacht durch, Arthur. Morgen wirst du dich wesentlich besser fühlen.“ Verneinend schüttelte Arthur den Kopf. Der Vorschlag stieß bei ihm auf nicht sehr viel Gegenliebe. Er wusste, sein Tier war erschöpft. Er spürte dieselbe Erschöpfung in seinem Körper. Dennoch konnte er sich nicht schonen. Seine Sehnsucht nach Shae war viel zu stark, um sie noch ignorieren zu können.

„Weißt du, mit einem hatte Merlin Recht“, begann Lancelot vorsichtig, der wusste, seine nächsten Gedanken musste er Arthur taktvoll beibringen. „Dieses Land braucht Stabilität. Rom ist fort und auch die Sachsen wurden geschlagen. Britannien wird ohne Anführer in Blut und Chaos versinken.“ Der Blick, mit dem er Arthur betrachtete, sprach Bände. Erneut schüttelte Arthur den Kopf. „Dafür bin ich nicht der Richtige, Lancelot. Ich will nur zu Shae und ein friedliches Leben mit ihr führen.“ „Dieses Leben wirst du aber nicht bekommen, solange Britannien ohne Führung in die Zukunft steuert. Du kennst mich und weißt, ich kann diese Insel mit ihrem ständig schlechten Wetter nicht leiden, doch wir befinden uns momentan inmitten eines Hexenkessels, wenn sich nicht jemand erhebt, um Britannien aus der Dunkelheit zu holen.“ „Und warum denkst du, dass ausgerechnet ich das machen soll?“

„Shae ist Britin, Arthur. Sie liebt ihre Wurzeln und diese Insel über alles. Ich habe das sofort erkannt, als ich sie damals traf. Und du kannst das auch nicht leugnen. Glaubst du, sie würde in Rom glücklich werden, wenn sie weiß, dass ihre Heimat in Blut untergeht?“ Arthur stieß einen leisen Seufzen aus und lehnte sich schwach gegen einen Holzpfosten. „Sie würde daran zerbrechen. Mit diesen Gewissen kann ich mit ihr nicht nach Rom gehen. Das kann ich nicht von ihr verlangen“, sprach er offen aus. „Arthur, du kannst daran etwas ändern. Hier hast du noch etwas zu erledigen“, sprach Lancelot bedeutungsvoll.

„Drei Jahre, Lancelot, drei verdammte Jahre!“

„Ich ertrage es nicht, noch länger von ihr getrennt zu sein. Der Zeitpunkt ist gekommen, um zu ihr zurück zu gehen.“ „Du hast aber soeben selbst eingesehen, dass du zuviel von ihr erwartest, wenn du ihre Heimat sich selbst überlässt. Der Krieg mag vorüber sein, Arthur, doch der Frieden ist noch weit entfernt von Britannien. Du bist für Shaes Sicherheit gegen die Sachsen in die Schlacht gezogen. Nun musst du für sie Britannien neu aufbauen. Wenn du sie liebst, weißt du, dass du das noch zu tun hast, damit sie wirklich glücklich mit dir leben kann, egal, an welchen Ort das dann letztendlich sein mag. Nur auf diesen Weg kannst du mit ihr ein friedliches Leben erhalten.“ „Weißt du, was das bedeutet?“ presste Arthur energisch hervor.

„Du musst deine Rückkehr in die Berge verschieben. Das Land gehört aufgebaut. Und du, Arthur, bist der Einzige, der diese Menschen führen kann. Du besitzt eine einzigartige Gabe, die diese Insel nun dringend benötigt. Ich weiß, du bist zu großartigen Taten bestimmt. Dein wahres Schicksal findest du nur als Anführer. Für Shae könntest du deinem Traum Realität werden lassen, ein Land voll Frieden und Einigkeit. Das ist deine Chance, Arthur. Nutze sie! Tust du das nicht, wirst du es vielleicht eines Tages bereuen.“ „Alleine kann ich kein Land aufbauen, das so lange im Krieg und blutigen Schlachten versunken war“, merkte Arthur an. „Für was hast du deine Ritter?“ grinste Lancelot breit. „Ich dachte, du wolltest so schnell wie möglich diese Insel verlassen“, fügte Arthur hinzu und beobachtete seinen Freund mit strengem Blick.

„Ich kann dich doch nicht alleine lassen. Irgend jemand muss schließlich auf dich aufpassen. Du bist der Einzige, dem es gelingen kann, Britannien ins Licht zu führen.“ Schweigsam streichelte Arthur den majestätischen Kopf seines Pferdes. Er erkannte die Notwendigkeit Britannien eine neue Zukunft zu schenken. „Es wird Jahre dauern, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. Zulange schon habe ich Shae auf meine Rückkehr warten lassen. Wenn ich jetzt nicht zu ihr gehe, verliere ich sie vielleicht für immer. Ich kann ihr nicht zumuten, noch länger auf mich zu warten. Ihre Geduld habe ich schon lange heraus gefordert“, seufzte er schwer.

„Schick‘ ihr eine Nachricht, in der du deinen Entschluss erklärst. Sie wird dich verstehen, Arthur. Es wäre mir eine Ehre, wenn ich den Boten für dich spielen dürfte“, schlug Lancelot vor, um seinen Freund Hoffnung zu geben. „Ich dachte, du eignest dich nicht zum Botschafter.“ „Dies hier ist eine Ausnahme. Ich würde gerne reiten. Ehrlich gesagt, möchte ich Shae auch gerne wiedersehen.“ „Kann ich ihre Geduld und auch die meine noch weiter auf die Probe stellen?“ „Ich fürchte, du hast keine andere Wahl. Arthur, du bist der geborene Anführer. Die Erfüllung deines Traumes ist zum Greifen nahe. Ich kenne dich gut und weiß, dass du dich noch immer für diese Menschen verantwortlich fühlst. Niemals könntest du sie im Stich lassen“, sprach Lancelot wissend und lehnte sich leicht gegen einen Holzpfosten, um seine Wunde nicht so deutlich zu spüren.

„Du bist verletzt. Unmöglich kann ich das in deinen Zustand von dir erwarten. Deine Wunde könnte sich verschlimmern“, wies Arthur das Angebot seines Freundes zurück. „Meine Verletzung lässt du meine Sorge sein. Ich weiß selbst am besten, was ich mir zumuten kann. Am Schlachtfeld warst du für mich da. Jetzt tue ich etwas Gutes für dich.“ Nachdenklich betrachtete Arthur Lancelot und willigte schließlich mit einem zögerlichen Nicken ein. „Wann kannst du reiten?“ „Schon morgen früh.“ „Ich werde die Botschaft verfassen“, murmelte Arthur widerwillig, nahm sein Gepäck und ging in seine Gemächer zurück. Schweren Herzens hatte er seine Entscheidung getroffen. Er konnte erst wieder bei Shae sein, sobald dieses Land zum Frieden aufgebaut worden war.


Im Hof wurde noch immer kräftig gefeiert. Venora, Bors Geliebte, sorgte dafür, dass den Männern der Wein nicht ausging. Galahad rief Arthur etwas zu, als dieser wieder aus dem Stall zurück kam, doch ihr Anführer hörte nicht auf die zugerufenen Worte und verschwand im Inneren der Unterkünfte. Krachend warf er die Tür ins Schloss. Das Geräusch hallte dermaßen laut über den Hang des Hadrianswall, das es keinem der nun freien Rittern entging. Mit einem schweren Seufzen kam auch Lancelot aus dem Stall zurück und ließ sich auf den Stuhl fallen, den er zuvor schon für sich beansprucht hatte.

„Was ist mit Arthur los?“ fragte Gawain verwundert. „Lancelot, was hast du mit dem Mann gemacht, das er wie ein Wilder in seine Gemächer stürmt? So ein Verhalten ist eigentlich nicht seine Art“, erkundigte sich Bors in derselben Sekunde. Lancelot strich sich durch sein kurzes Haar, während sein Blick auf der schweren Holztür lag, die Arthur mit all seiner Kraft zugeworfen hatte. „Er bleibt hier“, erklärte Lancelot knapp. „Hier? Meinst du in Britannien?“ „Ja, jedoch vorübergehend am Hadrianswall.“ „Wieso?“ Neugierig sahen die Ritter ihren Freund an. Es war offensichtlich, dass Lancelot etwas über Arthurs Zukunftspläne wusste, was dieser ihnen nicht mitgeteilt hatte.

Schon seit längerem hegten sie, allen voran Tristran, den Verdacht, dass Arthur etwas vor ihnen geheim hielt. Dies war an der Art zu erkennen, wie er sich abends in seine Gemächer zurück zog, niemanden an sich ran ließ und regelrecht in seiner Einsamkeit badete. Er blickte oft, wenn er glaubte, unbeobachtet zu sein, wehmütig in die Ferne. Regungslos stand Arthur dann auf der Mauer und starrte zu den Bergen, als würde ihn irgend etwas dorthin ziehen, er jedoch keine Möglichkeit fand, seiner Sehnsucht folgen zu können. Sein Herz zog es in die Berge. Und es quälte ihn zutiefst, getrennt zu sein von dem Grund, weshalb er so viel Sehnsucht in sich verspürte.

„Euch ist sicher aufgefallen, dass sich sein Verhalten in den letzten drei Jahren etwas verändert hat“, begann Lancelot gedehnt und sein durchdringender Blick glitt über die Runde. „Er ist sehr nachdenklich geworden. Und das er den Abend allein in seinen Gemächern verbringt, ist ungewöhnlich, selbst für Arthur“, erwiderte Galahad. „Er lebt seit drei Jahren sehr enthaltsam. Vielleicht hat er plötzlich beschlossen, sich an alle Regeln seines merkwürdigen Gottes zu halten, der die Liebe vor der Ehe verbietet. Anders kann ich es mir nicht erklären, weshalb er dem weiblichen Geschlecht abgeschworen hat“, bemerkte Bors mit einen dreckigen Grinsen.

„Das ist es nicht. Er ist verliebt“, offenbarte Lancelot, der es an der Zeit hielt, die anderen in Arthurs tiefe Gefühle einzuweihen. „Verliebt? Wann ist das denn passiert? Und welcher der Frauen am Wall hat sein Herz erweicht?“ stieß Gawain verblüfft aus. „Die Geschichte ist nicht so einfach wie ihr denkt.“ „Dann kläre uns doch auf“, forderte Galahad und trank einen langen Schluck Wein. „Erinnert ihr euch an unseren Botengang vor drei Jahren? Wir mussten damals ein paar Dokumente zu einer Station Roms bringen.“ „Ihr wart fast zwei Wochen fort, weil euer Ziel so weit entfernt vom Kastell lag“, sprach Gawain mit einem entschiedenen Nicken.

„Auf unseren Rückweg gerieten wir in ein Gewitter. In der Nähe befand sich ein kleines, abgeschnittenes Dorf. Arthur war der Meinung, wir könnten dort nächtigen.“ „Und?“ fragte Bors gedehnt. „In diesem Bergdorf brannte in einer Hütte noch Licht. Die junge Schönheit, die uns die Tür aufmachte, hat Arthur von der ersten Sekunde an den Kopf verdreht. Die Beiden haben sich auf eine Art und Weise angesehen, die deutlich zeigte, dass ihre Herzen in Flammen standen“, erzählte Lancelot und lieferte damit eine Kurzfassung der Geschehnisse vor drei Jahren.

„Ein kleines Bergdorf? Deshalb steht er so oft auf der Mauer und beobachtet die Berge“, sprach Galahad energisch. „Das ist der Grund. Obwohl sie nur eine Nacht hatten, hat das ausgereicht, um starke Gefühle für einander zu entwickeln. Arthur hat Shae versprochen, sie zu holen, sobald sein Dienst für Rom vorbei ist.“ „Doch dann kamen die Sachsen“, stellte Gawain fest. „Ihm war klar, dass er es nicht mehr rechtzeitig zu ihr schaffen würde. Er hat nicht gegen die Sachsen gekämpft, um Merlin oder Guinevere einen Gefallen zu tun. Arthur war bewusst, sollte der Wall fallen, würden die Sachsen alle kleinen Dörfer ausräuchern.“ „Ihm blieb nichts anderes übrig“, murmelte Tristran.

„Wenn er es nicht geschafft hätte, den Wall erfolgreich zu verteidigen, hätten die Sachsen Shaes Dorf aufgesucht und alle Menschen getötet. Er will mit ihr leben, nicht den frühzeitigen Tod mit ihr teilen. Er tat dies, um Shae zu beschützen. Und ich glaube, während der Schlacht wurde Arthur klar, das er einfach für die Heimat einstehen muss, mit der Shae sich verbunden fühlt. Er hat bei ihr das gefunden, wonach er so lange gesucht hat.“ „Wie kann ein Mann nach nur einer Nacht solch starke Emotionen für die Frau haben, die sein Bett geteilt hat“, schüttelte Bors etwas unverständlich den Kopf.

„Denk an Venora“, sprachen die Ritter wie aus einem Mund. Ein breites Grinsen huschte über Bors‘ Gesicht. Die Mutter seiner Kinder war ein ganz besonderer Fall. „Und warum reitet er jetzt nicht in die Berge? Es gibt nichts mehr, was Arthur noch daran hindern könnte“, bemerkte Tristran, der noch immer keine Erklärung dafür hatte, weshalb ihr Anführer seinen Zorn an der Tür zu seinen Gemächern ausgelassen hatte. „Ihr wisst so gut wie ich, dass dieses Land noch lange nicht sicher ist. Britannien benötigt jemanden, der es aufbaut, um den Frieden zurück zu holen“, seufzte Lancelot leise.

„Und Arthur will das machen“, warf Dagonet ein, der eigentlich stets schwieg bei solchen Unterhaltungen. „Von Wollen kann keine Rede sein. Ihr habt doch selbst gesehen, wie wütend er in seine Gemächer gegangen ist. Er kann mit Shae nicht friedlich in Rom leben, wenn ihre Heimat ohne Anführer weiter im Blut versinkt. Die Gewissheit, das er hätte etwas daran ändern können, würde dann immer zwischen ihnen stehen. Das hier ist seine Chance, seinen Traum in die Tat umzusetzen. Arthur hat die Möglichkeit ein einiges Land zu schaffen. Er muss das tun, wenn er ein Leben in Frieden mit Shae haben will. Wir alle wissen, dass er die Größte seiner Taten noch nicht vollbracht hat. Etwas ganz besonderes wartet noch auf Arthur“, erklärte der stolze Ritter und spürte während dem Gespräch nicht einmal mehr die Wunde, die Cynric ihm zugefügt hatte.

„Es könnte Arthur tatsächlich gelingen, die friedliche Welt aufzubauen, von der er schon so lange träumt. Wie will er jetzt vorgehen?“ hakte Gawain nach. „Ich reite morgen zu Shae, um ihr seine Entscheidung mitzuteilen. Arthur muss hier bleiben, um Britannien Einigkeit und Frieden zu geben.“ „Das kann Jahre dauern“, murmelte Bors. „Dessen ist er sich bewusst, aber ihm ist auch klar, dass sein Eingreifen nötig ist. Shae wird auch weiterhin auf ihn warten.“ „Woher willst du das wissen?“ „Ich habe die Beiden erlebt. Diese Liebe kann nicht einmal die Zeit auf ewig trennen. Arthur wird zu ihr zurück gehen, sobald er ihre Heimat sicher gemacht hat.“ „Alleine wird er es schwer haben“, überlegte Dagonet und sein Blick lag eindringlich auf seinen guten Freund Bors. Dieser nickte leicht, wusste genau, was sein Gegenüber ihm damit sagen wollte.

„Meine Familie lebt hier. Meine Kinder sind hier zu Hause. Und meine Leute sind inzwischen alle tot. Was sollen Venora und ich also noch in Sarmatien?“ „Und wir können euch unmöglich alleine lassen“, warf Galahad ein und Gawain nickte zustimmend. „Nach wie vor wird Arthur einen guten Spurenleser benötigen“, bemerkte Tristran. „Ihr wollt also bleiben?“ hakte Lancelot nach, der für sich bereits die Entscheidung getroffen hatte, Arthur bei seinem großen Vorhaben beizustehen und ihm mit all seiner Macht zu helfen. „Wir haben Pflichten gegenüber der Tafelrunde, die Arthur für unsere Gleichheit gegründet hat. Da können wir ihn jetzt nicht in Stich lassen“, lachte Bors vergnügt, der sowieso kein großes Interesse an einer Rückkehr nach Sarmatien hatte. Die Heimat aus seiner Kindheit war ihm nicht mehr vertraut. Wie sollte er bei Menschen leben, die ihm fremd geworden waren, so wie alles andere in seinem Geburtsland?

„Irgendwie ist doch diese Insel längst zu unserem zu Hause geworden“, stellte Tristran sachlich fest. „Sag mal, Lancelot, wie hübsch ist Arthurs Dorferoberung eigentlich?“ fragte Gawain grinsend. „Sie ist eine Schönheit. Doch jeglicher Versuch ist zwecklos, mein Freund, denn Shae hat nur Augen für Arthur. Ihre Liebe gehört ihm ganz alleine“, gab Lancelot mit einem schiefen Lächeln zurück. Ein amüsiertes Gelächter ging durch die Runde. Ohne noch mehr Worte zu verlieren sahen sich die Männer schweigend an. Schon mehr als einmal waren sie Arthur in die Hölle gefolgt und er hatte sie jedes Mal wieder hinaus geführt. Diesen besonderen Mann, dem sie so treu ergeben waren, dem sie ihr Vertrauen entgegenbrachten, mit seinen Plänen alleine zu lassen, widerstrebte ihnen in den Tiefen ihrer wilden Seelen. Sie würden Arthur dabei helfen, Britannien den Frieden zu schenken, den Rom diesem Land so lange vorenthalten hatte.


~ 6. ~
Ein Ritter in der Ferne

Bereits am frühen Morgen, die Bewohner und Arthurs Ritter schliefen noch tief und fest, sattelte Lancelot sein Pferd, um sein Versprechen einzulösen und Shae über die Pläne seines Freundes zu informieren. An der Stalltür vernahm er eine fast lautlose Bewegung. Lancelot brauchte sich nicht umzudrehen, um die Anwesenheit Arthurs mit einem Blick zu kommentieren. Die Schritte, die sich ihm näherten, waren ihm nur allzu vertraut. Langsam wandte er den Kopf nach links und sah in das Gesicht seines Freundes. Arthur schien letzte Nacht nicht besonders viel geschlafen zu haben, denn eine nie dagewesene Erschöpfung zeichnete sich in dessen Mienenspiel ab.

„Sag ihr, dass ich sie nach wie vor über alle Maßen liebe, dass ich jede Minute an sie denke. Nach wie vor ist Shae die Einzige für mich“, sprach Arthur mit ernster Stimme. „Das werde ich. Sorge dich nicht, Arthur, Shae wird deinen Entschluss verstehen. Du tust das nicht für dich, sondern für sie. Dessen wird sie sich bewusst sein.“ „Es fällt mir trotzdem nicht leicht. Ich habe versprochen, sie zu holen, und nun bitte ich sie, noch weitere Jahre auf mich zu warten. In Gegensatz zu dir weiß ich nicht, ob Shae wirklich bereit ist, das zu akzeptieren“, seufzte der Anführer der sarmatischen Ritter schwer.

Lancelot klopfte ihm mit einem zuversichtlichen Ausdruck in den Augen auf die Schulter. Er nahm die Botschaft entgegen, die Arthur für seine Geliebte verfasst hatte, und verstaute sie in der Satteltasche. „Ich werde mich von nichts aufhalten lassen. Wie der Wind werde ich zu ihr eilen“, versprach er. „Von der Aufrichtigkeit deines Handelns bin ich überzeugt, Lancelot. Tue mir den Gefallen und beobachte sie gut. Ich will wissen, wie es ihr ergangen ist.“ „Es geht ihr sicher gut. Ich glaube, du würdest es spüren, wenn Shae von einem gesundheitlichen Leid befallen wäre“, erklärte Lancelot mit einem aufmunternden Lächeln. Arthur beobachtete seinen Freund ernst, wie er die letzten Vorbereitungen für seine Reise traf.

„Schon wieder machst du dir zu viele Gedanken, Arthur. Shae würde dich niemals verlassen. Hör also auf, darüber nachzudenken.“ „Wie kannst du dir dessen nur so sicher sein? Seit Jahren habe ich sie nicht mehr gesehen. Und nun wird es wahrscheinlich erneut so lange dauern, bis ich wieder bei ihr sein kann. Ich würde es ihr nicht einmal verübeln, wenn sie genug davon hat, auf mich zu warten, da ich anscheinend mein Versprechen, das ich ihr einst gab, nicht einhalte. Sie könnte sich einen neuen Mann suchen, jemanden, auf den sie sich verlassen kann, jemand, der bei ihr ist und mit ihr lebt“, bemerkte Arthur mit einem schwachen Schulterzucken. Mit einem milden Lächeln schüttelte Lancelot entschieden den Kopf. Dieser Gedankenweg war schlichtweg Unsinn.

„Arthur, du bist der verlässlichste Mensch, der mir je begegnet ist. Keiner besitzt soviel Treue und Aufrichtigkeit wie du. Shae weiß genau, was sie an dir hat und das würde sie niemals aufgeben. Das wird sie nicht wegwerfen, unter keinen Umständen. Ich habe euch beide gesehen, habe mit eigenen Augen erlebt, wie sehr sie dich vergöttert. Solltest du nicht mehr Vertrauen in eure starke Liebe haben?“ „Ich liebe diese Frau mehr als mein eigenes Leben, Lancelot, doch unsere Trennung dauert inzwischen schon viel zu lange an.“ „Deine Sorgen sind unbegründet. Das Herz dieser Frau gehört dir auf ewig“, erwiderte Lancelot aufmunternd. Arthur begleitete ihn aus dem Stall hinaus und verabschiedete sich davor von seinem Freund.

„Ich versichere dir, dass sie dich verstehen wird. Du schenkst ihr ein friedliches Land, verschaffst ihrer Heimat Sicherheit. Glaube mir, dafür ist Shae bereit, auch weiterhin auf dich zu warten“, sprach Lancelot entschieden. Er ließ Arthur gar keine Möglichkeit, darauf etwas zu erwidern, da er seiner Stute die Zügel freigab und im wilden Galopp davon eilte. Arthur wandte sich um und stieg hastig eine Treppe zur Mauer hoch. An der höchsten Spitze des Walls blickte er Lancelot nach, wie er rasch das Tal hinter sich ließ und im Nebel eines normalen Tages in Britannien verschwand.

Ein schwerer Seufzer entrang sich seiner Kehle. Noch lange lag Arthurs Blick in der Ferne, obwohl er Lancelot bei weitem nicht mehr erkennen konnte. Dieser war bereits auf den direkten Weg zu Shae. „Gott, ich bitte dich inständig, halte deine schützende Hand über Shaes Leben. Lass sie weiterhin an unserer Liebe festhalten. Sie darf den Glauben daran nicht verlieren, darf nicht anfangen zu glauben, ich würde sie in Stich lassen. In den letzten Jahren habe ich viele Menschen verloren, doch sie darf mir einfach nicht entgleiten“, sprach Arthur leise ein Gebet. Ich liebe dich, Shae, egal was auch passieren mag, fügte er still hinzu. Noch eine ganze Weile blieb Arthur auf der Mauer stehen. Erst als seine Ritter erwachten, richtete der Halbrömer seine Konzentration auf seine Pflichten als Lagerkommandant, auch wenn ihm dies in der gegenwärtigen Situation äußerst schwer fiel. Mit jeder Faser seines Herzens, mit jedem einzelnen Gedanken, war er bei Shae. Hoffentlich respektierte sie seine Entscheidung.


Die Nachricht über die große, und vielleicht entscheidende, Schlacht am Hadrianswall war selbst bis in die entferntesten Winkel des Landes gedrungen. Der Krieg war vorüber und Rom hatte Britannien die Freiheit zurück gegeben. Dennoch blickten die Briten in eine ungewissere und finstere Zukunft, eine Zukunft, in der das Blut womöglich weiter fließen würde. Nun, wo Rom die Verantwortung über die Insel hatte fallen lassen, würden andere Völker kommen, um Britannien mit ihrer Macht zu unterwerfen. Der Frieden, der so hart erkämpft worden war, dessen Geschmack so süßlich schmeckte, schien nicht von Dauer zu sein.

Wie schon so oft in den vergangenen Tagen stand Shae vor ihrer kleinen Hütte und blickte sehnsüchtig zu den Hügeln, wo sie einst Arthur das letzte Mal gesehen hatte, wo er einen letzten Blick zu ihr zurück geworfen hatte, ehe er in der Ferne verschwunden war. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er endlich erscheinen würde, um sein Versprechen einzulösen. Seit er fortgeritten war, dazu gezwungen gewesen war sie zu verlassen, waren viele Dinge geschehen, von denen er nicht den Hauch einer Ahnung verspürte. Shae hatte alles unternommen, damit gewisse Nachrichten nicht hinter den Wall gerieten. Arthur musste sich um seine Aufgabe als Soldat kümmern. Wenn andere Dinge seine Gedanken beschäftigten, konnte ihm dies sein Leben kosten.

„Shae?“ wurde sie auf einmal angesprochen. Langsam drehte sie sich um und schenkte ihrer engsten Freundin, Mayelle, ein sanftes Lächeln. Diese trat neben sie und betrachtete sie mit einem ernsten Blick. Das Verhalten ihrer Freundin war ihr nicht entgangen und sie wusste, auf wen sie wartete. „Ich weiß, dass er kommen wird. Er hat es mir versprochen“, flüsterte Shae. „Vielleicht besitzt dieser Ritter, der dein Leben so durcheinander brachte, doch nicht soviel Ehre, wie du dachtest. Vielleicht hat er dich längst vergessen und du warst nur eine Eroberung von vielen.“ Energisch schüttelte Shae den Kopf. Solche Worte hatte sie in den letzten Jahren oft von Mayelle gehört. Und sie tat auch jetzt das, was sie immer tat. Sie verteidigte Arthur.

„Du kennst ihn nicht. Würdest du das tun, würdest du deinen schlimmen Irrtum einsehen. Niemand vereint mehr Stolz und Ehre in sich als er.“ „Dieser Ritter, von dem du soviel hältst, hat dich eiskalt in Stich gelassen. Er ließ dich fallen, in einem Moment, als du seine Unterstützung am dringendsten gebraucht hättest“, fügte Mayelle vorsichtig hinzu. Noch heute erinnerte sie sich an den Abend, als Shae plötzlich vor ihrer Tür gestanden hatte ... allein gelassen, von ihren Eltern verstoßen und schwanger von einem fremden Mann, einem römischen Ritter, der nur eine Nacht in dem Dorf geblieben war. An jenen Tag hatte Shae nicht gewusst, wie es mit ihr weitergehen sollte, solange, bis dieser Mann kam, um sie zu holen.

Sie war völlig verzweifelt gewesen. Mayelle hatte Mitleid mit ihr gehabt. Sie war für ihre Freundin da gewesen und hatte sie bei sich aufgenommen, auch wenn sie nach wie vor glaubte, mit ihrer Liebe zu diesem Ritter, dessen Name Shae nie genannt hatte, beging sie einen großen Fehler. Seit Shaes Mutter ihre Tochter aus dem Haus geworfen hatte, wohnte sie bei ihr. Die strenge Frau hatte nie akzeptiert, dass Shae ein uneheliches Kind erwartete. Das sie sich einfach Hals über Kopf verliebt hatte, spielte für Shaes Mutter keine Rolle. Ihre Tochter hatte unvernünftig gehandelt, hatte sich auf eine Art und Weise verhalten, die von ihr niemals toleriert werden konnte.

„Das hat er nie getan“, protestierte Shae, die einen Blick durch die offenstehende Tür warf. Dort spielte Mayelles Tochter mit ihrem kleinen, fast drei Jahre alten Sohn. Ein warmes Lächeln glitt über ihre Lippen. Noch verstand Gabriel Arthur, so sein bedeutungsvoller Name, nicht die Besonderheit seiner Herkunft, jener Wurzeln, die sein Vater ihm vererbt hatte. Gabriel sah dem Mann, in den sich Shae einst von einer Sekunde auf die andere verliebt hatte, wie aus dem Gesicht geschnitten aus. Er hatte eine solch verblüffende Ähnlichkeit mit seinem Vater, das es Shae jedes Mal, wenn sie ihn anblickte, regelrecht die Tränen in die Augen trieb. Gabriel ähnelte ihm so sehr, die Shae unwillkürlich stets an den Schmerz erinnerte, der in ihrem Herzen wohnte, da er nicht bei ihr war.

„Er weiß nichts von Gabriel. Ich habe es ihm bis heute nicht mitgeteilt, Mayelle“, gestand Shae mit leiser Stimme. „Willst du mir ernsthaft sagen, dass er nichts von seinem Sohn weiß? Wieso, um Himmels willen, hast du ihn nicht informiert? Bis jetzt habe ich angenommen, dass er von deiner Schwangerschaft weiß und es ihn einfach nicht interessiert“, stieß Mayelle verblüfft aus. „Er hat sehr wichtige Aufgaben für dieses Land zu erledigen, Aufgaben, die nicht warten können. Eine solche Nachricht hätte nur dafür gesorgt, das er sich nicht mehr auf seine Pflichten konzentriert. Außerdem wäre es durch eine Botschaft unpersönlich gewesen. Ich will ihm in die Augen schauen, wenn er von mir die Wahrheit erfährt“, erzählte Shae mit einem ernsten Ausdruck im Gesicht.

„Wenn er wirklich so edel ist, wie du behauptest, wäre er nach deiner Botschaft sofort zu dir zurück gekommen“, sprach Mayelle und zog fragend eine Augenbraue hoch, als Shae energisch den Kopf schüttelte. „Natürlich hätte er das getan. Aber ich will nicht, dass er wegen Gabriel zu mir zurück kehrt, sondern allein meinetwegen. Seine Liebe soll ihn zu mir treiben und nicht sein Pflichtgefühl, weil ich ihm einen Sohn geschenkt habe.“ „Gabriel braucht einen Vater.“ „Er hat einen Vater, den Besten, den ein Junge sich wünschen kann. Wenn du ihn kennenlernst, wirst du es verstehen“, bemerkte Shae und ihr Blick wanderte erneut zu dem Tal mit den vielen Hügeln.

Wo bleibst du nur, Arthur? Wieso lässt du mich so lange warten? dachte sie wehmütig. Shae kämpfte mit den Tränen, die in ihr aufzusteigen drohten. Sie wollte jetzt nicht weinen, hatte es in der Vergangenheit oft genug getan, da sie ihn so schmerzlich vermisste. Eine einzige Nacht hatte ausgereicht, damit ihr gesamtes Leben auf eine Art und Weise auf den Kopf gestellt wurde, wie sie es eigentlich nie eingeplant hatte. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie noch immer seine heißen Küsse spüren, konnte sie seine zärtlichen Hände auf ihrer Haut fühlen. In diesen Momente kam es ihr so vor, als wäre es erst gestern gewesen, das er sie in den Armen gehalten hatte.


Mehrere Tage war Lancelot nun schon unterwegs. Seine Wunde machte ihm doch mehr zu schaffen, als er es sich selbst eingestehen wollte. Aber sein wichtiger Auftrag trieb ihn weiter voran. Hartnäckig weigerte er sich, seinen Schmerzen nachzugeben und nicht zuende zu führen, was er Arthur versprochen hatte. Wie würde Shae wohl reagieren, wenn sie von Arthurs Plänen erfuhr? Hatte sie sich in diesen drei Jahren sehr verändert? Lancelot zweifelte nicht daran, das sie ihn auf den ersten Blick wieder erkennen würde. Er konnte nur hoffen, dass sie sein Auftauchen nicht als sicheren Hinweis deutete, das Arthur im Kampf sein Leben verloren hatte.

Ein leichtes Lächeln huschte über seine Lippen, als er von einem Hügel zu dem kleinen Bergdorf hinunter blickte, in dem Arthur einst seine große Liebe gefunden hatte. Hier hatte diese ungewöhnliche Liebesgeschichte ihren Lauf genommen. Hier hatte sie einst begonnen. „In wenigen Minuten erhältst du deine verdiente Ruhe, Yvis“, sprach Lancelot mit seiner Stute und klopfte ihr freundschaftlich auf den kräftigen Hals. Ein letztes Mal gab er ihr die Sporen, um so schnell wie möglich an sein Ziel zu gelangen. Auf den ersten Blick hatte sich an dem Dorf nichts verändert, sofern er das feststellen konnte.


Das Wiehern eines Pferdes hallte über das Tal. Der Laut ließ Shae von ihrer Arbeit aufsehen. Sie war alleine im Haus. Mayelle hatte die Kinder zum einsammeln von Kräutern mitgenommen, damit Shae ein wenig Zeit für sich übrig hatte. Sie wollte nicht, dass ihr Sohn sie weinen sah. Wie sollte sie ihm auch erklären, das sie auf die Ankunft seines Vaters wartete, das dieser schon längst bei ihnen, seiner Familie, sein sollte? So saß sie nun am Fenster und arbeitete an einer Stickerei für Arthurs Umhang. Es sollte ein Geschenk für ihn werden, damit er wusste, das sie ihn all die Jahre über nicht vergessen hatte.

Ihr Blick glitt aus dem Fenster hinaus, als sie einen einzelnen Reiter dort draußen erkannte. Doch ihre Freude, die innerhalb von wenigen Sekunden auftauchte, verschwand genauso schnell, wie sie gekommen war. Das Pferd war nicht der weiße Hengst Arthurs. Und der Reiter war eindeutig nicht der Mann, den sie liebte. Sie erkannte ihn. Der überraschende Besucher war niemand geringerer als Lancelot, Arthurs bester Freund. Wieso kam er alleine hier her? Wieso suchte er, und nicht Arthur, sie auf? Shae fiel nur ein einziger Grund ein, der Lancelot dazu bewog, bei ihr zu erscheinen. Er hatte eine traurige Nachricht zu überbringen.

„Oh Gott, bitte nicht“, flüsterte sie kopfschüttelnd. Das Einzige, was Lancelot zu ihr trieb, war Arthurs Tod, den er ihr begreiflich machen musste. „Nein, das darf einfach nicht sein“, stieß sie entsetzt aus. Eine kalte Hand griff nach ihrem Herzen. Hatte sie ihren Arthur verloren, noch bevor sie eine Chance zu einem gemeinsamen Leben erhalten hatten? Langsam erhob sie sich von ihrem Stuhl. Wie in Trance, ein dunkler Nebel schien sie zu umfangen, ging Shae zur Tür und trat ins Freie hinaus. Sie spürte nicht die Kälte des Tages, sondern nur den eisigen Wind in ihrem Herzen. War ihre schlimmste Befürchtung tatsächlich Realität geworden? Konnte Arthur nicht mehr zu ihr gelangen, weil er in der entscheidenden Schlacht am Hadrianswall gegen die Sachsen gefallen war?

Ein Zittern befiel ihren ganzen Körper. Dieser Alptraum, der sie seit ihrer Begegnung mit Arthur verfolgte, durfte nicht geschehen sein. Sie würde es nicht überleben, wenn Arthur getötet worden war. Sollte sie ihn auf diese Weise wirklich verloren haben, so würde ihr Leben für immer verwirkt sein. Ihre Zukunft lag an Arthurs Seite und ohne ihn konnte sie nicht weitermachen. Sein Tod würde die Dunkelheit in ihr Leben bringen, dessen war sie sich bewusst. Sein Verlust wäre unerträglich für Shae, die mit ihrem ganzen Herzblut und ihrer Seele an diesen einzigartigen Mann hing. Ihre Seele würde mit ihm sterben.


Sofort erkannte Lancelot die junge Frau wieder, als er sich dem Dorf näherte. Die Bewohner bekamen seine Ankunft nicht mit. In den Bergen war es sogar noch kälter als am Wall. Ein Frösteln bemächtigte sich seiner Haut. Er freute sich schon auf die Wärme in der Hütte. Er bemerkte die ernste Miene und die Unsicherheit, mit dem Shae ihm entgegensah. Sobald er bei ihr war, musste er sie beruhigen, ihr versichern, das Arthur nichts zugestoßen war. Das war nämlich die Angst, die sie hegte. Ihm war durchaus klar, dass sein Auftauchen bei ihr nur den einen Gedanken zuließ, das der Halbrömer brutal aus dem Leben gerissen worden war. Diesen Umstand musste er augenblicklich aufklären.

Der Ritter zügelte sein Pferd direkt vor dem kleinen Haus, vor dem Shae stand. Verwirrung legte sich auf  Lancelots Gesicht. Das war nicht die Hütte, in der sie einst die Nacht verbracht hatten. Das war nicht das zu Hause ihrer Eltern. Wieso wohnte sie jetzt woanders? Was war der Grund für diese neue Entwicklung? Was war bei Shae geschehen, das sie ihn nicht vor dem Haus ihrer Eltern empfing? Doch bevor er das erfuhr, hatte er etwas anderes zu erledigen. Die Botschaft in seiner Satteltasche wartete darauf, von Arthurs Angebeteten gelesen zu werden, damit er seinen Entschluss vor ihr rechtfertigen konnte. Zu allererst aber musste er ihr die Furcht nehmen, Arthur verloren zu haben.

„Was ist passiert, Lancelot? Wo ist Arthur? Ist ihm etwas zugestoßen?“ fragte sie mit zitternder Stimme. „Du musst dich nicht um ihn sorgen, Shae. Es geht ihm gut. Arthur ist am Leben. Er hat sich in der Schlacht gegen die Sachsen zwar eine Verletzung an der Schulter zugezogen, doch es ist nichts schlimmes. Er kommt wieder auf die Beine.“ „Wieso ist er dann nicht hier?“ Sie war den Tränen nahe. Das waren zu viele Informationen, die sie erfuhr, und die alle irgendwie keinen richtigen Sinn ergaben. Milde lächelnd blickte Lancelot sie an, als er aus dem Sattel glitt. Er konnte sie nur zu gut verstehen. „Können wir drinnen darüber sprechen? Ich würde mich gerne ein wenig aufwärmen.“

„Du weißt, du bist mir immer willkommen“, bemerkte Shae, obwohl nach wie vor Misstrauen in ihren Augen lag, weshalb er an Arthurs Stelle zu ihr kam. Sie konnte sich dies einfach nicht erklären. Er hatte ihr immerhin ein Versprechen gegeben, ein Versprechen, das er sehr ernst nahm. Arthur würde es niemals brechen. Seine Gründe, gegen seine Worte von damals zu handeln, musste äußerst wichtig sein, ansonsten wäre er längst hier ... hier bei ihr. Nein, Arthur würde sie niemals in Stich lassen. Lancelot holte die Nachricht seines Freundes aus der Satteltasche und betrat die warme Hütte. All das glich ihrer ersten Begegnung vor drei Jahren, jene Begegnung, ihnen einst zum Schicksal geworden war. Das Einzige, was fehlte, war Arthur, ihr Arthur und seine starken Arme, nach denen sie sich so sehr sehnte. Diesmal war Lancelot alleine gekommen, um Shae zu besuchen.


~ 7. ~
Ein unerwartetes Geständnis

Meine liebste Shae,

Das Erste, das Du wissen solltest, ist die Tatsache, das meine Liebe zu Dir jeden einzelnen und quälenden Tag, an dem ich nicht bei Dir sein kann, stärker wird. Du hast drei Jahre auf mich gewartet und jetzt muss ich Dir zu unserem Bedauern mitteilen, dass Du noch länger auf meine Rückkehr hoffen musst. Ich kehre zu Dir zurück, dass ist mein Versprechen, aber beim besten Willen kann ich nicht sagen, wann mein Vorhaben mich dafür freigibt. Und ob Du auch weiterhin auf mich wartest, wo ich Deine Geduld so sehr herausfordere, weiß ich nicht. Ich kann dies nur hoffen. Ich bitte Dich auch nur um Dein Verständnis und verlange nicht danach.

Noch gut erinnere ich mich an unser Gespräch über eine bessere Welt. Ja, ich erinnere mich an jedes einzelne Wort, das Du mir gesagt hast. Du hattest Recht, Shae, vollkommen Recht, dass habe ich nun erkannt. Und mein Traum von einer besseren Welt soll in Deinem Land beginnen. Ich muss Britannien Einigkeit schenken, nicht für mich, sondern alleine für Dich. Ich habe lange gebraucht, doch nun verstehe ich Deine enge Bindung zu Deinen Wurzeln. Ja, wie kann ich die Briten noch länger hassen, wo ich doch eine aus ihrem Volk über alles liebe? Meine Vergangenheit muss ruhen, damit ich eine erfolgreiche und glückliche Zukunft mit Dir leben kann.

Kann ich wirklich von Dir erwarten, noch länger auf unser gemeinsames Leben zu warten, wo ich Dir einst versprach, zu Dir zurück zu kommen, sobald meine Ritter von Ihrem Dienst befreit wurden? Ich will nicht auf Dich verzichten, doch ich muss Dich um weitere Geduld, weitere Jahre, in denen wir voneinander getrennt sind, bitten. Habe ich das Recht dazu? Darauf kenne ich keine Antwort. Die kannst nur Du allein mir geben. Ich vermisse Dich so sehr, dass ich manchmal das Gefühl habe, den Verstand deswegen zu verlieren. Ich will Dich wieder in meine Arme schließen, aber dieser Moment ist erneut in die Ferne gerückt. Bitte, Shae, verstehe meine Entscheidung.

Verstoße mich und mein Herz nicht dafür.

In ewiger Liebe und Treue Arthur


„Er liebt dich sehr. Nach wie vor vergeht kein Tag, an dem er nicht an dich denkt. Oft ist er sehr unaufmerksam, weil seine Gedanken wieder zu dir abgeschweift sind“, sprach Lancelot ruhig, nachdem er mit Shae in ihrer Küche saß und ihr Arthurs Botschaft ausgehändigt hatte. Mit Tränen in den Augen blickte sie den Ritter an. Arthurs intime Worte ließen die Tränen nur so über ihre Wangen fließen. Lancelot schob den Teller beiseite, dank Shae hatte er eine heiße Suppe als Mahlzeit erhalten, und drückte freundschaftlich ihre Hand. Er ließ sie weinen, wusste, dass sie dies brauchte, um die Wahrheit akzeptieren zu können.

„Ihm ist diese Entscheidung sehr schwer gefallen“, murmelte Shae, die zwischen Arthurs Zeilen las und dort erkannte, wie schmerzlich er sie vermisste, wie sehr es ihn zu schaffen machte, sie nicht bei sich zu haben. Tief in seiner Seele und seinem Herzen litt er Höllenqualen aufgrund ihrer erzwungenen Trennung. „Du hast Arthur gesagt, das er seinem Traum von einer einigen und friedlichen Welt nicht in Rom erreicht, sondern hier, auf deiner Insel. Britannien braucht Arthur. Das hat er nun endlich eingesehen. Er will dich nicht länger deiner Heimat entreißen, denn er weiß, wie eng du mit deinen Wurzeln verwachsen bist.“ „Ich wäre mit ihm nach Rom gegangen. Ich würde ihm überall hin folgen“, schluchzte Shae. Milde lächelnd nickte Lancelot.

„Darüber ist er sich im klaren, doch er weiß auch, dass du Rom nicht viel abgewinnen kannst. Er weiß dein Opfer zu schätzen, dass du dennoch bereit warst, ihm nach Rom zu folgen. Arthur will dich nicht unglücklich machen, Shae, aber zwangsläufig würdest du dies irgendwann in Rom werden. Arthur bleibt in Britannien. Er will hier mit dir leben“, erklärte Lancelot. Shaes Augen wanderten zu ihrem Gegenüber. Hatte sie richtig gehört? Arthur gab seine Zukunft in Rom ihretwegen auf? Alleine dafür gab sie sich ihren Tränen hin. Diese Selbstlosigkeit, die er damit bewies, zeigte ihr wieder einmal, in welch ehrenvollen Mann sie sich verliebt hatte.

„Er fehlt mir so sehr“, brach es plötzlich aus ihr heraus. Ihr Herz schrie laut seinen Namen, ihre Seele sehnte sich nach seinen starken Armen, nach der Geborgenheit, die sie nur in seiner Umarmung erfuhr. „Ich kann ohne Arthur einfach nicht.“ „Ich weiß. Man sieht es dir an. Und glaube mir, Arthur fühlt gleich wie du.“ „Wie lange wird sein Vorhaben dauern?“ „Das kann ich dir nicht genau sagen, doch du solltest dich auf Jahre einstellen, Shae. Britannien den Frieden wieder zu geben, wird keine leichte Aufgabe. Du weißt selbst am besten, wie sehr das Land unter den vielen Schlachten und dem unzähligen Blut gelitten hat.“ „Hat er eure Unterstützung? Hat er den Beistand seiner Ritter?“ hakte Shae ernst nach. Das bejahende Nicken, das von Lancelot zu sehen war, war ihr Antwort genug.

„Wir bleiben alle in Britannien, um Arthur bei der Umsetzung seines Traumes behilflich zu sein. Wo sollen wir auch hin?“ sprach er mit einem schwachen Schulterzucken. „Zwar gab Rom uns unsere Freiheit wieder, aber Sarmatien ist längst ein fremdes Land für jeden einzelnen von uns. Wir haben dort nichts und niemanden mehr. Sag du mir lieber, was du jetzt tun willst, Shae?“ Ein kleines Lächeln stahl sich auf ihr verweintes Gesicht. Instinktiv wusste Lancelot, das Arthur sich keine Sorgen machen musste. „In jener Nacht, die uns zusammen führte, bat Arthur mich, ihn zu lieben. Und nichts anderes kann ich tun, als ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Wenn ich ihn verlassen würde, würde ein Teil von mir sterben. Er ist der Sinn meines Lebens. Du kannst ihm ausrichten, egal wie lange es noch dauern mag, ich werde da sein, wenn er zu mir zurück kommt, und werde ihn empfangen“, erklärte die junge Frau entschlossen.

„Arthur wird sehr erleichtert sein das zu hören. Eine andere Entscheidung habe ich, ehrlich gesagt, auch nicht von dir erwartet. Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der so dermaßen verrückt nach einem anderen ist. Deine besonders starke Liebe zu Arthur ist mir manchmal ein Rätsel.“ „Kannst du nicht verstehen, das ich ihm verfallen bin? Wieso ich ihn so sehr vergöttere?“ „Soweit geht mein Verständnis schon, ich kenne die einzigartige Ausstrahlung, die Arthur besitzt, aber ich kann nicht behaupten, das eine Frau auf mich so viele Jahre warten würde“, lachte Lancelot zynisch auf.

„Gib die Hoffnung nicht auf. Irgendwann wirst auch du die Frau finden, die es dir unmöglich macht, klar zu denken.“ „Keine Sorge, Shae, ich hoffe weiterhin. Und nun erzähle mir, warum du in diesem Haus lebst und nicht mehr bei deinen Eltern? Was ist geschehen? Hast du Ärger wegen unseres Besuches bekommen?“ Lancelot wurde Zeuge, wie sich Shaes Miene verfinsterte. Allein ihre Reaktion machte ihm deutlich, dass sie wohl ziemliche Schwierigkeiten erhalten hatte, vor allem mit ihrer überaus strengen Mutter, nachdem die beiden Männer aufgebrochen waren.

„Ich weiß nicht, ob ich dir davon berichten soll“, räumte sie zögernd ein. „Warum nicht? Ich bin Arthurs bester Freund.“ „Genau das ist das Problem, Lancelot. Arthur hat große Ziele in die Tat umzusetzen und ich will nicht, dass er dabei von irgend etwas abgelenkt wird. Doch wenn du ihm erzählst, was ich dir sage, wird er alles stehen und liegen lassen, um zu mir zu kommen. Aber ich will, das er rein aus seiner Liebe diesen Weg auf sich nimmt, und nicht, weil ihn seine Pflicht dazu zwingt“, erläuterte Shae ausführlich.

„Was genau beschäftigt dich?“ „Du musst mir auf deine Treue zu Arthur schwören, das du vor ihm schweigen wirst“, forderte Shae energisch. „Das alles klingt ja sehr geheimnisvoll“, kicherte Lancelot vergnügt, doch das Lachen verging ihm schnell, als er in ihr todernstes Gesicht blickte. „Schon gut! Ich will es wirklich wissen und ich verspreche dir, dass Arthur kein einziges Wort von mir erfahren wird“, fügte er hinzu, da nun seine Neugier erwacht war. Was war so wichtig, so einzigartig, das es Arthur von seinen Aufgaben ablenken würde? Aus Shaes Kehle entrang sich ein leiser Seufzer, als sie Lancelots Augen auffing, um ihn an der Wahrheit teilhaben zu lassen.

„Schon bald, nachdem ihr zum Wall zurück geritten seid, habe ich gemerkt, das etwas mit mir nicht stimmt. Gesundheitlich ging es mir mit den Tagen nicht besonders gut. Wenige Wochen darauf war es Gewissheit.“ „Was?“ „Das Arthurs Kind in mir heranwuchs“, gestand sie mit leicht zitternder Stimme. Sie beobachtete Lancelot, wie dieser sie zuerst ungläubig ansah und dann zu realisieren schien, was sie gerade gesagt hatte. „Du wurdest schwanger von ihm?“ „Ja. Sein Sohn trägt den Namen Gabriel Arthur und er ist etwas über zwei Jahre alt.“ „Arthur hat einen Sohn? Shae, das kannst du ihm nicht verheimlichen. Er würde es wissen wollen“, stieß Lancelot heftig aus.

„Ich will es ihm selbst sagen. Immerhin bin ich die Mutter. Lancelot, er würde sofort hierher eilen, wenn du ihm davon erzählst.“ „Aus gutem Grund“, bemerkte der Ritter. „Aber ich verstehe auch, was in dir vorgeht. Du willst nicht, das er herkommt, um sein Kind zu sehen, sondern deinetwegen soll er hier auftauchen.“ „Wenn er von Gabriel erfährt und zu uns kommt, werde ich nie genau wissen, ob es sein Sohn oder ich war, der ihn in dieses Dorf zurück brachte. Mit dieser Qual könnte ich einfach nicht leben, denn ich würde mich für den Rest meines Lebens fragen, was der wahre Grund für seine Rückkehr war.“ „Das ist eine sehr verfahrene Situation. Denn egal, wie du es handhabst, es wird so oder so nicht die richtige Entscheidung sein“, sprach Arthurs Freund offen.

„Dessen bin ich mir bewusst.“ „Wo ist der Kleine? Ich würde ihn gerne sehen.“ „Mayelle, meine Freundin, die mich in meiner Not bei sich aufnahm, ist mit ihrer Tochter und Gabriel in den Wald gegangen, um Kräuter zu holen. Sie ist Witwe und war immer für mich da. Aber selbst Mayelle weiß nicht, wer der Vater meines Sohnes ist.“ „Deine Mutter hat dich verstoßen, als sie von deinem unehelichen Kind erfuhr, nicht wahr?“ hakte Lancelot feinfühlig nach. „In ihren Augen hat sie nur noch zwei Töchter. Sie wird mir nie verzeihen, dass ich einen Bastard zur Welt gebracht habe. So hat sie sich jedenfalls ausgedrückt“, seufzte Shae. Dennoch glitt ein tapferes Lächeln über ihre Lippen.

„Tut mir leid“, murmelte Lancelot, der nur zu gut das Gefühl kannte, wenn man von anderen Menschen wegen der Herkunft oder einer unbedachten Handlung gehasst wurde. „Das muss es nicht. Ich brauche nicht mehr als Arthurs Liebe, um im Leben glücklich zu sein. Was wirst du ihm sagen, wenn du wieder am Wall bist?“ „Ich werde Arthur berichten, dass du ihn sehr liebst, ihn vermisst und das du auf ihn wartest. Was euren Sohn angeht, so werde ich den Mund halten. Auch wenn ich gerne etwas dazu sagen würde, es ist nicht meine Angelegenheit. Du hast Recht, indem du darauf bestehst, das diese Sache allein zwischen Arthur und dir geklärt werden muss. Es ist nicht gut, wenn sich ein anderer einmischt, auch wenn dies mich sehr reizt“, sprach der Ritter gelassen und lehnte sich leicht zurück.

Dabei machte sich erneut seine Wunde bemerkbar und er verzog schmerzerfüllt das Gesicht. Seine Qual entging Shae in keinster Weise. „Wurdest du in der Schlacht gegen die Sachsen auch verletzt?“ „Es ist nicht so tragisch. Zwar tut es höllisch weh, aber ich komme schon wieder auf die Beine.“ „Und trotzdem bist du her gekommen, um mir Arthurs Entschluss mitzuteilen?“ „Ich bin es ihm schuldig. Glaube mir, Shae, nicht nur auf dich hat er großen Eindruck gemacht. Ohne Arthur wäre ich wahrscheinlich schon längst tot. Entweder in einer Schlacht getötet oder von den Römern, weil ich ihnen keinerlei Respekt entgegenbringe“, erklärte Lancelot mit einem Schulterzucken.

„Dazu hast du auch keinen Grund. Wie fühlt es sich an, jetzt, wo du frei bist?“ „Noch kann ich meine Freiheit nicht richtig begreifen. Aber Rom hat mir keine Befehle mehr zu geben. Die einzigen Worte, die ich jetzt noch befolge, sind die von Arthur. Du hast eine sehr gute Wahl getroffen, Shae. Er ist der beste Mann, den eine Frau einfangen kann. Und er hat sich für dich entschieden. Egal, wie lange seine Rückkehr zu dir noch dauern mag, zweifle nicht an ihm.“ „Du spielst deine Rolle als Vermittler ausgezeichnet, Lancelot“, bemerkte Shae amüsiert.

„Wenigstens etwas, was ich ohne Fehler zustande bringe. Glaubst du, dein Ruf wird in diesem Dorf noch schlechter, wenn du wieder einen Fremden bei dir nächtigen lässt?“ „Mein Ruf interessiert mich nicht, Lancelot. Ich lasse dich heute nicht mehr reiten. Du musst dich ausruhen. Es genügt, wenn du morgen zum Wall aufbrichst. Heute solltest du aber hier schlafen.“ „Und deine Freundin ist damit einverstanden?“ „Mayelle wird es zwar nicht besonders gutheißen, doch sie wird es akzeptieren.“ „Hoffentlich. Ich habe keine Lust im Stall zu schlafen“, murmelte Lancelot. „Ich würde dir niemals den Stall als Schlafmöglichkeit anbieten. Außerdem hege ich den Verdacht, dass Mayelle dir gefallen könnte.“

„Danke, aber ich bin nicht Arthur. Und ich will nicht so enden wie er, indem ich mein Herz in diesem Dorf verliere. Das geht nicht persönlich gegen eure Liebe, Shae, doch zwischen Arthur und mir liegen Welten an Unterschiede.“ „Ich weiß. Trotzdem würde ich dir ohne jegliche Bedenken das Leben meines Sohnes anvertrauen. Du würdest ihn genauso beschützen wie sein Vater.“ „Bis in den Tod würde ich deinen Sohn und dich verteidigen.“ „Auf Arthurs Freunde ist Verlass. Es ist schön zu wissen, das diese Loyalität, die ihr ihm schenkt, auch mir gilt.“ „Du bist seine Frau, Shae. Er mag dich noch nicht geehelicht haben, aber diese Tatsache kann niemand leugnen“, erwiderte Lancelot.

In diesen Augenblick ging die Tür auf und eine dunkelhaarige Frau stand mit zwei Kindern im Raum. Skeptisch blickte sie von Shae zu Lancelot. Was sie dachte, konnte man klar in ihrem Gesicht erkennen. Sie hielt Lancelot für den Ritter, der Shaes Herz erobert hatte. Ein breites Grinsen huschte über seine Lippen. „Mayelle, das ist Lancelot. Er ist ein guter Freund eines sehr bestimmten Mannes in meinen Leben.“ „Du meinst, er ist nicht Gabriels Vater?“ „Um Himmels willen nein“, stieß Shae verblüfft aus. Bis jetzt hatte sie keinen Gedanken daran verschwendet, dass die Menschen in diesem Dorf genau das annehmen könnten, wenn sie von seinem Besuch erfuhren.

Während Mayelle den fremden Mann betrachtete, lag Lancelots Blick ausschließlich auf den kleinen Jungen, der mit einem freudestrahlenden Gesicht in die Arme seiner jungen Mutter sprang. Mein Gott, er sieht genau wie Arthur aus, dachte er kopfschüttelnd. Diese Vaterschaft konnte nicht abgewiesen werden, denn der Sohn glich bereits jetzt seinem Vater bis aufs Haar. Vor allem waren es seine Augen, die ihn so sehr an Arthur erinnerten. Lancelot musste einmal heftig einatmen, um die Spannung in seiner Brust zu lösen. In diesem Kind war Arthur Castus deutlich wieder zu erkennen.

„Gabriel, dass ist Lancelot, ein guter Freund von mir“, sprach Shae, die wusste, das der Ritter sich den Jungen gerne näher ansehen wollte. Sie ließ zu, das er ihn ihr vom Arm nahm, so dass seine Augen auf derselben Höhe des Kindes waren. „Er ist sehr ruhig. Eine Eigenschaft, die er eindeutig von seinem Vater hat“, stellte Lancelot fest, während der Kleine ihn neugierig, aber schweigend betrachtete. „Gabriel hat mir noch nie Schwierigkeiten gemacht.“ „Ich sage dir, Shae, er besitzt schon jetzt den besonderen Charakter seines Vaters.“ „Das habe ich nie in Frage gestellt“, lächelte Shae.

„Wenn er den Jungen das erste Mal im Arm hält, wird das für ihn ein überwältigendes Gefühl sein. Damit wirst du ihn zu Tränen rühren.“ „Selbst er wird den ersten Schock überwinden müssen. Ich hoffe, er kann mir mein Stillschweigen verzeihen.“ „Darüber würde ich mir keine Gedanken machen“, bemerkte Lancelot, der bewusst darauf verzichtete, in der Gegenwart von Shaes Freundin nicht Arthurs Namen zu nennen. Sie hatte ihm erzählt, das nicht einmal Mayelle den Namen von Gabriels Vater kannte. Und er würde Shaes ausdrücklichen Wunsch respektieren.

„Ich werde die Kinder zu Bett bringen“, mischte sich Mayelle in die Unterhaltung ein. Nur widerwillig gab Lancelot den Jungen an die Frau weiter. Stundenlang könnte er Arthurs Sohn ansehen. Fühlte er sich schon so sehr von diesem Kleinen angezogen, wie würde es seinem Vater gehen, wenn er das erste Mal in die Augen seines Sohnes blickte? Shae strich Gabriel zärtlich durch das dunkle Haar und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. Mit einem finsteren Blick, den Mayelle dem fremden Ritter zuwarf, verschwand sie die Treppe hinauf, damit sowohl ihre Tochter, wie auch Shaes Sohn ihren Schlaf fand.

„Arthur wird mich für meine Lüge hassen“, bemerkte Shae ernst. Einem sanften Lächeln folgend verneinte Lancelot diese Aussage mit einem Kopfschütteln. „Er wird sicher enttäuscht sein, das du ihm erst so spät von seiner Vaterschaft erzählt hast. Aber Arthur wird diesen Umstand schon verkraften.“ „Und wenn er mich danach nicht mehr will?“ „Er liebt dich und wenn er seinen Sohn sieht, wird er dich mehr denn je verehren. Arthur trägt dich auf Händen, sosehr liebt er dich. Du weißt, du hast dir einen sehr großzügigen und einfühlsamen Mann in dein Leben geholt. Wenn jemand Verständnis für deine Situation empfindet ...“, begann Lancelot, wurde jedoch von Shae unterbrochen.

„... Dann ist das Arthur. Ich bin mir dessen durchaus bewusst. Und nun solltest du es dir bequem machen, Lancelot. Kann ich irgend etwas tun, damit du nicht an deine Schmerzen erinnert wirst?“ hakte sie besorgt nach. „Das ist nicht nötig. Ich habe mir in den vergangenen Jahren, als ich noch im Dienste Roms stand, bei weitem schlimmere Wunden eingefangen.“ „Dennoch kannst du diesmal nicht auf dem Boden schlafen. Das fördert nicht unbedingt die Heilung deiner Wunde.“ „Was hast du dir stattdessen überlegt?“ erkundigte sich Arthurs rechte Hand.

„Du kannst mein Bett haben“, erklärte Shae entschieden. „Dieses Angebot kann ich nicht annehmen. Arthur würde mir das für den Rest meines Lebens vorwerfen“, wies Lancelot das großzügig gemeinte Angebot heftig zurück. „Zur Zeit kann ich sowieso nicht gut schlafen. Ich wandere eigentlich fast die ganze Nacht im Haus herum. Auch das würde dich stören, wenn du hier am Boden schläfst. Ich würde dich unbeabsichtigt dadurch aufwecken. Bitte, Lancelot, tue mir einfach den Gefallen. Schließlich bist du verletzt und du brauchst zur Entlastung deiner Verletzung ein richtiges Bett.“ „Es hat wohl keinen Sinn, mit dir darüber zu diskutieren, nicht wahr?“ seufzte er schwer.

„In keinster Weise. Ich sorge mich nur um dein Wohl, Lancelot. Also lass mich etwas Gutes für dich tun, solange dein Aufenthalt bei mir noch andauert.“ „Ich beuge mich deinen Wunsch.“ „Mein Schlafzimmer befindet sich oben. Es ist die erste Tür links. Geh einfach hinein und schlafe dich aus. Du hast eine harte Reise hinter dir.“ Lancelot nickte leicht und stieg die Stufen hinauf. Erst jetzt bemerkte er die Erschöpfung, die sich in seinem Körper ausbreitete. Er sehnte sich tatsächlich nach einem tiefen Schlaf in einem bequemen Bett. Shae schien genau zu wissen, was er nach seinem langen Ritt benötigte, um mit all seiner Stärke den nächsten Tag in Angriff nehmen zu können.


~ 8. ~
Lancelots Rückkehr

Aufmerksam beobachtete Mayelle Shae, wie sie ein ausgiebiges Frühstück zubereitete. „Ist er wirklich nicht Gabriels Vater?“ brach die Witwe, deren Mann vor vier Jahren im nahegelegenen See ertrunken war, das Schweigen, das in dem Raum herrschte. Shae drehte sich nicht einmal zu ihrer Freundin um. „Lancelot ist sein bester Freund. Ich habe dir doch gesagt, dass Gabriel seinem Vater zum verwechseln ähnlich sieht. Hast du etwa unseren Besuch in meinem Sohn wieder erkannt?“ bemerkte sie ruhig. „Nein, aber ...“, begann Mayelle erneut, wurde jedoch von ihrer Freundin unterbrochen.

„Mayelle“, seufzte Shae schwer und drehte sich nun zu ihr um. „Gabriel sieht bereits jetzt wie sein Vater aus. Wenn ich ihn ansehe, erkenne ich in ihm so deutlich den Mann, den ich liebe. Er besitzt sein Haar, seine Augen, seine Gesichtszüge und auch seinen Charakter. Du kannst mir vertrauen. Lancelot ist wirklich nur ein Freund.“ „Und genau wie du vermeidet er es, den Namen von Gabriels Vater zu nennen.“ „Ich habe ihm eingeweiht, ihm alles erzählt. Er handelt nur nach meiner Bitte. Ich will nicht, dass jemand seinen Namen kennt, jedenfalls nicht solange, bis er wieder bei mir ist.“ „Und wieder wirst du mir bloß sagen, ich soll Vertrauen in dich haben“, bemerkte Mayelle mit einem leichten Lächeln.

„Du bist wie eine Schwester für mich, May, und genau wie eine solche liebe ich dich, aber Gabriels Vater ist allein meine Angelegenheit.“ „Du willst das Geheimnis um ihn trotz dem Vertrauen zwischen uns nicht mit mir teilen.“ „Ich tue das für mich, aber auch für ihn. Er ist ein bedeutender Mann. Er muss sich auf seine Aufgaben konzentrieren, die Taten, die er noch tun muss, die erledigt gehören, bevor er wieder zu mir kommen kann.“ „Er muss ein außergewöhnlicher Mann mit einer einzigartigen Ausstrahlung sein, wenn er dein Herz von der ersten Sekunde an erobert hat. Mein Gott, du warst damals erst achtzehn, Shae. Und so fern ich das aus dem Wenigen, was du über ihn erzählst, richtig heraus gehört habe, ist dieser Ritter doch ein gutes Stück älter als du. Was hat er sich nur dabei gedacht, ein blutjunges Mädchen wie dich zu verführen?“

„Er hat mich nicht verführt. Ich lud ihn in mein Bett ein“, widersprach Shae energisch, die Arthur einfach verteidigen musste. Eine solche Unterstellung konnte sie nicht stehen lassen, ohne für ihn einzutreten. Er hatte nicht falsch reagiert. Sein Verhalten war absolut richtig gewesen. „Wieso hast du das getan?“ hakte Mayelle kopfschüttelnd nach. „Diese Liebe, die ich für ihn hege, ist das Stärkste, was ich jemals empfunden habe. Von dem ersten Moment an, als er vor mir stand, konnte ich mich seinem Charme nicht entziehen. Selbst heute ist mir das nicht möglich. Ich liebe ihn, Mayelle, kannst du das nicht verstehen? Dieser Mann ist mein ganzes Herzblut, meine Seele, mein Leben.“ „Aber mit deinem unangemessenen Verhalten hast du alles aufs Spiel gesetzt. Du hast deine Familie verloren, deinen guten Ruf und dein zu Hause. Ist er denn diese ganzen Schwierigkeiten wirklich wert?“

Ernst betrachtete Mayelle ihre Freundin. Auch sie hatte ihren Mann geliebt, doch diese beinahe schon Besessenheit, die Shae in Bezug auf diesen fremden Ritter pflegte, war ihr einfach ein Rätsel. „Für ihn würde ich alles aufgeben, was ich mein nenne. Ich mag viel verloren haben, aber durch seine Liebe habe ich mehr gewonnen, als ich mir jemals vorstellen konnte.“ Ein zärtliches Lächeln glitt über Shaes Lippen. In ihren Augen tauchte ein verträumter Funke auf. Für einen langen Moment war sie wieder in der Vergangenheit, sah sich jener Nacht gegenüber, als Arthur und sie zueinander gefunden hatten. Alleine seine Erscheinung hatte ausgereicht, um alles an ihm zu verlieren, was sie besaß. Ihr Herz brannte lichterloh für ihn und die Flammen ihrer Leidenschaft vermochte nur er zu löschen. Sie würden niemals vergehen.

Auf der Treppe waren auf einmal schwere Schritte zu hören, die die Unterhaltung schlagartig beendeten. In der nächsten Sekunde tauchte Lancelot im Raum auf. „Hast du gut geschlafen, Lancelot?“ begrüßte ihn Shae. „Bestens, danke der Nachfrage. Ich sollte langsam aufbrechen. Immerhin wartet am Hadrianswall schon sehnsüchtig jemand auf meine Rückkehr.“ „Zuerst musst du aber frühstücken“, befahl Shae streng. „Ohne eine Mahlzeit lasse ich dich nicht reiten.“ Auffordernd sah sie ihn an. Lancelot ahnte, dass es besser war sich zu fügen, wenn er keinen Ärger mit ihr bekommen wollte. Schwach zuckte er mit den Schultern und tat, was sie von ihm erwartete. Zu einem guten Frühstück sagte er nicht lange nein.

Shaes Gastfreundlichkeit hatte sie durch die vielen Schicksalsschläge, die sie in der Vergangenheit erlitten hatte, nicht abgelegt. Nach wie vor glich ihr warmer Charakter dem von Arthur auf eine ganz besondere Art und Weise. Lancelot kam nicht daran vorbei, Mayelle, Shaes hübscher Freundin, ein freches Lächeln zu schenken, bevor er seine Aufmerksamkeit auf sein Frühstück richtete. Nach außen gab sie sich völlig unbeeindruckt, doch Shae kannte ihre Freundin und konnte ihr deutlich ansehen, das Lancelots attraktive Erscheinung sie sehr wohl nervös machte. Anscheinend gefiel er ihr.

„Vielleicht sollte ich mir deine Wunde ansehen und sie neu versorgen, ehe du losreitest“, bemerkte Shae nachdenklich in Lancelots Richtung, doch der Ritter schüttelte verneinend den Kopf. „Dein Angebot ist freundlich gemeint, aber das ist nicht nötig. Auch wenn es zur Zeit nicht diesen Eindruck erwecke, so geht es mir gut.“ „Das sagt der Mann, der schmerzvoll das Gesicht verzieht, wenn er sich falsch bewegt“, spottete Shae mit einem tadelnden Blick. „Wie ich bereits bekannt gegeben habe, anscheinend hört mir hier keiner wirklich zu, habe ich in der Vergangenheit schlimmere Verletzungen davon getragen als diesen lächerlichen Pfeil, der mich auf dem Schlachtfeld gegen die Sachsen traf“, gab Lancelot ebenso zynisch zurück.

„Es ist deine Entscheidung. Aber sie gefällt mir nicht“, führte Shae entschlossen aus. Schweigend betrachtete Lancelot sie einen langen Moment, musterte sie genau. „Was siehst du mich so an?“ „Die Art, wie du redest, was du sagst, erinnert mich so sehr an deinen Liebhaber. Ich sollte langsam wirklich aufbrechen. Er ist sicher schon nervös genug. Ich sollte seine Nerven nicht unnötig strapazieren“, beschloss Lancelot und erhob sich mit einer ruckartigen Bewegung. Er wollte keine weiteren Diskussionen zwischen Shae und ihrer Freundin Mayelle auslösen. Die Unterhaltung, die zuvor zwischen den beiden Frauen stattgefunden hatte, war ihm nicht gegangen. Er hatte jedes einzelne Wort genauestens verstanden. Und das Shae ihre Liebe zu Arthur wie eine Löwin verteidigte, würde für den Anführer der sarmatischen Reiter ein deutliches Zeichen sein, dass sie auch weiterhin auf ihn wartete, geduldig, egal, was in der Zukunft auch geschehen würde.

Mit einem Nicken und einem breiten Lächeln verabschiedete sich Lancelot von Mayelle. Diese blieb im Raum, während Shae den Ritter nach draußen begleitete. Ruhig sah sie ihm dabei zu, wie er sein Pferd sattelte. „Erinnere dich an dein Versprechen, Lancelot“, sprach sie schließlich. Ernst lagen ihre Augen auf ihn. „Es fällt mir nicht leicht, Arthur belügen zu müssen, denn er ist mein bester Freund, aber ich werde ihm nichts von deinem Sohn erzählen. Du hast mein Wort, Shae. Ich respektiere, dass du es ihm persönlich sagen willst.“ „Empfindest du dies als falsch?“ „Arthur vertraut mir, Liebes, und wenn er die Wahrheit erfährt, werde ich mir seine Vorwürfe anhören müssen.“ „Ich bringe dich in eine schwierige Lage. Tut mir leid, dass ich dir das zumute“, bemerkte Shae schuldvoll. Ihr schlechtes Gewissen war in ihrem zarten Gesicht deutlich zu erkennen.

Instinktiv legte Lancelot ihr eine Hand auf die linke Schulter. Ein warmes Lächeln lag auf seinen Lippen. „Beschäftige dich bitte nicht mit solchen Sorgen, Shae. Zwar gefällt mir die Situation nicht, doch was du von mir erwartest, geht für mich in Ordnung. Ich gab dir ein Versprechen und das werde ich einhalten.“ „Danke, Lancelot“, sprach Shae sichtlich erleichtert. „Ich habe noch ein Geschenk für Arthur. Könntest du es ihm geben?“ „Er schlägt mir den Kopf ab, wenn ich mich weigere, deiner Bitte nachzukommen“, sprach Lancelot amüsiert. Mit seinen Worten entlockte er Shae ein Lachen. Er verstand es wirklich, sie aufzuheitern.

Shae reichte ihrem Gegenüber eine Stickerei, die sich auf einen handbreiten, quadratischen Stück Stoff befand. Auf dunkelblauer Farbe war mit einem silbernen Faden ein Muster entstanden, das perfekt für Arthur geeignet war. In der Mitte stach ein christliches Kreuz hervor, das in jeder Ecke jeweils von einem weiteren Schwert umgeben war. „Es wird ihm gefallen. Arthur wird es gar nicht mehr aus der Hand geben wollen.“ „Ich habe es für seinen Umhang gemacht.“ „Er wird es tragen, dass versichere ich dich“, erwiderte Lancelot und verstaute Shaes Geschenk in seiner Satteltasche.

Als er sich ein letztes Mal ihr zuwandte, folgte sie dem Drängen ihrer Seele und umarmte Lancelot fest. „Achte gut auf ihn. Arthur darf mir nicht genommen werden. Wir müssen uns einfach wiedersehen. Pass auf sein Leben auf, Lancelot.“ „Ich werde genauso gut auf ihn Acht geben, wie es bis jetzt getan habe“, versprach der Ritter ihr. „Danke, dass du her gekommen bist, um mich über Arthurs Entscheidung zu informieren.“ „Dann habe ich meinen Auftrag bestens erfüllt. Es war schön, dich wiederzusehen.“ „Das finde ich auch. Und bitte, Lancelot, lass deine Wunde pflegen“, bat Shae eindringlich. Sie sorgte sich ehrlich um sein Wohlergehen. Ein schwerer Ritt dieser Art war nicht unbedingt dafür geeignet, das die Heilung seiner Verletzung gut voranschritt.

„So leicht bringt mich nichts ins Grab. Ich komme schon klar, Shae, du musst dir also keine Sorgen machen“, versicherte Lancelot ihr noch einmal. Mit einer geschmeidigen Bewegung schwang er sich in den Sattel. „Wir werden uns wiedersehen. Ich komme mit Arthur zurück, darauf hast du mein Wort“, sprach er zum Abschied. Einem stummen Befehl folgend verfiel sein Pferd in einen leichten Galopp und entfernte sich rasch von dem kleinen Dorf. Ein schwerer Seufzer entrang sich Shaes Kehle, während sie Lancelot nachblickte, wie er sie verließ, um Arthur ihre Antwort mitzuteilen.

„Pass gut auf sein Leben und auch auf deines auf, Lancelot. Mögen die Götter über euch wachen“, murmelte sie. Shaes Blick wanderte leicht zu dem Haus ihrer Eltern hinüber. Ihre Mutter Clouvie stand davor und hatte die gesamte Szene anscheinend verfolgt. Der verächtliche Ausdruck in ihren Augen, ihr eindeutiger Hass, der sich gegen das Verhalten ihrer Tochter richtete, entging Shae in keinster Weise. Da sie wusste, es hatte keinen Sinn mit ihr sprechen zu wollen, um eine Versöhnung herbei zu führen, drehte Shae um und verschwand in der Hütte ihrer Freundin. Ihre Mutter würde ihr die Liebe zu Arthur niemals verzeihen. Clouvie hatte sie angeklagt und diese Sünde konnte sie nie wieder gutmachen, auch wenn Shae ihre einstige Handlung nicht als solche empfand.


Nach einem langen Rückweg, der erneut mehrere Tage andauerte, war Lancelot froh, als endlich der Hadrianswall in sein Blickfeld geriet. Und je näher er dem früheren römischen Kastell kam, desto deutlicher wurde die Silhouette eines Mannes, der auf der Mauer stand. Hatte Arthur sich zwischendurch auch einmal bewegt oder hatte er die ganze Zeit dort oben verbracht, seit Lancelot aufgebrochen war? Hatte er gegessen oder etwas geschlafen? Die Römer waren längst fort, hatten die Reise in ihre Heimat angetreten. Der Wall gehörte nun den Briten, in diesen Fall Arthur, der bereit war, die Verantwortung für diese Nebel befallene Insel zu übernehmen.

Freiwillig hatten sich die Bewohner zur Arbeit im Dienste des Halbrömers gemeldet. So hatten viele von ihnen einige Aufgaben übernommen, die für eine lange Zeit römische Soldaten erledigt hatten. Die Menschen glaubten an Arthur, an seine Vision, und das Vorhaben, das er erfüllen wollte. Kurz nachdem Lancelot zu Shae geritten war, hatte Arthur seine ganze Konzentration auf die Umsetzung seines Vorhabens gelenkt. Die Ritter gaben ihm all ihre Unterstützung, folgten ihm weiterhin und sorgten für die ersten Schritte in eine neue Richtung, was ihn jedoch nicht daran hinderte, jeden Tag für ein paar Stunden auf der Mauer zu stehen, um Lancelots Rückkehr nicht zu versäumen.

Lancelot ließ das Tor hinter sich und zügelte Yvis im Innenhof des Walles. Bors und Tristran waren die Ersten, die auf ihn zukamen, um ihn zu begrüßen. „Sieh mal an, wer da wieder auftaucht“, rief Bors fröhlich. „Sag bloß, Venora hat mich bereits vermisst? Hat sie genug von einem alten Mann wie dir?“ „Dagonet hat eine scharfe Axt, Lancelot. Liefere mir keinen Grund, sie mir auszuleihen, um dich zu erschlagen“, gab Bors schlagfertig zurück. Ein breites Grinsen glitt über sein Gesicht, das er einfach nicht unterdrücken konnte. Auch wenn er es niemals zugeben würde, so liebte Bors die hitzigen Wortgefechte, die er stets mit Lancelot tauschte. Darauf konnte er einfach nicht verzichten. Darauf wollte er nicht verzichten.

„Er wartet bereits sehnsüchtig auf deine Rückkehr“, mischte sich Tristran mit ernster Miene ein. Er warf einen Blick über Lancelots Schulter. Dieser brauchte sich nicht umzudrehen, um zu erfahren, wer da hinter ihm eiligst die Mauer herab kam. Er konnte Arthurs Anwesenheit regelrecht in seinen Nacken fühlen, seine Neugier, seine Ungeduld, was Shaes Antwort betraf. „Komm schon, Bors, wir haben noch ein paar Dinge zu erledigen“, bemerkte Tristran und klopfte seinem Freund auf die Schulter. Der scharfe Ausdruck in seinen Augen verriet deutlich, das sie nur störten, wenn Lancelot Arthur Bericht erstattete.

„Du musst einem immer den Spaß verderben“, raunte Bors, folgte Tristran jedoch ohne ein weiteres Widerwort zu verlieren. Irgendwann würden sie ja doch alle erfahren, welche Nachrichten Lancelot von Shae mitbrachte. Aber dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um der eigenen Neugier freien Lauf zu lassen. Arthurs Nerven waren seit Tagen, seit Lancelot fortgeritten war, zum zerreißen angespannt. Er blockte jede Unterhaltung ab, kümmerte sich nur um seine neuen Pflichten. Denn Rittern war nicht entgangen, das er kaum schlief, sondern fast die ganze Nacht über auf der Mauer herum wanderte, wie ein unruhiges, nervöses Tier.

„Wie geht es ihr?“ war Arthurs erste Frage, noch bevor Lancelot dazu kam, etwas zu sagen. Milde lächelnd sah er seinen Freund an. „Es geht ihr sehr gut. Sie vermisst dich nur entsetzlich. Du fehlst ihr jede Minute, die vergeht.“ „Und ... was ... hat sie gesagt?“ hakte Arthur zögernd nach. In seiner Stimme war ein Zittern zu hören, das verriet, welche Höllenqualen der Ungewissheit er in den vergangenen Tagen durchlebt hatte. „Shae teilte mir mit, dass sie deinen Entschluss versteht. Du sollst tun, was du tun musst. Sie wird auch weiterhin auf dich warten. Sie liebt dich, Arthur, daran hat sich nichts geändert. Du brauchst dich nicht sorgen. Sie wird da sein, wenn du zu ihr gehst“, erklärte Lancelot ruhig.

Aufmerksam beobachtete er Arthur. Er konnte deutlich erkennen, wie eine schwere Last von dessen Herzen zu fallen schien. „Hat sie sich verändert?“ „Sie ist noch immer der gastfreundlichste Mensch, der mir je begegnet ist.“ „Ich danke dir, das du diese Reise auf dich genommen hast.“ „Bist du nun beruhigt?“ „Das sie auf mich wartet, ändert nichts daran, wie sehr ich sie vermisse. Aber das ist nicht dein Problem, Lancelot. Du solltest dich hinlegen und ausruhen. Deine Verletzung wird ansonsten nicht heilen.“ „In diesen Punkt seit ihr euch wirklich einig“, spottete der Ritter knapp. „Wie darf ich das verstehen?“ hakte Arthur neugierig nach.

„Shae macht sich genauso viele Sorgen um meine Gesundheit wie du. Es geht mir gut, auch wenn keiner von euch beiden mir das glaubt. Übrigens habe ich ein Geschenk von ihr, das ich dir geben soll“, bemerkte Lancelot und griff in seine Satteltasche. Er holte die Stickerei hervor und reichte sie Arthur. Fasziniert blickte dieser auf die kleine Aufmerksamkeit, die Shae für ihn gemacht hatte. Allein das genügte, um seine Sehnsucht nach dieser atemberaubenden Frau wie ein Inferno in Flammen aufgehen zu lassen. Sie wusste genau, was seine Seele begehrte, und dieses Geschenk war ein Zeichen, das ihm ihre tiefe und einzigartige Liebe bewies.

„Es ist für deinen Umhang“, warf Lancelot ein, als Arthur schweigend neben ihm stand, und mehrere Minuten lang nur auf die Stickerei in seiner Hand starrte. „Es ist ... wundervoll, einfach wunderschön. Dadurch fällt mir meine Entscheidung nur noch schwerer.“ „Vergiß nicht, Arthur, für welches Ziel du all das machst. Ein friedliches Britannien ist das schönste Hochzeitsgeschenk, das du Shae machen kannst.“ „Du hast Recht, das weiß ich, Lancelot. Die Zukunft liegt vor uns. Und Shae wird alles von mir bekommen, was sie sich wünscht.“ Arthur legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter und verschwand anschließend in seinen Räumen, um die Jahre zu trauern, die ihm mit Shae verloren gingen.

Mit einem leisen Seufzen blickte Lancelot ihm hinterher. In diesen Moment fragte er sich, ob es wirklich klug war, ihm die Existenz seines Sohnes zu verschweigen. Die Versuchung war da, den Mund aufzumachen und es ihm zu erzählen. Es war eine ziemlich üble Situation, in der er sich da befand. Doch im letzten Augenblick überlegte Lancelot es sich anders und brach nicht das Versprechen, das er Shae zum Abschied gegeben hatte. Verzeih mir diese Lüge, Arthur, dachte Lancelot schwer. Es lag bei Arthurs Geliebter, ihn über den überraschenden Umstand aufzuklären. Gerne würde er es ihm sagen, doch er konnte nicht riskieren, einen der Beiden mit seiner Handlung zu kränken. Es war einfach nicht seine Verantwortung diese Wahrheit in Arthurs Beisein einzugestehen.


~ 9. ~
Als König kehre ich zu dir zurück

[ Vier Jahre später ]

Ein warmer Sommerwind wehte über Britannien hinweg. Das Land erblühte in all seiner Schönheit, seiner Pracht und den Frieden, um dem es so hart hatte kämpfen müssen. Die Nachwirkungen der vielen Kriege, der versuchten Eroberungen der Insel durch andere, fremde Völker waren kaum noch zu spüren. Einem einzelnen Mann war der Traum einer besseren Welt tatsächlich gelungen. Arthur hatte den Frieden auf diese kalte Insel gebracht. Er war in den vergangenen Jahren zu mehr geworden als den Anführer Britanniens. Er war zum König avanciert, ein König, der im Ausland hohes Ansehen genoss, den sogar Rom akzeptierte.

Er hatte das nicht beabsichtigt. Diese Entwicklung, die ihn selbst am meisten überrascht hatte, war absolut unvorbereitet über ihn herein gebrochen. Er war König. Er war wirklich König. Jeden Morgen, wenn er aufstand, musste sich Arthur diese Tatsache in Erinnerung rufen, um es auch wirklich glauben zu können. Das Volk dankte ihm damit für seinen unermüdlichen Einsatz für ihre Heimat. Die Tafelrunde, die Arthur einst gegründet hatte, um Gleichheit zwischen seinen Männern und sich selbst zu erschaffen, war wieder vollzählig. Neue Ritter waren in seinen, seinen alleinigen, Dienst getreten, doch niemals würden er und jene Männer, die einst die Schlacht gegen die Sachsen überlebt hatten, ihre Freunde und Kameraden vergessen, diejenigen von ihnen, die für Rom ihr Leben verloren hatten. Badon Hill war nach wie vor ein Bestandteil ihres Lebens und sie würden diesen Ort gut pflegen, um ihre getöteten Kameraden würdevoll zu ehren.

Der Hadrianswall war zu einem wichtigen Außenposten für Arthurs Regierung geworden. Er wurde von einem seiner Ritter befehligt, der für die Angelegenheiten des Walles und dessen Umgebung die Verantwortung trug. Weiter nördlich, in der Nähe der Klippen, hatte Arthur beschlossen, für Shae und sich, für ihre Familie, die er mit ihr haben wollte, ein neues zu Hause bauen zu lassen, eine Stadt, die direkt zum Meer führte. Die Vervollständigung seiner Stadt, die noch keinen Namen trug, war noch im vollen Gange und das Volk konnte es nicht erwarten, ihre Arbeit am Ende bewundern zu können. Gemeinsam mit den Rittern des Königs legten sie jeden einzelnen Stein, Tag für Tag, damit der zentrale Punkt Britanniens bald in seinem ganzen Licht erstrahlen konnte. Die weiße Stadt stand für Arthurs Träume, seine Hoffnungen und Ideale, die Ziele, die er unbedingt in Britannien in die Tat umsetzen wollte. Aber in allererster Linie sollten diese Mauern Shae ein zu Hause geben. Der Ausblick von ihrem Balkon auf das Meer würde überwältigend sein und Arthur war sich sicher, das es Shae gefallen würde.

Shaes Stickerei, die sie für Arthurs Umhang gemacht hatte, war inzwischen zu viel mehr für ihn geworden. Er hatte sich entscheiden, aus diesen Zeichen sein Banner anzufertigen und nun zierte es auch die Rüstungen seiner Ritter. Alleine daran konnte man erkennen, dass sie im treuen Dienst für König Arthur Castus standen und ihm selbst bis in den Tod folgen würden. Vieles hatte sich verändert. Nur eines hielt Arthur nach wie vor wie eine Geisel gefangen, hielt ihn nachts wach, verfolgte ihn in die Tiefen seiner unruhigen Träume. Seine Sehnsucht nach Shae war allgegenwärtig, war zu seinem Begleiter in jeder Sekunde geworden, die verstrich. Nachts lag er mit wachen Augen im Bett, berührte den leeren Platz neben sich und hatte das Bedürfnis, laut zu schreien, weil sie einfach nicht da war.

Ja, seine Sehnsucht nach Shae gehörte endlich gestillt. Er wollte sie in seinen Armen halten, wollte sie berühren und sie an seiner Seite wissen. Die Insel war gesichert. Britannien lebte nun den Frieden, den er dem Volk beschert hatte. Es war harte Arbeit gewesen. Unzählige Kämpfe waren nötig gewesen. Viel Blut hatten sie vergossen, doch sie hatten die Schlacht um Britannien für sich entschieden. Seine Ritter waren frei, folgten ihm aus freien Willen, und Shaes Heimat war ebenfalls von Unterdrückung und Angst befreit. Der Zeitpunkt war gekommen, um sein Versprechen, das er vor so vielen Jahren gab, endlich einzulösen. Sie sollte nicht länger auf ihn warten müssen. Er konnte es definitiv nicht mehr. Arthur konnte und wollte nicht länger auf Shae verzichten. Er musste sie einfach holen, zu intensiv roch er noch immer ihren Duft, hörte er noch immer ihre warme Stimme, und fühlte noch immer zu stark die Ausstrahlung ihres reizvollen Körpers.

Alleine noch einmal ihr Lächeln sehen zu dürfen, reichte aus, um dafür zu sterben.


Bereits am nächsten Morgen brach Arthur mit seinen Rittern auf. Ein großer Teil blieb in der Stadt, die momentan noch mehr einem Trümmerhaufen glich, um in seinem Sinne die Arbeit daran fortzuführen. Arthur war nur mit einer kleinen Gruppe Richtung Berge aufgebrochen. Lancelot und seine Freunde weigerten sich schlichtweg, ihn alleine reiten zu lassen. Als König musste er mehr auf seine Sicherheit achten als zuvor. Unterwegs verteilten sie Lebensmittel in den Dörfern und sahen nach dem Rechten. Eine seiner ersten Handlungen, nachdem er zum König geworden war, hatte Lancelot gegolten. Er hatte seinen besten Freund zu seinem ersten Ritter ernannt, zu seinem Stellvertreter gemacht. Sollte er, Arthur, aus irgendwelchen Gründen nicht mehr in der Lage sein, sich um die Politik seines Landes zu kümmern, würde Lancelot seine Ziele in die Tat umsetzen.

„Unser neues Auftreten als Ritter des Königs gefällt mir, ist zwar noch etwas ungewohnt, aber es trifft vollends meine Zustimmung. Ich hätte niemals gedacht, das wir einmal ein solch hohes Ansehen genießen würden“, sprach Gawain begeistert. Zwar trugen sie nach wie vor ihre alte sarmatische Kleidung, doch Arthur hatte ihnen als Geschenk und Dank für ihre Loyalität neue Rüstungen anfertigen lassen. Sie trugen sie selten, nur zu feierlichen Anlässen, den in ihrer alten Kleidung fühlten sie sich einfach am wohlsten, jedoch wussten sie Arthurs Geste durchaus zu schätzen. Ihre Freiheit lag nun ausschließlich in ihren eigenen Händen und es war ihre Entscheidung gewesen, Arthur auf seinen Weg weiterhin zu folgen. Niemand von ihnen hatte diese Entwicklung, von einfachen Soldaten zu Rittern eines Königs, auch nur ansatzweise kommen sehen oder auch nur daran gedacht, das es möglich wäre. Ihr neues Auftreten ließ sie zahm wirken, doch in ihren Herzen waren sie noch immer die wilden Sarmaten, die einst für Rom hatten kämpfen müssen.

„Deine Haare passen nicht zu deinem Auftreten“, bemerkte Jols amüsiert, der zu einem von Arthurs Rittern geworden war. Es war die Belohnung, die er nach Arthurs Ansicht wirklich verdient hatte, für seinen unermüdlichen Einsatz in der Schlacht gegen die Sachsen, wo er so tapfer gekämpft hatte und dafür, das er sich stets um sein Wohl gekümmert hatte, immer da gewesen war. Nie war Jols von Arthurs Seite gewichen. Und für seine Loyalität hatte er es mehr als verdient, nicht länger nur ein Diener zu sein. Um die Runde seiner ersten zwölf Ritter zu vervollständigen, waren ein paar neue Krieger hinzu gekommen, die Arthur ehrfürchtig ihre Dienste angeboten hatten. Ganis, ein ehemaliger Dorfbewohner, hatte sich den Rittern ebenso angeschlossen wie Roelen, der von den Pikten das Lager gewechselt hatte.

Die Brüder Thorben und Balis waren zuletzt zur Tafelrunde gestoßen. Dagonet und Bors hatten sie eines Tages überraschend mitgebracht und auf das Urteil seiner Freunde vertraute Arthur. „Was soll das denn wieder heißen, Jols? Sieh gefälligst selbst in den Spiegel, bevor du dich über mich lustig machst“, beschwerte sich Gawain, als die Ritter in lautstarkes Gelächter ausbrachen. „So unrecht hat er mit seiner Meinung gar nicht, mein Freund. Du könntest tatsächlich einen Haarschnitt vertragen, ansonsten glaubt dir niemand, das du ein vornehmer Ritter des Königs bist. Momentan siehst du eher aus wie ein Bandit, aber das hast du ja schon immer“, scherzte Galahad mit einem breiten Grinsen.

„Ich habe nie behauptet vornehm zu sein“, erklärte Gawain. „Und jetzt seit still, ansonsten bekommt ihr mein Schwert zu spüren!“ Seine funkelnden Augen betrachteten Galahad, sollten ihn dafür bestrafen, das er bei den Witzen der anderen über ihn mitmachte. Kopfschüttelnd wandte Lancelot seinen Blick nach vorne, richtete seine Aufmerksamkeit auf Arthur, der schweigend neben ihm ritt, an der Spitze des Heers. Dieser hatte den Kindereien seiner Ritter nur schweigend zugehört. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal mitbekommen, worum es eigentlich gegangen war. Er hing seinen eigenen Gedanken nach, war in seinem Kopf schon längst bei Shae.

„Was glaubst du, wie wird Shae reagieren, wenn ein König zu ihr zurück kehrt?“ versuchte Lancelot ein Gespräch mit Arthur in Gang zu bringen, was gar nicht so einfach war, da er von seiner Sehnsucht nach Shae furchtbar abgelenkt war. Ein schwaches Lächeln glitt über Arthurs Gesicht. „Ich hoffe, sie sieht mich noch immer mit denselben Augen wie früher. Ich wünsche mir sehr, das sich dies in den letzten Jahren nicht verändert hat. Ich will nicht König für sie sein, sondern nach wie vor einfach nur der Mann, den sie liebt.“ „Das dürfte schwierig werden. Sieh dich doch einmal um, Arthur! All das gehört dir. Britannien ist dein Land. Über diese Tatsache kann sie nicht hinwegsehen, glaube mir“, sprach Lancelot ruhig. Leicht nickte Arthur, stimmte ihm im Stillen zu, obwohl er tief in sich die Hoffnung verspürte, das sein neuer Rang für Shae keine Rolle spielte.

„Ich wusste stets, du bist zu etwas höherem bestimmt, etwas, was weit über deine Pflichten als Lagerkommandant der Römer hinaus geht. Du hast aus einer Insel, die nur noch Kriege kannte, die regelrecht in Blut ertrunken ist, eine Heimat gemacht ... für uns alle“, führte Lancelot aus. „Ohne eure Hilfe wäre mir das nie gelungen.“ „Du bist viel zu bescheiden, Arthur. Die weiße Stadt von Einigkeit, Gerechtigkeit und Freiheit, die du bauen lässt, ist alleine dein Verdienst. Ich habe eine lange Zeit, als noch Rom über mich und mein Leben befohlen hat, nicht an deinen Traum geglaubt. Ja, ich gebe zu, ich dachte, er wäre niemals möglich zu realisieren. Aber heute erkenne ich, das ich mich geirrt habe. Ich konnte Britannien nie leiden, aber jetzt fühle ich mich hier zu Hause.“ Mit offenem Blick sah Lancelot seinen besten Freund an. In seinen Augen konnte Arthur den Dank erkennen, es so deutlich lesen, das Lancelot seinetwegen eine Heimat gefunden hatte, nach all den Jahren, in denen er sich so ruhelos, nirgendwo willkommen, gefühlt hatte.


[ Ein paar Tage später ]

Eine Hand legte sich auf Shaes Schulter. Leicht wurde die junge Frau geschüttelt. Langsam öffnete sie die Augen und blickte Mayelle verschlafen an. Wieso weckte ihre Freundin sie auf? „Du solltest aufstehen“, bemerkte sie ernst. „Ich habe die letzte Nacht kaum geschlafen, Mayelle, und wollte die Zeit, in der Gabriel draußen spielt, nutzen, um das nachzuholen. Wieso weckst du mich?“ „Shae, es ...“, begann Mayelle, wurde aber von den beiden fröhlichen Kindern abgelenkt, die wild in den Raum stürmten. Sie überbrachten Shae zuerst die Nachricht, wegen der Mayelle den Schlaf ihrer Freundin unterbrochen hatte.

„Mutter, du musst mit nach draußen kommen und dir das ansehen“, rief Gabriel aufgeregt und zog ungeduldig an ihren Arm. „Wieso? Was muss ich sehen? Was ist denn los, Liebling?“ sprach Shae lächelnd. „Der König kommt“, stieß Saline, Mayelles Tochter, voller Freude aus. Im ersten Augenblick glaubte Shae, sich verhört zu haben. Hatte sie diese Worte wirklich richtig verstanden? Nur langsam drang die Bedeutung dieser Aussage zu ihr durch. „Der König?“ hakte sie vorsichtig nach, da sie nicht glauben konnte, das er tatsächlich auf den Weg zu ihrem Dorf war. War es wirklich wahr? Kehrte er endlich zu ihr zurück? War ihre Zeit des Wartens, die Zeit ihrer Sehnsucht nach ihm, wirklich vorüber? Löste er heute sein Versprechen ein, das er ihr vor Jahren gegeben hatte?

Konnte es sein, das Gott, sein Gott, ihr Flehen endlich erhörte? Befand sich Arthur tatsächlich auf den Weg zu ihr, damit sie wieder in seinen Armen liegen durfte? „Ja, der König von Britannien ist hier. Ich habe sein Banner und die vielen Ritter gesehen, die sich unserem Dorf nähern. Der König kommt zu uns“, sprach Gabriel, ohne zu ahnen, welchen Sturm an Gefühlen dies bei seiner Mutter auslöste. Eine starke Welle schien sie regelrecht zu überwältigen. Ihr Herz klopfte schneller gegen ihre Brust. Ihre Seele erzitterte bis in ihre Tiefen.

Er war hier. Er kam zu ihr zurück.

Ruckartig war sie auf den Beinen und warf einen hastigen Blick aus dem Fenster. Ihr Sohn sprach wirklich die Wahrheit, hatte sich dies nicht nur eingebildet. In der Ferne konnte sie die Flagge des Königs erkennen, sein Zeichen, die Stickerei, die sie einst für ihn gemacht und die Lancelot ihm überreicht hatte. Er hatte ihr Geschenk also erhalten.

Im ruhigen Schritt bewegten sich die vielen Pferde vorwärts. Und an der Spitze ragte jene männliche Gestalt hervor, auf deren Erscheinen sie seit so vielen Jahren wartete. Er war es tatsächlich, Arthur, der Mann, der ihr Herz erobert hatte, die große Liebe ihres Lebens. Als sie von der Nachricht gehört hatte, er würde zum König ihres Landes aufsteigen, hatte sie Freudentränen geweint. Niemand hatte dies mehr verdient als dieser außergewöhnliche Mann, der ihr Leben so sehr verändert hatte. Die Besonderheit seines Wesens, die Einzigartigkeit seiner Persönlichkeit, hatte ihn zu dem Punkt geführt, an dem er heute stand. Er war der Einzige, der Britannien nicht nur von den grausamen Schlachten befreit, sondern ihnen ihre lang ersehnte Einigkeit offenbart hatte. Arthur war ein würdiger Anführer dieses Landes, ein Mensch, bei dem das Volk nur allzu bereit gewesen war, ihm zu vertrauen und ihm zu folgen.

„Mein Gott! Arthur“, sprach Shae leise und ein warmes Lächeln zeichnete sich in ihrem Gesicht ab. Er kam endlich zu ihr zurück, so wie er es in jener Nacht geschworen hatte. Nun erfüllte Arthur sein altes Versprechen. Er kam sie holen, um sein Leben mit ihr zu teilen. „Gabriel, du wartest mit Mayelle im Haus“, befahl sie streng und blickte ihren Sohn entschlossen an. „Aber, Mutter, ich will ihn aus der Nähe betrachten. Ich will den König begrüßen. Ich habe so viele Fragen an ihn“, protestierte der Junge energisch. „Du wirst diese Gelegenheit schon bekommen, mein Sohn, aber vorerst bleibst du im Haus. Hast du mich verstanden?“ Entschieden blickte sie ihn an. Schließlich nickte er leicht, um seiner Mutter zu signalisieren, das er sich ihr fügte. Gabriel kannte die Blicke seiner Mutter zu gut. Sie sprachen stets eine eindeutige Sprache.

Irritiert beobachtete Mayelle ihre Freundin, die nach einem Kamm griff und ihr Haar in Ordnung brachte. Sie atmete einmal tief durch, ehe sie sich der Tür zuwandte. All die Worte, die Shae ihr über Gabriels Vater erzählt hatte, der Name des Jungen, drangen in ihr Bewusstsein. Und auf einmal wurde ihr klar, weshalb ihre Freundin eine so lange Zeit ein solches Geheimnis um jenen Mann gemacht hatte, dessen erster und einziger Besuch ausgereicht hatte, um ihr Leben vollkommen durcheinander zu bringen. „Jetzt verstehe ich es“, sprach Mayelle lächelnd. Shae drehte sich zu ihr um und erwiderte sanft ihr Lächeln. „Ich habe immer gesagt, das er etwas besonderes ist“, erklärte sie, als sie ins Freie hinaustrat und die Tür der Hütte hinter ihr ins Schloss fiel.

Aufgeregt liefen Gabriel und Saline zum Fenster, setzten sich auf die Holzbank, die darunter stand, und blickten neugierig hinaus. Mayelle leistete ihnen Gesellschaft, sehr darauf achtend, das Gabriel nicht doch seinem inneren Wunsch nachgab und zum König ins Freie eilte. Wenn er diesen in die Arme lief, ohne das Shae Arthur vorwarnte, würde er den Schock seines Leben bekommen. Augenblicklich würde Arthur in Gabriel seinen Sohn wieder erkennen. Shae musste ihm vor einer Begegnung die Wahrheit erzählen. Und auch Gabriel musste vorsichtig heran geführt werden, um zu begreifen, das Arthur, der Mann, der ihr Land regierte, sein Vater war, nach dem er fragte, seit er sprechen konnte.


Die Nachricht, das der König mit seinem Gefolge kam, hatte sich inzwischen im ganzen Dorf verbreitet. Die Bewohner eilten aus ihren Unterkünften. Jeder von ihnen wollte den Halbrömer sehen, der Britannien so vehement gegen die Sachsen verteidigt hatte, der so sehr bemüht war, ihnen den Frieden zu schenken. Auch Shaes Eltern, sowie ihre Schwestern Melina und Kytara, die nun vierzehn und siebzehn Jahre alt waren, verließen ihre Hütte, um den König einen ehrenvollen Empfang zu bereiten. So sehr sich Shae auch freute, ihre Freude konnte sie nicht einmal richtig in Worte fassen, so befiel eine große Unsicherheit sie. Er war nun König. Wie sollte sie ihn begrüßen? Durfte sie ihn einfach umarmen, ohne auf seinen Rang zu achten? Oder musste sie sich vor ihm verbeugen und darauf warten, bis er ihr gestattete, sich zu erheben?

Als Arthur und seine Ritter im Dorf eintrafen, gingen die Bewohner von selbst ehrfürchtig auf die Knie, um ihren König zu huldigen. Dies waren Momente, die Arthur nach wie vor äußerst unangenehm waren. Die Menschen sahen in ihm etwas besseres, aber er fühlte sich bei weitem nicht danach. Doch in diesen Minuten beschäftigte er sich nicht damit. Er hatte keine Augen für das Volk, sondern nur für die einzige Person, die sich nicht niederkniete. Die blonde Frau erweckte seine ganze Aufmerksamkeit. Sie schenkte ihm ein erleichtertes Lächeln, ein Lächeln, das ihm signalisierte, wie sehr sie ihn vermisst hatte, wie froh sie darüber war, das er sein Versprechen nun endlich einlöste.

Leidenschaftlich betrachtete Arthur sie. Sie war noch genauso schön wie an dem Abend, als sie ihm die Tür geöffnet hatte. Nervosität befiel ihn. Wie würde sie auf ihn reagieren? Mit welchen Augen sah sie ihn nun? Seine Sorgen waren unbegründet. Nein, der König spielte für sie ganz und gar keine Rolle. Shae raffte ihre Röcke und lief auf ihn zu. Die höfischen Formalitäten waren ihr genauso egal wie Arthur. Insgeheim schickte er ein Dankgebet zu seinem Gott, das sie ihn nicht vergessen hatte, das sie ihm seine lange Abwesenheit verzieh. Mit einer geschmeidigen Bewegung schwang er sich aus dem Sattel, um sie endlich in die Arme schließen zu können. Seine Seele und sein Herz verzehrten sich nach ihr, nach dem wunderbar warmen Gefühl, sie berühren zu wollen. Er wollte einfach nur in ihrer Nähe sein, sie auf eine Art und Weise festhalten, die ihr versprach, sich nie wieder von ihr zu trennen.

Shaes Herz klopfte wie wild, als sie sah, wie er aus dem Sattel glitt und sich zu ihr umdrehte. Mit schnellen Schritten kam er ihr entgegen. Seine Ausstrahlung war noch immer dieselbe, so attraktiv und einmalig, das er der einzige Mann für sie war, der Platz in ihrem Leben und in ihrem Herzen hatte. Zärtlich streichelte sein Blick über ihre Haut. Seine Gefühle für sie waren nicht erloschen, im Gegenteil, so waren sie in den Jahren der Trennung nur noch stärker geworden. Er liebte sie noch immer. Und er war hier, um ihr dies zu beweisen. Nein, er erwartete nicht von ihr, wie ein König behandelt zu werden. Sie sollte ihn weiterhin so lieben wie in ihrer gemeinsamen Nacht, als sie ihm ihre Liebe versprochen hatte.

Shae überbrückte den letzten Schritt, der Distanz zwischen ihnen schaffte, und warf sich stürmisch in seine Arme. Arthur fing sie geschickt auf und schloss fest seine Arme um sie. Leidenschaftlich presste er seine Lippen auf ihre. Hingebungsvoll öffnete Shae ihren Mund, verlangte geradezu nach seiner Zunge, die nach ihrer suchte und mit ihr einen wilden Tanz begann. Seine Sehnsucht nach ihr hatte ihn beinahe ausgehungert. Sie spürte seine Verzweiflung, den Schmerz ihrer Trennung in diesen einen Kuss. Aber diese Verzweiflung war zuende, denn er war wieder bei ihr. Solange hatte sie auf ihn verzichten müssen, hatte mit der Lüge gelebt, ihm seinen Sohn vorenthalten zu haben. Doch nun war er zu ihr zurück gekehrt, um das Leben zu führen, das sie miteinander verband. Ihre Liebe hatte gesiegt, hatte über Blut, Krieg, Verzweiflung, ihren eigenen inneren Dämonen und ihrer inneren Qual, solange aufeinander verzichten zu müssen, triumphiert.

Dieses Mal würde er bleiben. Arthur würde sie nicht noch einmal verlassen.


~ 10. ~
Endlich wieder vereint

„Du bist wieder hier“, flüsterte Shae an Arthurs Lippen.

„Du bist wieder bei mir. Du bist tatsächlich wieder hier.“ „Und dieses Mal gehe ich nicht mehr fort“, versprach er ihr. „Ich kann es noch immer nicht glauben“, murmelte sie und streichelte sanft über sein Gesicht. Sie musste ihn bei sich spüren, um wirklich zu begreifen, das er nicht nur ihren Träumen entsprang. Ihre Knie zitterten und würde Arthur sie nicht festhalten, würde sie wohl den Boden unter den Füßen verlieren. „Du bist tatsächlich zurück gekommen.“ „Ich habe es dir versprochen. Verzeih mir, das ich dich so lange warten ließ.“ „Es gibt nichts, was ich dir vergeben müsste, Arthur. Du bist wieder da. Das ist das Einzige, das für mich zählt“, lächelte sie.

Schweigend sahen sie sich in die Augen, küssten sich erneut, in vollen Zügen genossen sie ihr Wiedersehen. „Willkommen zu Hause, Arthur“, sprach Shae schließlich. „Ja, ich bin endlich zu Hause angekommen. Meine Heimat finde ich nur bei dir.“ „Du bist jetzt König. Du ahnst nicht, wie stolz ich auf dich bin.“ „Sobald wir aufgebrochen sind, wir in unserem neuen zu Hause sind, werde ich dich zu meiner Frau nehmen. Du bist die zukünftige Königin von Britannien, Shae“, bemerkte Arthur und hauchte ihr einen sanften Kuss auf die Lippen, jene Lippen, die seit ihrer Begegnung ihm allein gehörten. Leicht schüttelte Shae den Kopf. „Das interessiert mich nicht. Deine Anwesenheit ist alles, was ich brauche, um glücklich zu sein.“

„Und ich werde dich nie wieder alleine lassen. Bis zum Rest unseres gemeinsamen Lebens werde ich bei dir bleiben“, sprach er mit ernstem Blick, um seine Worte damit zu unterstreichen. Shae schlang ihre Arme um seinen Nacken und ließ sich vertrauensvoll in seine innige Umarmung fallen. „Ich liebe dich, Arthur“, flüsterte sie an seinem Ohr. „Und ich liebe dich, wie sehr, kann ich gar nicht in Worte fassen. Es tut mir so leid, das ich dich so lange alleine ließ.“ „Dafür brauchst du dich wirklich nicht entschuldigen. Ich verstehe die Gründe deiner Handlungen. Du hast mein Volk vereint. Du hast uns den Frieden gebracht. Etwas schöneres konntest du nicht für mich tun.“

Leicht löste sie sich aus seiner Umarmung, tat dies äußerst widerwillig, und warf einen Blick über ihre Schulter. Gabriel, dachte sie mit einem leisen Seufzen. Wie brachte sie Arthur das nur am schonensten bei, so, das er nicht wütend auf sie war, wenn er die Wahrheit kannte? „Es gibt so vieles, was ich dir erzählen muss, Arthur“, begann sie schließlich diplomatisch. Sie konnte ihr Geständnis nicht länger hinausschieben. Er musste es jetzt erfahren. „Ich empfinde genauso, Shae, aber zuerst muss ich mich um die Versorgung des Dorfes kümmern. Außerdem würde ich gerne deine Eltern kennenlernen.“ Shae schluckte schwer und blickte zu ihrer Mutter. Fassungslosigkeit zeichnete deren Gesicht. Ihre Tochter, die sie einst schwanger verstoßen hatte, liebte den König von Britannien. Er war der Mann, den sie in jener regnerischen Nacht in ihre Hütte gelassen hatte. Er war der Vater ihres ungeliebten Enkelkindes.

„Arthur, es ist in den Jahren, in denen du nicht hier warst, vieles geschehen. Gewisse Dinge muss ich dir sofort erzählen, denn ich kann dich nicht länger belügen“, gestand Shae zögernd. „Du hast mich belogen? Wann? Und in welcher Angelegenheit?“ hakte Arthur misstrauisch nach. Er sah es ihr nicht nur an, sondern konnte regelrecht spüren, das irgend etwas nicht stimmte, das sie von einem schlechten Gewissen geplagt wurde, das sie ihm gegenüber fühlte. In Shaes Augen trat eine große Unsicherheit auf. „Shae, was ist los? Sag mir, was dich bedrückt“, sprach er sanft und blickte sie mit all seiner Zuneigung an, die er für sie empfand. „Du musst mir glauben, das ich es nur tat, damit du dich auf deine Pflichten konzentrieren kannst. Ich wollte, das du meinetwegen zu mir zurück kommst und nicht aus irgendwelchen anderen Gründen“, brach es aus ihr heraus.

„Liebes, es gibt doch keinen anderen Grund, der mich zu dir führen könnte“, lächelte er milde. „Doch, Arthur, den gibt es“, fiel Shae ihm ins Wort. „Welchen?“ Ein schwerer Seufzer entrang sich ihrer Kehle. Dieses Eingeständnis, und das noch vor ihm, fiel ihr sehr schwer, denn sie wusste nicht, wie Arthur auf diese Neuigkeit reagieren würde. Sanft, aber bestimmt umfasste er ihr Kinn und hob es an, zwang sie dadurch, ihm direkt in die Augen zu blicken. „Du hast einen Sohn. Sein Name ist Gabriel Arthur. Als du fortgingst, habe ich schon bald festgestellt, das ich ein Kind von dir erwarte. Meine Mutter warf mich aus dem Haus, als sie erfuhr, das ich schwanger bin. Ich bin bei einer guten Freundin untergekommen“, gestand Shae offen. Seinem strengen Blick konnte sie nicht ausweichen. Arthur verlangte eine Erklärung für ihr Verhalten und diese gab sie ihm nun.

„Meinetwegen solltest du wieder hier auftauchen, aber nicht, weil dich dein Pflichtgefühl deinem Sohn gegenüber in dieses Dorf zurück lockt. Ich wollte, das du mich holst, weil du mich liebst, nicht, weil ich dir einen Sohn schenkte. Es tut mir leid, Arthur, dass ich so lange geschwiegen habe. Bitte verzeihe mir meine Lüge.“ Tränen drängten an die Oberfläche und rannen langsam ihre Wangen hinab. Sie hatte Angst, Angst davor, das er sie aufgrund ihrer Lüge nun verstoßen würde. Unverwandt blickte Arthur sie an, wusste im ersten Moment nicht, was er darauf erwidern sollte. Zu viele Neuigkeiten stürzten da auf ihn ein. Wie ein Schwert traf ihn die Tatsache, das er in jener Nacht, die er mit Shae geteilt hatte, einen Nachkommen gezeugt hatte.

„Ich habe einen Sohn?“ flüsterte er ungläubig.

Bejahend nickte Shae. Arthur konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, sosehr beschäftigte ihn diese neue und völlig überraschende Nachricht. Langsam wanderte sein Blick zu Lancelot hinüber. Dieser sah schuldbewusst fort und schien irgendeinen Punkt, den er in der Ferne fixierte, äußerst interessant zu finden. Wenn er Arthurs anklagenden Blick nicht sah, existierte er auch gar nicht für ihn. Dennoch trat Lancelot ein wenig in den Schatten seines Pferdes zurück, um etwas Distanz zwischen Arthur und sich zu bringen, damit dieser sich nicht in der nächsten Sekunde auf ihn stürzen und ihm die Tracht Prügel seines Lebens verpassen würde. Das Risiko war ihm dann doch etwas zu groß.

Bewusst unschuldiger konnte sich Lancelot nicht geben. Er hatte davon gewusst, das war offensichtlich, und hatte Arthur gegenüber kein Wort erwähnt, das dieser einen Sohn hatte. Seine Lüge war nun aufgeflogen. Doch in diesen Augenblick beschloss Arthur, Lancelot eine Schonfrist zu geben. Er wollte in allererster Linie seinen Sohn kennenlernen. Mit Lancelot und dessen Schweigen würde er sich später auseinandersetzen. Sein Freund wusste selbst am besten, dass das Thema noch lange nicht beendet war. Ein ernstes Gespräch mit Arthur würde ihn noch erwarten. Doch damit konnte der Ritter gut leben, solange er nicht Arthurs Schwert zu spüren bekam. Er hatte all die Jahre über gewusst, das er ohne Konsequenzen nicht aus dieser Geschichte herauskam.

„Es ist nicht Lancelots Schuld, das er es dir verschwieg. Ich habe ihn damals eindringlich darum gebeten“, erklärte Shae, als sie Arthurs Blick folgte. Nein, Lancelot konnte ganz und gar nichts dafür. Es war ihm hoch anzurechnen, das er sein Versprechen gehalten hatte, obwohl Arthur sein bester Freund war und es ihm widerstrebt hatte, ihn belügen zu müssen. Arthur wandte den Kopf ab und sah Shae direkt ins Gesicht. „Dachtest du ernsthaft, ich würde nur wegen meinem Sohn zu dir zurück kommen?“ „Ja, ich dachte das. Ich wollte aber, das dich allein deine Liebe zu mir führt. Verzeih mir, Arthur, doch ich wusste nicht, was ich tun sollte. Egal, welche Entscheidung ich auch traf, es wäre so oder so die Falsche gewesen“, bat Shae kopfschüttelnd. Zögernd erwiderte sie seinen Blick. Wie würde er jetzt reagieren? Würde er sie weiterhin lieben können? Oder würde ihre Lüge nun für immer zwischen ihnen stehen? Das war ihre größte Angst, das er ihr ihr Verhalten einfach nicht vergeben konnte.

Über Arthurs Lippen glitt ein sanftes Lächeln. Erneut zog er Shae an sich und umschlang sie mit seinen Armen. Zärtlich streichelten seine Finger über ihren Rücken. „Ich kann deine Verzweiflung nachempfinden, Liebes. Du ahnst nicht, wie glücklich du mich machst. Natürlich hätte ich gerne früher von meinem Sohn erfahren, aber er ist das schönste Geschenk, das du mir machen konntest. Ich würde dir niemals etwas vorwerfen, was du in dem Glauben tust, es wäre das Beste für mich“, erklärte Arthur lächelnd. Seine Worte sorgten dafür, das Shae sich entspannte, sich nicht länger mit ihren Zweifeln, er könnte ihr nicht verzeihen, plagte.

„Weiß Gabriel von mir?“

„Ich habe ihm nicht erzählt, wer sein Vater ist, da er ganz nach dir schlägt. Es genügte, das ich dich so schmerzlich vermisste. Er sollte meine Tränen nicht mit mir teilen. Sobald er dich sieht, wird er es wissen. Er gleicht dir auf eine Art und Weise, das es schon wieder unheimlich ist.“ „Wir sollten den Jungen trotzdem nicht überfordern. Geh zu ihm, Shae, und weihe ihn in Ruhe in seine Wurzeln ein. Er soll keinen Schock erhalten, weil plötzlich sein Vater vor ihm steht. Ich warte so lange“, erklärte Arthur mit einem leichten Nicken. „Kannst du das denn, ohne das dich deine Neugier übermannt?“ hakte Shae nach, die wusste, wie schwer es Arthur fiel, ihr dieses Vorhaben vorzuschlagen. Er brannte darauf, seinen Sohn zu sehen, erkannte aber auch die Tatsache, das es notwendig war, Gabriel so schonend wie möglich die Wahrheit näher zu bringen.

„Ich werde warten“, setzte Arthur nachdrücklich hinzu. „Erzähle es ihm. Erst dann werde ich ihm gegenüber treten.“ „Und du bist wirklich nicht wütend?“ erkundigte sie sich vorsichtig. Arthur schenkte ihr ein Lächeln und drückte sie fest an sich. Seine Lippen näherten sich ihrem Ohr. „Heute Nacht zeige ich dir, wie du mich am Besten besänftigen kannst“, murmelte er zärtlich. „Ich kann es gar nicht abwarten“, erwiderte Shae lächelnd, die sich auf dem Moment freute, endlich wieder in seinen Armen liegen zu dürfen. Ein letztes Mal streichelte sie über seine Wange. Nein, sie wollte sich nicht von ihm trennen, nie mehr, und unter keinen Umständen. Auch nur eine Sekunde ohne ihn kam ihr wie eine Ewigkeit vor, eine Ewigkeit, in der sie glaubte, in der Hölle gefangen zu sein. Arthur streichelte über ihren Arm und sah ihr nach, wie sie zu der Hütte ihrer Freundin ging, um ihren Sohn endlich zu erzählen, das der König Britanniens sein Vater war.

Vorsichtig trat Lancelot an seine Seite. Respektvoll hielten sich die Ritter im Hintergrund, begannen mit der Verteilung der Lebensmittel im Dorf. „Alles in Ordnung?“ hakte Lancelot nach, während Arthurs Augen noch immer Shae folgten. „Wieso hast du es mir nicht gesagt? Warum hast du mir nicht erzählt, das ich einen Sohn habe, als du von ihr zurück kamst?“ Arthur blickte Lancelot streng an. „Sie bat mich darum. Sie nahm mir das Versprechen ab, dich nicht einzuweihen. Es fiel mir schwer, Arthur, aber es war Shaes ausdrücklicher Wunsch. Ich konnte ihre Ängste verstehen. Es war ihre Pflicht, dich einzuweihen, nicht die meine.“ „Ich weiß“, seufzte Arthur leise. „Wie fühlst du dich, jetzt, wo du sie wieder hast?“ lenkte Lancelot vom Thema ab. Ein breites Lächeln zeichnete sich im Gesicht des Königs ab.

„Ich habe sie endlich wieder in meiner Nähe. Ich bin zurück gekommen, um meine Frau zu holen. Mit einer Familie werde ich von diesem Dorf wieder aufbrechen. Damit habe ich nicht gerechnet. Herr Gott, ich habe einen Sohn“, sprach Arthur kopfschüttelnd. „Die Welt dreht sich gerade drei Mal für dich, nicht wahr?“ grinste Lancelot breit. „Plötzlich habe ich alles, wovon ich immer geträumt habe. Das mein Wunsch, mit Shae eine Familie zu haben, so schnell geschieht, hat mich ziemlich überrumpelt.“ „Aber du steckst es gut weg, bei weitem besser als Bors, von dem wir wissen, wie er gebrüllt hat, jedes Mal, wenn Venora ihm erzählt hat, sie wäre schon wieder schwanger.“

Lancelots Kommentar entlockte Arthur ein Grinsen. Ja, die Reaktionen von Bors auf Venoras Schwangerschaften hatten sie alle noch recht leibhaftig in Erinnerung. Arthur beobachtete, wie Shae an der Veranda der Hütte angekommen war. In diesen Augenblick ging die Tür auf und ein dunkelhaariger Junge trat hinaus, blickte vorsichtig zu ihm hinüber, ehe Shae vor ihm auf die Knie ging und seine Aufmerksamkeit auf sich zog. „Ist er das?“ „Ja, das ist Gabriel, dein Sohn“, erwiderte Lancelot. Gebannt starrte Arthur den Jungen an. Selbst, wenn Lancelot es ihm nicht bestätigte, würde er es instinktiv wissen. Gabriel sah beinahe genauso aus wie er in diesen Alter. Ohne jeglichen Zweifel war der Junge von ihm und er konnte es kaum abwarten, ihn endlich in den Arm nehmen zu können.


„Darf ich jetzt zu ihm, Mutter?“ erkundigte sich Gabriel vorsichtig. Neugierig sah er den König an. Wie gerne würde er zu ihm gehen. Er konnte es selbst nicht erklären, aber etwas regelrecht magisches ging von dem edlen Herrscher aus. Shae setzte sich auf die Veranda und blickte ihren Sohn auffordernd an. Er nahm neben ihr Platz. „Er ist ein faszinierender Mann, nicht wahr?“ sprach sie, als sie bemerkte, wie Gabriel Arthur beobachtete. „Ja, das ist er. Wieso hast du ihn geküsst? Kennst du ihn?“ „Ja, mein Sohn, ich kenne ihn, sehr gut sogar.“ „Ist er ein Freund?“ „Hast du je gesehen, das ich einen Freund auf diese Art begrüße?“ „Nein.“ „Erinnerst du dich an Lancelot, den Ritter, der vor einigen Jahren bei uns war?“ „Nur schwach, aber du hast mir viel über ihn erzählt. Er ist der beste Freund meines Vaters.“

„Ja, Gabriel, und Lancelot versprach mir, mit deinem Vater zu uns zurück zu kommen. Siehst du den Ritter dort drüben?“ erkundigte sich Shae und deutete auf Lancelot. „Ja.“ „Das ist Lancelot. Ich habe dir immer erzählt, das du mit einer besonderen Herkunft gesegnet bist. Deine Wurzeln sind außergewöhnlich, genau wie dein Vater.“ „Ich erinnere mich.“ „Lancelot steht gerade neben deinem Vater. Der König ist dein Vater, Gabriel. Und nach all den Jahren ist Arthur endlich da, um uns zu sich zu holen.“ „Der König ist mein Vater?“ murmelte der Junge fassungslos. Aus großen Augen sah er seine Mutter an. Lächelnd nickte Shae. „Ja, er ist dein Vater. Der Grund, wieso er so lange nicht bei uns sein konnte, waren die vielen Aufgaben, die er zu erledigen hatte. Er hat etwas einmaliges erreicht. Er hat uns den Frieden geschenkt, hat unser Land sicher gemacht.“

„Dann bin ich der Prinz von Britannien, oder?“ hakte Gabriel neugierig nach. „Ja, so kann man es nennen. Du hast den besten Vater, den man sich wünschen kann.“ „Das hast du mir immer erzählt. Geht er wieder fort?“ „Er lässt uns nicht mehr alleine. Er nimmt uns mit.“ „Dann leben wir jetzt mit ihm?“ „Ja, Gabriel, wir leben nun mit ihm, für den Rest unserer Zeit. Willst du ihn kennenlernen?“ „Natürlich“, strahlte der Junge, wurde aber sofort ernst und blickte seine Mutter nachdenklich an. „Kommst du bitte mit?“ Shae lächelte und nahm ihren Sohn in den Arm. „Ich bin bei dir, Gabriel. Du musst keine Angst vor ihm haben. Er ist dein Vater und er liebt dich“, versprach sie ihm und erhob sich. Auch Gabriel richtete sich auf, griff hilfesuchend nach der Hand seiner Mutter und blieb dicht an ihrer Seite. Nach all der langen Zeit wurde der Augenblick, von dem er stets geträumt hatte, Wirklichkeit.

Endlich lernte er seinen Vater kennen.


~ 11. ~
Wenn der Vater den Sohn kennenlernt

Arthur überreichte Lancelot die Zügel seines Pferdes und trat ein paar Schritte vor. Verträumt starrte er seinen Sohn an, konnte gar nicht die Augen von dem Jungen nehmen. Er warf einen Blick auf seine Hände. Diese zitterten leicht. Er war nervös. Herr Gott, so nervös war er noch nie in seinem Leben gewesen. Von einer Sekunde auf die andere trug er plötzlich die Verantwortung für ein Kind, sein eigenes sogar, etwas, womit er wirklich nicht gerechnet hatte. Und sein Sohn würde dieselbe Erziehung erfahren, die Pelagius einst ihm gelehrt hatte. Innerlich betete Arthur jedoch, das er nichts falsch machte, das sein Sohn dem Vater begegnete, wie er sich diesen immer vorgestellt hatte. Was, wenn er nicht seinen Träumen entsprach? Wenn Gabriel enttäuscht von ihm war, weil er seine Familie über Jahre hinweg alleine gelassen hatte?

Shae lächelte Arthur beruhigend an, da sie die Unsicherheit erkannte, die sich in seinem Gesicht wiederspiegelte. Doch er hatte keinen Grund dazu. „Gabriel, das ist dein Vater, Arthur Castus, der König von Britannien“, sprach Shae. Arthur ging vor seinem Sohn in die Knie und blickte ihn schweigend an, studierte genau dessen Gesicht. Auch Gabriel tat dies auf die gleiche Art. „Bist du wirklich mein Vater?“ erkundigte sich Gabriel, während er Arthur staunend betrachtete. „Ja, das bin ich.“ „Und du nimmst uns mit?“ „Ich lasse euch nie wieder alleine“, versprach Arthur. Vorsichtig streckte er eine Hand aus und fuhr mit den Fingern durch das dichte, dunkle Haar seines Sohnes.

„Bringst du mir bei, wie man kämpft, wie man mit einem Schwert umgeht?“ „Bist du denn schon alt genug dafür?“ erkundigte sich Arthur amüsiert. Die Anspannung in seiner Brust ließ ruckartig nach. Nein, er hatte keinen Grund zur Sorge. Dieser Junge war sein Ebenbild und er zweifelte nicht daran, das Gabriel auch seinen Charakter besaß, ein Charakter, der noch viel zu lernen hatte, der geformt werden musste, um in naher Zukunft zu herausragenden Taten fähig zu sein. „Ich bin schon sechs. In fünf Monaten werde ich sieben“, erklärte Gabriel stolz. „Ich glaube, deine Mutter wird es nicht sehr schön finden, wenn ich dir jetzt bereits das kämpfen beibringe.“ „Da hat er Recht“, mischte sich Shae in die Unterhaltung ein.

„Aber Mutter“, protestierte Gabriel. „In ein paar Jahren kann er dir das beibringen, aber jetzt noch nicht“, befahl sie. „Siehst du? Auf deine Mutter müssen wir beide schließlich hören. Hast du immer auf sie gehört?“ „Natürlich. Sie ist eine tolle Mutter.“ „Ja, das ist sie in der Tat“, sprach Arthur und blickte Shae dabei vielsagend an. Arthur konnte seinem inneren Drang nicht länger widerstehen und zog seinen Sohn in seine Arme. Erleichtert stellte er fest, dass das Kind sich an ihm festhielt, so als wollte er seinen Vater nie wieder loslassen. Arthur hob ihn hoch und richtete sich auf. Er trat einen Schritt auf Shae zu und zog sie ebenfalls an sich.

„Danke“, flüsterte er an ihrem Ohr. „Wofür?“ „Für unseren wunderbaren Sohn, für die Familie, die du mir geschenkt hast.“ „Das habe ich gerne getan, obwohl ich glaube, das unsere Familie noch nicht komplett ist.“ „Noch ein paar weitere Kinder?“ murmelte er. Bejahend nickte Shae. „Ich glaube, Liebling, da werden wir viel Zeit miteinander verbringen müssen, um deinen Wunsch zu erfüllen“, grinste er anzüglich. „Ich werde nie mehr von deiner Seite weichen, also ist das für mich die schönste Art, meine Zeit mit dir zu teilen.“ „Auch bis zum Rest unseres Lebens?“ „Ja“, erwiderte sie ehrlich. Über Gabriels Kopf hinweg fanden ihre Lippen zueinander.

„Müsst ihr das jetzt immer machen?“ erkundigte sich Gabriel neugierig, unterbrach dadurch den Kuss seiner Eltern. „Ja“, erwiderte Arthur prompt. „Eltern, die sich gerne haben, tun das nun einmal, Gabriel“, wies Shae ihren Sohn zurecht. „Hast du auch eine Krone?“ „Nein, mein Sohn, habe ich nicht.“ „Was bist du für ein König, wenn du keine Krone hast?“ „Gabriel“, zischte Shae ermahnend. Doch der Kommentar seines Sohnes entlockte Arthur nur ein leises Lachen. „Es gibt Könige, die benötigen keine Krone, denn ihr Name reicht völlig aus, um das Volk anzuführen. Du wirst diese Dinge noch verstehen. Ich werde sie dir beibringen. Was hältst du davon, wenn du zu Lancelot hinüber gehst? Er hat ein paar aufregende Geschichten auf Lager, die du dir anhören solltest.“ „Heldengeschichten?“ „Die erzählt er am Liebsten“, sprach Arthur und stellte seinen Sohn wieder auf dem Boden ab. Gabriel rannte zu Lancelot, der es gar nicht abwarten konnte, seine tapferen Geschichten auszuschmücken und das Kind damit zu begeistern.

„Lass uns ein Stück spazieren gehen“, schlug Arthur vor. „Kannst du das ohne Geleitschutz tun? Du bist unser Anführer.“ „Ich brauche keinen Schutz“, erwiderte er bloß, griff nach ihrer Hand und ging mit ihr davon. Er wusste, sein Sohn war bei Lancelot und seinen Rittern in guten Händen. Sie würden auf ihn aufpassen und ihn beschäftigen. Arthur wollte in Ruhe mit Shae sprechen. Zwar hatte sie es nur am Rande erwähnt, aber bei ihr waren viele Dinge vorgefallen, die sie in Mitleidenschaft gezogen hatten. Und er wollte jetzt jedes Detail abklären, wollte wissen, wie schwer sie es gehabt hatte, was geschehen war, das sie keinerlei Kontakt mehr zu ihren Eltern pflegte.

„Was ist passiert?“ fragte er geradeheraus. Aufmerksam sah er Shae von der Seite aus an. Schwach zuckte sie mit den Schultern. „Unsere Nacht hat Spuren hinterlassen.“ „Shae“, bat Arthur eindringlich. Sie ließen das Dorf hinter sich, gingen einen Hügel hinauf, von dem aus man eine wundervolle Aussicht auf das Tal hatte. An der höchsten Spitze blieb Arthur stehen und drehte sich zu Shae. „Erzähl es mir. Was hast du in den letzten Jahren durchgemacht?“ „Wieso willst du dich damit quälen? Wir sind wieder zusammen. Du bist hier. Was interessieren dich da die letzten Jahre, in denen ich auf dich gewartet habe? Es ist Vergangenheit,“ wich Shae aus. Sie setzte sich auf einen breiten Felsen und starrte in das Tal hinunter. Arthur nahm neben ihr Platz, entfernte seinen Umhang von der Rüstung und legte in ihr liebevoll um die Schultern, da ein eisig kalter Wind über ihre Köpfe hinweg fegte und er nicht wollte, das sie fror.

Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Arthur gab ihr die Zeit, die sie benötigte, um die Vergangenheit aus ihrer Erinnerung zu holen, um sich innerlich dafür zu wappnen, ihn an den Geschehnissen teilhaben zu lassen. „Als du fort gingst, habe ich meine Schwestern angewiesen, über euren Besuch zu schweigen. Meine Mutter sollte nichts davon erfahren, denn ich wusste, wie sie reagieren würde. Sie hätte es nicht geduldet“, begann sie zögernd. „Nach und nach merkte ich, das eine Veränderung mit meinen Körper geschah. Irgendwann wurde mir dann klar, das unsere Nacht nicht ohne Folgen blieb. Ich habe mich wahnsinnig gefreut, immerhin trug ich dein Kind unter meinem Herzen, aber ich wusste, ich musste es meinen Eltern gestehen.“

„Sie haben nicht sehr positiv reagiert?“ „Ich ließ mich von einem Ritter schwängern, der eine Nacht in unserem Dorf war, jemand, der mich am nächsten Morgen wieder verließ, der niemals daran dachte, zu mir zurück zu kommen. So jedenfalls hat sich meine Mutter ausgedrückt, als ich ihr von dir erzählte. Ich sagte ihr, das ich dich liebte, das ich einfach weiß, das du zu mir zurück kommst. Immerhin hast du es mir dein Wort gegeben. Du gibst dein Versprechen nicht leichtfertig. Als ich ihr sagte, das ich schwanger bin, hat sie mich aus dem Haus geworfen. In ihren Augen bin ich nicht länger ihre Tochter.“ Der Schmerz, ihre Familie verloren zu haben, war mit einem einzigen Schlag wieder da. Langsam stahlen sich Tränen ihre Wangen hinab. Arthur wusste, welches Opfer sie für ihn gebracht hatte. Seinetwegen hatte sie alles aufgegeben. Er war der Grund, weshalb diese tiefe Kluft zwischen ihren Eltern und ihr bestand.

Liebevoll legte Arthur einen Arm um sie, zog sie an sich heran und ließ sie an seiner Schulter weinen. „Diesen Ärger wollte ich dir nie antun.“ „Es ist doch nicht deine Schuld. Meine Mutter ist nur so verdammt stur.“ „Sie hat Gabriel nie akzeptiert, oder?“ „In keinster Weise. Sie hasst ihn, denn er beweist ihr jeden einzelnen Tag, wie unverzeihlich mein Verhalten war. Sie betitelte dich als den größten Fehler meines Lebens.“ „Und? Bin ich das?“ „Keine einzige Sekunde dachte ich so. Für mich bist du das einmaligste Geschenk, das Gott mir machen konnte.“ „Hast du etwa die Religion gewechselt? Als ich bei dir war, glaubtest du noch an deine heidnischen Götter.“ „Ich bin dir gefolgt. Wenn du an diesen Gott glaubst, kann nichts schlimmes von ihm ausgehen“, lächelte Shae schwach.

„Ich hätte dich auch mit deinen heidnischen Göttern genommen.“ „Ich weiß, doch ich wollte meine Zugehörigkeit für dich signalisieren.“ „Das musst du niemanden beweisen. Mir gehört dein Herz. Mehr ist nicht nötig, um jeden zu zeigen, das du zu mir gehörst“, erklärte Arthur und streichelte ihr sanft über das Gesicht. Mit einem wohligen Seufzer schloss Shae die Augen. Es tat so gut, endlich wieder von ihm berührt zu werden. Sie rückte näher an ihn heran, schlang ihre Arme um seinen Nacken, und glitt auf seinen Schoss. „Ich dachte manchmal, ich werde verrückt, weil du einfach nicht bei mir bist. Ich habe dich so sehr vermisst, das ich mich fragte, ob dein Besuch nur ein schöner Traum war.“

„Nein, Liebling, ich bin real“, flüsterte Arthur. „Ich weiß. Gabriel hat mich jeden Tag daran erinnert. Als vor vier Jahren Lancelot bei mir auftauchte, dachte ich, ich hätte dich verloren. Ich glaubte, das du gefallen wärst, das die Sachsen dich mir weggenommen haben, bevor wir Gelegenheit hatten, unser Leben miteinander zu teilen. Es hat sich einfach nur grauenhaft angefühlt. Tue mir so etwas nie wieder an, Arthur“, bat sie eindringlich. „Das werde ich nicht. Es fiel mir sehr schwer, am Wall zu bleiben und Lancelot zu dir zu schicken. Ich wollte noch am Abend nach der Schlacht zu dir reiten.“ „Was hat dich dazu bewogen, deine Kraft in diese Insel zu stecken, dich um mein Volk zu kümmern, etwas, was du früher nicht einmal in Betracht gezogen hast?“

„Lancelot“, seufzte Arthur schwer. „Lancelot?“ wiederholte Shae irritiert. „Er folgte mir in den Stall, erklärte mir, das du in Rom niemals glücklich werden könntest, solange deine Heimat in Blut versinkt. Er machte mir klar, das ich mit dir nicht nach Rom gehen kann, nicht unter diesen Umständen. Du liebst deine Heimat und wie du mir damals selbst gesagt hast, habe ich doch etwas gutes auf dieser Insel gefunden. Mir wurde bewusst, das ich nicht von dir verlangen konnte, mir nach Rom zu folgen, wo dein Herz so sehr an Britannien hängt. Ich musste mich der Herausforderung, Britannien Einigkeit zu geben, stellen, ganz alleine für dich. Es ist deine Heimat, hier sind deine Wurzeln.“

„Aber kannst du hier leben? Was ist aus deinem Traum von Rom geworden?“ „Er ist gestorben. Mein Rom, das Rom, von dem ich dir erzählte, existiert nur noch in meiner Vorstellung. Es ist schon längst gestorben, mit Pelagius, meinem alten Mentor“, sprach er traurig. „Das tut mir leid, Arthur. Ich hätte Pelagius gerne kennengelernt.“ „Ich hätte ihn dir gerne vorgestellt. Er wäre von dir begeistert gewesen. Du hättest ihn sicher gemocht. Um auf deine Frage zurück zu kommen, ja, ich kann hier leben. Ich habe dich und unseren Sohn. Mehr brauche ich nicht, um mich heimisch zu fühlen“, führte Arthur aus, ließ seine Finger durch ihr seidig weiches Haar gleiten.

„Hast du sonst noch irgendwelche Wünsche, die ich dir erfüllen soll?“ murmelte er. Sein Mund fing ihren ein. „Außer, das du bei mir bleibst und wir unsere Familie vergrößern?“ fragte sie frech nach. Bejahend nickte Arthur, während er den Kopf beugte und ihren Hals zärtlich mit seinen Lippen liebkoste. „Ich würde gerne Mayelle und ihre Tochter mitnehmen. Sie hat es verdient, an einen besseren Ort als diesen leben zu dürfen. Sie war mir stets eine gute Freundin. Ich wüsste nicht, was aus Gabriel und mir ohne sie geworden wäre. Sie hat mich bei sich aufgenommen, war für mich da, als ich sie brauchte. Mayelle hat mein Verhalten nie verurteilt. Ich liebe sie wie eine Schwester und will sie nicht hier lassen. Sie hat etwas besseres verdient“, erklärte Shae mit einem leisen Seufzen. Es fiel ihr äußerst schwer, sich auf ihr Anliegen zu konzentrieren, denn zu sehr verlor sie sich in Arthurs harmloser Berührung.

„Außerdem gefällt sie Lancelot sehr gut“, fügte sie lächelnd hinzu. „So? Tut sie das? Nun, das wundert mich gar nicht. Er ist hinter jedem Rock her.“ „Aber sie könnte sich zu seiner großen Liebe entwickeln.“ „Willst du etwa meinen besten Freund verkuppeln?“ sprach Arthur vergnügt und blickte ihr tadelnd in die Augen. „Lancelot war dir immer treu ergeben. Er ist auch ein sehr guter Freund für mich geworden. Er hat stets an uns geglaubt. Lancelot hat die Liebe genauso verdient wie Mayelle. Sie ist schon zulange alleine. Ihr Mann ist seit Jahren tot. Es war sehr schmerzlich für sie, und ich glaube, Lancelot kann ein glückliches Lächeln auf ihre Lippen zaubern.“ „Dann sollten wir ihnen die Möglichkeit geben, einander kennenzulernen“, pflichtete er ihr mit einem geheimnisvollen Lächeln zu.

„Und deine beiden Schwestern? Deine Eltern? Willst du sie hier lassen?“ „Kytara und Melina würde ich gerne mitnehmen. Doch es ist ihre Entscheidung. Meine Mutter hält sie seit Jahren von mir fern. Sie dürfen nicht mehr mit mir sprechen, obwohl ich sehe, das sie es gerne tun würden. Sie vermissen mich. Ich habe versagt, Arthur. Ich konnte sie vor der Strenge meiner Mutter nicht beschützen.“ „Nein, Liebling, du hast nicht versagt. Du warst schwanger. Du musstest dich in erster Linie um dich selbst und um die Schwangerschaft kümmern. Shae, du hast dir nun wirklich nichts vorzuwerfen.“ „Ich fühle mich wegen den Beiden dennoch schuldig. Ich würde mich gerne mit meinen Eltern versöhnen. Meine Mutter ist das Hauptproblem. Mein Vater kam in den letzten Jahren ab und zu bei Mayelle vorbei, um nach mir zu sehen, um zu sehen, wie es Gabriel geht oder ob wir etwas brauchen.“ „Du hast also den Kontakt aufrecht erhalten?“ erkundigte sich Arthur neugierig.

„Es war ihm nicht möglich mich in Stich zu lassen. Nachdem ich bei Mayelle untergekommen bin, stand er eines Abends vor ihrer Tür. Er sagte mir, das er mich liebt, trotz allem, was geschehen ist, aber ich hätte wissen sollen, das meine Mutter so reagieren würde. Mein Vater versprach mir seine Unterstützung, so gut es ihm möglich wäre. Er war immer für mich da. Ich bin froh, das wenigstens er mir erhalten blieb. Er fragte mich, ob du all diesen Ärger wert wärst, ob ich wirklich glaube, das du zurück kommst und ob ich dich wirklich lieben würde. Ich konnte das nur mit guten Gewissen beantworten.“ „Ich werde mit ihr reden“, beschloss Arthur. „Du wirst nichts ändern können, Arthur. Zwar bist du jetzt König, aber sie wird nicht mit sich reden lassen. Sie wird mir nie verzeihen.“ „Es gibt nichts, was sie dir verzeihen müsste. Wir haben uns verliebt. Unsere Liebe und Gabriel sind unsere Angelegenheit. Es ging sie nie etwas an. Und das werde ich ihr deutlich machen. Würdest du deine Eltern gerne mitnehmen?“

„Ja. Trotz aller Schwierigkeiten ist sie meine Mutter und ich liebe sie. Ich würde mich gerne mit ihr versöhnen.“ „Dann werde ich dafür sorgen“, versprach Arthur ihr. „Gelingen dir etwa auch Wunder?“ „Ich versuche welche zu vollbringen“, scherzte er, was Shae ein fröhliches Lachen entlockte. „Für mich bist du einfach ein einziges Wunder und ich bin froh, das ich es erfahren darf. Wann brechen wir auf?“ „Morgen. Ich will dich so schnell, wie es nur irgendwie möglich ist, ehelichen. Ich habe zulange auf dich gewartet, musste über Jahre hinweg auf dich verzichten.“ „Das ist auch mein Anliegen. Ich will deine Frau werden.“ „Das bist du bereits. Und bald mache ich es offiziell.“ Wieder fanden ihre Lippen zueinander. Shae schmiegte sich eng in seine Arme. Ihre Finger durchwühlten sein dichtes Haar. Das innige Gefühl, die Wärme, die von ihm ausging, war dieselbe wie in jener Nacht, als er zu ihr kam, um ihr Leben auf eine ganz besondere Einzigartigkeit zu verändern.


~ 12. ~
Arthurs Wut

Lancelot wusste Gabriel tatsächlich gut zu unterhalten. Mit strahlenden Augen hing Arthurs Sohn an seinen Lippen, lauschte Lancelots Abenteuern, Geschichten, in denen er selbst natürlich der Held war und unbeschreibliche Dinge vollbrachte. Bors und Dagonet kicherten immer wieder leise, wenn Lancelot erneut damit beschäftigt war, eine Lobeshymne auf sich selbst abzuhalten. Während die Ritter sich um die Versorgung des Dorfes kümmerten, saß Lancelot mit Gabriel auf einem umgefallenen Baumstamm und hielt ihn mit seinen Geschichten regelrecht gefangen. Und er konnte gar nicht genug davon bekommen, zu hören, wie Lancelot und Arthur die Sachsen alleine von der Insel vertrieben hatten.

„Hast du das hübsche Mädchen gerettet?“ erkundigte sich Gabriel neugierig, da Lancelot ihm gerade erzählte, wie er eine bezaubernde Schönheit vor den bösen Sachsen beschützte. „Natürlich, Kleiner. Ein Ritter wie ich steht immer für eine Frau ein.“ „War sie dir dankbar?“ Lancelot grinste breit und hob den Kopf, als sich ihnen Schritte näherten. Mayelle, Shaes hübsche Freundin, kam zu ihnen, um Gabriel zu holen. Lancelots Augen lagen ausschließlich auf ihr, beobachtete ihren schwungvollen Gang, das lange hellbraune Haar, während er seine Geschichte zuende brachte. „Als Dankeschön erhielt ich einen Kuss von ihr.“ „Genau so einen, wie meine Mutter meinen Vater küsste?“

„Genauso, ein Kuss, der niemals in Vergessenheit geraten wird, etwas, woran sich ein Mann stets erinnert. Frauen, Gabriel, sind ein Geschenk für uns. Wir müssen sie immer gut behandeln, beschützen und verwöhnen. Sie bereichern unser Leben.“ „Hast du zu Hause eine Frau?“ Mayelle schüttelte leicht den Kopf, als sie bei dem Krieger und dem kleinen Jungen angekommen war. Gabriel war wahnsinnig neugierig, wollte alles wissen und verstehen. „Nein, denn ich liebe alle Frauen“, lachte Lancelot vergnügt. Mit blitzenden Augen blickte Mayelle ihn an. Wie konnte er dem Jungen nur so etwas sagen? Solche Worte waren nun wirklich nicht für die Ohren eines kleinen Kindes bestimmt. Es bestätigte deutlich ihre schlechte Meinung über die wilden Ritter, mit denen Shaes Mann befreundet war. Waren diese Männer wirklich ein guter Umgang für ihre Freundin und deren Sohn?

„Mayelle“, rief Gabriel fröhlich und lief zu der jungen Frau, um sie zu umarmen. Sie ließ sich auf die Knie sinken und kam der Forderung des Jungen sofort nach. „Lancelot hat ganz tolle Geschichten zu erzählen. Er ist ein Held.“ „Ja, das habe ich gehört. Geh bitte ins Haus zu Saline, ja?“ „Ich will auf meinen Vater warten.“ „Er kommt sicher zu dir, wenn er von dem Spaziergang mit deiner Mutter zurück kommt. Aber es wird kalt, Gabriel, und ich will nicht, das du krank wirst.“ „In Ordnung! Du schickst meinen Vater zu mir, wenn er wieder da ist, nicht wahr?“ „Natürlich. Ich sage ihm, das du ihn vermisst“, lächelte Mayelle sanft. Gabriel ging zu Lancelot hinüber, umarmte ihn kurz, und lief dann zum Haus hoch, so wie die Freundin seiner Mutter ihn darum gebeten hatte.

Mit strafendem Blick richtete Mayelle ihre Aufmerksamkeit auf Lancelot. Dieser betrachtete sie nur mit einem frechen Grinsen. „Ich möchte nicht, das Ihr dem Jungen solche Geschichten erzählt.“ „Das war nur eine harmlose Geschichte. Heldengeschichten enden immer mit der hübschen Jungfrau, die ihrem Ritter mit einem Kuss für ihre Rettung dankt“, bemerkte Lancelot amüsiert. „Glaubt Ihr, Arthur würde dies dulden?“ „Ich würde Arthurs Sohn niemals Geschichten erzählen, die nicht gut für ihn wären. Keine Sorge, ich verkomme ihn schon nicht.“ Zweifelnd sah sie ihn an, drehte sich um und wollte davon gehen. So leicht ließ sich Lancelot jedoch nicht abschütteln. Er blieb dicht an ihrer Seite. Seine Absicht, sie zu ihrem Haus zurück zu begleiten, war offensichtlich.

„Euer Name ist Mayelle, richtig?“ „Ja.“ „Erinnert Ihr Euch an meinen Besuch vor vier Jahren? Damals habt Ihr geglaubt, ich hätte Shae ihr Herz gestohlen.“ „Wie ich jetzt weiß, liebt Ihr alle Frauen“, gab sie zynisch zurück. „Frauen sind etwas wunderbares. Wie könnte ich sie nicht lieben? Bereits vor vier Jahren fiel mir auf, das Ihr mit Shae und den Kindern augenscheinlich alleine lebt. Wo ist Euer Mann?“ „Tot. Seit acht Jahren“, teilte sie ihm monoton mit. „Das tut mir leid. Euer Kind ist Eure einzige Freude im Leben“, stellte Lancelot wissend fest. „Nun ... Shae und Arthur sind wieder zusammen und werden bald heiraten. Solltet Ihr Euch nicht auch wieder jemanden zuwenden?“

Ruckartig blieb Mayelle stehen und sah Lancelot streng an. Oh ja, sie wusste zu gut, was er gerade hier versuchte. „Bietet Ihr mir gerade Eure Dienste an?“ „Ich stehe dir für alles zur Verfügung, was du von mir haben willst, Mayelle“, flüsterte Lancelot vertraulich, trat einen Schritt näher an sie heran und strich ihr eine lange Haarsträhne hinter das Ohr, die ihr ins Gesicht fiel. „Vor vier Jahren hatte ich keine Zeit, mich dir vorzustellen. Shae und Arthur haben meine Gedanken zu sehr beschäftigt. Aber nun, wo zwischen den Beiden alles bereinigt ist, kann ich meine Zeit endlich dir widmen. Ich würde gerne deine Gesellschaft genießen und ich weiß, das es dir genauso ergeht.“ „Ihr täuscht Euch, Lancelot“, blockte Mayelle ab, war jedoch nicht in der Lage, seinem intensiven Blick auszuweichen, mit dem er ihr direkt in die Augen sah. Davon ging eine Wärme aus, die sie einem Ritter wie ihm, einen Frauenhelden, der er offensichtlich war, nicht zugetraut hatte.

„Nein, das tue ich nicht. Ich habe den interessierten Blick nicht vergessen, mit dem du mich angesehen hast. Ich gefalle dir, das konntest du damals nicht verbergen und heute kannst du es genauso wenig.“ „Seit Ihr immer so vorlaut?“ Sie spürte, wie seine Finger an ihrer Wange entlang glitten. „Ich sage nur ganz offen, wonach ich mich sehne, was ich gerne haben will.“ „Ich werde nicht Eure nächste Eroberung sein“, betonte Mayelle mit funkelnden Augen. Empört ließ sie ihn stehen und marschierte auf direkten Weg zu ihrem Haus. Lächelnd sah Lancelot ihr nach. Gegen einen kleinen Flirt hatte er nie etwas einzuwenden und schon vor vier Jahren hatte er ein Auge auf Mayelle geworfen. Jetzt, wo die Sorgen um Arthur und dessen leidendes Herz vorüber waren, konnte er sich auf Shaes reizende Freundin konzentrieren. Er wusste, er hatte eine Chance. Und er würde Gelegenheit finden, Mayelle dies auch zu beweisen.


„Er ist unverbesserlich“, schüttelte Arthur den Kopf, als er mit Shae in das Dorf zurück kehrte und beobachtete, wie Lancelot Mayelle umgarnte. „Er würde ihr sehr gut tun“, bemerkte Shae, die sich vertrauensvoll an Arthurs starken Körper schmiegte. „Sie ist schon lange alleine. Ihr Mann ertrank im See. Die Beiden haben sich sehr geliebt. Mayelle braucht wieder etwas Liebe.“ „Ich glaube, Lancelot würde sich dafür freiwillig melden. Die Zeit wird zeigen, ob dein Kupplungsversuch Erfolg hat.“ „An deinem Hof werden sie sich näher kommen“, prophezeite Shae ihm. „Forderst du mich heraus?“ hakte er amüsiert nach. „Das würde ich nie wagen, aber ich habe ein bestimmtes Gefühl, wenn ich die Beiden zusammen sehe.“ „Und was genau empfindest du bei ihrem Anblick?“

„Das zwischen ihnen etwas möglich ist. Vielleicht könnte zwischen ihnen etwas ähnliches entstehen wie zwischen uns. Unsere Begegnung war einzigartig, Arthur.“ „Oh ja, das war sie“, murmelte er und blieb stehen, um Shae zu küssen. Bereitwillig sank sie in seine Arme, teilte ihre Lippen, damit seine Zunge die ihre berühren konnte. Wohlig seufzte sie in seinem Mund auf. Ihr Puls beschleunigte sich sofort und ein heißer Schauer rieselte ihren Rücken hinab. Nur langsam lösten sie sich voneinander. Lächelnd sahen sie sich in die Augen. Leicht neigte Shae den Kopf. Es war schon längst dunkel geworden. Der Einbruch der Nacht war ihr nicht einmal aufgefallen, zu sehr konzentrierte sie sich auf Arthur.

„Ich muss Gabriel ins Bett bringen.“ „Überlässt du diese Aufgabe bitte mir?“ bat Arthur. „Natürlich. Er ist dein Sohn. Er wird dich noch einmal sehen wollen, bevor er einschläft.“ Gemeinsam gingen sie zu Mayelles Haus. Shaes Freundin blickte auf, als sich die Tür öffnete und Shae mit dem König in das warme Innere eintrat. Respektvoll verbeugte sie sich vor Arthur, doch er schüttelte verneinend den Kopf. „Nein, bitte nicht! Das ist nicht nötig“, wehrte er ab, legte sanft seine Hände auf Mayelles Arme, um sie daran zu hindern, sich vor ihm zu verbeugen. „Aber, Euer Hoheit ...“, begann sie zögernd. „Du hast Shae bei dir aufgenommen, in einer Zeit, als sie Unterstützung benötigte. Ich hätte eigentlich für sie da sein müssen, aber ich konnte es nicht. Auf ewig hast du meinen tiefsten Dank, das du Shae und meinem Sohn ein vorübergehendes zu Hause gabst“, erklärte er mit einem freundlichen Lächeln.

„Sie ist meine Freundin. Ich hätte sie nicht in Stich lassen können“, erwiderte Mayelle. „Und ich werde mich bei dir dafür bedanken, indem deine Tochter und du mit uns kommt, um an meinem Hof zu leben.“ „Shae?“ Fragend blickte Mayelle zu ihrer Freundin hinüber. Diese tauchte hinter Arthur auf und nickte leicht. „Du hast es dir verdient. Ich will, das du uns begleitest.“ „Das würde ich sehr gerne“, erwiderte Mayelle gerührt. Schlagartig veränderte sich ihre eigene Situation. Sie hatte immer geglaubt, in diesem Dorf zu sterben. Und nun wollte Shae sie mitnehmen, an den Hof des Königs, wo es ihr eindeutig besser ergehen würde als in diesem kleinen Bergdorf.

„Vater“, rief Gabriel von der Treppe und kam diese eiligst herunter. Arthur schenkte dem Jungen ein väterliches Lächeln und breitete seine Arme aus. In der nächsten Sekunde landete Gabriel in seinen Armen. „Bringst du mich ins Bett?“ „Deshalb bin ich hier. Wo ist dein Zimmer?“ „Im ersten Stock. Ich zeige es dir“, sprach Gabriel aufgeregt. Shae beugte sich zu ihrem Sohn und hauchte ihm einen sanften Kuss auf die Stirn. „Ich schaue später nach dir, Liebling. Schlaf gut.“ „Danke, Mutter, das werde ich“, erwiderte er kleine Junge und strahlte seinen Vater an. Arthur brachte ihn nach oben und verschwand mit ihm in dessen Zimmer. Gabriel teilte sich den Raum mit Saline, Mayelles Tochter. Das Zimmer bestand aus zwei einfachen Betten und einem Kleiderschrank.

„Bekomme ich bei dir auch ein Zimmer?“ „Bei mir bekommst du sogar dein eigenes Zimmer“, erwiderte Arthur und zog die Decke über seinen Sohn, als dieser sich niederlegte. „Ein eigenes Zimmer? Für mich ganz alleine?“ hakte Gabriel nach. Bejahend nickte Arthur. „Es wird dir gefallen.“ „Wo wohnen wir?“ „Von deinem Zimmer aus hast du Ausblick auf das Meer. Es ist dort wunderschön.“ „Mutter hat mir von deinem Einsatz gegen die Sachsen erzählt. Sie sagte, nur dir hätten wir es zu verdanken, das die Sachsen uns nicht überrannt hätten. Lancelot aber erzählt, er hätte sie alle mit deiner Hilfe vertrieben. Was stimmt denn nun?“

Amüsiert verzog Arthur die Lippen zu einem Grinsen. Das sah Lancelot mal wieder ähnlich. Natürlich hob er sich selbst bei dieser Schlacht besonders gut hervor. „Wir haben zusammen gearbeitet. Nur gemeinsam war es uns möglich, Britannien zu verteidigen“, erklärte Arthur und strich Gabriel liebevoll über das Haar. „Du sorgst dafür, das sie nie mehr weinen wird, oder?“ erkundigte sich Gabriel plötzlich. Ernst blickte Arthur seinen Sohn an. „Wer soll nie mehr weinen?“ „Mutter. Sie hat viel geweint die letzten Jahre. Und sie vermisst meine Großeltern. Sie wollen uns nicht. Meine Großmutter ist eine ganz gemeine Person.“ „So etwas sagt man über seine eigene Verwandtschaft nicht, Gabriel“, tadelte Arthur ihn kopfschüttelnd.

„Sogar Mayelle sagt das. Und sie hat Recht. Sie hat uns nicht lieb, ignoriert uns und wenn sie doch einmal mit Mutter spricht, schreit sie sie nur an. Sie tut ihr weh. Wegen Großmutter weint sie.“ „Und das willst du nicht“, stellte Arthur fest. „Niemand darf meiner Mutter weh tun“, erklärte Gabriel trotzig. Leicht lächelte Arthur und beugte sich zu ihm hinab. „Ich verspreche dir, sie wird nie wieder weinen. Ich werde dafür sorgen, das deine Großmutter aufhört, gemein zu ihr zu sein.“ „Ist das wirklich ein Versprechen?“ „Ja, das ist es, Gabriel.“ „Dann musst du es auch einhalten. Ein Versprechen darf nicht gebrochen werden.“ „Hat deine Mutter dir das beigebracht?“

„Ja. Sie sagt, wenn man etwas verspricht, muss man sich auch daran halten.“ „Da hat sie auch Recht. Ich habe deiner Mutter versprochen, zurück zu kommen, und ich bin wieder da.“ „Du hast aber lange dafür gebraucht.“ „Das habe ich, mein Sohn, das stimmt, doch ich hatte viel zu tun. Ich musste Britannien für euch sicher machen. Deine Mutter soll in einem friedlichen Land leben, genau wie du. Politik und Frieden brauchen manchmal viel Zeit, Gabriel. Schlaf jetzt. Es ist spät.“ „Bist du morgen noch da?“ „Ich werde dich für den Rest deines Lebens begleiten“, lächelte Arthur und erhob sich. An der Tür drehte er sich zu seinem Sohn noch einmal um. „Gute Nacht, Vater“, murmelte Gabriel und schloss die Augen. Für einen langen Moment blieb Arthur einfach nur stehen und betrachtete den Jungen, seinen Jungen, der ihn selbstverständlich als Vater akzeptierte, als wäre er vom ersten Tag seiner Geburt an bei ihm gewesen. Einem leisen Seufzen folgend verließ Arthur den Raum. Als er leise die Tür hinter sich zuzog, war Gabriel bereits eingeschlafen.


Shae und Mayelle blickten auf, als Arthur die Treppe herunter kam. „Schläft er?“ erkundigte sich Shae. „Ja, tief und fest.“ „Du siehst auch ziemlich müde aus, Arthur. Du hast eine lange Reise hinter dir. Wann ruhst du dich endlich aus?“ Besorgt blickte Shae ihn an. Die Erschöpfung, da er bereits seit Tagen unterwegs war und sicher nicht viel geschlafen hatte, war ihm deutlich anzusehen. „Das tue ich nach dem Gespräch mit deiner Mutter“, erklärte er entschlossen. Er durchquerte den Raum und verließ das Haus. Ruckartig war auch Shae auf den Beinen, als ihr bewusst wurde, das er tatsächlich mit ihr reden wollte, jetzt, und auf der Stelle. Hastig lief sie ihm nach. So hatte sie Arthur noch nicht erlebt. So kannte sie ihn gar nicht.

In seinen Augen funkelte es wild. Er war eindeutig wütend. Und sein Zorn richtete sich gegen ihre Mutter und deren abscheuliches Verhalten in den vergangenen Jahren. „Arthur, bitte warte! Was hast du vor?“ rief sie hinter ihm, hatte Mühe, ihn einzuholen, da er recht zügig voran ging. „Ich gehe zu deiner Mutter. Es wird Zeit, das hier endlich einmal jemand ein paar Dinge klarstellt.“ „Wieso jetzt? Du bist viel zu wütend, um objektiv zu bleiben.“ „Ich hatte auch nie vor, objektiv mit ihr zu sprechen. Mich betrifft die ganze Angelegenheit immerhin auch. Sie wirft meine schwangere Frau aus dem Haus und tut so, als würde mein Sohn nicht existieren. Das sind zwei Tatsachen, die ich nicht einfach so hinnehme.“

Inzwischen hatte Shae ihn eingeholt. Ihre Hand legte sich auf seinen Arm. Somit brachte sie ihn dazu stehen zu bleiben. Eindringlich sah sie ihn an. „Du kochst regelrecht vor Wut, Arthur. Bitte geh so nicht zu ihr. Was bringt dich überhaupt so aus der Fassung? Als ich dir erzählte, was vorgefallen ist, warst du völlig ruhig.“ „Da hat Gabriel mir auch noch nicht gesagt, das du ihretwegen weinst, das sie dich anschreit, wenn sie dich sieht. Er nannte sie eine gemeine Person. Und langsam glaube ich das auch.“ „Arthur“, seufzte Shae schwer. „Ich habe mich immer bemüht, das Gabriel von meinem Streit mit meiner Mutter nicht soviel mitbekommt. Alles blieb ihm natürlich nicht verborgen.“ „Er liebt dich sehr und er will dich beschützen, in allererster Linie vor ihr. Ist dir klar, das er sie hasst?“

„Hat er das gesagt?“ „Das war nicht nötig. Wir haben einen sehr klugen Sohn. Er braucht es nicht sagen. Ich lese es in seinen Augen. Er verabscheut deine Mutter für die Art, wie sie mit dir umspringt, wie sie dich verletzt, für die Tränen, die du ihretwegen geweint hast.“ „Er ist viel zu jung, um die Hintergründe zu verstehen.“ „Aber er versteht sehr wohl, das deine Mutter ihn nicht akzeptiert, das er der Grund für ihren Hass auf dich ist. Ich werde das jetzt regeln. Und du wirst mich begleiten.“ „Nein“, erwiderte Shae mit einem entschiedenen Kopfschütteln. „Ich kann das nicht. Ich kann ihr nicht mehr unter die Augen treten. Ihre Vorwürfe tun einfach zu sehr weh.“ „Liebes“, seufzte Arthur und legte instinktiv eine Hand an ihre Wange.

„Irgendwann musst du dich ihr stellen. Du kannst nicht ewig vor ihr davonlaufen. Ich bin bei dir. Ich lasse dich nicht alleine. Es geht hier um euch beide. Ich kann das nur richten, wenn du dich auch wirklich darauf einlässt. Wir werden das klären, jetzt sofort, damit wir diese Umstände endlich aus der Welt geräumt haben.“ „Ich habe Angst, Arthur“, gestand Shae, die zweifelnd zum Haus ihrer Eltern hinüber sah. „Wovor denn? Ich werde nicht zulassen, das sie in meiner Gegenwart meine Frau beleidigt. Deine Beziehung zu deiner Mutter muss sich endlich stabilisieren. Ihr seit schon zulange zerstritten.“ „Wir haben uns nie richtig verstanden. Ich war ihr eigentlich immer fremd.“ „Dann wird es Zeit, das ihr einen Schritt in die richtige Richtung macht, das ihr euch überhaupt einmal annähert. Shae, mir liegt zuviel auf der Seele, was ich ihr sagen muss, als das ich noch länger darauf warten soll. Ich kann das nicht. Ich kann die Vorwürfe und die Lieblosigkeit, mit der sie dich bestraft, nicht einfach so stehen lassen.“

Shae blickte ihm in die Augen. Ein leichtes Zittern rieselte über ihre Haut. Er hatte Recht, das wusste sie. Aber war sie auch wirklich bereit, ihrer Mutter nach all diesen Jahren zu verzeihen? „Ich kann ihr nicht vergeben. Zuviel ist geschehen, Arthur.“ „Du musst ihr auch nicht vergeben. Doch der Zeitpunkt ist gekommen, Liebes, an dem sie dich endlich kennenlernen muss.“ Eindringlich erwiderte er ihren Blick, hielt ihre Augen gefangen, so als wäre sein Versprechen dadurch greifbarer für sie. Langsam nickte Shae, willigte darauf ein, ihn zu dieser Unterredung zu begleiten, ein Gespräch, das ihre Familie vielleicht wieder zusammenbrachte. Dennoch hatte Shae das Gefühl, in die Höhle des Löwen zu müssen, dem Teufel persönlich zu begegnen, als sie Arthur zum Haus ihrer Eltern folgte.


~ 13. ~
Deutliche Worte des Königs

Skeptisch blickte Clouvie auf den König und ihre Tochter, als ihr Mann die Beiden ins Haus ließ. Mit einem verachtenden Blick sah Clouvie Shae an, die dicht an Arthurs Seite blieb und fest seine Hand umklammert hielt. Sie hatte Angst, das war ihr deutlich anzusehen. Es war die erste offene Konfrontation mit ihrer Mutter, der sie sich bewusst stellte, der sie bewusst entgegen trat. Arthur spürte, das sie am ganzen Körper zitterte, das selbst ihr Herz und ihre Seele zitterten. Mit einem warmen Lächeln blickte er sie an, wollte ihr damit sagen, das er bei ihr war, das sie nichts zu befürchten hatte. Dennoch verspürte sie eine große Angst vor dieser Begegnung. Es war ihr einfach nicht möglich, über ihre Furcht hinweg zu sehen und sie zu ignorieren.

„Bitte, Euer Hoheit, nehmt Platz“, bat Davel nervös und deutete auf einen Stuhl am schlichten Holztisch. Ein leichtes Lächeln umspielte Arthurs Lippen. Die Einrichtung war noch dieselbe wie vor den vielen Jahren, als mit Shaes Bekanntschaft sein Leben eine entscheidende und besondere Richtung eingeschlagen hatte. Auf diesen Stuhl hatte er einst gesessen als er mit Shae über ein einiges Volk gesprochen hatte. Shae wurde auf sein geheimnisvolles Lächeln aufmerksam. Instinktiv wusste sie, woran er dachte. Für einen kurzen Moment tauchten sie beide in die Erinnerung an diese kalte und regnerische Nacht zurück, jene Nacht, als das Schicksal sie zueinander geführt hatte.

Arthur und Shae tauschten einen vielsagenden Blick miteinander. Er ließ es sich nicht nehmen, seine Hand um ihre Taille zu schlingen und sie näher an sich heran zu ziehen. Liebevoll hauchte er ihr einen Kuss auf die Stirn. „Danke, aber ich stehe lieber“, erwiderte er, was Davel mit einem Nicken akzeptierte. Obwohl Arthurs Tonfall freundlich blieb, war sein Blick es nicht. Seine Augen erzählten von seiner Enttäuschung, das Shae von ihrer Familie in Stich gelassen worden war, von seiner Wut, wie grauenhaft Clouvie über ihre Tochter geurteilt hatte, ohne sich die Zeit zu nehmen, ihre Liebe zu verstehen. Ihr gegenseitiges Verhalten, sowohl das von Arthur und auch von Shae, war nicht falsch gewesen. Und es wurde langsam Zeit, das jemand Clouvie beibrachte, das sie auf diese Art und Weise mit Shae nicht umgehen durfte.

„Ich bin hier, weil ein klärendes Gespräch absolut notwendig ist“, erklärte Arthur, wobei sein Blick ausschließlich auf Clouvie lag. So hatte er sich das Kennenlernen mit Shaes Eltern nicht vorgestellt. Dieses Treffen war geprägt von Clouvies Wut auf ihre Tochter, von ihrer Uneinsichtigkeit und davon, das sie in keinster Weise ihr Enkelkind akzeptieren konnte. Seinen Sohn ... Sie verachtete ihn, nannte ihn einen Bastard, und verletzte mit diesem Verhalten nicht nur Gabriel, sondern auch Shae. Das konnte er unter keinen Umständen dulden. Dies war seine Familie und niemand besaß das Recht, dieser weh zu tun. Wer auch immer dieses Verbrechen, in seinen Augen das Größte, das es gab, beging, musste sich den harten Konsequenzen stellen. Er würde seine Familie immer beschützen, bis zum letzten Atemzug und den allerletzten Blutstropfen.

„Euer Hoheit ...“, begann Clouvie zögernd. „Seit still! Ich will, das Ihr hört, was ich zu sagen habe. Und ich will dabei nicht unterbrochen werden“, herrschte Arthur sie zornig an. Shaes Mutter zuckte sichtlich zusammen. Sie hatte nicht damit gerechnet, das sich der König Britanniens als der Liebhaber ihrer ältesten Tochter herausstellte. Als sie den Kuss gesehen hatte, war ihr bewusst geworden, das sie nun unerwartet ihr Verhalten verteidigen musste. Der König würde die Geschehnisse der vergangenen Jahre nicht einfach ungesagt stehen lassen. Er wollte Antworten, Antworten darauf, warum Shae verstoßen worden war, warum sie nicht bereit war, Shae und Gabriel zu lieben.

„Ich bin hierher zurück gekommen, um meine Frau zu holen. Jahrelang musste ich auf sie verzichten. Und bei meiner Rückkehr erfahre ich, wie sehr Shae die letzten Jahre gelitten hat, nicht nur unter unserer Trennung, sondern auch unter Euch. Was fällt Euch eigentlich ein, meinen Sohn zu behandeln, als würde er nicht existieren? Und welcher Teufel reitet Euch, Eure eigene Tochter mit Verachtung zu bestrafen, nur weil sie sich verliebt hat?“ donnerte Arthur los. Er schrie nicht, erhob nicht seine Stimme, aber gerade dieser angespannte und ruhige Tonfall berichtete von der Wut, die tief in ihm brodelte. Es klang gefährlich, wie er sprach und machte deutlich, das es besser war, ihn nicht zu unterbrechen. Arthur wollte das zuende bringen.

„Wir haben nichts verbotenes getan. Shae und ich ... wir haben uns einfach verliebt. Diese Liebe, die Aussicht Shae wiederzusehen, hat mich in den letzten Jahren überleben lassen. Wegen ihr bin ich auf dieser Insel geblieben. Alleine wegen ihr habe ich mich für den Frieden Britanniens eingesetzt. Es ist nur Shae zu verdanken, das ich heute König bin“, sprach Arthur und blickte die Frau neben sich lächelnd an. Er griff nach ihrer Hand und umschlang sie zärtlich mit seinen Fingern. „Sie ist Eure Tochter, Clouvie. Ich habe nicht besonders viel mitbekommen, habe nur das erfahren, was Shae mir erzählt hat, aber ich weiß, das Ihr stets Probleme hattet, sie zu lieben. Wieso fällt Euch das so schwer? Was hat Shae Euch getan, das Eure Missachtung, mit der Ihr sie straft, in Euren Augen gerechtfertigt ist? So sollte niemand mit seinem eigenen Kind umgehen. Das hat sie nicht verdient.“

„Sie hat sich falsch verhalten. Es war nicht Recht, was sie getan hat“, widersprach Clouvie. „Es war richtig. Aber ich glaube, das werdet Ihr nie einsehen. Eure Tochter wollte immer nur nach Eurem Ermessen handeln. Ich bat sie damals mit mir zu kommen. Sie tat es nicht wegen den Verpflichtungen, die sie Euch und Ihrer Familie gegenüber fühlte. Glaubt Ihr nicht, das es langsam Zeit wird, Einsicht zu zeigen?“ „Ich habe sie gut erzogen.“ „Das ist wahr. Aber sie ist ihren eigenen Weg gegangen. Sie hat alle Schwierigkeiten gemeistert, die sich ihr in den Weg stellten. Darauf solltet Ihr stolz sein, Clouvie. Shae besitzt sogar die Größe, nach allem, was geschehen ist, Euch das Angebot zu machen, uns zu begleiten.“

„Begleiten? Wohin?“ mischte sich Davel ein. „Nach Hause“, erhob sie vorsichtig das Wort. „Arthur nimmt Gabriel und mich mit. Und ich will, das ihr mitkommt.“ „Ihr habt Shae einmal in Stich gelassen, Clouvie. Es wird langsam Zeit, das Ihr beginnt, ihr eine Mutter zu sein, eine Mutter, auf die sie sich verlassen kann, die ihr entgegenkommt und an sie glaubt.“ Eindringlich blickte Arthur Clouvie an. Diese sah unruhig zwischen Shae und dem König hin und her. Sie hatte ihm alles erzählt, alles, was seit seinem Weggang vorgefallen war. „Euer Mann hat es getan. Er war für Shae da, obwohl Ihr dies nicht wolltet“, fügte Arthur hinzu. Ruckartig sah Clouvie ihren Mann an. Hatte sie gerade richtig gehört? Hatte er trotz des Streits, trotz der Tatsache, das sie Shae verstoßen hatte, weiterhin Kontakt zu ihr gepflegt?

„Wie konntest du mir in den Rücken fallen? Wir haben doch darüber gesprochen und waren uns einig, das wir Shaes unrühmliches Verhalten nicht einfach so akzeptieren können. Sie ist viel zu weit gegangen. Sie hat gegen unsere Regeln verstoßen. Sich einfach einem fremden Ritter hinzugeben habe ich ihr nicht beigebracht“, warf sie ihm bitter vor. Schwach zuckte Davel mit den Schultern. Er ging um den Tisch herum und nahm Shae in die Arme. Diesen Drang konnte er nicht länger widerstehen. Er vermisste sie so schmerzlich. Wieso musste seine Frau nur so eigensinnig sein? Warum konnte sie ihr nicht einfach vergeben? Erleichtert seufzte Shae auf und ließ sich in die Umarmung ihres Vaters sinken. Er schenkte ihr ein warmes Lächeln, ein Zeichen, das er es nie bereut hatte, zu ihr zu stehen. „Clouvie“, sprach er und drehte sich langsam zu seiner Frau um, die ihn völlig entgeistert anstarrte.

„Sie ist meine Tochter und ich liebe sie. Vielleicht ist sie wirklich zu weit gegangen, mit dem, was sie getan hat. Doch es war ihre Entscheidung. Siehst du nicht, dass du dich geirrt hast? Du dachtest, er hätte sie bloß benutzt und hätte sie bereits vergessen, nachdem die Tür hinter ihm zufiel. Shae war im Recht. Er ist zu ihr zurück gekommen. Damit hat er bewiesen, das er sie liebt, etwas, woran du nie glauben wolltest. Ich kann sie nicht verstoßen. Ich kann nicht so tun, als würde sie nicht existieren. Sie ist unser Kind. Shae hat sich dieses Leben ausgesucht. Sie traf die Entscheidung, diesen Weg zu gehen. Und sie hat nicht umsonst gewartet“, sprach Davel kopfschüttelnd. Es war ein verzweifelter Versuch, Clouvie irgendwie zu erreichen, ihr zu offenbaren, das ihre Sturheit beinahe ihre Familie zerstört hatte. Er wollte die Versöhnung. Er wollte, das seine älteste Tochter und seine Frau wieder friedlich miteinander umgingen. Und er wollte, das Clouvie zuließ, das Gabriel in ihre Familie aufgenommen wurde.

„Mir ist egal, was du dazu sagst. Das Angebot wurde dir gemacht, Mutter“, erhob Shae das Wort. „Aber ich werde meine Schwestern mitnehmen. Sie haben ein besseres Leben verdient als das in diesem Dorf.“ „Du willst wirklich, das wir mitkommen?“ sprach Melina überrascht. Langsam kamen die beiden jungen Mädchen die Treppe herab. „Das habe ich vor, ja. Arthur gibt uns allen ein zu Hause.“ „Ich erinnere mich an ihn“, führte Kytara lächelnd aus und blickte den König mit faszinierenden Augen an. „Ich auch. Es hat stark geregnet, als du ihn und einen anderen Ritter in unser Haus ließt. Er hat dein Herz erobert. Du hast uns gesagt, er wäre dein Leben. Er ist es, worauf du immer gewartet hast.“

„Ja, Melina, und daran hat sich nichts geändert.“ „Er ist wirklich zurück gekommen. Warum hast du nie gesagt, das der Mann, auf den du wartest, der König von Britannien ist?“ „Weil ich nicht wollte, das sich das Verhältnis zu euch nur aufgrund seines Status ändert. Es sollte geschehen, weil Mutter mich wieder in der Familie haben will und nicht, weil sie Konsequenzen durch den König fürchtete.“ „Ihr mögt es nicht verstehen, Clouvie, aber dieser Hass muss aufhören. Ich habe zuviel davon gesehen, zuviel davon erlebt und selbst verbreitet. Hass bringt einem nur Dunkelheit und das Verderben. Die Schlachtfelder, auf denen ich stand, waren finster genug für mich. Das einzige Licht in meinen Leben war stets Eure Tochter. Ohne sie wäre ich längst nicht mehr da“, führte Arthur die Unterhaltung weiter. Seine Augen lagen ausschließlich auf Shaes Mutter. Er sah, das seine Worte langsam zu ihr durch drangen. Sie würde Shae nicht sofort mit offenen Armen empfangen, aber wenn sie begann, Einsicht zu zeigen, war dies ein erster Schritt in die richtige Richtung. Diese Wendung war notwendig. Shae hatte lange genug gelitten. Nun war es an der Zeit, das sie endlich ihren Frieden mit ihrer Mutter schließen konnte.

„Clouvie, ich kann verstehen, das Ihr von Shae enttäuscht sein mögt. Aber nicht sie trägt die Schuld für das, was in jener Nacht geschah. Es war meine.“ „Arthur“, protestierte Shae schwach, doch er schüttelte nur den Kopf. „Ich bin der Ritter gewesen. Bei mir lag die Verantwortung. Immerhin bin ich derjenige mit der größeren Erfahrung. Ich weiß, ich habe ein junges und unschuldiges Mädchen verführt, aber ich war Shae ab den Moment verfallen, als sie vor mir stand. Ich hatte keine Hoffnung mehr, Clouvie, Hoffnung darauf, das ich doch noch eine Frau finde, die in der Lage ist, mich zu lieben. Das Einzige, was ich damals wollte, war, das Überleben meiner Ritter zu sichern, damit sie mit ihrer Freiheit von dieser Insel herunter kommen. Die Begegnung mit Shae hat alles verändert. Plötzlich hatte ich etwas, wofür es sich zu leben lohnte. Eine Erfahrung, die ich schon über Jahre hinweg aufgegeben hatte“, erzählte Arthur freimütig.

Dies waren Worte, die auch Shae zum ersten Mal hörte.

Hatte es wirklich so schlecht um ihn gestanden? War er durch die vielen Schlachten, durch die vielen Ritter, denen er beim Sterben zugesehen hatte, wirklich schon so verloren gewesen? „Shae hat mich zum Leben erweckt. Sie hat die Wunden geheilt, die ich in den vielen unzähligen Kriegen erworben habe. Sie nahm mir die Schuld, die seit meiner Kindheit auf mir lastete. Eure Tochter hat mir gezeigt, das es auch ein Leben nach dem Blutvergießen gibt, eine Zukunft mit Hoffnung und Frieden. Das Beste, was mir jemals passieren konnte, war sie. Es ist mir nicht verständlich, das eine Mutter ihr eigenes Kind verstößt, nur weil es anders handelt, als man es sich wünscht. Sünde hin oder her ... Unsere Liebe war von der ersten Sekunde an richtig.“

„Das ist sie eben nicht! Ihr habt ein junges, unerfahrenes Mädchen verführt. Ihr seit viel zu weit gegangen“, warf Clouvie ihm scharf vor. Stille breitete sich im Raum aus. Shaes Familie konnte nicht fassen, das sie tatsächlich auf diese Art und Weise mit dem König sprach. „Clouvie“, stieß Davel entgeistert aus. Vorsichtig blickte er zu Arthur hinüber, um zu sehen, wie dieser den Vorwurf aufnahm. Er befürchtete Wut, doch der König lächelte bloß. „Vielleicht habt Ihr sogar Recht. Vielleicht habe ich zuviel gewagt. Habe ich Shaes Leben durcheinander gebracht? Ja, natürlich habe ich das. Ich würde das auch nie bestreiten. Aber unser beider Leben wurde durch unsere Liebe bereichert. Gabriel hat es bereichert. Wir gehören zusammen, das haben wir seit dem Tag, als wir uns das erste Mal in die Augen sahen“, erklärte Arthur. Sanft drückte er Shaes Hand, während er sie zärtlich ansah.

„Ihr könnt darüber denken, sagen und schimpfen, was Ihr wollt. Aber über eines solltet Ihr Euch stets im klaren sein, Clouvie. Ihr habt Eure Tochter verloren. Sie ist von Eurem Blut. Und der Tag wird kommen, an dem Ihr es bereut, so gehandelt zu haben. Nur dann ... ist es für eine Versöhnung zu spät. Jetzt besitzt Ihr noch eine Möglichkeit, etwas zu ändern, Euch Eurer Tochter und Eurem Enkelkind anzunähern. Die Entscheidung, welchen Weg Ihr gehen wollt, überlasse ich Euch. Über eines solltet Ihr Euch jedoch bewusst sein. Shae ist meine Frau. Gabriel ist mein Sohn. Hört auf, über die Beiden zu richten oder ich richte über Euch.“

Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, drehte Arthur am Absatz um, um mit Shae das Haus zu verlassen. An der Treppe blickte er ihre Schwestern an. „Wir brechen morgen früh auf. Geht also frühzeitig zu Bett, damit Ihr ausgeschlafen seit. Einer meiner Ritter wird Euch abholen. Jeder, der bereit ist, Vergebung zu zeigen, ist herzlich eingeladen, uns zu begleiten“, sprach Arthur vielsagend, wobei seine Augen ein letztes Mal Shaes Mutter streiften. „Auch wenn viel vorgefallen ist, Mutter, ich liebe dich. Doch ich lasse mir von dir nicht vorschreiben, wie ich mein Leben zu leben habe. Arthur ist alles, was ich mir jemals wünschte, alles, wonach mein Herz verlangte. Nur er kann meine Sehnsucht stillen. Er ist meine Freiheit. Wenn du das nicht verstehst, kann ich nicht mit dir leben“, erhob Shae das Wort, sprach damit das aus, was sie ihrer Mutter schon immer hatte sagen wollen. Hinter dem König und seiner Braut fiel die Tür mit einem lauten, quietschenden Geräusch ins Schloss.

Nachdenklich starrte Clouvie darauf, sah das Nicken ihres Mannes, der Arthur beizupflichten schien. Konnte sie es wirklich? War es ihr möglich, Shae ihr Verhalten zu verzeihen? Der König hatte sie darum gebeten. Ihr Verhältnis zu Shae war stets schwierig gewesen. Von Anfang an hatte Clouvie gesehen, hatte erkannt, das ihre Tochter nach einer Freiheit strebte, sich nach einem Leben sehnte, das für sie alle unerreichbar war. Sie waren einfache Bauernleute. Und ein Mädchen in den jungen Jahren, in denen Shae war, als sie Arthur traf, durfte sich einem Ritter gegenüber nicht so verhalten. Ihr guter Ruf war das Einzige, das sie besaß, und genau diesen hatte Shae mutwillig zerstört. Damit hatte sie Schande über ihre Familie gebracht. Gabriel erinnerte Clouvie jeden Tag an die Sünde, die Shae begangen hatte. Konnte sie ihr vergeben? Konnte sie ihr überhaupt vergeben, immer so gelebt und reagiert zu haben, wie sie es wollte, nicht wie Clouvie es von ihr verlangt hatte? Konnte sie ihre Liebe für Shae entdecken? Oder würde sie ihrer ältesten Tochter gegenüber stets lieblos bleiben?


~ 14. ~
Wieder in deinen Armen

Leise schloss Shae die Tür ihres Zimmer hinter sich. Mayelle war schon zu Bett gegangen. Genau wie die beiden Kinder schlief sie bereits tief und fest. Shae lehnte sich gegen die geschlossene Tür und blickte Arthur aufmerksam an. „Ich hatte keine Ahnung. Das hast du mir damals nicht erzählt.“ „Was?“ „Alles, was du meiner Mutter gesagt hast. Stand es um deine Seele so schlimm?” hakte sie ernst nach. Arthur erwiderte ihren Blick und nickte leicht. „Welche Zukunft hatte ich schon? Mein einziges Anliegen war es, das Leben meiner Männer zu sichern. Als ich dir das erste Mal in die Augen sah, wusste ich instinktiv, das mein einsames, kaltes Leben vorüber war. Ich wusste, du würdest mir all das geben, wonach ich mich insgeheim sehnte. Und du hast mich nicht enttäuscht“, sprach er vielsagend. Über Shaes Lippen glitt ein warmes Lächeln. Ja, sie wusste genau, auf welche Art und Weise diese Worte gemeint waren.

Shae beobachtete ihn dabei, wie er sein Schwert und seine Rüstung ablegte. Sie konnte es noch immer irgendwie nicht glauben. Er entsprang nicht ihrem sehnlichsten Traum, sondern war tatsächlich hier. Arthur hob den Kopf und quittierte es mit einem warmen Lächeln, das sie ihn beobachtete. „Wirst du mich je wieder aus den Augen lassen?“ erkundigte er sich amüsiert. Verneinend schüttelte Shae den Kopf. „Ich musste zulange auf dich verzichten. Wenn ich dich ansehe, weiß ich, dass du wirklich hier bist.“ Mit ein paar wenigen Schritten durchquerte Arthur den Raum. Er blieb dicht vor Shae stehen. „Soll ich dir zeigen, wie wirklich unser Treffen hier ist?“ flüsterte er lockend. Bejahend nickte Shae.

Mit einer einzigen heftigen Bewegung zog Arthur sie in seine Arme. Leise lachte sie auf, als sie seinen Mund fühlte, wie er sanft ihr Ohr liebkoste. Geschmeidig hob er Shae auf seine Arme und trug sie zum Bett hinüber. Unverwandt blickten sie sich dabei in die Augen. Keiner wagte es, den Blick abzuwenden. Sie wollten ineinander versinken, sich vergewissern, das die qualvolle Zeit ihrer Trennung zuende war. Nun würde es nur noch ihre Liebe geben, ihr Glück, ihr gemeinsames Leben. Stürmisch suchte Arthur nach ihren Lippen, nach ihrer Zunge, und seufzte wohlig auf, als er diese spürte, als sie sich entgegen kamen und einen aufregenden Tanz begannen.

Shae schlang ihre Arme um seinen Nacken, zog ihn eng an sich. Ihre Umarmung drückte ihre tiefe Sehnsucht nach ihm aus. Nur zu gerne ließ sich Arthur darin fallen. Zärtlich wanderten seine Hände über ihre Seiten, glitten hinter ihren Rücken und öffnete geschickt die Schnürung ihres Kleides. „Hast du jemals an mir gezweifelt? Jemals gedacht, ich würde nicht zu dir zurück kommen?“ murmelte er an ihrem Hals, bei dem er inzwischen angekommen war, und ihn mit unzähligen Küssen bedeckte. „Nein. Ich wusste immer, du würdest einen Weg zu mir zurück finden. Die einzige Angst, die ich hatte, war jene, dass du in einer Schlacht fällst, bevor wir die Chance haben, uns wiederzusehen.“

„Du hast mich gerettet“, erklärte Arthur und zog sich mit einer einzigen Bewegung das Hemd über den Kopf. „Wovor?“ erkundigte sie sich irritiert. Leicht lächelte Arthur. Er nahm ihre Hand und führte sie zu der Wunde an seiner rechten Schulter, die Cerdic ihm im Kampf um den Hadrianswall zugefügt hatte. Entsetzt blickte Shae auf die Narbe. Sie war lang und tief. Er musste grausame Schmerzen empfunden haben, als er sich diese Verletzung eingefangen hatte. Zärtlich streichelte sie mit ihren Fingern über die Narbe. „Du hast mich in der Schlacht gegen die Sachsen gerettet, Shae. Ohne dich hätte ich sie nicht überlebt.“ „Ist diese Wunde aus dieser Schlacht?“

„Ja. Ich wäre von Cerdic, dem Anführer der Sachsen, beinahe getötet worden. Aber der Gedanke an dich gab mir die Kraft zum Überleben. Er gab mir die Kraft, weiter zu kämpfen, egal wie viel Blut ich verliere. Ich wusste, ich musste unter allen Umständen zu dir zurück. Dank dir habe ich das Schlachtfeld lebend verlassen. Deine Liebe gab mir diese Kraft.“ „Bereitet dir deine Schulter noch Probleme?“ „Nein. Die Verletzung ist gut ausgeheilt. Das Einzige, das noch daran erinnert, ist die Narbe.“ Shae lächelte leicht und beugte sich vor. Sie berührte die Narbe mit ihren Lippen. Sanft ließ sie sie darüber gleiten.

Ein tiefes Stöhnen entrang sich Arthurs Kehle. Er spürte ihre Hände, wie sie über seinen nackten Oberkörper wanderten. Dieses Mal war er es, der sie eng an sich zog. „Ich liebe dich“, raunte er ihr ins Ohr. „Ich liebe dich auch. Du hast mein Leben verändert. Und dafür danke ich dir vom Herzen. Ich danke Gott dafür, dass du in mein Leben getreten bist.“ „Ich auch! Du bist sein schönstes Geschenk, das er mir machen konnte“, erwiderte Arthur, fing wieder ihren Mund mit seinen ein, und kostete leidenschaftlich von ihr. Hastig schob er ihr das Kleid von den Schultern. Er verzehrte sich geradezu nach ihr, konnte sich kaum zurückhalten. Er wollte sie einfach nur spüren. Schon zulange hatte er auf Shae verzichten müssen.

Achtlos warf Arthur das Kleid zu Boden. Seine Stiefel folgten dem Kleidungsstück. Seine Hände streichelten über jeden Zentimeter Haut, den er entblößte. Seine Finger strichen über ihren Bauch. „Arthur“, flüsterte Shae, deren Atmung sich stetig beschleunigte. Ihr Herz raste, ebenso wie seines. Ihr Begehren war übermächtig. Und es gehörte auf den schnellsten Weg gestillt. „Hm?“ „Hast du etwas dagegen, wenn wir uns ein anderes Mal Zeit lassen? Könntest du bitte weitermachen?“ „Seit wann bist du so forsch?“ „Ich habe Jahre auf dich gewartet. Ich kann nicht länger warten.“ „Dein Wunsch ist mir Befehl“, lächelte er amüsiert, beugte sich vor und versank erneut in einem heißen Kuss mit ihr.

Auch seine Hose, das letzte Kleidungsstück, das sie voneinander trennte, fand ihren Weg neben das Bett. Einladend öffnete Shae ihre Beine, als sich Arthur zu ihr legte. Dazu benötigte er keine zweite Aufforderung. Mit einem einzigen Stoß versank er in ihr. Langsam bewegte er sich, doch das leidenschaftliche Spiel wurde immer schneller, immer wilder und einzigartiger. Die gesamte Welt tauchte in tausend Farben ein. Alles um sie herum schien sich zu drehen. Shae klammerte sich an Arthur. Sie stöhnte seinen Namen. Immer höher trug er sie hinauf, erreichte mit ihr den Gipfel ihrer Leidenschaft.

Endlich waren sie wieder zusammen. Er hatte sie wieder. Nun würde er sie nie wieder loslassen.


Als Arthur am nächsten Morgen das Haus verließ, waren seine Ritter bereits auf den Beinen und bereitete die Abreise vor. „Du siehst ziemlich ausgeruht aus“, sprach eine neugierige Stimme hinter ihm. Arthur wandte sich um und blickte in das breit grinsende Gesicht von Lancelot. „Danke. Ich hatte eine wunderbare Nacht.“ „Das kann ich mir gut vorstellen. Habt ihr überhaupt geschlafen?“ „Sei nicht so neugierig“, gab Arthur zurück. „Bist du noch wütend auf mich?“ erkundigte sich Lancelot. Augenblicklich wurde dieser ernst. „Weil du mich belogen hast?“ Bejahend nickte der Ritter. Diese Sache lag ihm schwer auf der Seele. Er konnte nur hoffen, dass Arthur durch sein Handeln nicht sein Vertrauen zu ihm verlor. Das war das Letzte, das Lancelot damit hatte erreichen wollen.

„Nein“, erklärte Arthur ehrlich. „Du hast getan, was du tun musstest. Es war zwar nicht unbedingt in Ordnung von dir, immerhin bist du mein bester Freund, aber ich verstehe, warum du so gehandelt hast. Du hast Shae ein Versprechen gegeben und sie hatte Recht. Mich einzuweihen lag in ihrer Verantwortung, nicht in deiner.“ „Ich muss mir also keine weiteren Sorgen machen?“ hakte Lancelot, sichtlich erleichtert, nach. „Nein. Es ist alles geklärt. Tue mir aber bitte den Gefallen und lüge mich in Zukunft nicht mehr an, besonders, wenn es dabei um Shae geht, ja?“ „In Zukunft informiere ich dich über alles, auch wenn sie mir den Kopf dafür abreißt“, versprach Lancelot mit einem Grinsen.

„Ist deine Welt wieder in Ordnung, Arthur?“ „Ja, dass ist sie. Ich habe alles, was ich immer haben wollte, inklusive eines Sohnes, mit dem ich nicht gerechnet habe.“ „Er sieht dir wahnsinnig ähnlich.“ „Wem sagst du das?“ „Ich glaube, dein Sohn wird zu genau solch großen Taten fähig sein wie du. Ich hege nämlich den Verdacht, dass du ihm genau das vorleben wirst.“ „Ich wollte für Shae eine friedliche Welt schaffen. Nun habe ich einen Erben, jemanden, der meinen Weg fortführen wird an jener Stelle, wo ich es nicht mehr kann. Und ich bin felsenfest davon überzeugt, das Gabriel eines Tages Britannien in eine noch bessere Zeit führen wird, als es mir momentan möglich ist.“

„Das ist auch nicht weiter verwunderlich. Schließlich ist er dein Sohn. Deine Erziehung wird dafür sorgen, das er sich als der zukünftige Anführer Britanniens erheben wird.“ „Das hoffe ich sehr. Aber bis dahin habe ich noch viele Jahre, in denen ich ihm dabei zusehen kann, wie er erwachsen wird.“ „So schnell wird man zum Vater gemacht“, kommentierte Lancelot trocken. „Wer weiß, wie viele Nachkommen von mir in Britannien herumlaufen“, scherzte er vergnügt. „Einige“, antwortete Arthur mit ernstem Blick. „Weißt du was? Das will ich lieber nicht wissen. Ich konzentriere mich lieber auf die überaus hübsche Freundin deiner baldigen Gemahlin.“ „Du solltest darüber nachdenken.“ „Worüber? Eine Familie zu gründen?“

Arthurs Nicken war Lancelot Antwort genug. Ein tiefer Seufzer entlockte sich seiner Kehle. „Vielleicht ist Mayelle ja die zukünftige Mutter meiner Kinder“, scherzte er mit einem Augenzwinkern. „Ich sage nur, dass du darüber nachdenken sollst. Es ist ein atemberaubendes Gefühl.“ „Das glaube ich dir aufs Wort.“ „Wann können wir aufbrechen?“ wechselte Arthur das Thema, da er sah, dass das Gespräch langsam unangenehm für Lancelot wurde. Er fühlte sich nicht besonders wohl mit der Richtung, welche die Unterhaltung einschlug. Und das wollte er seinem Freund dann doch ersparen.

„In einer Stunde sind wir soweit“, erklärte Lancelot. „Kommen Shaes Eltern mit? Hast du sie schon gesehen, Lancelot?“ „Noch habe ich nichts dergleichen beobachtet. Doch das mag nichts bedeuten. Lass ihnen noch etwas Zeit. Sie werden mitkommen.“ „Wieso bist du dir dessen so sicher?“ „Weil ich dich kenne und ich daher weiß, wie beeindruckend die Rede war, die du ihnen gehalten hast. Du liebst diese Frau und stehst für sie ein, in jeglicher Form.“ „Sie leidet darunter. Shae gibt zwar vor, es akzeptiert zu haben, das ihre Mutter sie verstoßen hat, aber ich glaube ihr das nicht. Sie möchte gerne die Versöhnung, weiß jedoch nicht, wie sie diese anfangen soll. Da musste ich einschreiten. Was diese sture Frau Shae vorwirft, kann ich nicht einfach so hinnehmen. Ich musste etwas dagegen unternehmen.“

„Das kann ich nachvollziehen“, sprach Lancelot und hob den Kopf, als er Shae aus dem Haus kommen sah. Arthur folgte seinem Blick und sofort glitt ein warmes Lächeln über sein Gesicht. „Entschuldige mich“, murmelte er bloß, machte sich bereits auf den Weg zu Shae, noch ehe Lancelot reagieren konnte. Mit einem Lächeln ging Shae Arthur entgegen. Sobald er bei ihr war, versanken sie in einen zärtlichen Kuss. „Guten Morgen“, flüsterte er an ihren Lippen. „Ich dachte, das würde sich jetzt ändern.“ „Was?“ „Das ich alleine aufwache.“ „Tut mir leid, aber ich habe Verpflichtungen.“ „Ich weiß. Lass es bitte nicht zur Gewohnheit werden, das ich den Morgen alleine beginnen muss.“ „Nein, dass werde ich nicht. Ich bessere mich“, versprach er ihr liebevoll.

„Hast du alles gepackt?“ „Ja. Ich brauche nicht viel. Alles, was ich brauche, seit ihr, Gabriel und du.“ „Unser zu Hause wird dir gefallen.“ „Das tut es jetzt schon. Du bist dort. Was will ich mehr?“ Arthur lächelte breit und zog sie erneut in seine Arme. „Könntet ihr mit eurem Geturtel kurz mal aufhören?“ mischte sich Bors ein. „Was willst du?“ seufzte Arthur. „Kann ich dich für einen Augenblick entführen, lieber König, um unseren Rückweg zu besprechen? Tristran wartet schon auf dich, empfindet es aber als sehr respektlos, dich bei deinem Geflirte zu stören. Deshalb übernehme ich das, vorausgesetzt, ich habe die Erlaubnis deiner Frau dich mitzunehmen“, grinste er breit.

„Geh ruhig! Kümmere dich um deine Angelegenheiten als König“, sprach Shae, legte ihre Hände sanft an Arthurs Wangen und küsste ihn ein letztes Mal. „Lauf mir nicht davon“, flüsterte Arthur lächelnd. „Keine Sorge, das wird definitiv nicht passieren.“ Shae sah ihm nach, wie Arthur, ihr Mann, mit Bors davon ging und seinen Späher aufsuchte, damit sie die letzten Details für ihre Rückkehr zu seinem neuen zu Hause besprechen konnten. Schon bald würde sie ihr Heimatdorf, in dem sie einst Arthur begegnet war, für immer hinter sich lassen. Er erfüllte sein Versprechen, in dem er sie mit sich nahm.

Es war der Aufbruch in ein neues Leben, ein Leben mit Arthur.


~ 15. ~
Aufbruch in ein neues Leben

In Shaes Dorf herrschte Aufbruchstimmung.

Alle hatten sich im Hof versammelt, beobachteten, wie die Ritter ihre Pferde bestiegen und auf Arthurs Zeichen warteten, das sie ihre Heimreise antraten. Gabriel lief mit freudestrahlender Miene auf seinen Vater zu. Bereitwillig hob Arthur seinen Sohn hoch. „Darf ich mit dir reiten?“ erkundigte sich Gabriel. „Natürlich darfst du das“, erwiderte der König und fuhr Gabriel liebevoll durch das Haar. Er hob seinen Sohn auf sein Pferd. „Halt dich gut fest, Gabriel.“ „Ich kann reiten.“ „Das bezweifle ich nicht. Aber bist du schon einmal auf einem solch großen Pferd gesessen?“ Streng blickte Arthur ihn an. Instinktiv wusste Gabriel, das sein Vater es nicht mochte, belogen zu werden. Ehrlichkeit, stets die Wahrheit zu sagen, war ihm genauso wichtig wie seiner Mutter.

„Nein“, gab Gabriel ehrlich zu. „Siehst du? Wenn du herunter fällst, tust du dir weh.“ „Keine Sorge, Arthur, wir passen auf den Kleinen schon auf“, mischte sich Gawain ein, der sein Pferd direkt neben Arthurs lenkte. „Geh zu deiner Frau und hilf ihr in den Sattel. Dein Kleiner ist bei uns in den besten Händen.“ „Genau! Immerhin sind wir jetzt so etwas wie seine Onkel“, erklärte Galahad, der ebenfalls aufschloss. Begeistert blickte Gabriel die beiden Ritter an. Es gefiel ihm, plötzlich soviel Verwandtschaft zu haben, eine Familie, die er mit dem Auftauchen seines Vaters erhalten hatte. Arthur nickte leicht, er wusste, er konnte sich auf seine Männer verlassen, und ging zu Shae hinüber.

Tristran hielt die schwarze Stute, die sie reiten sollte, an den Zügeln. Ruhig stand das Tier da und wartete bereits sehnsüchtig darauf, sich bewegen zu dürfen. „Danke, Tristran! Den Rest erledige ich selbst. Begib dich bitte an die Spitze des Zugs, damit du ein Auge auf unsere Umgebung hast“, bat Arthur, als er zu den Beiden stieß. Knapp nickte Tristran und gab seinem Pferd ein stummes Zeichen. Das Tier fiel sofort in einen leichten Trab und setzte sich vor den gesamten Zug, vor die Ritter, damit er sie nach Hause führen konnte. „Er ist sehr schweigsam“, stellte Shae fest. „Das ist Tristran, wie er leibt und lebt. Du musst niemanden von ihnen fürchten.“ „Das tue ich nicht. Sie sind deine Freunde. Wie könnte ich da ihre Loyalität in Frage stellen?“

„Sie sind nun auch deine Freunde. Wenn ich nicht mehr dazu in der Lage bin, werden sie euch, Gabriel und dich, beschützen. Ab heute kannst du dich im Freien bewegen, ohne Angst vor einem Überfall haben zu müssen. Tristran wird immer auf dich aufpassen.“ „Auch wenn ich mich auf deinen Schloss bewege?“ „Ja. Auch wenn du ihn nicht siehst, er wird immer da sein und über dich wachen. Er weiß, du bist das Wichtigste, was ich in meinen Leben habe. Und er wird dich mit seinem Leben beschützen.“ „Ich habe also sozusagen einen Leibwächter“, sprach Shae amüsiert. „Du hast den besten Leibwächter, den ich finden konnte. Seinen scharfen Augen entgeht nichts. Deine Sicherheit ist bei ihm in den besten Händen.“

„Daran hege ich keine Zweifel. Immerhin ist er dein Späher.“ „Bist du soweit?“ „Ich warte seit Jahren darauf, mit dir fortzugehen.“ „Kannst du denn einfach so Abschied nehmen von deiner Heimat? Du bist hier aufgewachsen.“ „Für mich ist das kein schmerzhafter Abschied. Es ist mir gleich, Arthur. Mich verbindet nichts mit diesem Dorf. Die Menschen haben mich, aufgrund der Probleme mit meiner Mutter, schon lange als Aussätzige behandelt. Ich werde niemanden vermissen. Das einzig Gute, das jemals hier geschehen ist, war unsere Begegnung. Du hast einen Weg in mein Dorf gefunden, um mein Leben zu ändern. Und das hast du auf ganzer Linie getan. Unsere Begegnung ist die einzig positive Erinnerung, die ich mit meinem Dorf in Verbindung bringe.“

Ein warmes Lächeln glitt über Arthurs Lippen. In den vergangenen Jahren hatte sie viel Schlechtes erlebt. Dennoch hatte sie an ihrer Liebe festgehalten. Diese Frau war wahrlich einzigartig, so besonders, das er sich manchmal fragte, ob er sie wirklich verdiente. Vielleicht war sie wirklich Gottes Belohnung für all die harten Kämpfe, die er geführt hatte, für seinen unermüdlichen Einsatz, Britannien den Frieden zu schenken. Arthur nutzte die Gelegenheit und küsste sie zärtlich. „Lass uns nach Hause reiten“, murmelte er an ihren Lippen. „Ja, lass uns nach Hause reiten. Ich will deinen Hof gerne sehen.“ „Unseren Hof“, korrigierte er sie lächelnd.

„Das hört sich noch etwas seltsam an. An den Gedanken muss ich mich wohl noch gewöhnen.“ „Du hast den Rest unseres Lebens Zeit dafür.“ Shae hob den Kopf, als sie hinter Arthur eine Bewegung wahrnahm. Als er erkannte, das sie ihn nicht mehr ansah, wandte er sich um und sah ebenfalls in die Richtung, in die Shae blickte. Erleichtert seufzte er auf, als er ihre Eltern sah, die auf sie zusteuerten. Es hat gewirkt, dachte Arthur lächelnd. Anscheinend hatte seine Rede tatsächlich Eindruck bei ihnen hinterlassen. Sie waren verunsichert, das war offensichtlich, aber ihre Einwilligung, die Reise zu begleiten, war der erste Schritt in die richtige Richtung. Shae und ihre Mutter mussten sich wieder miteinander anfreunden, mussten sich wieder nähern kommen, und auf ihrem Hof würde die Versöhnung hoffentlich gelingen.

Nervös blickte Davel den König an. Geduldig wartete dieser, bis das Wort an ihn gerichtet wurde. Arthur wollte, dass sie es von sich aus sagten. Sie mussten ihr Anliegen vortragen. „Wir ... würden gerne ... mitkommen, wenn es uns noch weiterhin gestattet ist“, erklärte Davel. Arthur blickte Shae an. In ihrem Gesicht konnte er ablesen, das sie mit diesem Zugeständnis in keinster Weise gerechnet hatte. „Die Entscheidung liegt nicht bei mir“, erklärte Arthur. Vielsagend lagen Arthurs Augen auf Shae. Bewusst überließ er die Entscheidung ihr, um ihr somit die nötige Plattform zu geben, den jahrelangen Streit mit ihrer Mutter zu beenden.

„Ich würde das sehr begrüßen“, sprach sie überwältigt. Bejahend nickte Arthur. Etwas anderes hatte er auch nicht erwartet. Sie wünschte sich eine Versöhnung. Jetzt nein zu sagen, würde all diese Hoffnungen begraben. Das Verhältnis zu ihrer Mutter würde auf ewig so angespannt bleiben, wie es zur Zeit war. Doch mit ihrem Zugeständnis konnte sich ab nun etwas ändern. Sie brauchten Zeit, das war Arthur klar, aber es war nicht alles verloren. Und vielleicht würde Clouvie nicht nur endlich eine Mutter für Shae werden, sondern auch eine Großmutter für Gabriel.

Instinktiv trat Shae einen Schritt vor und fiel ihrem Vater in die Arme. Mit einem leisen Seufzen schloss er diese sofort um sie und drückte sie fest an sich. „Du hattest stets Recht, mein Kind“, flüsterte er an ihrem Ohr. Leicht hob Shae den Kopf, um ihren Vater ansehen zu können. „Womit?“ „Du hast immer gesagt, er würde zurückkommen und dich holen. Ich habe in den vergangenen Jahren oft an deinen Worten, an deinem unerschütterlichen Glauben an ihn, gezweifelt, auch, weil du dich immer geweigert hast, uns seinen Namen zu verraten. Denkst du nicht, es wäre leichter für dich gewesen?“ „Was hätte es geändert? Ihr habt euch eine Meinung über ihn gebildet, ohne ihn zu kennen. Da hätte es auch nichts gebracht, seinen Namen zu erwähnen. Ich wollte Arthur nur schützen.“ „Wovor denn, Shae?“ „Vor dem schlechten Gerede“, erklärte sie knapp.

„Er war meine Erinnerung, mein Erlebnis. Das wollte ich ganz für mich alleine behalten. Meine Erinnerung an ihn wollte ich nun einmal mit niemanden teilen, nicht einmal mit dir, Vater. Was sagst du jetzt? Wie findest du ihn?“ „Er ist unser König.“ „Und nun zählst du zu seiner Familie. Du musst keine Scheu vor ihm haben. Er mag König sein, aber in allererster Linie ist er mein Mann und er ist der Vater deines Enkelkindes.“ „Gabriel sieht wirklich aus wie er.“ „Ja, dass tut er. Glaube mir, Arthur ist das Beste, was mir jemals passieren konnte. Er macht mein Leben vollkommen.“ „Jetzt verstehe ich es. Ich habe Jahre dafür gebraucht, aber nun ist es mir klar. Du hast immer gut daran getan, an ihn zu glauben, daran festzuhalten, das er seinen Weg zu dir zurück findet“, sprach Davel lächelnd und hauchte seiner ältesten Tochter einen Kuss auf die Stirn.

„Danke für deine Unterstützung, auch wenn sie heimlich geschah“, murmelte Shae und drückte ihren Vater noch einmal fest an sich. Davel hatte einen Kloß im Hals, das konnte er nicht bestreiten. Er war sichtlich erleichtert, das seine Tochter ihm sein Verhalten verzieh. Öffentlich hatte er sie abgelehnt, so wie seine Frau darauf bestanden hatte, aber im geheimen, im Schutze der Nacht, war er zu ihr gegangen, um sich zu informieren, wie es ihr ging. Sie war seine Tochter und er liebte sie, auch wenn ihr Verhalten nicht seine Zustimmung getroffen hatte. Oft genug hatte er geglaubt, Shae würde sich etwas einbilden, würde an eine Lüge glauben, die ein Ritter ihr erzählt hatte, nur um sie zu beschwichtigen. Doch sie hatte Arthur richtig eingeschätzt. Sie hatte sich einen ehrenvollen Mann in ihr Leben geholt, ein Mann, der sein Versprechen eingehalten hatte und zu ihr zurück gekommen war.

Shae löste sich aus der Umarmung ihres Vaters. Ihre Augen wanderten zu ihrer Mutter hinüber, die starr neben ihnen stand, und sich das Szenario schweigend ansah. Sie wollte etwas zu Clouvie sagen, doch Shae verstummte geradezu, als sie den missbilligenden Blick ihrer Mutter bemerkte. Leise seufzend wandte sie sich ab. Jols hatte inzwischen zwei weitere Pferde für Shae Eltern besorgt. Davel half seiner Frau in den Sattel, während Arthur das Gleiche bei Shae tat. Er bemerkte ihre Enttäuschung über das noch immer sehr sture Verhalten ihrer Mutter. Es gab nichts, was sie vor ihm verbergen konnte. Arthur entging kein kleines Detail bei Shae.

„Lass ihr Zeit“, sprach er aufmunternd auf sie ein. „Sie muss sich an die neue Situation erst gewöhnen. Gib ihr die Zeit, die sie braucht, um ihr Verhalten zu überdenken. Sie wird ihre Meinung ändern. Sie wird dir entgegenkommen.“ „Woher weißt du das so genau?“ erkundigte sie sich. „Wenn sie die Versöhnung mit dir nicht wollte, wäre sie nicht gekommen. Sie sehnt sich ebenso danach wie du. Sie kann es nur nicht so offen zeigen. Gehe es ruhig an, Shae. Zwischen euch ist soviel vorgefallen. Das kann man nicht von heute auf morgen verzeihen. Es ist dein gutes Recht, wütend auf sie zu sein, enttäuscht darüber zu sein, das sie dir nicht beistand, als du sie gebraucht hast. Sie wird ihre Fehler erkennen und auf dich zugehen. Den ersten Schritt hat sie bereits getan.“

„Du findest immer die richtigen Worte. Das sind die Worte eines wahren Königs“, lächelte Shae. „Nein, es sind die Worte eines Mannes, der es nicht erträgt, das seine Frau traurig ist. Du hast keinen Grund mehr dafür. Uns stehen nur noch glückliche Zeiten bevor.“ „Ich glaube noch immer, in einem Traum gefangen zu sein.“ „Dann träumen wir ihn eben gemeinsam“, schlug Arthur lächelnd vor. Leicht beugte sich Shae zu ihm hinunter. Kurz verschloss er ihre Lippen mit seinen, genoß den Kuss, den er mit ihr teilte. Auch wenn er König war, Arthur schämte sich seiner Gefühle, die er der Öffentlichkeit präsentierte, in keinster Weise. Zulange hatte er auf sie gewartet. Zulange hatte er sich danach gesehnt, sie wieder in den Armen halten zu dürfen. Und seinetwegen konnte die ganze Welt Zeuge dabei sein, wie sehr sein Herz sich freute, seinen Engel wiederzuhaben.

Galahad achtete noch immer auf Gabriel, als Arthur zu ihnen kam und sich hinter seinen Sohn in den Sattel schwang. Nickend dankte er seinem Ritter, das er auf seinen Jungen aufgepasst hatte. Dieser verstand den stummen Wink und trieb sein Pferd leicht an, um sich in der Mitte des Zuges zu platzieren. Shae lenkte ihr Pferd neben Arthurs. Zärtlich streichelte sie durch das Haar ihres Sohnes. Gabriel war aufgeregt, konnte es gar nicht erwarten, das Dorf zu verlassen. Sein Vater hielt sein Versprechen und brachte sie fort, brachte sie zu einem besseren Ort, einen Ort, den er Heimat nannte. Nun würde es ihre gemeinsame Heimat, ihr zu Hause, werden.


~ 16. ~
Gespräche

Sie waren schon seit mehreren Tagen unterwegs. Mit leuchtenden Augen sah sich Shae die wilde Natur an, jene Gegenden, die sie hinter sich ließen. Sie hatte noch nie die Welt außerhalb ihres Dorfes zu Gesicht bekommen. Und auch Gabriel war überwältigt von den Wäldern, die er sah. Arthur ritt an Lancelot vorbei, der Mayelle und ihre Tochter beschäftigte, nickte Dagonet, bei dem Gabriel inzwischen auf dem Pferd saß, leicht zu, strich seinem schlafenden Sohn sanft über das dunkle Haar, und lenkte sein Tier direkt neben Shae, die in eine Unterhaltung mit Jols vertieft war.

Jols begrüßte Arthur, wusste instinktiv, das er jetzt überflüssig war. Mit ein paar kurzen Worten verabschiedete er sich und trieb sein Pferd an, um zu Galahad und Gawain aufzuschließen. Arthur griff hinter sich, entfernte einen Gegenstand, der an seinen Sattel befestigt war, und legte Shae die warme Decke um die Schultern. Lächelnd registrierte sie seine Geste. „Du frierst“, stellte er bloß fest. „Ich bin die kalten Nächte Britanniens gewohnt, Arthur. Schließlich bin ich hier geboren und aufgewachsen.“ „Ich weiß. Das kann mich aber nicht daran hindern, mich um deine Gesundheit zu sorgen. Der Wind ist heute sehr stark, Liebes. Fühlst du dich noch fit genug?“ „Ich bin ein wenig erschöpft“, räumte sie ehrlich ein. Verständnisvoll schenkte Arthur ihr ein Lächeln.

„Ich weiß, der Ritt ist anstrengend. Aber wir sind bald an unserem Ziel. Der stärker werdende Wind ist ein Zeichen, dass wir bald zu Hause sind. Wir nähern uns stetig der Küste.“ „Deine geheimnisvolle Stadt, die noch keinen Namen trägt“, erwiderte sie sein Lächeln. „Ja, genau.“ „Wieso fällt dir die Namensgebung so schwer? Du bist ansonsten doch auch sehr einfallsreich.“ „Vielleicht, weil diese Stadt ein Symbol des Friedens darstellt, und vielleicht, weil es das zu Hause meiner Familie ist. Schließlich sollt ihr euch dort wohl fühlen.“ „Das werden wir. Darüber musst du dir wirklich keine Gedanken machen. Wir finden einen passenden Namen“, versicherte sie ihm, beugte sich zu ihm hinüber und teilte einen kurzen, überaus zärtlichen Kuss mit Arthur.

„Ich bin zuversichtlich, denn ich hege die Hoffnung, das du es wissen wirst, wenn du unsere Stadt siehst“, flüsterte Arthur, schenkte ihr ein liebesvolles Lächeln. „Warum bist du dir dessen so sicher?“ „Weil ich dich kenne, Shae.“ „Obwohl wir so lange getrennt waren, habe ich das Gefühl, das du genau weißt, wie es in mir aussieht.“ „Das weiß ich auch. Das wusste ich immer.“ „Niemand kennt mich so gut wie“, lächelte sie leicht. Sie warf einen Blick über die Schulter, betrachtete Gabriel, wie er vor Dagonet im Sattel schlief. Die Reise erschöpfte ihn sichtlich. Das überraschte sie auch nicht sehr. Der Ritt war anstrengend und dauerte mehrere Tage. Er war so etwas einfach nicht gewöhnt. Außerdem wirkte sich eine solche Reise auf den Körper eines Kindes ganz anders aus als bei einem Erwachsenen.

„Es geht ihm gut“, versicherte Arthur ihr, als er beobachtete, wohin ihre Augen sie zogen. „Ich weiß. Dennoch ist es für mich eine ungewohnte Situation.“ „Du hast dich jahrelang alleine um ihn gekümmert. Es ist sicher nicht einfach für dich, diese Verantwortung an jemand anderen abzugeben, zu sehen, das er auch bei anderen in guten Händen ist. Ab den heutigen Tag wirst du entlastet, Shae.“ „Ich habe mich nie beklagt, Arthur.“ „Das würde ich dir auch nie unterstellen, aber ich sehe, das du erschöpft bist.“ „Das liegt an der Reise.“ „Nein, Liebes, das liegt an der vielen Verantwortung, die du mit dir herum trägst. Jetzt ist es nicht mehr nötig. Du bist damit nicht mehr alleine. Ab heute teilen wir alles miteinander, besonders die Verantwortung für unseren Sohn.“

Shae schenkte Arthur ein Lächeln. Seine Worte wirkten äußerst beruhigend auf sie. Aber etwas anderes, als das, was er gesagt hatte, hatte sie von ihm auch nicht erwartet. Sein Verantwortungsgefühl, für dieses Land, für die Menschen, die er liebte, war einfach Teil seines Charakters. „Wenn wir zu Hause sind, wird sich für dich alles ändern.“ „Was habe ich als Königin schon großartig zu tun, außer dich glücklich zu machen?“ „Du bist meine wichtigste Beraterin, in allen Dingen, meine Königin.“ „Ich habe doch von Politik keine Ahnung, Arthur.“ „Du hast ein gutes Herz. Das genügt, um gerecht entscheiden zu können. Alles andere werde ich dir schon noch beibringen.“

„Reicht es nicht, wenn ich als deine Königin einfach hübsch lächle?“ zog sie ihn auf. Verneinend schüttelte Arthur den Kopf. „Mir reicht das nicht. Du schaffst das schon, Shae. Für den Notfall, das mir etwas passiert, musst du in der Lage sein, die Regierungsgeschäfte fortzuführen.“ „Ich hoffe, das dieser Notfall nie eintritt.“ „Das hoffe ich auch, dennoch möchte ich dich auf so etwas vorbereiten.“ „Mir bleibt wohl keine andere Wahl, oder?“ „Ich werde dich nicht zwingen, das weißt du.“ „Schon gut. Ich verstehe, das es sein muss. Ich hätte mir nur nie erträumt, das ich einmal in die Politik meines Landes eingeweiht werde.“ „Alles, was ich für Britannien getan habe, habe ich alleine für dich getan“, sprach Arthur. Leicht nickte Shae. Ja, sie wusste, das er alle Schwierigkeiten, alle Hindernisse, die sich ihm bei seinem Vorhaben in den Weg gestellt hatte, ihretwegen auf sich genommen hatte.


Shae hob den Kopf, als sie hinter sich Schritte vernahm. Arthur hatte eine Pause beschlossen, damit sich die Gruppe, vor allem aber sie, ein wenig erholen konnte. Der lange Ritt war äußerst anstrengend für jemanden, der es nicht gewohnt war, ständig im Sattel zu sitzen. Sie vertrat sich die Beine, spürte ständig Tristrans scharfe Augen auf sich, der ein wenig abseits von ihr stand, und sie beobachtete, genauso, wie Arthur es ihr mitgeteilt hatte. Ihr Blick richtete sich über die Landschaft, die sich ihren Augen offenbarte. Der Wind brachte Arthurs Umhang durcheinander. Instinktiv schlang sie ihn etwas enger an sich. Sie stand auf einer kleinen Anhöhe und atmete die frische Luft ein.

Mit einem Lächeln kommentierte sie Lancelots Anwesenheit. Sein Blick traf sich mit dem von Tristran. Mit einem stummen Nicken gab er ihm zu verstehen, das er die Umgebung erkundschaften konnte. Er würde derweil bei Shae bleiben und auf sie acht geben. Tristran nickte ebenfalls, ein Zeichen, das er verstanden hatte und verschwand zwischen den Bäumen, um seiner Pflicht als Späher nachzukommen. „Geht es dir gut?“ erkundigte sich Lancelot. „Ja. Ich bin nur etwas müde.“ „Das sieht man dir an.“ „Danke, Lancelot, das war jetzt nicht sehr feinfühlig.“ „Du siehst trotzdem noch immer bezaubernd aus“, sprach er schnell. Ein Grinsen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.

„Gut heraus geredet“, merkte Shae an. „Wir sind bald zu Hause.“ „Wie lange noch?“ „Ein Tagesritt. Bist du nervös?“ „Wegen was?“ „Bald bist du nicht nur seine Frau, sondern auch Königin.“ „Ich kann das noch immer nicht so recht glauben. Ich begreife nur langsam, das seine Anwesenheit tatsächlich der Realität entspricht. Manchmal muss ich ihn einfach berühren, um sicher zu gehen, das ich das nicht nur träume.“ „Ich habe dir ein Versprechen gegeben. Das nächste Mal, wenn ich dich besuche, komme ich mit Arthur.“ „Und du hast dein Wort gehalten, Lancelot“, sprach Shae lächelnd. „Ich habe in den letzten Jahren sehr gut auf ihn aufgepasst. Nicht nur, weil er mein bester Freund ist, sondern weil ich wusste, das du an dem Kummer seines Verlustes zerbrechen würdest.“

„Kennst du mich inzwischen schon so gut?“ „Ja. Das ist auch nicht schwer. Du warst für mich nie ein Rätsel, Shae. Schon damals, als wir uns das erste Mal begegnet sind, hast du offen gezeigt, was Arthur in dir ausgelöst hat. Du hast dein Herz immer jedem offenbart. Und das hat sich bis zum heutigen Tag nicht geändert.“ „Fühlst du dich inzwischen in Britannien wohl?“ „Ja. Ich habe hier eine Heimat gefunden. Das habe ich Arthur zu verdanken. Darf ich dich etwas fragen, Shae?“ „Alles. Das weißt du doch.“ „Deine Freundin Mayelle ...“, begann Lancelot. Shae lachte amüsiert auf. Insgeheim hatte sie damit gerechnet, das er das Gespräch jetzt auf Mayelle lenken würde.

„Was ist mit ihr?“

„Trauert sie noch?“ „Du musst wissen, Lancelot, Roeren war ihre große Liebe. Die Beiden waren füreinander bestimmt, aber das Schicksal meinte es mit ihnen nicht gut. Es ist mehr als das. Mayelle war dabei, als er ertrank. Sie musste ihm beim Sterben zusehen.“ „Das war sicher sehr hart für sie“, sprach der Ritter mitfühlend. Shae konnte erkennen, das es ihn wirklich traf, was Mayelle durchgemacht hatte. „Das war es. Trauert sie noch um ihn? Ich kann es dir nicht sagen. Sie vermisst ihn. Ohne ihn weiter zu machen, mit der Erinnerung an das, was sie gesehen hatte, fiel ihr sehr schwer. Die Vergangenheit holt sie oft noch ein, vor allem nachts. Es ist ein immer wiederkehrender Alptraum für sie.“

„War er ein guter Mann?“ „Ja, das war er. Roeren war nicht so wie du.“ „Wie meinst du das?“ „Er war kein Draufgänger. Er hatte kein dreistes Mundwerk. Er war sehr nachdenklich, hat nie offen ausgesprochen, was ihm gerade in den Sinn kam. Doch er hat alles getan für sie.“ „Dann stehen meine Chancen wohl schlecht“, überlegte Lancelot laut. „Nein, das tun sie nicht. Im Gegenteil, so glaube ich, das deine Chance außerordentlich gut stehen. Ich finde, du solltest dich weiterhin um sie bemühen. Jemand wie du, der einen völlig anderen Charakter als Roeren besitzt, ist genau das, was Mayelle braucht, um wieder glücklich zu werden. Das Glück ist ihr schon lange fremd. Sie wird dich belohnen, Lancelot. Gib ihr nur etwas Zeit. Du hast sie sehr gerne, nicht wahr?“

„Sie ist eine sehr hübsche Frau. Das ist mir schon vor vier Jahren aufgefallen.“ „Meinst du es ernst?“ „Prüfst du gerade meine Absichten?“ hakte er lachend nach. „Ja, genau das tue ich. Sie ist meine beste Freundin. Ihr Glück ist mir sehr wichtig, weil sie es einfach verdient ... nach allem, was sie für mich getan hat.“ Lancelot warf einen Blick über die Schulter und sah zu Mayelle hinüber. Sie versorgte sein Pferd gerade mit Wasser. Für einen Moment verlor er sich in ihrem Anblick, in der Art und Weise, wie sie sich bewegte, wie sie ihr langes Haar zurück strich. Er mochte die Anmut ihres Körpers, mochte es, wenn sie ihm die Stirn bot, aber ihm gleichzeitig dieses scheue Lächeln schenkte, das ihm erzählte, das sie längst vergessen hatte, wie es war, wenn ein Mann sich um sie kümmerte.

„Ich kann dir nicht genau sagen, was es ist, aber etwas zieht mich zu ihr. Als Arthur uns erzählte, das er dich endlich holen würde, war mein einziger Gedanke nur, ob deine Freundin noch frei ist. Der Gedanke, das sie womöglich längst geheiratet hatte, gefiel mir nicht besonders. Je mehr Zeit ich mit ihr verbringe, desto einmaliger erscheint sie mir.“ „Das ist sie auch. Du musst Geduld mit ihr haben. Und ich beschwöre dich, wenn du nur auf ein wenig Spaß aus bist, dann suche dir eine andere. Dafür ist Mayelle nicht geschaffen. Brich’ ihr bitte nicht das Herz, Lancelot.“ „Ich werde mir Mühe geben“, versprach er Shae. Mehr konnte er wirklich nicht von sich preisgeben. Mit einer Frau Spaß zu haben, fiel ihm leicht. Sein Herz aus der Hand zu geben war hingegen eine ganz andere Geschichte. Er hatte sein Herz noch nie einer Frau geschenkt.

„Mayelle wird das ändern“, sprach Shae neben ihm. Als er ihrem Blick begegnete, wurde ihm bewusst, das sie seine Gedanken genauestens erraten hatte. „Was wird sie ändern?“ „Sie wird dir zeigen, das es dich nicht in Gefahr bringt, wenn du dein Herz jemanden schenkst. Du musst die Liebe nicht fürchten, Lancelot.“ „Sie ist unberechenbar. Du kannst sie nicht kontrollieren. Es gefällt mir nicht, wenn ich nicht die Kontrolle über etwas habe. Zu lange hat Rom das getan, über mich, über mein Leben. Mein Herz zu behalten, war die einzige Freiheit, die ich jahrelang hatte.“ „Aber nun bist du frei. Die Liebe ist etwas wundervolles. Sie gibt dir die Heimat, nach der du dich sehnst, die Geborgenheit, die ein Mensch braucht. Sie fängt dich auf, wenn es dir schlecht geht und ist einfach da. Wenn dir etwas verloren erscheint, gibt sie dir wieder Hoffnung.“

„Hat dir deine Hoffnung erzählt, das Arthur zu dir zurück kommen wird?“ „Nein, mein Herz. Ich habe daran nie gezweifelt. Wir gehören zusammen.“ „Das tut ihr in der Tat. Aber ob ich das für mich selbst will ... weiß ich nicht.“ „Dann finde es heraus. Weißt du, ein Land zu haben, das man als Heimat bezeichnen kann, hat keinen Wert, wenn du nicht sagen kannst, du hast einen Menschen, bei dem du zu Hause bist.“ „Jetzt klingst du wie Arthur. In diesen Dingen bist du ihm sehr ähnlich“, lächelte Lancelot knapp. Mit einem Nicken verabschiedete er sich von ihr und ging zu Mayelle. Seit er sie wieder gesehen hatte, ging eine Faszination von ihr aus, die es ihm unmöglich machte, sich zulange von ihr fern zu halten.

Shae beobachtete, wie er Mayelle den Eimer Wasser aus der Hand nahm, mit dem sie auch ihr Pferd und das ihrer Tochter versorgen wollte. Mayelle kommentierte sein Hilfsangebot mit einem Lächeln. Wäre ihm seine Nähe unangenehm, hätte sie Lancelot dies schon längst gesagt. Shae kannte ihre Freundin, las in ihren Augen, das Lancelot durchaus ihr Interesse weckte. Und sie hoffte sehnlichst, das Mayelle endlich bereit war, Roeren gehen zu lassen, sich neu zu binden. Ohne Liebe sollte sie nicht leben. Lancelot konnte ihr diese geben. Er musste sich nur darauf einlassen, auf das Risiko, sein Herz jemanden zu schenken. Er gewann dadurch so ungeheuer viel. Die Liebe war ein Abenteuer, das er bis jetzt gemieden hatte. Aber vielleicht war der Zeitpunkt nun gekommen, sich dem zu stellen.

Unberechenbar ...

Ja, das war die Liebe, doch sie gab einem einfach alles, was es zu bieten hatte. Auch Lancelot würde noch lernen dies zu verstehen.


~ 17. ~
Wir gehören zusammen

Nur mit halber Aufmerksamkeit hörte Arthur dem Bericht von Tristran zu. Er ließ Shae nicht aus den Augen. Wie sie dort stand, in seinen Umhang gehüllt, der Wind, der ihr Haar und ihre Kleider aufwirbelte, erwärmte schlichtweg sein Herz. Für den Rest seines Lebens würde er damit beschäftigt sein, seine Sehnsucht nach ihr zu stillen. Der unschuldige Blick, dem sie ihm zuwarf, reichte völlig aus, um erneut vor Leidenschaft zu brennen. „Ich werde den Rest mit deinem Stellvertreter klären“, sprach Tristran in diesen Moment. Arthur hob den Kopf und begegnete den tiefgründigen Augen seines Freundes. Obwohl Tristran ihn ernst ansah, wusste Arthur, das er innerlich lächelte.

„Tut mir leid. Es ist nur ...“ „Geh zu ihr! Das ist doch das, was du willst. Für etwas anderes bist du im Moment sowieso nicht zu gebrauchen“, sprach Tristran knapp und suchte Lancelot auf, um die Details für die letzte Etappe ihrer Reise zu besprechen. Mit Arthur war, seit er Shae wieder hatte, wirklich nichts anzufangen. Doch nach der jahrelangen Trennung der Beiden war das mehr als verständlich. Arthur strich sich mit einer Hand durch das Haar und folgte dem Rat Tristrans. Sein Sohn war gut versorgt. Er befand sich in der Obhut von Jols. Dieser erzählte ihm von seiner Zeit an Arthurs Seite, eine Zeit, in der er zwar Arthur gedient, aber immer sein Freund gewesen war.

Als er bei Shae angekommen war, schlang er seine Arme um ihre Taille und zog sie nah an seinen Körper heran. Wohlig seufzte sie auf, als sie seine Umarmung spürte. „Was ist eigentlich mit dem Hadrianswall? Was wurde aus dem alten römischen Kastell?“ „Heute dient er uns als Außenposten. Ich werde Badon Hill nicht aufgeben.“ „Badon Hill?“ „Auf Badon Hill sind unsere toten Kameraden begraben.“ „Sie sind alle sicher sehr stolz auf dich, Arthur. Du hast großartig geleistet.“ „Um welchen Preis? Fast alle meiner Männer sind tot. Ich hatte immer meine Zweifel, ob ich nicht zuviel opfere für den Frieden Britanniens.“ „Nämlich?“ „Dich.“ „Mich hättest du nie verloren. Als du damals fortgingst, versprach ich dir, auf dich zu warten, egal wie lange es dauern möge.“

„Ich erinnere mich gut. Doch hattest du wirklich nie Zweifel? Bist du nicht irgendwann an einen Punkt angelangt, an dem du glaubtest, ich hätte dich schon längst vergessen?“ „Nein. Ich wusste es immer, Arthur. Warum sollte ich auch an dir zweifeln? Hätte ich das getan, hätte ich an unserer Liebe gezweifelt. Das wäre Verrat an meinem und auch deinem Herzen gewesen.“ Shae drehte sich in seinen Armen zu ihm um. „Wenn ich irgendwann begonnen hätte zu glauben, du würdest nicht zurück kommen, was wäre das für eine Aussicht gewesen? Es hätte bedeutet, das alles umsonst war, alles, was ich für dich aufgegeben habe, die Schwierigkeiten, die ich in der Vergangenheit hatte.“ Entschieden schüttelte Shae den Kopf. Nein, er war alles wert gewesen, was sie geopfert hatte. Jeder noch so große Ärger war letztendlich ertragbar gewesen, weil sie einfach gewusst hatte, er würde eines Tages zu ihr zurück kommen.

„Es tut mir leid, das ich dir all das zugemutet habe.“ „Ich habe es gerne in Kauf genommen. Schließlich wurde ich ausreichend belohnt ... mit Gabriel und mit deiner Rückkehr. Wann wird unsere Hochzeit stattfinden?“ Ein breites Grinsen glitt über Arthurs Gesicht. Offenbar konnte sie es gar nicht abwarten, offiziell seine Frau zu werden. Doch ihm ging es in dieser Hinsicht ähnlich. Er würde sie lieber heute als morgen ehelichen. „In wenigen Tagen. Die Vorbereitungen werden beginnen, sobald wir zu Hause sind.“ „Und wer wird die Zeremonie vornehmen? Pelagius kann es leider nicht mehr tun.“ Für einen kurzen Moment zeichnete sich ein Schatten in Arthurs Augen ab. Ja, Pelagius würde Shae leider nie kennenlernen. Er hätte sie einander gerne vorgestellt, denn er wusste einfach, das sein alter Lehrmeister sie sehr gemocht hätte. Sein Wunsch war gewesen, das Pelagius sie traute. Das würde jedoch nicht mehr geschehen können.

„An unseren Hof lebt ein Glaubensmann aus Rom. Er hat Rom schon vor einigen Jahren den Rücken gekehrt.“ „Wieso?“ „Weil er, genau wie ich, enttäuscht wurde von dieser Macht. Viele Entscheidungen Roms hat er nicht gebilligt. Und er wird in Rom nicht mehr gerne gesehen. Er äußerte wohl einmal zu oft öffentlich seine Meinung. Bei uns fand er eine neue Heimat. Er ist in der Stadt geblieben, um die Bauarbeiten zu kontrollieren. Bis sie fertig ist, wird es noch eine ganze Zeit vergehen.“ „Solange sie uns ein Dach über den Kopf gibt, ist mir das egal. Wirst du von Rom akzeptiert? Als König von Britannien? Als unser Anführer? Oder strafen sie dich mit Verachtung, weil du es gewagt hast, dich gegen ihre Politik zu stellen?“

„Am Anfang war es schwer. Sie nahmen mich nicht sonderlich ernst, dachten, sie könnten mich bei Verhandlungen über den Tisch ziehen. Doch ich habe mich durchgesetzt. Ich habe ihnen klar gemacht, das die Verantwortung dieses Landes nun in meinen Händen liegt. Inzwischen haben sie mich als König Britanniens anerkannt. Ich habe sogar ihren Respekt, auch wenn es schwere Arbeit war, diesen zu bekommen.“ „Ich bin stolz auf dich. Habe ich dir das schon gesagt?“ „Nicht oft genug“, grinste er frech. Ein heiteres Lachen entrang sich Shaes Kehle. „Werde ich mit Rom auch in Berührung kommen?“ „Natürlich. Ich werde dich ihnen vorstellen. Schließlich bist du Teil meines Lebens. Und nun bist du auch Teil der Politik Britanniens. Sie müssen wissen, mit wem sie es zu tun haben.“

„Das ich soviel Verantwortung bekomme, wenn wir uns wiedersehen, ist etwas, womit ich nicht gerechnet habe.“ „Kann ich mir vorstellen, doch du wirst all deine Aufgaben zur Zufriedenheit aller erledigen.“ „Dennoch wäre es mir lieber, wenn ich mit Rom nicht allzu viel Kontakt habe.“ „Keine Sorge, Liebes, ich werde mein Bestes tun, um deinen Wunsch zu erfüllen“, flüsterte Arthur und fing zärtlich ihren Mund mit seinem ein. Stürmisch versanken sie in der Liebkosung. Shae legte ihre Hände an seinen Wangen. „Ist das für einen König nicht ein zu ungezügeltes Verhalten?“ zog sie ihn auf. „Mir wird das wohl keiner verübeln. Ich musste so lange auf dich verzichten. Tut mir leid, aber wenn du glaubst, das ich mich bei deinem Anblick zurück halten kann, täuscht du dich. Dich zu berühren ist für mich schon zu einer Sucht geworden. Meine Sehnsucht nach dir gehört einfach gestillt.“

„Wurde sie das nicht schon?“

„Bei weitem nicht. Da musst du noch viele Nächte mit mir verbringen“, lächelte er anzüglich. „Ich stehe dir für alles zur Verfügung, das weißt du doch“, raunte sie ihm zu. Shae schlang ihre Arme um seinen Nacken. Ihrer Bitte nach einer innigen Umarmung kam Arthur sofort nach. Engumschlungen standen sie einfach nur da und genossen die Anwesenheit des Anderen. Ihre Einsamkeit war vorüber. Ihre Herzen bekamen endlich, wonach sie verlangten ... einen Weg, den sie gemeinsam gingen. Shae war so unendlich froh, das er die Schlachten der vergangenen Jahre überlebt hatte, das er wieder bei ihr war, sein Versprechen eingelöst hatte. Und Arthur war einfach nur erleichtert, das ihre Treue und ihre Liebe weiterhin ihm galt. Ja, sie hatte tatsächlich nie an ihm gezweifelt.


Kopfschüttelnd beobachtete Lancelot Arthur und Shae. Tristran hatte sich schon wieder entfernt, nachdem er mit ihm noch ein paar Einzelheiten abgeklärt hatte. Der König und seine Geliebte scheuten sich wahrhaftig nicht, ihre Gefühle offen zu zeigen. Es interessierte sie nicht, wer dabei anwesend war. Die Menschen um sie herum waren ihnen egal. Jeder sollte erkennen, wie viel sie einander bedeuteten. „Lancelot“, sprach ihn jemand von der Seite aus an. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die weiche Stimme. „Das, was du da tust, gehört sich nicht“, wies Mayelle ihn zurecht. „Wieso nicht?“ erkundigte er sich grinsend. „Lass den Beiden ihre Privatsphäre. Du musst sie nicht stets beobachten.“ „Da hast du Recht. Ich sollte dich viel öfter beobachten.“ Mit funkelnden Augen blickte Mayelle ihn an. In den letzten Tagen ihrer Reise waren sie vertraulicher miteinander geworden. Sie hatte ihm das Du angeboten, weil sie es unpassend fand, ihn weiterhin höflich anzureden, wo er sich so liebevoll um ihre Tochter kümmerte. Er wollte ihr auf der Reise zu Arthurs Stadt einfach die Last abnehmen, dauernd ein Auge auf das Kind haben zu müssen.

„So habe ich das nicht gemeint“, blockte Mayelle ab. Ein dreistes Grinsen stahl sich auf Lancelots Gesicht. „Geht es dir gut?“ erkundigte er sich. „Ich bin erschöpft. Eine solche Reise bin ich nicht gewöhnt. Ich war mein Leben lang immer nur im Dorf.“ „Wir sind bald an unserem Ziel. Ein Tagesritt noch, Mayelle, dann sind wir zu Hause.“ „Wie ist es dort?“ „Wunderschön. Die Stadt soll Arthurs Symbol für Einigkeit werden. Sie liegt nahe an der Küste. Du hast einen wundervollen Ausblick über das Meer. Du kannst dabei zusehen, wie sich die Wellen an den Klippen brechen. Der Horizont erscheint dir unendlich. Morgens kannst du einen einmaligen Sonnenaufgang erleben, wenn du beobachtest, wie der Horizont nach jeder Nacht erneut lebendig wird, die Sonnenstrahlen, die über das Meer wandern, der Ozean, von dem der Wind eine frische Brise herüber trägt.“

Seine Erzählung machte Mayelle neugierig. Lancelot verstand sich auf dem Gebiet, seine Geschichten zu verkaufen, sie so lebendig zu erzählen, das der Zuhörer sich wünschte, ein Teil davon zu sein. „Hat er diesen Ort bewusst dafür gewählt? Damit er Shae eine solch schöne Kulisse bieten kann?“ „Nicht nur“, erklärte Lancelot. „Von diesem Standort aus sind wir sofort gewarnt, wenn ein fremdes Volk versucht, in Britannien einzufallen. Wir würden ihre Schiffe auf mehreren Meilen Entfernung erkennen und könnten uns auf einen möglichen Angriff schnell vorbereiten. Es war eine sehr kluge Entscheidung von Arthur. Er möchte gerne wissen, wer nach Britannien kommt. Und Feinde möchte er zurück schlagen, bevor sie eine Chance erhalten, in das Landesinnere vorzudringen.“

„Das klingt traumhaft. So einmalig kann die Stadt doch nicht wirklich sein. Du lügst mich an, Lancelot.“ „Das würde ich nie tun“, gab er ernst zurück. „Diese Stadt, May, ist ein zu Hause für uns alle.“ Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie die Abkürzung ihres Namens hörte. Irgendwie war es etwas besonderes. Es machte sie zu etwas besonderem, denn Lancelot war der Einzige, der sie so nannte. Für einen kurzen Moment versank sie in dem tiefen Blick, den ihr schenkte. Oh ja, sie spürte durchaus die Gänsehaut, die er ihr bereitete. Er war der erste Mann seit Roeren, der in der Lage war, sie durcheinander zu bringen. Obwohl sie sich fest vorgenommen hatte, ihm zu widerstehen, fiel ihr das gar nicht so einfach. Er machte es ihr einfach schwer, durch die Art und Weise, wie er sich um ihr Wohlbefinden sorgte, wie er sich um sie kümmerte, und wie er sich ihrer Tochter annahm.

Saline hatte ihn bereits sehr ins Herz geschlossen. Das überraschte Mayelle jedoch nicht sehr. Sie hatte ihren Vater nie kennengelernt. Roeren war noch vor ihrer Geburt gestorben. Eine männliche Bezugsperson war ihrer Tochter stets fremd gewesen. Und plötzlich war da Lancelot, dieser stolze Ritter, der Saline zum Lachen brachte, sie zu sich auf sein Pferd holte, um mit ihr im wilden Galopp davon zu preschen. Auf einmal war da jemand, der ihr zeigte, wie es hätte sein können, wenn ihr Vater noch am Leben wäre. Lancelot gab Saline das Gefühl, das außer ihrer Mutter noch jemand für sie da war, das sich jemand um sie kümmerte, auf ihre Mutter und sie aufpasste. Er war der Erste, der die Rolle ihres Vaters übernahm ... und das absolut freiwillig. Etwas, was Mayelle bei einem Mann wie Lancelot nicht erwartet hatte.

„Was hast du eigentlich mit Shae besprochen?“ wechselte Mayelle rasch das Thema, um auch nicht länger darüber nachdenken zu müssen, wie sehr Lancelot es verstand, immer wieder aufs neue für weiche Knie bei ihr zu sorgen. „Was denkst du, worüber ich mit ihr gesprochen habe?“ „Über mich?“ „Ja.“ „Kannst du mich nicht selbst fragen? Warum gehst du mit deinem Anliegen zu Shae?“ „Weil ich glaube, du bist noch nicht bereit, mir zu erzählen, wie du deinen Mann verloren hast. Ich wollte wissen, warum du so verzweifelt diese Distanz zu mir wahren willst. Du wärst nicht ehrlich gewesen, May, das wissen wir beide. Ich verstehe es jetzt.“

Mayelle wich seinem forschen Blick aus. Es fiel ihr noch immer schwer, über Roeren zu reden. Selbst nach all den Jahren saß der Schmerz noch immer so tief. Nach wie vor hatte sie sein Bild vor Augen, jenes Bild, wie er ertrunken war. Energisch schüttelte sie den Kopf. Nein, sie wollte nicht, das dieses grauenhafte Bild wieder lebendig wurde. Zu lange quälte es sie schon. Nur am Rande registrierte sie, wie Lancelot sie umarmte, um ihr den Trost zu spenden, den sie so dringend benötigte. Sie sollte es nicht zulassen, doch es fühlte sich einfach nur schön an, von ihm gehalten zu werden. Shae hatte sie oft umarmt, ja, aber dies war etwas anderes. Das hier war seit Roerens Tod die erste Umarmung eines Mannes, der ihr offen zeigte, wie sehr sie ihm gefiel.

„Es tut mir leid. Es ist schrecklich, das du ihn auf diese Art verloren hast. Du hättest ihn überhaupt nicht verlieren dürfen“, sprach Lancelot leise an ihrem Ohr. Für mehrere Augenblicke hielt er sie einfach nur im Arm, spürte, wie ihr Kopf auf seine Schulter sank, und sie ein paar stille Tränen vergoss. „Wie viel hat Shae dir erzählt?“ „Sie hat mir genug erzählt, damit mir dein Verhalten nun klar ist.“ „Willst du wirklich mit einem Toten konkurrieren, Lancelot?“ „Nein, denn das kann ich nicht. Er wird immer ein Teil von dir sein. Immerhin ist er Salines Vater. Doch du solltest dich fragen, ob du wirklich für den Rest deines Lebens unglücklich sein willst. Glaubst du nicht, er hätte gewollt, das du aufhörst, dich zu verschließen? Er will dich sicher glücklich sehen. Und ich will das auch.“

„Und du würdest mich glücklich machen?“ „Ja“, sprach Lancelot ohne Zögern. Mayelle befreite sich leicht aus seiner Umarmung. Ihre Blicke begegneten sich. In seinen Augen konnte sie nur Ehrlichkeit erkennen. „Nicht mir musst du eine Chance geben, sondern dir selbst, May. Du musst deinem Herzen die Möglichkeit geben, wieder tiefere Gefühle zulassen zu dürfen. Du ziehst dich schon zu lange von der Welt zurück.“ Lancelot strich ihr zärtlich die Tränen aus dem Gesicht. Mayelle fühlte einen sanften Kuss, den er ihr auf die Stirn gab. Dann ging er ohne ein Wort davon.

Nachdenklich sah sie ihm hinterher. Seine Worte blieben jedoch bei ihr, schienen allgegenwärtig zu sein, so stark hallten sie in ihrem Kopf wider. Wollte sie weiterhin unglücklich sein? War das die Zukunft, die sie sich vorstellte? Zum Teufel nein! Mayelle wünschte sich eine andere Zukunft. Insgeheim träumte sie davon, sich wieder zu verlieben, wieder jemanden zu haben, auf den sie sich so verlassen konnte wie einst auf Roeren. Sie war jedoch schon so lange unglücklich, das sie längst vergessen hatte, wie Glück sich eigentlich anfühlte. Jahrelang hatte sie gebetet, das die Götter ihr jemanden schicken sollten, der den Schmerz beendete, der ihr zeigte, das mit Roeren das Glück aus ihrem Leben nicht verschwunden war. War dieser Jemand etwa Lancelot? Empfanden die Götter dies als besonders komisch? Ihr einen Mann zu schicken, der, wie er selbst sagte, alle Frauen liebte? War Lancelot aber in der Lage, auch nur eine Frau zu lieben? Konnte er das überhaupt? Das war eine Frage, die Mayelle für sich selbst noch nicht beantwortet hatte.


~ 18. ~
Unser neues zu Hause

Mit funkelnden Augen blickte Shae auf die Mauern der so genannten weißen Stadt, an der nahe der Küste eifrig gebaut wurde. Man konnte jetzt schon erahnen, wie das fertige Bauwerk aussehen würde, welchen Charme es versprühen würde. Arthur und seine Leute gaben sich die größte Mühe, etwas zu erschaffen, das für jeden eine Heimat darstellte. Diese Stadt würde ein Symbol für Arthur sein, ein Symbol für ganz Britannien. Es war ein Symbol der Einigkeit. „Und? Wie findest du sie?“ erkundigte sich Arthur. Aufmerksam betrachtete er Shae. „Sie ist wunderschön, absolut einzigartig. Doch etwas anderes habe ich auch nicht erwartet“, erklärte sie lächelnd. „Ist das unser neues zu Hause?“ fragte Gabriel dazwischen, der vor seinem Vater im Sattel saß. Bejahend nickte Arthur.

„Ja, mein Sohn, das ist unser zu Hause. Nur hat die Stadt noch keinen Namen.“ „Camelot“, flüsterte Shae. „Was?“ „Wie wäre es mit Camelot?“ „Wie kommst du auf diesen Namen?“ Schwach zuckte Shae mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, doch … es passt zu deiner weißen Stadt. Es ist ein einmaliger Name für eine einzigartige Stadt, für einen Ort, an dem alle gleich sind. Ein Ort des Friedens. Genau der richtige Ort, um Gabriel aufzuziehen.“ Arthur lächelte sanft. Nicht nur Gabriel würde hier aufwachsen. Sondern auch seine Geschwister, die durchaus geplant waren. „Camelot ist ein guter Name. Ich wusste, du würdest den passende Namen für unsere Heimat finden.“ Arthur beugte sich leicht zu ihr hinüber und verschloss ihre Lippen mit einem warmen Kuss.

„Ich hörte, unsere Stadt hat endlich einen Namen?“ störte Bors grinsend den intimen Moment. Arthur verdrehte leicht die Augen und richtete seinen Blick auf den Ritter. „Ja, sie ist nun nicht mehr namenlos. Camelot“, sprach Arthur schlicht. „Camelot? Das ist ja schon einmal ein Anfang.“ „Gefällt dir der Name nicht, Bors?“ lachte Dagonet vergnügt. „Von Namen versteht er ja nichts. Er hat seinen eigenen Kindern keine gegeben, weil er sie sich bei der großen Kinderschar, die er zu Hause hat, sowieso nicht merken kann. Stattdessen hat er ihnen bloß Zahlen gegeben“, führte Galahad sachlich aus. Die Männer brachen in lautes Gelächter aus, während Bors etwas unverständliches brummte, das niemand verstand. Doch das mussten sie auch nicht. Was auch immer er sagte, es drückte seinen Missmut darüber aus, das er schon wieder zum Ziel ihrer Witze geworden war. Das mochte Bors nämlich überhaupt nicht.

Lachend lenkte Lancelot sein Pferd neben das von Shae. Wissend sah er sie an. „Camelot? Genau der richtige Name“, sprach er zufrieden. „Danke.“ „Du hast eine sehr clevere Frau, Arthur.“ „Dessen bin ich mir bewusst“, grinste der König. „Was bin ich froh, das wir endlich wieder zu Hause sind. Ich hoffe, du hast ein gutes Plätzchen für Mayelle und ihre Tochter, Arthur.“ „Wahrscheinlich am liebsten in der Nähe deiner Gemächer, richtig?“ Lancelot schenkte seinem Freund ein schiefes Grinsen. Er kannte ihn einfach zu gut. „Benimm dich bitte, Lancelot“, warf Shae ein. „Keine Sorge, deine Freundin ist bei mir in den besten Händen. Du kannst keinen Rückzieher mehr machen, Shae. Du hast mir quasi die Erlaubnis gegeben um sie zu werben.“ „Du bist unverbesserlich“, schüttelte sie lachend den Kopf. „Nein, meine Liebe, ich bin unwiderstehlich“, korrigierte Lancelot sie mit einem frechen Augenzwinkern und ritt zurück zu Mayelle.

Schmunzelnd blickte Shae ihm nach. Lancelot war wirklich eine Klasse für sich. Sie konnte sich keinen besseren und loyaleren Freund für Arthur vorstellen als den Frauenhelden. „Er ist ein guter Mann“, versicherte Arthur ihr. „Ich weiß. Er ist das Beste, das Mayelle seit langem passiert ist. Ich wünschte, sie würde das endlich erkennen. Glaubst du aber, er ist in der Lage, sich zu binden? Auf Dauer?“ „Ja. Lancelot schaut den Frauen gerne hinterher, das stimmt. Und es gab in seinem Leben auch nicht wenige. Doch ich glaube, er kann sein Herz verschenken. Er weiß, wie zerbrechlich Mayelles ist.“ „Dessen bin ich mir bewusst“, seufzte Shae leise. Ihr Blick wanderte zu Arthur. Für einen langen Moment versanken sie in den Augen des anderen. „Bist du bereit?“ hakte er nach. Bejahend nickte sie. Ja, sie war es. Sie war es seit so vielen Jahren. Über so viele Jahre hinweg hatte sie darauf gewartet, das er sie nach Hause holte. Nun endlich war es soweit.


Aufgeregt lief Janus die Stufen hinab. Man hatte ihn darüber informiert, das der König wieder da war. Janus, der Gläubige aus Rom, der in eben jenen Rom nicht mehr gerne gesehen wurde, ließ alles stehen und liegen, um Arthur zu begrüßen. Er war froh, das er eine Heimat bei Arthur gefunden hatte, wenn dieser nämlich nicht gewesen wäre, hätte Rom ihn wahrscheinlich schon längst in den Kerker geworfen. Oder noch schlimmer. Sie hätten ihn hingerichtet. So aber stand er dem König von Britannien zur Seite, mit Rat und Tat. Er ließ ihm seinen freien Willen, er durfte sagen, was auch immer er wollte, selbst wenn es Kritik war, die er an Arthur üben musste. Arthur hörte ihm zu und diskutierte dies schließlich mit ihm. Arthur wurde nicht wütend oder erwartete, das man schwieg, wenn einem etwas nicht passte. Im Gegenteil, er erwartete, das man ihm dies offen mitteilte. In Janus‘ Augen war Arthur ein unglaublich außergewöhnlicher Mensch. Jemand wie er war ihm noch nie zuvor begegnet.

Janus war Arthur das erste Mal vor einigen Jahren in Rom begegnet. Arthur war auf Staatsbesuch gewesen und um mit Rom einen Handel abzuschließen. Dabei war ihm aufgefallen, wie schlecht die Römer ihn, Janus, behandelt hatten. Er hatte ihn darauf angesprochen und Janus hatte ihm erzählt, das man ihn deswegen so behandelte, weil er offen seine Meinung gesagt hatte, weil er sich gegen das Verhalten der Römer ausgesprochen hatte. Das hatte ihnen nicht gefallen. Einen Tag vor seiner Abreise hatte Arthur ihm das Angebot gemacht, mit ihm nach Britannien zu kommen. Er hatte ihm einen Platz an seinem Hof angeboten. Und Janus hatte ja gesagt. So war er auf die Insel gekommen. Er hatte seine Entscheidung nie bereut.

Nun stand er vor den Toren der Burg, beobachtete das Gefolge, wie sie ebenfalls ihre Arbeit niederlegte, um den König zu begrüßen. Janus war nervös. Das konnte er nicht abstreiten. Arthur hatte ihm erzählt, das er diese Reise machte, um seine Frau zu sich zu holen, diese geheimnisvolle Frau, die ihm so sehr den Kopf verdreht hatte, das er oft nächtelang nicht hatte schlafen können. Janus hatte es bemerkt, wenn Arthur nachts durch die Gänge schlich, weil der Gedanke an sie ihm den Schlaf raubte. Er hatte oft gesehen, wie Arthur inmitten seines Hofes stand und zu den Bergen hinüber blickte. Als Zeichen seines Vertrauens hatte Arthur ihm alles über Shae erzählt, jene Frau, die sein Leben verändert hatte. Arthur hatte so vieles auf sich genommen, nur um ihr eine friedliche Heimat bieten zu können.

Und jetzt würde er sie endlich kennenlernen. In wenigen Augenblicken würde Janus seiner Königin gegenüberstehen, der Frau, die das Herz des Königs erobert hatte, die ihn in wenigen Tagen heiraten würde. Bald würde sie die mächtigste Frau Britanniens sein. War sie wirklich so hübsch wie Lancelot sagte? Dieser hatte ihm berichtet, Shae würde ein einmalig bezauberndes Lächeln besitzen. Gut, wenn Lancelot so etwas sagte, musste man dem nicht unbedingt zuhören, denn laut Lancelot besaß jede zweite Frau, die ihm über den Weg lief, ein bezauberndes Lächeln. An seine Frauengeschichten gewöhnte man sich schnell, wenn man an ein- und denselben Hof mit ihm lebte. Janus konnte ihm soviel predigen, wie er wollte, er antwortete ihm immer, das die Liebe nichts für ihn wäre. Doch diese Meinung teilte Janus nicht. Er war sich sicher, das selbst Lancelot eines Tages die Liebe finden würde, dann, wenn er es am allerwenigsten erwartete.


Überschwänglich wurde der König und seine Ritter vom Volk begrüßt, als sie in die Stadt ritten. Shae konnte dem nur ein wenig überrascht gegenüberstehen. Mit einem solchen Empfang hatte sie nicht gerechnet, auch nicht damit, das man ihr zujubeln würde. Sie war doch nur ein bescheidenes Bauernmädchen, und nicht mehr. „Du irrst dich. Du bist viel mehr als das. Du bist meine Frau. Meine Königin und die ihre“, murmelte Arthur an ihrem Ohr. Sie richtete die Augen auf ihn. Es wunderte sie nicht, das er ihren Gedanken sah, das er in ihrem Gesicht genau erkannte, was ihr durch den Kopf ging. Niemand kannte sie besser als er. Er konnte an nur einem Blick ablesen, wie es ihr ging, wie sie sich fühlte, oder woran sie gerade dachte.

„Ich finde das noch immer etwas befremdlich. Ich? Königin des britannischen Volkes?“ Schwach schüttelte sie den Kopf. „Auch wenn du es nicht glaubst, es ist so. An dieser Tatsache kannst du nichts ändern, Liebes. Du wirst dich damit abfinden müssen.“ „Das befürchte ich auch. Ist das dein Gläubiger aus Rom?“ wechselte sie das Thema, als sie auf einen Mann deutete, der vor den Toren zu den Türmen geduldig wartete. Ein zustimmendes Nicken war von Arthurs Seite aus zu sehen. „Ja, das ist Janus. Er ist ein guter Mann. Und ein guter Gläubiger. Er liefert sich gerne ein paar Wortgefechte mit Lancelot.“ „Wieso das?“ „Er mag Lancelots Lebensauffassung nicht. Er ist der Meinung, Lancelot wird nur mit der Liebe glücklich.“ „Ah, ein sehr weiser Mann“, schüttelte Shae lachend den Kopf. „In der Tat. Ich glaube allerdings, die Beiden diskutieren nur so oft miteinander, weil sie das gerne tun. Sie finden Gefallen am Diskutieren an sich.“ „Das sieht Lancelot ähnlich“, erwiderte Shae.

Im Hof, direkt vor den Stufen, die zu den Schlaftürmen hinauf führten, hielten sie ihre Pferde an. Arthur stieg aus dem Sattel und half seinem Sohn ebenfalls herunter. Dieser blickte sich staunend um. Er konnte kaum glauben, das all das seinem Vater gehörte. Das dies sein neues zu Hause war. Es war in keinster Weise mit dem kleinen Bergdorf zu vergleichen, indem er seit seiner Geburt gelebt hatte. Und er konnte es kaum abwarten, alles zu erkunden, sich alles anzusehen. Vor allem sein Zimmer wollte er sehen. Ein Zimmer ganz für ihn alleine. Das hatte sein Vater ihm versprochen. Dieses Versprechen würde er auch halten. Denn wie seine Mutter hielt auch Arthur viel von Ehrlichkeit. Sie war sehr wichtig. Man musste immer ehrlich sein.

„Janus, darf ich dir Shae vorstellen?“ sprach Arthur, als er ihr die Hand reichte, damit sie leichter aus dem Sattel kam. Der Gläubige kam langsam näher. Lancelot hatte nicht gelogen. Sie war bildhübsch, und nicht nur das, das sanfte Lächeln, das sie ihm schenkte, war tatsächlich bezaubernd. „Euer Hoheit“, erwiderte Janus und verbeugte sich leicht. Verneinend schüttelte Shae den Kopf. „Nein, bitte nicht! Es ist weder diese Anrede nötig, noch die Verbeugung.“ „Wie Ihr wünscht. Ihr hattet Recht, Arthur“, merkte der Gläubige an. Arthur hatte ihm schon sehr früh diese Art von Anrede erlaubt. In diesen Punkt waren sich Shae und er wirklich sehr ähnlich. Die Frau an der Seite des Königs mochte es anscheinend genauso wenig wie er selbst.

„Worin hattest du Recht?“ hakte Shae nach. Arthur grinste breit. „Ich sagte ihm, das du sicher dagegen bist, das er dich damit anredet. Selbst dann, wenn du Königin bist.“ „Da hattest du allerdings Recht. Es freut mich sehr Euch kennenzulernen, Janus. Arthur hat mir bereits von Euch erzählt.“ „Tatsächlich?“ Bejahend nickte Shae. „Er sagte mir, Ihr würdest uns trauen.“ „Es wäre mir eine Ehre, Euch vermählen zu dürfen.“ „Ihr kommt aus Rom?“ „Ja. Ich geriet dort wegen meiner Ehrlichkeit in Schwierigkeiten. Arthur war so freundlich, mich mit nach Britannien zu nehmen, um an seinen Hof leben zu dürfen.“ „Du bist eine sehr große Unterstützung für mich, Janus“, mischte sich Arthur in die Unterhaltung ein und legte ihm kurz eine Hand auf die Schulter, als Dank, da Janus sich wirklich als absoluten Glücksgriff herausgestellt hatte. Er erinnerte ihn sehr an Pelagius, durch seine Art, durch das, was er versuchte, seinen Mitmenschen zu vermitteln. Einfach durch die Menschlichkeit, die er besaß.

„Janus, richte doch bitte das leere Zimmer im nördlichen Turm her. Es ist für meinen Sohn.“ „Euer Sohn?“ Überrascht blickte Janus auf den kleinen Jungen, der neben Arthur trat. Gut, die Verwandtschaft war nicht zu leugnen. Anscheinend hatte Arthur einige Überraschungen auf seiner Reise erlebt. Janus nickte bloß und ging hinein, in den Teil des Gebäudes, der längst fertig gestellt war und indem sich die Unterkünfte befanden, um Arthurs Wunsch zu erfüllen. Er fragte nicht nach. Jedenfalls jetzt noch nicht. Er war sich sicher, einer der Ritter würde ihn schon noch über alles informieren, was während der Reise alles geschehen war. Schließlich konnte keiner von ihnen eine solche Neuigkeit für sich behalten. Bors oder Lancelot würden ihn sicher mit Freuden über die neuen Entwicklungen aufklären.

Und während Janus das Zimmer vorbereiten ließ, wandte sich Arthur dem Volk zu, um ihnen seine Frau zu präsentieren. Das war genau das, was von ihm erwartet wurde. Sie wollten Shae sehen. Sie wollten die Frau sehen, der längst das Herz ihres Königs gehörte. Dabei hegte Arthur nur einen einzigen Wunsch. Mit ihr alleine sein. Etwas anderes wollte er nicht. Er wollte sie einfach nur in seinen Armen halten. Shae fühlte sich auch nicht besonders wohl in dieser Situation. Immerhin war sie eine Fremde für das Gefolge an Arthurs Hof. Dennoch wurde ihr zugejubelt. Für sie war es eine verrückte Welt. Arthur legte ihr einen Arm um die Schulter und zog sie näher an sich heran. Er hauchte ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn. Das Warten hatte ein Ende. Sie waren zu Hause angekommen. Seine Familie war bei ihm. Nun begann ein neues Leben für sie alle … ein gemeinsames Leben in Camelot.


~ 19. ~
Ein erster gemeinsamer Abend in Camelot

Freudestrahlend betrachteten Melina und Kytara ihre Zimmer. Sie würden sich keines teilen, nein, sie bekamen jede für sich ein eigenes. Es lag direkt neben dem ihrer Eltern. „Das ist toll“, schwärmte die vierzehnjährige Melina. „Ich hätte das niemals für möglich gehalten.“ „Ich schon“, erwiderte Shae, als sie das Zimmer von Kytara betrat. „Du wusstest immer, das er zu dir zurück kommen würde, oder?“ Fragend blickte die Mittlere der drei Schwestern, die siebzehnjährige Kytara, die Ältere an. Bejahend nickte Shae. Ihre Ankunft war gut zwei Stunden her und Arthur befand sich noch in einer Besprechung mit seinen Rittern. Noch musste sie an diesen Dingen nicht teilnehmen, um die politischen Angelegenheiten Britanniens zu regeln, aber Shae wusste, genau das kam auf sie zu, sobald sie seine Frau war.

Gabriel und Saline, Mayelles Tochter, waren auf Erkundungstour durch die weiße Stadt. Hier konnten sie sich frei bewegen, Shae wusste, es würde ihnen nichts passieren. Inzwischen wusste jeder, wer Gabriel war, und jeder Bewohner dieser Stadt würde ein Auge auf den Sohn des Königs haben. Zuletzt hatte sie ihn bei Janus gesehen, der die Bauarbeiten beaufsichtigte. Gabriel hatte unbedingt dabei sein und mehr darüber erfahren wollen. Er war schon immer ein wissbegieriges Kind gewesen. Das hatte er eindeutig von seinem Vater. Arthur hatte ihr versprochen, sich zu beeilen, damit sie ihren ersten Abend in Camelot gemeinsam verbringen konnten.

„Ja, ich wusste es immer“, bestätigte Shae, da ihre Schwestern noch immer auf eine Antwort von ihr warteten. „Warum hast du nie etwas gesagt? Wieso hast du nie gesagt, wer er ist? Mutter hätte dir sicher verziehen, wenn sie das gewusst hätte“, hakte Melina nach. Shae seufzte leise und setzte sich zu ihrer Schwester auf das Bett. „Aber das wollte ich nicht. Ich wollte nicht, das sie mir die Hand zur Versöhnung reicht, nur weil der König von Britannien Gabriels Vater ist. Ich wollte, das sie dies aus freien Stücken macht, das sie wegen mir wieder beginnt, auf mich zuzugehen.“ „Glaubst du, sie wird dir irgendwann verzeihen?“ Shae schüttelte schwach den Kopf. Das konnte sie nicht sagen. Arthurs Rede hatte bei Clouvie etwas bewirkt, ansonsten hätte sie sich nicht damit einverstanden erklärt, mit nach Camelot zu kommen. Dennoch begegnete sie ihr mit eisigem Schweigen.

„Ich weiß es nicht“, sprach Shae deshalb aufrichtig. „Wieso hast du nie etwas gesagt? Ich meine, Arthur hat in unserem Elternhaus Dinge angesprochen, die wir so noch nie zuvor gehört haben.“ Shae schenkte Kytara ein warmes Lächeln. „Weil ihr viel zu klein wart, um richtig verstehen zu können, was zwischen unserer Mutter und mir vorgefallen ist. Ihr solltet so wenig wie möglich von unserem Streit mitbekommen. Was hätte ich euch den sagen sollen? Das ich wegen einem Mann mit Mutter im Streit liege? Das sie nicht akzeptieren wollte und es noch immer nicht will, das ich mein eigenes Leben führe, das ich meine eigenen Entscheidungen treffe? Sie war schon immer stur. Das wisst ihr. Als ich mich entschied, mich gegen sie zu stellen, war es das einzig Richtige, das ich tun konnte. Es ging dabei um Arthur und mich. Es ging um unsere Liebe. Diese hätte ich niemals verraten können.“

„Du warst schon immer von ihm fasziniert. Ich erinnere mich an seinen ersten Besuch. Du konntest die Augen nicht von ihm nehmen“, grinste Kytara breit. Auch auf Melinas Lippen legte sich ein Lächeln. „Das stimmt allerdings.“ „Wie viel habt ihr damals eigentlich mitbekommen? Ich habe euch doch ins Bett geschickt.“ „Ja, schon, aber wir sind neugierig, das weißt du doch“, lachte Kytara. „Wir haben die Tür ganz vorsichtig einen kleinen Spalt geöffnet, gerade soviel, damit wir euch belauschen konnten.“ „Ihr seit unmöglich“, schüttelte Shae den Kopf. „Es war sehr aufschlussreich. Wäre sein Freund nicht aus dem Stall zurück gekommen, wärt ihr wohl in unserer Küche übereinander hergefallen.“ „Kytara“, stieß Shae erbost aus. Solche Worte kannte sie gar nicht von ihren Schwestern. Und wenn ihre Mutter wüsste, das diese sie aussprachen, würde sie wohl einen Herzinfarkt erleiden.

„Ist doch wahr“, behauptete Melina. „Niemand kann leugnen, dass das nicht Liebe auf den ersten Blick war. Ihr wart vom ersten Augenblick an völlig voneinander angetan.“ „Das kann ich nicht leugnen.“ „Danke, das du uns mitgenommen hast.“ „Ihr gehört zu meiner Familie. Ich wollte immer nur euer Bestes.“ „Du hast einen guten Mann gefunden. Er ist wirklich sehr ehrenvoll, so wie du es immer gesagt hast. Und er hat dich nicht in Stich gelassen. Er ist zurück gekommen, um dich zu holen.“ „Ich wusste immer, das er seinen Weg zu mir zurück finden würde. Ich wusste, er würde kommen … eines Tages. Schließlich hat Arthur mir das versprochen.“ „Und er hat Wort gehalten.“ „Das hat er in der Tat“, sprach Shae. Die Schwestern verfielen in eine kurze Umarmung. Ihre Zeit der Trennung, die Zeit, in der sie nicht miteinander hatten reden dürfen, war lange gewesen. Doch nun waren sie wieder vereint. Arthur hatte ihnen dies ermöglicht.


[ Zwei Stunden später ]

Über das Tal brach die Dunkelheit heran. Im Hof hörte man seine Ritter, die ausgelassen ihre Rückkehr feierten. Arthur jedoch hatte andere Pläne. Er hatte ein Abendessen herrichten lassen, für sich und seine Familie. Schließlich war es der erste Abend, den er gemeinsam mit seiner Familie in ihrer neuen Heimat verbrachte. Unruhig wippte Gabriel auf seinen Stuhl hin und her. „Ich habe Hunger“, beschwerte er sich. Shae lächelte nachsichtig. „Warte bitte, bis dein Vater zu uns kommt.“ „Braucht er noch lange?“ „Laut Galahad ist er schon auf den Weg.“ „Die Ritter sind nett“, merkte Gabriel mit dem verschmitzten Lächeln, das er von seinem Vater geerbt hatte, an. Aus Shaes Kehle entrang sich ein amüsiertes Lachen. „Ja, das sind sie“, erwiderte sie und neigte leicht den Kopf, um zur Galerie hochzublicken. Sie spürte, das jemand sie beobachtete.

Im Schatten der Dunkelheit konnte sie jedoch nur eine Silhouette ausmachen. Arthur war es nicht, das wusste sie. Die Gestalt sah verdächtig nach Tristran aus. Ein mildes Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Er nahm seine Aufgabe sehr ernst. Arthur hatte ihr gesagt, er würde sie stets beschützen, immer ein Auge auf sie und Gabriel haben, damit ihnen nicht zustieß. „Geh zu Bett, Tristran! Ich benötige deine Dienste für heute nicht mehr“, sprach sie laut. Erstaunt blickte Gabriel nach oben. Er hatte den Ritter gar nicht bemerkt. Tristran gab ihr keine Antwort, sie hörte nur die Schritte, die sich langsam entfernten. Ja, er war tatsächlich ein sehr schweigsamer Mann. Etwas anderes hatte sie allerdings nicht von ihm erwartet. Inzwischen hatte sie Tristran kennengelernt, und wusste, er tat, worum man ihn bat, ohne ein Wort zu verlieren. So auch dieses Mal.

„Tristran ist seltsam“, sprach Gabriel in der nächsten Sekunde. „Wieso?“ „Er sagt nicht viel. Und er guckt immer so böse.“ „Er ist es aber nicht, mein Sohn“, ertönte im nächsten Augenblick Arthurs Antwort. Shae hob den Kopf und blickte Arthur entgegen, wie er den Speisesaal betrat. Automatisch wanderte ein warmes Lächeln auf ihr Gesicht. Ein Lächeln, das Arthur sofort erwiderte. Arthur strich Gabriel sanft durch das Haar und beugte sich zu Shae, um sie zärtlich zu küssen. Erst dann nahm er am Tisch Platz. „Es ist einfach Tristrans Art, so zu sein, wie er sich nun einmal gibt. Dadurch, das er so schweigsam ist, ist er ein umso besserer Beobachter. Er ist ein ausgezeichneter Späher und Spurenleser. Du musst wirklich keine Angst vor ihm haben.“ „Ich habe keine Angst“, erwiderte Gabriel trotzig und schob das Kinn vor. Arthur lachte fröhlich.

„Kann ich jetzt essen? Ich habe Hunger“, wiederholte Gabriel. „Oder müssen wir noch ein Gebet sprechen?“ Shae schenkte ihrem Sohn einen warnenden Blick, sein Mundwerk könnte er wirklich von Lancelot haben, doch Gabriel tat, als würde er diesen Blick nicht sehen. „Iss ruhig“, sprach Arthur, während er für Shae und sich Wein einschenkte. „Hast du alles geklärt?“ „Ja. Bald gehören diese Besprechungen auch für dich zum Alltag.“ „Ich kann mir das noch immer sehr schwer vorstellen“, gestand Shae ehrlich. „Aber du wirst es erfolgreich meistern. Ich glaube an dich.“ „Ich weiß.“ Arthur und Shae tauschten einen liebevollen Blick miteinander aus. Für einen kurzen Moment vergaßen sie völlig, wo sie waren.

„Wieso haben Bors‘ Kinder keine Namen?“ warf Gabriel seine Frage neugierig in die Runde. Arthur richtete seine Aufmerksamkeit auf seinen Sohn. „Du hast sie kennengelernt?“ „Ja, ein paar von ihnen. Er hat ja soviele.“ „Das stimmt. Nun, Bors und Venora, hauptsächlich Bors, haben sich dazu entschieden, auf Namen zu verzichten.“ „Ist das denn üblich?“ „Nein, ist es nicht. Aber Bors ist nicht mehr der Jüngste. Der merkt sich soviele Namen nicht mehr.“ „Ach so. Dann ist es nicht, weil er so dick ist?“ „Gabriel“, zischte Shae entsetzt. Anscheinend verbrachte ihr Kind viel zu viel Zeit mit Lancelot. Das dieser so sprach, wusste sie. Aber er musste damit nicht vor ihrem Sohn anfangen. Da musste sie anscheinend mit einem gewissen Ritter ein paar ernsthafte Takte reden.

„Wo hast du das denn her?“ amüsierte sich Arthur. „Venora sagt das. Sie sagt, er wäre ein alter, dicker Brummbär.“ „Findest du das lustig, Arthur? Das dein eigener Sohn auf diese Art über einen deiner Ritter spricht?“ „Ja, ich finde es unterhaltsam. Venora hat damit gar nicht mal so Unrecht. Du hast dich heute also schon sehr ausgiebig hier umgesehen?“ Bejahend nickte Gabriel. „Es ist eine sehr schöne Stadt, auch wenn sie noch nicht fertig ist. Ich durfte Janus begleiten. Er hat viel Ahnung vom Bauen.“ „Stimmt. Deshalb habe ich ihm auch die Leitung für die Bauarbeiten übertragen.“ „Dann ist er nicht nur ein Geistlicher?“ „Nein, nicht nur. Janus ist vieles. Er übernimmt sehr viele Aufgaben an diesen Hof.“ „Dann ist er ein sehr bedeutender Mann“, stellte Gabriel fest. Arthur nickte bejahend.

Shae hielt sich bewusst etwas zurück, um der Unterhaltung zwischen Vater und Sohn lauschen zu können. Sie beobachtete die Beiden. Sie nebeneinander zu erleben, war einfach ein unbeschreibliches Gefühl. Sie waren einander wirklich so ähnlich. Die Art, wie sie lächelten, wie sie sprachen, einfach wie sie sich verhielten. Das hatte sie sich immer gewünscht. Nun hatte sich ihr Wunsch endlich erfüllt. „Das ist Janus.“ „Er hat mir von Pelagius erzählt. Stimmt es, das Pelagius dich aufgezogen hat?“ Neugierig sah Gabriel seinen Vater an. „Ja, das hat er. Pelagius war einer der besten Menschen, die mir jemals begegnet sind. Er war etwas ganz besonderes.“ „Aber er ist tot?“ Arthur nickte knapp. Er hatte zulange gebraucht, um Pelagius noch bitten zu können, zu ihm nach Britannien zu kommen. Nun würde er seine Familie nie kennenlernen. Arthur gab sich bis zu einem gewissen Punkt sogar die Schuld am Tod seines Mentors. Denn er war nicht da gewesen, um ihn zu beschützen.

„Es wird Zeit für dich ins Bett zu gehen“, mischte sich Shae ein, die sah, wie sehr Arthur mit dessen Tod noch zu kämpfen hatte. So viele Jahre lag es zurück, doch Arthur gab sich noch immer die Schuld. Das konnte sie deutlich erkennen. „Muss das sein?“ stöhnte Gabriel. „Es ist spät, Liebling. Wenn du Janus morgen wieder auf die Baustelle begleiten willst, musst du ausgeschlafen sein.“ „Und ob ich das will. Na gut, dann geh ich eben ins Bett. Gute Nacht, Vater“, lenkte Gabriel ein, der wusste, es war sinnlos, mit seiner Mutter zu diskutieren. Sie würde ihren Willen sowieso durchsetzen. Gabriel umarmte Arthur. „Schlaf gut, mein Sohn“, erwiderte diese lächelnd. Shae erhob sich ebenfalls. „Ich bin gleich wieder da“, versicherte sie Arthur und verließ mit Gabriel den Raum. Es war besser, ihn persönlich ins Bett zu bringen, um zu gewährleisten, das er auch tatsächlich ins Bett ging. Sie kannte seine kleinen Tricks. Auch wenn er damit nicht unbedingt oft bei ihr Erfolg hatte.


Nachdem Gabriel endlich schlief, fand Shae Arthur in ihrem Schlafgemach. Er stand an den hohen Fenstern und blickte auf das Meer hinaus. Mit seinen Gedanken war er bei Pelagius, das wusste sie. „Er hätte niemals gewollt, das du dir die Schuld an seinem Tod gibst“, durchbrach sie die Stille. Arthur wandte sich bei ihren Worten nicht einmal zu ihr um. Er hörte nur, wie sie näher kam. Im nächsten Augenblick schlang sie ihre Arme um seine Taille, lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter. Ihr stummer Beistand genügte völlig. Sie wollte ihm Trost spenden. Wollte einfach nur für ihn da sein, und ihm helfen, in den dunklen Stunden, in denen er sich an Pelagius erinnerte. Diese kamen immer wieder zum Vorschein.

„Es ändert aber nichts daran, das ich mich schuldig fühle. Ich hätte ihn drängen sollen, Rom zu verlassen, und zum Hadrianswall zu kommen. Er blieb in Rom, damals, als ich aufgrund meiner Pflicht als römischer Lagerkommandant nach Britannien versetzt wurde.“ „Das heißt, er ging mit dir nach Rom, als er dich bei sich aufgenommen hat?“ „Ja, dieses Rom mochte ich. Dieses Rom war noch anders als das, was wir jetzt kennen. Pelagius war schon immer ein Mensch, der sagte, was er dachte. Er sprach vom freien Willen der Menschen, davon, dass Freiheit unser aller Geburtsrecht wäre. Alles, was ich weiß, alles, was ich heute bin, verdanke ich ihm. Er hat mich zu dem gemacht, was ich letztendlich bin.“ „Ich hätte ihm gerne persönlich dafür gedankt.“ „Er hätte dich sofort ins Herz geschlossen.“

„Das freut mich zu hören. Arthur“, sprach Shae eindringlich und legte ihre Hände an seinen Wangen. Ernst blickte sie ihn an. „Hör auf damit! Hör auf, dir die Schuld an seinem Tod zu geben. Du konntest nichts dafür. Rom hat ihn getötet. Nicht du.“ „Ich war nicht bei ihm, um ihn zu beschützen. Ich hätte für ihn da sein müssen, Shae.“ „Das warst du. Er war sicher immer stolz auf dich. Ich kannte ihn zwar nicht, aber ich bin mir sicher, er hat niemals geglaubt, das du ihn in Stich gelassen hast. Hör auf, dich damit zu quälen.“ „Ich versuche es ja, doch so ganz will es mir nicht gelingen. Er hat dieses Ende nicht verdient.“ „Niemand hat ein solches Ende verdient. Erinnere dich an die guten Zeiten mit ihm. Das würde Pelagius auch wollen.“ „Ich habe seinen Tod akzeptiert, ja, aber … die Erinnerung daran kommt manchmal noch hoch.“ „Ich verstehe dich.“ „Ich weiß. Wenn mich jemand versteht, dann du, Liebes“, lächelte er sanft.

„Soll ich dich von deinem Kummer ablenken?“ schlug sie vor. „Ich bitte darum“, gab er zurück. Leicht zog Arthur sie an sich und verschloss ihren Mund mit seinem. Das war jetzt genau das, was er brauchte. Nicht nur, damit es ihn von Pelagius ablenkte, sondern auch, damit sie ihr Schlafzimmer, ihr Ehebett, endlich einweihen konnten. Aufreizend strich seine Zunge darüber, drängte sich bestimmend nach vorne. Bereitwillig teilte Shae ihre Lippen, damit seine Zunge in ihre Mundhöhle hinab tauchen konnte. Stürmisch nahm er von ihr Besitz, forderte sie zu einem heißen Spiel heraus, eine Herausforderung, die sie sofort annahm. Voller Begehren tanzten sie miteinander.

Shae spürte, wie sich seine Umarmung enger um sie schloss. Langsam drängte er sie zurück, Schritt für Schritt, bis sie bei ihrem Bett, das sie von nun an miteinander teilen würden, angekommen war. Vertrauensvoll ließ sie sich zurücksinken. Ihre Arme schlangen sich um seinen Nacken, ihre Finger wanderten höher, glitten zärtlich durch sein dunkles Haar. Auch Arthur blieb nicht untätig. Zielsicher öffnete er die Schnürung ihres Kleides und schob es ihr über die Schultern. Ihr Körper reagierte sofort auf ihn. Er bog sich ihm willig entgegen, eine Aufforderung, weiterzumachen. Sein Kuss wurde fordernder, dann glitten seine Lippen über ihren schlanken Hals, bis hin zu ihren entblößten Schultern. Das Kleid rutschte tiefer, bis er ihren Körper endgültig davon befreit hatte.

Das Feuer ihrer Leidenschaft, altbekannt, aber dennoch so neu und einzigartig, hielt sie schon gefangen. Es gab kein zurück mehr. Und sie wollten auch gar nicht zurück gehen. Sanft umschlossen Arthurs Hände ihre Brüste, streichelten sie aufreizend. Leicht neigte er den Kopf und verwöhnte sie mit seinem Mund. Leise stöhnte Shae auf, ein Laut, der ihrem Geliebten erzählte, dass sie bereits bis in die letzte Haarspitze erregt war. Sie war nun einmal machtlos gegen das, was sie in seiner Nähe fühlte, gegen das, was er mit ihr tat. Er konnte alles mit ihr machen. Seine Arme waren der sicherste Ort auf Erden für sie. Das war für sie das Paradies. Dorthin gehörte sie … in Arthurs Arme. Sie war ihm schlichtweg ausgeliefert.

Ungehindert streichelten Arthurs Finger über jeden Zentimeter Haut, der sich ihm offenbarte. Er beschäftigte sich mit ihrem Rücken, bis hinab zu ihrem Po. Gott, er hatte sie all die Jahre über so sehr vermisst. Noch immer kam es ihm wie ein Traum vor, das sie bei ihm war, das er sie wirklich berührte. Seine Lippen fanden zu ihren zurück. Immer und immer wieder küssten sie sich. Ungeduldig zerrte Shae an seiner Tunika. Arthur lachte leise, als er fühlte, wie sie ihm von seinen Kleidungsstück befreien wollte. Er richtete sich kurz auf und zog sich die Tunika über den Kopf. Achtlos landete es in einer Ecke, neben ihrem Kleid und ihren Stiefeln, die auch schon längst ihren Weg auf den Boden gefunden hatten.

Voller Lust pressten sich ihre Körper aneinander, wollten sie sich doch so nahe wie möglich spüren. Ihr Stöhnen erzählte Arthur, wie heftig sie ihn begehrte, wie groß ihre Leidenschaft nach ihm war. Erneut versanken ihre Zungen in einem animalischen Spiel. Leicht hob Arthur den Kopf und nahm sich die Zeit, sie einen langen Augenblick nur zu betrachten. Tief stöhnte er auf. Ihr Körper war eine unwiderstehliche Frucht für ihn. Sanft, beinahe andächtig, glitten seine Hände darüber, erforschten sie ihre Rundungen, während sein Mund immer wieder zu ihrem zurück kehrte. Sobald er seine Lippen von ihren entfernte, stöhnte Shae mit einem schwachen Protest auf. Sie vermisste seinen Mund in der Sekunde, in der sie ihn nicht mehr spürte. Und ihren Bitten kam Arthur gerne nach. Wie könnte er dazu auch nein sagen? Feurig presste er ihn auf ihren, ließ sie an seinem Hunger teilhaben, den er nach ihr verspürte, kostete sehnsüchtig von ihren sinnlichen Lippen.

Wie von selbst fand er zu ihr, tauchte mit seiner Männlichkeit in ihren feuchten Schoss hinab. An ihrem erotischen Spiel fehlte es an nichts. Sie harmonierten perfekt miteinander. Das war in ihrer ersten Nacht so gewesen. Und es war nach wie vor so. Geradezu stürmisch eroberte Arthur sie. Immer schneller wurde sein Rhythmus. Mit jedem Stoß, so schien es, glitt er tiefer in sie, kam er inniger zu ihr. Ihre Erregung, die Lust und das Feuer, alles, was zwischen ihnen herrschte, führte sie zu nie gekannten Höhen hinauf. In jeder Nacht, jedes Mal, wenn er Shae in seinen Armen hielt, würde dies so sein. Das wussten sie beide instinktiv. Ihre beiderseitige Erfüllung war zum greifen nahe.

Shae schlang ihre Arme noch fester um ihn. Lautstark stöhnte sie auf, klammerte sich regelrecht an Arthur, als wollte sie ihn nie mehr loslassen. Für immer sollte er bei ihr bleiben, und sie wusste, das würde er. Arthur würde sie nie mehr verlassen. Dessen war sie sich sicher. „Oh Gott, Arthur“, entkam es ihr bebend. Ihr Höhepunkt erwischte sie beide wie eine mächtige Flut, eine hohe Welle, die von ihnen Besitz ergriff. Drängend spielten ihre Zungen miteinander, während Arthur sie immer weiter ihren gemeinsamen Gipfel hinauf trug. In der nächsten Sekunde unterbrach er den Kuss mit einem beinahe animalischen Stöhnen. Shaes Stöhnen vermischte sich mit seinem. Bereitwillig gaben sie sich alles von sich, schenkten sich alles, was sie zu bieten hatten. Und so würde es für den Rest ihres Lebens sein. Ihre Worte, die sie heiser sprach, waren ein Zeugnis dafür, ein Versprechen, das sie ihm immer wieder geben würde.

„Ich liebe dich, Arthur.“


~ 20. ~
Ein klärendes Gespräch zwischen Mutter und Tochter

Shae war nervös.

So nervös war sie noch nie in ihrem Leben gewesen. Der Tag war endlich gekommen. Der Tag, an dem sie Arthur heiraten würde. In den vergangenen Tagen waren die Vorbereitungen darauf auf Hochtouren gelaufen. Jetzt war es soweit. Sie stand vor einem großen Spiegel und betrachtete sich. Sie trug ein langes, weißes Kleid, das ihre Figur umschmeichelte. Der Rock schlug wellig aus. Ein langer Schleier, der in ihrem Haar befestigt war, vervollständigte das Bild. Das Kleid hatten zwei Hofdamen gefertigt, die das Handwerk des Nähens erlernt hatten. Janus hatte dafür gesorgt, das es ganz nach ihren Vorstellungen gemacht wurde. Und in der Tat. Das war ihm bis ins Detail gelungen. Es war ein Kleid für eine Königin, für jene Königin, die sie bald sein würde.

„Wow“, sprach hinter ihr eine Stimme beeindruckt. Shae drehte sich um und erkannte Lancelot, der den Raum betrat. „Es gefällt dir also?“ stellte sie grinsend fest. „Du siehst hinreißend aus. Deine Erscheinung wird Arthur umhauen.“ „Wenn du Mayelle suchst, die ist nicht hier. Ich habe sie zu ihrem Gemach geschickt, damit sie sich selbst für die Heirat herrichten kann.“ „Ich weiß. Ich traf sie auf den Weg dorthin. Ich wollte auch zu dir.“ „Zu mir?“ „Ja. Ich wollte sehen, wie aus dem einfachen Bauernmädchen eine Königin wird. Du siehst wirklich umwerfend aus, Shae. Du könntest mich fast auf falsche Gedanken bringen.“ „Ach? Tatsächlich?“ Lancelot kam näher und blieb dicht hinter ihr stehen. Im Spiegel trafen sich ihre Blicke.

„Wäre Arthur nicht, würde ich mich auf der Stelle in dich verlieben. Dann würde ich dich packen und entführen.“ Shae schüttelte lachend den Kopf. „Tut mir leid, Lancelot, aber du hast keine Chance bei mir.“ „Ich weiß. Für dich gibt es nur Arthur. Heute geht für ihn ein Traum in Erfüllung. Du machst ihn sehr glücklich, Shae.“ „Hast du daran gezweifelt?“ „Nein. Ich habe manchmal nur an seinem Verstand gezweifelt. Das ist alles. Ich habe gesehen, wie sehr er dich vermisste, wie sehr er sich nach dir verzehrte. Ich habe dieses Spiel jahrelang beobachtet. Es war, als hätte er einen Teil von sich selbst verloren. Aber nun ist er wieder vollständig. Du machst ihn vollkommen. Und dafür danke ich dir.“

„Du dankst mir? Weshalb? Ich habe doch nichts großartiges getan“, erwiderte Shae verwirrt. Lancelot schüttelte leicht den Kopf. „Doch das hast du, ohne es zu wissen, aber du hast verdammt viel getan. Du hast Arthur eine Zukunft gegeben. Es ist mehr als das. Du hast ihm ein zu Hause gegeben. Und damit auch uns, jeden einzelnen von uns. Wir haben dadurch auch eine Heimat gefunden. Danke, Shae“, sprach Lancelot offen und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Lächelnd blickte sie ihm nach, wie er das Schlafgemach verließ. Er war selten so ernst, das wusste sie. Und wenn er es einmal war, dann waren seine ernsten Worte wirklich von großer Bedeutung. Die Ritter hatten in Britannien eine Heimat gefunden, nachdem sie solange wurzellos gewesen waren, nicht gewusst hatten, wo sie hingehörten. Jetzt wussten sie es. Arthur hatte für sie eine friedliche Welt geschaffen. Damit hatte er auch seinen treuen Rittern ein richtige zu Hause geschenkt.


Nach und nach bekam sie von den verschiedensten Leuten Besuch. Ihre Schwestern schauten bei ihr vorbei, Gabriel kam mit Venora, die ihn dann auch wieder mitnahm, damit Shae sich ein wenig beruhigen konnte, die anstehende Vermählung mit Arthur machte sie ziemlich nervös. Venora sah ihr an der Nasenspitze an, wie aufgeregt sie war, und jeder einzelne Ritter, der Arthur nahe stand, kam, um ihr Glück zu wünschen. Nur einer schwieg natürlich. Jener Ritter, der wortlos den Raum betrat, ihr kurz zunickte, und dann seinen Posten auf dem Balkon bezog. Shae musste leicht lächeln, als sie einen Blick zu Tristran hinaus warf. Arthur hatte ihm wohl aufgetragen, an diesen Tag nicht von ihrer Seite zu weichen, solange, bis sie sicher bei ihm im Hof angekommen war, und Arthur sie zu seiner Frau nahm.

Und so saß er da, am Balkon auf der Brüstung, aß einen Apfel, und ließ das Geschehen im Inneren des Raumes nicht aus den Augen. Vielleicht übertrieb Arthur ein wenig, was seine Fürsorge betraf, denn was sollte ihr in ihrem Schlafzimmer schon passieren, doch sie verstand seine Gründe. Er hatte einfach nur Angst um sie, Angst davor, das ihr etwas schlimmes zustieß, sie einem leichtsinnigen Attentäter vielleicht zum Opfer fiel, so kurz vor ihrer Eheschließung. Das wollte er um jeden Preis vermeiden. Arthur selbst hatte gesagt, es gab keinen besseren Leibwächter für sie als Tristran. Deshalb sagte sie auch nichts. Deshalb beschwerte sie sich darüber auch nicht. Eben, weil sie dies so genau wusste, schickte sie Tristran auch nicht weg.

Ein Klopfen drang durch den Raum. Shae hob den Kopf, als die Tür langsam geöffnet wurde. Sie hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit der Person, die in der Tür stand. Es war ihre Mutter. Unsicher stand Clouvie da und bewegte sich nicht. Ihr Mann tauchte hinter ihr auf. „Ich denke, deine Mutter hat dir ein Hochzeitsgeschenk zu bringen, mein Kind“, sprach er bloß und warf seiner Frau einen eindringlichen Blick zu, der ihr sagte, sie solle sich ein Herz fassen und endlich tun, was nötig war, um die Familie wieder zu versöhnen. Shae hatte dies verdient. Sie hatte ihren Sohn gut erzogen. Sie hatte einen wirklich einmaligen Mann an ihrer Seite. Alles, woran sie geglaubt hatte, war wahr geworden. Ihr Traum von einem Leben mit Arthur ging an diesen Tag in Erfüllung. Um es perfekt zu machen, musste seine Frau nun über ihren Schatten springen. Er hatte ihr lang genug Zeit gegeben darüber nachzudenken. Genau jetzt war der richtige Tag für eine Aussprache zwischen Mutter und Tochter.


Davel hatte die Tür hinter sich zugezogen. Im Zimmer herrschte Stille. Schweigend sahen sich Shae und Clouvie an. Tristran hatte sich auf seinen Posten bewegt und näherte sich langsam. Sein Blick lag fragend auf Shae. Wollte sie diesen Besuch? Wenn nicht, würde er die Frau augenblicklich vor die Tür setzen. Verneinend schüttelte Shae den Kopf. „Es ist in Ordnung, Tristran“, versicherte sie ihm. Grimmig blickte er Clouvie an. Er mochte die Frau einfach nicht. Zwar kannte er nicht alle Einzelheiten, aber es war offensichtlich, das eine eiskalte Atmosphäre zwischen den Beiden herrschte. Sie begegnete Shae nicht sehr höflich. Das hatte er mitbekommen. Das war für ihn Grund genug sie nicht zu mögen. Sie verletzte Arthurs Frau. Das konnte er nicht dulden. Wer das tat, bekam im Normalfall sein Schwert zu spüren. Aber wenn Shae sagte, es wäre in Ordnung, würde er sich nicht einmischen. Deshalb zog er sich auf seinen Platz zurück und beobachtete das Geschehen misstrauisch.

„Was willst du?“ fragte Shae geradeheraus. Mit ein paar wenigen Schritten kam Clouvie näher. „Du siehst sehr hübsch aus.“ „Lenk bitte nicht ab, Mutter. Das funktioniert bei mir nicht.“ „Ich weiß“, seufzte Clouvie schwer. „Auch wenn du mir nicht glaubst, ich wollte immer nur dein Bestes. Ich war immer der Ansicht, du hättest dich da in eine Sache verrennt. Er war bloß eine Nacht bei dir.“ „Du hättest mir einfach vertrauen müssen. Ich wusste, Arthur würde zurück kommen. Und ich hatte Recht.“ „Ich hatte keine Ahnung. Ich wusste nicht, das der König von Britannien der Mann ist, in den du dich verliebt hast.“ „Hätte es einen Unterschied gemacht? Was hätte es gebracht, dir zu sagen, das Gabriels Vater der König wäre? Hättest du dann nicht so hart über mich geurteilt, aus Angst vor einer Strafe von ihm? Vielleicht. Aber genau das wollte ich nicht. Ich wollte, das du aus eigenen Stücken zu mir kommst, um mit mir zu reden, und nicht, weil sich der Mann, den ich mein Herz schenkte, als unser König herausstellt.“

„Ich habe viel nachgedacht … in der letzten Zeit. Die Worte des Königs haben mich nachdenklich gestimmt.“ „Ich habe immer versucht, dir eine gute Tochter zu sein. Du konntest jedoch nie akzeptieren, das ich meinen eigenen Weg gehen wollte. Wieso hasst du mich so sehr?“ Eindringlich blickte Shae ihre Mutter an. Warum verhielt sie sich ihr gegenüber so? Was hatte sie getan, um diese Behandlung zu verdienen? Herr Gott, sie hatte nichts schlimmes getan, sie hatte sich nur verliebt. Das war alles. Ihre Liebe war kein Verbrechen, auch wenn Clouvie es als solches oft dargestellt hatte. Eine Sünde, so hatte sie es genannt. Das die Liebe ihrer Tochter zu diesem Ritter eine Sünde wäre. Und ebenso das Ergebnis. Sie hatte ihren Sohn eine Sünde genannt. Selbst wenn Clouvie jetzt einen Schritt auf sie zumachte, wie sollte Shae ihr all das verzeihen können? Es war einfach zuviel geschehen.

„Ich hasse dich doch nicht“, widersprach Clouvie energisch. „In den letzten Jahren hast du mir etwas anderes vermittelt.“ „Ich war entsetzlich enttäuscht von dir. Shae, ich habe immer versucht, dir die richtigen Werte zu vermitteln, dir klarzumachen, das du deine Entscheidungen gut abwägen musst. Du kanntest unsere Regeln und hast sie trotzdem ins Haus gelassen.“ „Was hätte ich tun sollen? Sie im Regen stehen lassen?“ „Es hätten auch Banditen sein können.“ „Ich bitte dich, Mutter, Arthur siehst du seine Ehre an. Wenn es etwas gibt, woran ich nie gezweifelt habe, dann an seiner Ehre. Er hätte mein Vertrauen nie missbraucht. Er hätte nie etwas getan, was ich nicht auch gewollt hätte. Er hat mich von der ersten Sekunde an respektiert.“ „Aber du hast meine Regeln nicht respektiert. Ich brachte dir etwas anderes bei. Du hast schon immer bei der erstbesten Gelegenheit gegen meine Regeln verstoßen. Das war schon so, als du noch ein Kind warst. Und das hat sich bis zum heutigen Tag nicht geändert. Du hattest schon immer deinen eigenen Kopf“, sprach Clouvie mit ernsten Blick.

Ja, sie war enttäuscht gewesen, als sie Shae damals zur Rede gestellt hatte, als diese eingeräumt hatte, das sie die Ritter ins Haus gelassen und sich in einen der Beiden verliebt hatte. Clouvie hatte es als Spinnerei abgetan. Shae war jung gewesen. Was hatte sie in diesen Alter schon von der Liebe gewusst? Sie war auf einen älteren Ritter hereingefallen, der ihre Unerfahrenheit ausgenutzt hatte. Jemand, der ihr versprach, zurück zu kommen, obwohl er niemals auch nur einen Gedanken daran verschwendet hatte. So jedenfalls hatte Clouvie dies gesehen. Und dann hatte Shae ihr erzählt, das sie von eben jenem Ritter ein Kind erwartete. Sie war so schockiert darüber gewesen, das sie sie aus dem Haus geworfen hatte. Der gute Ruf ihrer Familie … ruiniert durch das unbedachte Handeln ihrer ältesten Tochter. Das war einfach zuviel für sie gewesen. Shae hatte ihren guten Ruf für diesen Mann geopfert. Sie hatte ihr gesamten Leben umgestellt, auf ihn ausgerichtet, nur darauf, das er zurück kam, um es mit ihr zu teilen.

„Es tut mir leid, wenn ich dich enttäuscht habe. Doch ich musste diese Entscheidungen treffen. Du hast mir nie geglaubt. Egal, was es auch war, du hast mir nie geglaubt.“ „Du warst stets ein schwieriges und rebellisches Kind.“ „Wenn ich dich damit enttäuscht habe, tut es mir leid. Doch du hast meinen Sohn verletzt. Du hast meinen Mann beleidigt. Und du hattest nie Verständnis für mich. Hast du es denn jetzt? Bist du jetzt bereit, mir eine Chance zu geben?“ Scharf blickte Shae ihre Mutter an. Clouvie nickte langsam. „Ich möchte die Vergangenheit gerne ruhen lassen. Ich möchte gerne versuchen, eine anständige Beziehung zu ihr aufzubauen. Früher war uns das nie möglich. Vielleicht gelingt es uns jetzt. Und … ich möchte … ich möchte gerne mein Enkelkind richtig kennenlernen“, sprach Clouvie zögernd. Sie wusste nicht, wie dieser Wunsch bei Shae ankam. Sie konnte es nicht sagen. Aber sie hegte ihn. Ihre Enttäuschung hatte sie stets geblendet. Sie hatte das Verhalten ihrer Tochter verachtet. Das hatte soviel kaputt gemacht. Clouvie wusste das jetzt.

„Ich habe nie etwas anderes gewollt. Es stand dir immer frei, Gabriel zu besuchen.“ „Ich weiß. Ich war ein sturer Mensch, der nicht sehen wollte, wie Recht du hattest. Es ist dein Leben. Ich kann dir nicht aufzwingen, so zu leben, wie es mir für dich gewünscht habe. Es tut mir leid, Shae“, sprach ihre Mutter die Worte aus, auf die sie solange gewartet hatte. Ein kurzes Lächeln glitt über Shaes Lippen. „Ich kann dir jetzt noch nicht verzeihen. Ich kann nicht sagen, vergessen wir alles, was war. Dafür ist zuviel passiert. Doch ich nehme deine Entschuldigung an, Mutter. Natürlich hoffe ich, das sich unser Verhältnis in der Zukunft ändert, das es besser wird, als in der Vergangenheit.“ „Ich werde mir Mühe geben.“ Clouvie sah erleichtert aus. Shae konnte ihr nur dieses Zugeständnis machen. Das wusste sie. Es war zuviel verlangt, zu erwarten, sie würde ihr auf der Stelle alles vergeben.

„Danke, Mutter“, sprach Shae aufrichtig. Diese Entschuldigung war ihr wirklich wichtig gewesen. Jetzt konnte der Heilungsprozess beginnen, jener Prozess für ihr Herz, der nötig war, um endlich ein normales Verhältnis zu ihrer Mutter aufzubauen. Etwas, das ihnen irgendwie nie möglich gewesen war, zu tun. Dieses Gespräch war der erste Schritt in die richtige Richtung. Arthur hatte etwas bewirkt. Seine Worte hatten ausgereicht, damit Clouvie über alles nachdachte, ihre Fehler erkannte, und sich bei ihrer Tochter entschuldigte. Jetzt konnten sie beginnen, das zu werden, was sie schon immer waren, was in den letzten Jahren jedoch verloren gegangen war … eine Familie. Clouvies Entschuldigung war das beste Hochzeitsgeschenk, das sich Shae vorstellen konnte. Es brachte sie alle etwas näher zusammen. Ja, es gab wieder Hoffnung, Hoffnung darauf, das ihre Familie tatsächlich wieder zusammenfand.


~ 21. ~
Nur zu dir sage ich Ja

Ihre Erscheinung haute Arthur völlig um. Fasziniert betrachtete er die Frau, die aus dem Turm kam, in weiß gekleidet, und langsam auf ihm zukam. Gabriel stand neben ihm und strahlte vom ganzen Herzen. Er freute sich über die Hochzeit, darüber, nicht nur seinen Vater in seiner Nähe zu haben, sondern er sah auch, wie glücklich seine Mutter endlich war. Und nichts war dem Jungen wichtiger als das Glück seiner geliebten Mutter. Sie hatte sich immer gut um ihn gekümmert. Sie war immer für ihn dagewesen, hatte ihm eine Liebe geschenkt, die ihm erzählte, das er etwas ganz besonderes war. Und das war er. Denn der König von Britannien war sein Vater. Seine Eltern waren endlich vereint. Dies war der mit Abstand schönste Tag seines Lebens.

Das Volk jubelte. Sie standen alle im Hof und freuten sich, ein Teil dieser Vermählung zu sein. Arthur hatte auf jeglichen Staatsbesuch von anderen Mächten verzichtet. Schon gar nicht wollte er, das Rom anwesend war. Es ging hier nicht um Politik, sondern um sein Privatleben, um sein Herz, und um das von Shae. Endlich konnten sie diesen Schritt gehen, ein Tag, auf den er verdammt lange gewartet hatte. Doch das Warten hatte sich gelohnt. Wie eine gewöhnliche Frau kam sie ihm nicht vor. Nein, es war, als würde ein Engel geradezu auf ihn zu schweben. Sie sah absolut bezaubernd aus. Einfach nur wunderschön. Ein Lächeln umspielte Arthurs Lippen. Er ließ sie nicht aus den Augen. Für den Rest seines Lebens würde er sich an diesen Tag, an diesen einen ganz besonderen Moment, erinnern. Er würde ihm für immer im Gedächtnis haften bleiben.

Arthur hörte den Jubel des Volkes nicht, die sich offensichtlich sehr für ihren König freuten. Das trat in weite Ferne. Er nahm nicht einmal ihre Anwesenheit oder die seiner Ritter richtig wahr. Er konnte einfach nur Shae anblicken, als sie den Platz an seiner Seite einnahm. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Sein Puls raste. Nur ihr Anblick löste dies in ihm aus. Ein Blick von ihr, so harmlos er auch gemeint war, reichte aus, damit Arthur völlig den Verstand verlor. Instinktiv griff er nach ihrer Hand und hauchte ihr einen sanften Kuss auf die Oberfläche. Shae schenkte ihm ein warmes Lächeln, das er nur erwidern konnte. Für einen langen Augenblick verschwamm die Welt um sie herum gänzlich. Es war, als gäbe es nur noch sie beide, als würde sonst niemand anderer existieren. Arthur versank in ihren Augen. Ja, dafür würde er sterben. Er würde sein Leben geben für diese einzigartige Frau.

„Du siehst wunderschön aus“, raunte Arthur ihr ins Ohr, als er sich zu ihr hinüber beugte, und einen sanften Kuss auf ihrer Schläfe hinterließ. „Es ist nur für dich“, gab Shae ebenso leise zurück. „Ich weiß“, sprach er lächelnd. Gabriel kam zu seiner Mutter und blickte erwartungsvoll zu ihr hoch. Shae beugte sich zu ihm hinab. Er küsste sie links und rechts auf die Wange. „Du siehst sehr hübsch aus, Mutter.“ „Danke, mein Sohn“, erwiderte sie gerührt und richtete sich langsam wieder auf, während Gabriel zu seinem Platz zurück ging. Er stellte sich neben Lancelot und Mayelle. Sie waren alle da und beobachteten das Schauspiel … die Ritter, Shaes Schwestern und ihre Eltern, Bors und seine große Familie. Sie waren alle anwesend. Niemand wollte dieses Ereignis versäumen.


Und als Janus begann, die Zeremonie zu vollführen, umschlang Arthur Shaes Hände mit seinen und blickte ihr einfach nur in die Augen, während der Gläubige an seinem Hof sie mit jedem Wort, das er sprach, ihrer Vermählung näher brachte. So richtig konnte Arthur sein Glück noch immer nicht fassen. Sie hatte ihm soviel gegeben, hatte ihm bereits einen Sohn geschenkt. Shae hatte mehr als das gemacht. Sie hatte eine Engelsgeduld mit ihm gehabt. Welche andere Frau wäre bereit gewesen so lange auf ihn zu warten, so wie sie dies getan hatte? Und trotz der langen Zeit des Wartens, der Zeit ihrer Trennung, hatte sie nie begonnen, an ihm zu zweifeln. Womit hatte er das verdient? Was hatte er getan, damit Gott ihm diese Frau geschickt hatte? Sein Einsatz für seine Ritter, für Britannien und dessen Volk, war mit ihr belohnt worden. Das Schicksal hatte sie zusammen geführt.

Jeden Morgen, den Arthur nun neben ihr aufwachte, kam er nicht daran vorbei, sie zu beobachten, sie zärtlich zu berühren, um sicherzugehen, das sie kein Traum war, das sie tatsächlich bei ihm war. Er dankte Gott dafür, das sie bei ihm war, das sie auf ihn gewartet hatte, obwohl er kein Recht besessen hatte, sie darum zu bitten. Doch sie hatte es getan, freiwillig, aus eigenen Stücken. Ihre Liebe war stets etwas besonderes gewesen, von der ersten Sekunde an. Wo wäre er denn heute ohne sie? Was wäre aus ihm geworden, wenn sich ihre Wege nicht gekreuzt hätten? Welche Zukunft hätte ihn dann wohl erwartet? Arthur wusste instinktiv, diese Zukunft wäre äußerst dunkel gewesen. Es wäre eine Zukunft ohne Hoffnung gewesen. Jedenfalls für ihn.

Arthur hatte das niemals für möglich gehalten, das man sich verlieben konnte, sein Herz verschenkte, nur aufgrund eines einzigen Blickes. Als er Shae begegnet war, ihr gegenüber gestanden hatte, hatte er eingesehen, das er im Irrtum gewesen war. Es war möglich. Sie beide waren der Beweis dafür. Liebe auf den ersten Blick … ja, es gab sie. Dabei konnte Arthur nicht einmal sagen, was es genau war, das ihn an dieser Frau so sehr faszinierte. Sie hatte ihn einfach in ihren Bann gezogen. Er war machtlos dagegen gewesen. Da war etwas in ihren Augen gewesen, es war noch heute da, in das er sich einfach rettungslos verliebt hatte. Es hatte ihm schlichtweg das Herz gebrochen, als er sie nach ihrer ersten Nacht hatte zurück lassen müssen.

Jeden einzelnen Tag hatte er sich Sorgen um sie gemacht, hatte er gehofft, das es ihr gut ging. Er hatte sich in jeder freien Sekunde gefragt, was sie wohl gerade machte und ob sie an ihn dachte. Seine Sehnsucht nach ihr war so dermaßen stark gewesen, das er oft das Gefühl gehabt hatte, vollkommen verrückt zu werden. Das er eines Tages König werden würde, davon war er nie ausgegangen. Das er irgendwann für die Angelegenheiten Britanniens verantwortlich war, nein, damit hatte er nicht gerechnet. Aber es war passiert. Doch Arthur wusste genau. Für Shae war er schon immer ihr König gewesen, schon damals, in der ersten Nacht, die sie miteinander geteilt hatten. Sie hatte ihm bedingungslos ihr Herz, ihre Liebe, geschenkt, war bereit gewesen, ihr altes Leben für ihn aufzugeben, nur damit er glücklich werden konnte. Und er hatte sein Glück gefunden … bei ihr.

Der Wind streichelte durch ihr langes Haar, sorgte dafür, das der Schleier ihr Gesicht leicht bedeckte. Arthur strich ihn zur Seite, damit er weiterhin freie Sicht auf ihr hübsches Gesicht hatte. Er wollte einfach nur in ihre Augen sehen und darin versinken. Er wollte sich an ihr verlieren. Aber hatte er das nicht schon längst? Ja, er hatte sich vollkommen an sie verloren. Und er hatte dies nie bereut. In seinem Leben vor Shae hatte es einige Frauen gegeben. Viele hatten versucht, sein Herz für sich zu gewinnen. Doch aus irgendeinem Grund, den er sich selbst nicht erklären konnte, war er nicht dazu bereit gewesen. Nur ihr war das gelungen, der Frau, die nun neben ihm stand, und ihm das bezauberndste Lächeln schenkte, das sie zu bieten hatte. Shae hatte ihn verzaubert. Dafür war er ihr stets dankbar gewesen. Die quälende Zeit ohne sie war endlich vorüber. Sie war bei ihm. Und er würde sie nie wieder gehen lassen. Er würde sie nie wieder verlassen. Das war der Schwur, den er längst sich selbst, seinem Herzen, gegeben hatte. Er wollte nie wieder ohne sie sein. Dies war ein trostloses Leben. Shae machte ihn vollkommen. Jetzt endlich wurde sie auch offiziell zu seiner Frau. Zu seiner Königin. In seinem Herzen war sie all das jedoch schon längst.


Sie konnte es irgendwie noch immer nicht glauben. Shae lauschte den Worten, die Janus sprach, aber so richtig konnte sie sich nicht darauf konzentrieren. Ihre Aufmerksamkeit lag alleine bei Arthur. Sie war dabei ihn zu heiraten. Ihr sehnlichster Wunsch erfüllte sie heute, an diesen Tag. Und es war ein guter Tag. Britannien verschonte sie ausnahmsweise mit seinem nebligen und nassen Wetter. Durch die Wolken brachen einzelne Sonnenstrahlen. Es kam ihr so vor, als war dies das Geschenk von Arthurs Gott, als würde er ihnen das gute Wetter zukommen lassen, das diesen Tag einzigartig machen sollte. Aber er war es schon längst. Besser konnte dieser Tag nicht werden. Sie stand mit Arthur vor einem Gläubigen, der sie ehelichte, und ihr Sohn wurde Zeuge dessen. Was wollte sie mehr? Dies war alles, wonach ihr Herz verlangte.

Ihre Gefühle überwältigten sie geradezu. Dieser eine Moment war so dermaßen stark, das sie ihre Freudentränen nur mit Mühe zurück halten konnte. Die letzten Jahre waren nicht einfach gewesen. Doch sie hatte nie an ihm gezweifelt. Sie hatte immer gewusst, er würde zu ihr zurück kommen. Das er sie in Stich ließ … nein, das hätte sie Arthur niemals unterstellen können. So etwas gehörte nicht zu ihm. Es passte nicht zu seinem Wesen, jenes einzigartiges Wesen, das er besaß, das sie kennen und lieben gelernt hatte. Er war das mit Abstand Beste, das ihr jemals hatte passieren können. Er hatte ihr Leben verändert, auf eine Art und Weise, für die sie nur dankbar sein konnte. Ohne ihn wäre sie verloren gewesen. Sie hätte niemals richtig glücklich werden können. Nicht ohne ihn. Ja, Arthur war zum Sinn ihres Lebens geworden, in dem Moment, als er jenes betreten hatte. Das hatte sie nie bereut. Er füllte sie und ihr Leben einfach aus. Vollkommenheit … das war es, das er ihr gab, in jeder Sekunde, die sie mit ihm verbringen durfte.

Shae hatte ihre erste Begegnung vor Augen, als wäre es erst gestern gewesen, das er an ihre Tür geklopft hatte. Sie erinnerte sich noch daran, wie durchnässt er gewesen war, wie die Regentropfen an seinem Gesicht hinab gelaufen waren. Gott, er war so dermaßen attraktiv in diesen Augenblick gewesen. Wie hatte sie sich nicht in ihn verlieben können? Ihr Herz war geradezu zersprungen, hatte ihr zugeflüstert, das er der Richtige wäre. Davon hatte Shae immer geträumt. Von einem Mann, der kam, um sie aus ihrem armseligen Leben in ihrem Bergdorf zu befreien, der ihr alles gab, wonach sie sich sehnte, der ihr Herz im Sturm eroberte und nicht mehr daran dachte, es jemals wieder freizugeben. Genau das hatte Arthur getan. Sie hatte es einfach gewusst, in dem Moment, als er vor ihr gestanden hatte. Sie hatte gewusst, er war es, der Mann ihrer Träume, der Mann, mit dem sie ihr Leben verbringen wollte.

Sie hatte einfach nur mit ihm zusammen sein wollen. Alles andere war ihr schlichtweg egal gewesen. Über die Konsequenzen ihrer Handlung hatte sie damals nicht nachgedacht. Es hatte keine Rolle gespielt. Wichtig waren nur sie beide gewesen. Doch auch Angst hatte ihr Leben bestimmt, die Angst, das er ihr entrissen würde, das er in einer Schlacht fiel. Jeden Tag hatte sie darum gebetet, das sein Gott ihn beschützte, das Arthur überlebte, damit er zu ihr zurück kommen konnte. Und er hatte zu ihr zurück gefunden. In dem Augenblick, als er in ihr Dorf gekommen, als König, und er sie einfach nur angesehen hatte, war die Last der vergangenen Jahre von ihr abgefallen. Es hatte nur noch ihn gegeben, und die Tatsache, das er wieder bei ihr war.

Nie wieder wollte Shae von ihm getrennt sein. Ihre lange Trennung war hart genug gewesen, sowohl für sie, wie auch für ihn. So etwas sollte nie mehr geschehen. Sie gehörten zusammen. Das hatten sie schon immer. Und er war es wert gewesen … die Trennung, das lange Warten, alles, was sie durchgemacht hatte … Arthur war es wert gewesen, das sie all das auf sich genommen hatte. Sie wäre ihm gefolgt, egal, für welche Heimat er sich auch entschieden hätte. Sogar nach Rom wäre sie mit ihm gegangen, obwohl sie dieser Macht nichts anderes als Verachtung entgegen bringen konnte. Stattdessen hatte er Britannien den Frieden gebracht … für sie, für ihre Familie, als Zeichen seiner Liebe, die er für sie empfand. Arthur war zum Hoffnungsschimmer für diese Insel geworden. Das britannische Volk vertraute ihm. Etwas anderes hatte Shae jedoch nicht erwartet. Er hatte eine unglaubliche Wirkung auf sein Umfeld. Das wusste sie aus eigener Erfahrung. Ihr war jedoch klar, das er niemals jemanden so tief berührt hatte wie sie. Sie hatte er in sein Herz schauen lassen. Diese Ehre hatte nur ihr alleine gehört. Ebenso wie ihr sein Herz, seine Seele, sein ganzes Leben gehörte. Auf dieselbe Art und Weise gehörte auch sie ihm.


Shae lächelte warm, als er ihr sanft die Tränen aus dem Gesicht strich. Er schenkte ihr ein liebesvolles Lächeln. Es rührte Arthur, das sie wegen ihrer Heirat so bewegt war. Doch sie hatte sich diesen Schritt, den wertvollen Schritt zur Ehe, verdient. Ebenso wie er. Sie waren an ihrem Ziel angekommen. Der Blick, den er ihr zuwarf, sprach Bände. Seine Augen erzählten ihr, wie sehr er sie liebte, das sie der Mittelpunkt seines Lebens war. Und daran würde sich nie etwas ändern. Sie ist einfach umwerfend, dachte er, während sein Blick noch immer auf ihr lag. Seine Gefühle verleiteten ihn nun einmal zu solchen Gedanken. Ja, Shae war die Frau, mit der er alt werden wollte, die er jeden Tag an seiner Seite wissen wollte, die ein Teil von ihm war.

Mann und Frau.

König und Königin.

Das war es, was Janus verkündete. Mit einem breiten Lächeln betrachtete er das Paar vor sich. Der Jubel des Volkes setzte wieder ein. Sie applaudierten. Auch Arthurs Ritter taten es. Freudestrahlend blickte Gabriel zu seinen Eltern hoch. Mit einem einzigen Schritt überbrückte Arthur die kurze Distanz zu Shae und zog sie in seine Arme. Zärtlich verschloss er ihren Mund mit seinem. Der Jubel wurde stärker, doch das kümmerte Arthur nicht. Er musste sie einfach küssen. Er konnte sich nicht zurückhalten. Und warum sollte er das auch machen? Nur weil sie das Königspaar von Britannien waren? Nein, das konnte niemand von ihm erwarten. Dafür liebte er sie viel zu sehr. Arthur konnte nicht die Finger von ihr lassen. Er brauchte sie wie die Luft zum atmen. Dieser eine Kuss erzählte den Menschen alles über seine Gefühle, über die Gefühle, die sie füreinander empfanden.

Der Kuss besiegelte ihre Ehe, ihre Liebe, ihr gemeinsames Leben …


~ Epilog ~
Die Geschichte meiner Eltern

[ 30 Jahre später ]

Wild jagte das Pferd über die Hügel. Gabriel ließ ihm völlig freie Hand. Die Landschaften zogen an ihm vorbei. Er mochte den Wind in seinem Gesicht, mochte das Gefühl der Freiheit, die er bei einem solchen Ritt empfand. Nur auf seinem Pferd fühlte er sich wirklich frei. Und diese Ausritte ließ er sich von niemandem nehmen. Sie gehörte ganz alleine ihm. Das war die Zeit, die er für sich einfach brauchte, und auf die er auch bestand, um sie wahrnehmen zu können. Auf seinem Pferd war er nicht Gabriel Arthur, der Anführer, da war er nicht der König von Britannien, der Sohn des großen Arthorius Castus, sondern einfach nur Gabriel, der stolze Mann, der seine Freiheit liebte.

Auf der höchsten Spitze des Hügels zügelte er sein Pferd und blickte in das Tal hinab. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht. Hier oben hatte er gestanden, damals als Kind, als sein Vater sie nach Camelot geholt hatte. Von genau diesem Punkt hatte er hinab geblickt auf die weiße Stadt, die zu seiner Heimat geworden war, zu einem zu Hause für seine Mutter und ihn. Ein leiser Seufzer entrang sich seiner Kehle, wenn er daran zurück dachte. Er erinnerte sich gerne daran, an den Tag, als sein Vater in ihr Dorf gekommen war, als er zu seiner Mutter zurück gekehrt war. Sie war so glücklich gewesen. Diese überschwängliche Freude, die sie gezeigt hatte, hatte Gabriel erzählt, das dies ein ganz besonderer Mann war, der da in ihrem Dorf aufgetaucht war.

Camelot.

Inzwischen war die weiße Stadt fertig gestellt. Sie war zu jenem Symbol geworden, das sein Vater sich immer gewünscht hatte. Ein Symbol der Einigkeit. Ja, zu dem war sie geworden. Gabriel bemühte sich, all das aufrecht zu erhalten, das sein Vater begonnen hatte. Er führte dessen Werk fort. Und laut dem alten Mann an seiner Seite, der ihm mit seinen Ratschlägen noch immer auf die Nerven ging, gelang ihm das sehr gut. Sein Berater … Lancelot, der beste Freund seines Vaters, der ihn unterstützte, nach wie vor. Manchmal allerdings übertrieb er damit. Er sah in ihm wohl noch immer den kleinen Jungen, den er mit seinen abenteuerlichen Geschichten hatte begeistern können. Dabei vergaß Lancelot gerne einmal, das er längst ein erwachsener Mann war. Aber Gabriel nahm es ihm nicht übel. Lancelot war sein wichtigster Berater, auch wenn die langen Besprechungen langsam zu anstrengend für ihn wurden. Schließlich war Lancelot nicht mehr der Jüngste. Von den Rittern seines Vaters war ihm allerdings nur er geblieben.

Sie alle waren im Laufe der letzten Jahre gestorben. Entweder in einer der wenigen Schlachten, denen sie sich hatten stellen müssen, um Britannien zu schützen, um zu verhindern, das eine fremde Macht über die Insel herfiel. Einige hatten es probiert. Sie waren alle gescheitert. Sie waren alle zurück getrieben worden. Aber Lancelot … der lebte noch. Zwar war er im Alter ein ziemlicher Brummbär geworden, was wohl daran lag, das er mit mancher Entscheidung von Gabriel nicht einverstanden gewesen war, aber er stand ihm noch zur Seite. Wieder stahl sich ein Lächeln auf Gabriels Gesicht. Was würde er nur ohne Lancelot tun? Er wusste es nicht. Er brauchte ihn einfach. Als Freund und als Berater.

Gabriels Aufmerksamkeit wurde auf eine schlanke Gestalt gelenkt, die auf der Stadtmauer auftauchte. Selbst über die Entfernung hinweg konnte er ihren Blick auf sich spüren. Sein Lächeln wurde um eine Spur weicher. „Keelia“, flüsterte er andächtig. Ein Glänzen trat in seine Augen. Früher hatte er sich immer gefragt, woher denn diese tiefe Liebe kam, die im Blick seines Vaters erkannte, sobald seine Mutter in dessen Nähe gewesen war. Heute kannte er die Antwort. Heute verstand er. Sie war seine Liebe, Keelia, das hübscheste Mädchen der Stadt, Lancelots und Mayelles Tochter. Vor einem Jahr war genau diese verstorben. Es war eine schwere Zeit für Keelia gewesen, aber besonders für ihren Vater. Lancelot vermisste seine Frau entsetzlich. Mayelle fehlte ihm an den Tag, den er ohne sie verbringen musste. Doch er hielt sich gut. Er kämpfte darum. Seiner Tochter zuliebe.

„Lass uns nach Hause reiten“, flüsterte Gabriel seinem Hengst zu. Es war, als würde sein Tier seine Worte verstehen, und preschte davon. Der Wind streichelte durch sein dunkles Haar. Manchmal erschreckte es die Menschen sogar ein wenig, wie ähnlich Gabriel seinem Vater sah. Lancelot sagte immer, er wäre dessen Ebenbild. Gabriel schlug völlig nach Arthur … mit seinen Augen, seinem Lächeln, seinem Charakter und Wesen. Und er war stolz darauf. Sein Vater hatte soviel getan für dieses Land. Er hatte soviel getan für seine Mutter. Sie hatten ein glückliches Leben miteinander geführt. Gabriel wurde nie müde, seinen beiden Schwestern zu erzählen, wie sich Arthur und Shae begegnet waren, wie ihre Liebe begonnen hatte. Ihr Leben war erfüllt gewesen von Liebe und Glück. Seine Mutter hatte das Leben geführt, das er sich immer für sie gewünscht hatte. Dieses glückliche Leben hatte sein Vater ihr ermöglicht. Und ein solches Leben würde er, Gabriel, auch Keelia schenken. Das hatte er sich fest vorgenommen.


Keelia erwartete ihn bereits, als er von seinem Ausflug zurück kam. Lächelnd stand sie an den Stufen vor jenen Turm, genau an der Stelle, wo einst seine Eltern geheiratet hatten, und blickte ihm entgegen. An genau dieser Stelle würden schon sehr bald sie beide stehen und sich ebenfalls vermählen. „Du kommst früh nach Hause“, stellte sie fest. Gabriel brachte seinen Hengst zum stehen und schwang sich aus dem Sattel. „Ich habe dich auf der Mauer gesehen. Meine Sehnsucht nach dir trieb mich nach Hause“, erklärte er und küsste sie zärtlich. „Ihr seit unverbesserlich, mein König“, flüsterte sie amüsiert. „Ich weiß. Und genau das liebst du so sehr an mir“, gab er lachend zurück. Keelia schmiegte sich in seinen Arm, ließ sich vertrauensvoll in die Umarmung fallen, die er ihr zukommen ließ. Für einen langen Augenblick standen sie einfach nur da und genossen ihr Beisammensein.

„Du weißt, welcher Tag heute ist, oder?“ erkundigte sie sich. Bejahend nickte Gabriel. „Begleitest du mich, wenn ich sie besuche?“ „Natürlich.“ Gabriel griff nach ihrer Hand und umschlang diese sanft mit seiner. Gemeinsam gingen sie den Weg entlang, der hinter die Türme führte, in denen die Gemächer des Königs lagen. Nach wenigen Schritten um das Gebäude herum erhob sich ein mächtiger Grabstein. Es war nicht irgendein Grab. Arthur hatte es errichten lassen, nachdem Shae vor vier Jahren gestorben war. Nun lag sein Vater neben der Frau, die er mehr geliebt hatte als alles andere auf der Welt, eine Frau, die ihm wichtiger gewesen war als sein eigenes Leben. Er war ihr schon bald in den Tod gefolgt. Ein halbes Jahr nach ihrem Tod war auch Gabriels Vater verstorben. Sein Hofarzt sagte, der König hätte einen Herzanfall erlitten, den er nicht überlebt hatte. Doch Gabriel wusste es besser.

Sein Vater war an einem gebrochenen Herzen gestorben. Der Tod seiner Frau hatte ihn verzweifeln lassen. Der Schmerz um ihren Verlust war viel zu schlimm für ihn gewesen, als das er ihn jemals hätte ertragen können. Gabriel hatte gesehen, wie es ihn gequält hatte. Sein Vater war jeden Tag für Stunden an ihrem Grab gewesen, hatte mit ihr geredet, oder hatte einfach nur da gestanden und auf den Grabstein gestarrt. Ihr Verlust hatte auch sein Ende bedeutet. Er hatte es ihm einmal gesagt. Ein Leben ohne Shae wäre nicht möglich für ihn. Er könnte ohne sie nicht leben. Er hatte Recht behalten. Nun waren sie wieder zusammen. Selbst der Tod konnte sie auf Dauer nicht trennen. Sie waren auch im Tod vereint. So wie es sein sollte. Denn sie gehörten zusammen.


Gabriel und Keelia waren beim Grab des alten Königspaars angekommen. Ein warmes Lächeln bemächtigte sich Gabriel, wie immer, wenn er hier war. Er sollte traurig sein, ja, das war er auch, schließlich hatte er seine Eltern verloren, doch er wusste, das sie zusammen waren. Im nachhinein hatte Gabriel etwas in den Grab eingravieren lassen, ein Schriftzug, der ihnen würdig war. Und jedes Jahr, wenn sie zum ihren Todestagen, heute war es der seines Vaters, vor dem Grabstein standen, las Keelia mit sanfter Stimme die Inschrift vor. „Ihre Liebe ist für die Ewigkeit bestimmt.“ „Es ist die Wahrheit. Nichts und niemand konnte sie jemals trennen. Sie liebten sich bis zu ihrem letzten Tag. Und sie werden es über den Tod hinaus tun“, erklärte Gabriel mit ernster Stimme.

Nach dem Tod seines Vaters war Gabriel zum König ernannt worden. Er nahm seine Pflichten sehr ernst. Er ging den Weg weiter, den sein Vater begonnen hatte, zu gehen. Trotzdem vergaß Gabriel niemals, die Erinnerung an Arthur lebendig zu halten. Es war ihm wichtig, das er nicht vergessen wurde, das, was er für Britannien getan hatte, was er geleistet hatte. Gabriel spürte, wie Keelia ihm einen Kuss auf die Wange hauchte. Schweigend ging sie davon. Sie fühlte, das er etwas Zeit für sich und seine Eltern brauchte … alleine. Und sie respektierte seinen unausgesprochenen Wunsch. Sie verstand ihn einfach, konnte in sein Herz, seine Seele, blicken, wusste, was er gerade dachte, ohne das er es laut aussprach. Keelia war eben ein Teil von ihm. So wie seine Mutter dies für seinen Vater gewesen war.

„Ich hoffe, es geht euch gut. Ich weiß, du siehst auf mich herab, Vater. Britannien ist bei mir in guten Händen. Ich führe dein Werk fort. Die Menschen hier vermissen dich. Und sie vermissen ihre Königin“, sprach er leise. „Ich vermisse euch auch sehr. Ebenso wie meine Schwestern. Aber wir wissen, ihr seit glücklich, dort, wo auch immer ihr jetzt seit. Schließlich seit ihr zusammen.“ Ein leiser Seufzer entrang sich seiner Kehle. Ja, sie fehlten ihm. Er vermisste die Abende mit seinem Vater, an denen er mit ihm vor dem Kamin gesessen und einfach nur geredet hatte, über Politik, über vergangene Schlachten, oder einfach nur über die Liebe. Sie hatten das oft getan. Sich nach dem Essen an den Kamin zurück gezogen, um einfach wie Vater und Sohn sich zu unterhalten. Auch fehlte es ihm, das seine Mutter ihm liebevoll durch das Haar strich, ihn beobachtete, wenn er im Hof mit den Soldaten trainierte. Es waren die Kleinigkeiten, die einem bewusst wurden, wenn man sie nicht mehr hatte. In seinem Herzen jedoch würden sie weiter leben. Ihre elterliche Liebe zu ihm war geblieben. Er fühlte sie, spürte sie jeden einzelnen Tag, den er auf Camelot verbrachte.

Gabriel hörte ein leises Geräusch hinter sich und wandte den Kopf, um zu sehen, was die Ursache dafür war. Ein Junge, nicht älter als acht Jahre, blickte unsicher zu ihm auf. „Entschuldigung! Ich wollte Euch nicht stören, Euer Hoheit. Ich wollte nur … meine Mutter erzählte mir soviel über den alten König. Ich wollte das Grab besuchen“, stammelte er. Gabriel lächelte gutmütig. „Komm zu mir“, sprach er ruhig. „Mein Vater freut sich über jeden Besuch, den er erhält.“ Ein kleines Lächeln war auf dem Gesicht des Kindes zu sehen. Zögernd kam er näher, stellte sich neben den König, und betrachtete den Grabstein. „Es ist ein schönes Grab.“ „Ja, das ist es in der Tat. Mein Vater errichtete es zur Erinnerung an meine Mutter. Du musst wissen, er hat sie sehr geliebt. Er wollte auch im Tod nur ihr Bestes.“ „War die Liebe so groß zwischen ihnen?“ hakte der fremde Junge neugierig nach. Bejahend nickte Gabriel. Er ging in die Knie, um dem Jungen in die Augen sehen zu können.

„Willst du ihre Geschichte hören?“ „Würdet Ihr sie mir wirklich erzählen?“ stieß der Junge überrascht aus. Gabriel hob die Hand und strich ihm durch das Haar, so wie sein Vater das immer getan hatte, als er in diesen Alter gewesen war, und wie seine Mutter es immer getan hatte, obwohl er schon erwachsen gewesen war. „Natürlich erzähle ich sie dir.“ „Ja, ich würde die Geschichte gerne hören.“ „Ich erzähle sie dir, die Geschichte von Arthorius Castus und seiner große Liebe, meine Mutter Shae.“ Und genau das tat Gabriel. Er erzählte dem Jungen die Liebesgeschichte zweier Menschen, deren Liebe für die Ewigkeit vorgesehen war. Eine Liebe, so stark und intensiv, etwas so besonderes, das sie selbst den Tod überdauerte, eine tiefe Liebe, die ihre Herzen von der ersten Sekunde an miteinander verbunden hatte.

Er erzählte ihm die Geschichte seiner Eltern … die Geschichte von Arthur und Shae …

~ The End ~

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