Fire in My Blood
Author: Shendara
I
walked the avenue 'til my legs felt like stone -- Streets of Philadelphia, Bruce Springsteen --
Wortlos griff Vin nach Chris' Hand, als der Mann keinerlei Anstalten zeigte, das Haus von sich aus zu betreten. Er seufzte leise, als er Chris durch den dunklen Vorraum ins Wohnzimmer führte und ihn regelrecht auf der Couch absetzte. "Bleib hier, okay? Ich bin gleich zurück." Falls Chris ihn gehört hatte, gab er keinerlei Anzeichen dafür... Vin vermutete, dass Chris die Worte nicht einmal wahrgenommen hatte. "Wir schaffen das", flüsterte er leise, als er den Raum verließ, um Chris' Tabletten zu holen. Chris hatte vielleicht kein Wort gesagt, seitdem das Meeting im Büro beendet war, doch Vin kannte ihn gut genug, um die Zeichen für Migräne deuten zu können. Viel zu häufig in den letzten Monaten hatte er Chris durch Anfälle geholfen, die den Agenten oft für Tage außer Gefecht setzten - Geschenk ihres Jobs, der in den letzten Wochen viel zu sehr gegen Chris' Nerven und Gesundheit gearbeitet hatte. Angefangen hatte es mit dem Cross-Fall, der bald dafür sorgte, dass das "legendäre Larabee-Temperament", wie es in Fachkreisen genannt wurde, kurz vor der Explosion stand. Als zwei Wochen später sein Undercover-Agent, Ezra Standish, vor seinem Haus überfallen und krankenhausreif geprügelt wurde, konnte Vin die ersten Anzeichen von Verzweiflung entdecken. Und nach der heutigen, in mehr als nur einem Sinne, schiefgelaufenen Razzia in einem Lagerhaus? Vin wusste kein Wort mehr für den Zustand, in den der Tod einer Passantin Chris getrieben hatte. Ezra könnte ihm höchstwahrscheinlich aushelfen - doch der war mit gebrochenen Rippen noch für längere Zeit außer Dienst und wusste vermutlich noch nicht einmal, was heute geschehen war. Vin ertappte sich dabei, zu wünschen, dass Chris für längere Zeit beurlaubt wäre, als nur ein paar Tage, die er vermutlich mit der IA verbringen musste, um den Schuss zu erklären. "Chris?" Er seufzte leise, als seine Frage auch diesmal keine Reaktion erzielte, und setzte das Glas Wasser vor Chris auf den Tisch ab. "Nimm deine Tabletten und geh' dann ins Bett, okay?" Wieder kein Zeichen dafür, dass er gehört wurde, doch nach einer Minute griff Chris nach dem Medikament und spülte es mit dem Wasser hinunter - mehr, als Vin sich erhofft hatte, wenn er ehrlich war. "Schlafzimmer", befahl er sanft, und nachdem er Chris auf die Beine geholfen hatte, folgte der Mann ihm widerstandslos. Und genau das war es, was Vin derart Angst machte - dieser völlige Mangel an Eigeninitiative von Seiten Chris'. Seit sie vor über eine Stunde das ATF-Gebäude verlassen hatten, hatte Chris kein Wort mehr von sich gegeben, sich nur bewegt, wenn Vin es ihm gesagt und ihn dazu ermuntert hatte... alles, was auch nur entfernt mit bewussten Handlungen zu tun hatte, schien für Chris unmöglich zu sein. Seine Hoffnungen, Chris einfach in seinem Schlafzimmer abzusetzen und selbst nach einer wohlverdienten Dusche ins Gästebett zu fallen, zerschlugen sich eine halbe Stunde später, als Vin aus der Dusche kam und - einem inneren Instinkt folgend - noch einmal nach Chris sah. Keine Minute zu früh, wie sich herausstellte. Chris saß noch immer an der selben Stelle wie vorhin; den Kopf leicht gehoben starrte er mit ausdruckslosem Gesicht aus dem Fenster. Zum ersten Mal, seitdem dem er ihn kannte, konnte Vin nicht einmal ansatzweise deuten, was in Chris' Kopf vorging - zu weit war er von der Realität entfernt. Alle Gedanken an das Bett verschwanden, und mit einer schnellen Entschuldigung und dem Versprechen, gleich wieder zu kommen, verließ Vin den Raum, um im Rest des Hauses die Lichter abzuschalten und sich zu versichern, dass die Türen auch wirklich versperrt waren. Keine Chance, dass er Chris in diesem Zustand die Nacht über alleine ließ. Es war ungewohnt und etwas, das er noch nie zuvor gemacht hatte - trotzdem schaffte Vin es in weniger als zehn Minuten, Chris von Schuhen, Jeans und Hemd zu befreien... der Rest war egal. "Leg' dich hin", die leisen Worte, zusammen mit einer leichten Geste, die Chris in Richtung Matratze drückte, brachten Chris dazu, sich hinzulegen. Fast sofort rollte er sich auf die Seite, und zwar so, dass er durch das große Verandafenster wieder freien Blick auf die Berge hatte. Einige Minuten lang stand Vin schweigend und bewegungslos neben dem Bett, unsicher, was er jetzt tun sollte. Ein leises Seufzen von Chris nahm ihm die Entscheidung ab und mit einer schnellen Bewegung glitt er neben Chris unter die Decke und zog den anderen Mann in eine leichte Umarmung, noch bevor er darüber nachdenken konnte, was genau er da eigentlich tat. Erst war Vin sich nicht sicher, ob Chris seine Anwesenheit gespürt hatte, doch nach einiger Zeit entspannte er sich etwas und suchte etwas mehr Nähe zu Vin - für diesen Grund genug, seinen Halt um Chris zu verstärken. Kein Wort wurde gesprochen, als das Licht der Abenddämmerung der Nacht wich, und diese den Raum in fast vollständige Dunkelheit tauchte. Vin war kurz davor, den Kampf aufzugeben und sich dem Schlaf zu ergeben, als er Chris' leises "Danke" hörte. Er wartete ab, doch bald wurde klar, dass diesem einen Wort nichts mehr folgen würde, als Chris' Atemzüge tiefer und regelmäßiger wurden. "Jederzeit", flüsterte er sanft zurück. Einem plötzlichen Instinkt nachgebend presste Vin einen leichten Kuss gegen Chris' Nacken, bevor er seinen Kopf zurückfallen ließ und ebenfalls die Augen schloss.
|| Fiction || |